Hüter der Freude

Hüter der Freude
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Paul Leppin. Hüter der Freude

VORWORT

I. KAPITEL

II. KAPITEL

III. KAPITEL

IV. KAPITEL

V. KAPITEL

VI. KAPITEL

VII. KAPITEL

VIII. KAPITEL

IX. KAPITEL

X. KAPITEL

XI. KAPITEL

XII. KAPITEL

XIII. KAPITEL

XIV. KAPITEL

XV. KAPITEL

XVI. KAPITEL

XVII. KAPITEL

XVIII. KAPITEL

XIX. KAPITEL

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Der Regen wollte nicht aufhören. Lautlos, in langen, gestrichelten Ketten fiel er zur Erde und sammelte seichte, plätschernde Pfützen in der Mitte der Fahrbahn. Mitunter machte er eine Pause und indessen trocknete der Wind weiße Flecken auf dem Pflaster der Gehsteige aus. Aber dann begann er von neuem. Der Kandidat der Philosophie Gaudentius Sturmfenster saß hinter einer der großen Glastafeln des Café Portugal und hatte eben sein Fruchteis ausgelöffelt. In seinem schlittern Kinnbart waren ein paar Brocken der Waffeln hängen geblieben, deren letzte Reste er jetzt zwischen den Fingern zerbrach. Seine wasserblauen Augen waren weit aufgerissen und starrten auf die Straße hinaus. Gegenüber war der Nordwestbahnhof. Die Droschkengäule vor dem Portal standen geduldig in der Nässe, und die roten Gesichter der Kutscher blickten vergnügt in das Wetter. Die Frauen, die draußen vorbeihasteten und mit dem Schirm das Gesicht verdeckten, rafften die Röcke und wichen behutsam den Kotlachen aus. Sturmfenster sah wohlgeformte Waden über feinen Knöcheln und sein Gesicht bekam allmählich einen merkwürdig gespannten Ausdruck. Er schüttelte eine Zigarette aus dem Papiersack, der vor ihm zwischen Zeitungen und Kuchenteilern auf dem Tische lag, und zündete sie umständlich an.

Es war seltsam, wie dieser Frühjahrsregen ihn erregte. Schon als Kind war er seinem warmen, einlullenden Zauber unterlegen. Er gedachte noch genau der Spiele, die er an solchen Tagen, wenn die Kinder wegen der Witterung nicht in den kleinen Garten hinter dem Hofe durften, in den Stiegengängen des Elternhauses mit den Nachbarsmädchen spielte. Eine verlegene Scheu hatte ihn überkommen, wenn sich ihnen im Eifer die kurzen Röckchen über die Knie schoben und darunter die kindliche Wäsche zum Vorschein kam. Sturmfenster schloß die Augen und ließ die Erinnerung an sich heran. Während der Schulzeit hatte er viel durch diese Dinge gelitten. Von dem Tage an, wo sein älterer Bruder den sechsjährigen Buben über die Verschiedenheit der Geschlechter belehrte, war es mit der Glückseligkeit vorbei. Die Welt, die ihm früher täglich bunte Bilder bot, nach denen er töricht haschte, war verwandelt. Männlein und Weiblein liefen jetzt darin herum und betrachteten einander mit sonderbaren Augen. Frühzeitig wurde in dem Kinde eine Bangnis lebendig, ein unruhiges Wünschen, das später Form und Richtung erhielt und ihn beinah erstickte. Die Not seiner Knabenzeit, die er in tötlicher Scham vor den anderen versteckte, mit der er ratlos in unendlicher Erschöpfung kämpfte, war grenzenlos. Es blieb ihm Unverstand lieh, wie seine Mitschüler untereinander ihre Gefühle sachlich erörtern konnten und mit welcher Leichtigkeit sie auch sonst damit umsprangen. In den Jahrgängen des Gymnasiums, in denen es in Mode kam, lief er mit den übrigen Kameraden nach Schluß des Unterrichtes den Mädchen nach, die das nahe Lyzeum besuchten. Im Winter war es schon finster, und einmal nahm er allen Mut zusammen und sprach in einer menschenleeren Seitengasse eine an, die ihm besonders gefiel, der das Blondhaar noch in Zöpfen über den Rücken hing und die bei der eiligen Flucht vor ihrem Verfolger ihre schönen, schlanken Beine zeigte. Er begleitete sie dann auch ein Stück Wegs bis in die Nähe ihres Hauses und sie sprachen einige mühsam erklügelte Sätze. Zum Abschied gaben sie einander nicht einmal die Hand. Da waren die anderen fürwahr doch bessere Kerle. Die lachten und schwatzten mit den Mädeln, daß es eine Lust war, und faßten sie auch manchmal recht tüchtig an und küßten sie, wenn gerade niemand dabei war. Die Mädchen hielten still und ließen sich's gefallen. Für Sturmfenster wäre das ein unirdisches Glück gewesen, das ihn schon aus der Ferne betäubte.

.....

Ich habe Geld – knurrte er mit rotem Kopfe und wälzte die Augäpfel in den Höhlen. Sein dünner Bart sträubte sich giftig und er sah wie ein borstiger Kater drein.

Frau Nowotny hatte ihre Laune wiedergefunden. Sie nahm den Hut ab und nestelte an ihren strähnigen, ein bischen wüsten Haaren.

.....

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