Die Moral des Hotels: Tischgespräche

Die Moral des Hotels: Tischgespräche
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"Die Moral des Hotels: Tischgespräche" von Paul Vehling. Veröffentlicht von Good Press. Good Press ist Herausgeber einer breiten Büchervielfalt mit Titeln jeden Genres. Von bekannten Klassikern, Belletristik und Sachbüchern bis hin zu in Vergessenheit geratenen bzw. noch unentdeckten Werken der grenzüberschreitenden Literatur, bringen wir Bücher heraus, die man gelesen haben muss. Jede eBook-Ausgabe von Good Press wurde sorgfältig bearbeitet und formatiert, um das Leseerlebnis für alle eReader und Geräte zu verbessern. Unser Ziel ist es, benutzerfreundliche eBooks auf den Markt zu bringen, die für jeden in hochwertigem digitalem Format zugänglich sind.

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Paul Vehling. Die Moral des Hotels: Tischgespräche

Die Moral des Hotels: Tischgespräche

Inhaltsverzeichnis

VORWORT

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

NACHWORT

Отрывок из книги

Paul Vehling

Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2021

.....

Dennoch oder gerade darum, so wie er heute ist, bleibt der Kellner aber ein ganz interessantes Thema. Und während wir hier auf den unsrigen warten, wollen wir nicht gleich schimpfen, wenn unsere Geduld etwas auf die Probe gestellt wird, sondern wir wollen einmal betrachten, was seine Arbeit ist und warum er uns oft so lange warten läßt. Das ist tatsächlich ein großes Gebiet. Zuviel für einen Tag. Vor allem müßten wir uns mit der Gastwirtsindustrie bekannt machen. Zu diesem Zwecke müßten wir, wie gesagt, sehr weit in die Geschichte zurückgreifen. Denn die Geschichte unserer Väter und Vorväter steht an den Wänden der Gaststuben geschrieben. Oft viel besser als in dicken Büchern. Wenn Sie mir folgen wollen, so werden Sie sehen, wie wenig sich die Menschheit eigentlich seit ihren frühesten Dokumenten bis auf unsere Tage innerlich verändert hat. Die äußeren Umstände sind freilich andere geworden. Sie werden sehen, wie sich aus der schönen, vielgepriesenen alten Gastfreundschaft eine Industrie großartigsten Stils entwickelte, die notwendige Folge des wachsenden Verkehrs der Völker untereinander.

Gastfreundschaft. Was ist, oder besser, was war Gastfreundschaft eigentlich? Einem Wanderer in alter Zeit, der ermattet, bestaubt von fernher kam und beim Sonnenuntergang an eine fremde Haustür anklopfte, wurde aufgetan. Man empfing ihn freundlich, nahm ihn ins Haus auf, wusch ihm die Füße, salbte sie, brachte ihm Salz und Brot, lud ihn zu Tisch, bereitete das beste Bett für den Müden. Das war Gastfreundschaft. Diese Sitte ist heutzutage fast nur noch dem Namen nach bekannt, ausgenommen bei einigen patriarchalisch lebenden Völkern des Orients. Daher wird sie auch allenthalben als eine große Tugend gepriesen. Wir sind aber immer zu leicht verführt, etwas schön und freundlich Aussehendes zu hoch zu schätzen. Wenn die Menschen sich gegenseitig etwas Gutes antun, so treibt sie gewöhnlich kleines persönliches Profitchen dazu an. Ganz leer will der Wohltäter nie ausgehen. Welchen Zweck verfolgen die Menschen, wenn sie sich in den Haaren liegen, sich gegenseitig bekämpfen? – Nur derjenige, der sich gar nicht mit den Menschen abgibt, ist der ganz Selbstlose. Sind wir moderne Menschen, die wir einem armen einlaßbegehrenden Wandersmann höflich aber kühl die Türe vor die Nase schlagen, etwa weniger tugendhaft als die Braven vor Jahrtausenden, die sich gegenseitig mit dem größten Vergnügen bewirteten? Ich hoffe nicht. Die Zeiten haben sich nur geändert. Wir besitzen statt der Gastfreundschaft eben eine andere »Tugend«, ein Äquivalent. Die Geschichte beweist dies. Zu früheren Zeiten wanderte man nicht so viel wie heutzutage. Es war beschwerlich und gefahrvoll. Die Menschen waren selten. Drum kam auch nur selten ein Wandersmann an die Haustür und begehrte Unterkunft. Man freute sich jedesmal von ganzem Herzen, einen Fremdling zu sehen und aufnehmen zu können. Dies Gefühl hat sich bis auf unsere Tage erhalten. Denn wenn man mit jemand gut Freund bleiben will, so darf man sich nicht zu häufig bei ihm blicken lassen. Dies scheint auch das Geheimnis der meisten Ehemiseren zu sein. Man darf daher die alten Völker ihrer edlen Gastfreundschaft wegen nicht allzu hoch preisen. Der fremde Gast war wirklich einmal eine angenehme Abwechslung in der stillen Eintönigkeit ihres Lebens. Besonders wenn er wohlhabend aussah. Er wurde staunend von oben bis unten betrachtet. Sein Felleisen war der Gegenstand stiller, aber allgemeiner Bewunderung. Man war auf die Geschenke gespannt. Selbst dem weniger selbstsüchtigen Gastgeber hatte der Wandersmann allerhand zu bieten. Er konnte die spannendsten Geschichten, die schönsten Abenteuer, die letzten Neuigkeiten aus fernen Landen erzählen. Zu einer Zeit, da es noch keine Zeitungen gab, war ein solcher Mensch daher jedem willkommen. So baut sich also die sogenannte Tugend der Gastfreundschaft auf der sogenannten Untugend der Neugier auf. Die Neugier hieß damals den Wandersmann willkommen. Man profitierte von ihm, wie man heute von ihm Nutzen zieht. Darum begleitete der freundliche, stolze Hausvater seinen Fremdling am nächsten Morgen beim Sonnenaufgang und zeigte ihm seinen Weg. Wenn der Reisende sicher war, daß er die richtige Fährte gefunden und das Ziel des Tages nicht mehr verfehlen konnte, so schüttelten beide die Hände, dankten einander für das Vergnügen und gingen, – der Hausvater zurück, der Wandersmann voraus.

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