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Do it like the Kaiser

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Rolf-Ulrich Kaiser, der „Godfather of Kraut“ (WDR) ist wohl die mythischste unter all den mythischen Gestalten der Musik aus Deutschland der 1970'er Jahre und schon deshalb lohnt es sich, über ihn nachzudenken.

Schon der Name ist irrwitzig. Für Deutsche wie ich, die in den 1970ern geboren sind strahlt er etwas heimeliges aus, „Herr Kaiser“ von der Hamburg-Mannheimer könnte diesen Namen tragen. Die Vorstellung, dass ein Mensch namens „Rolf-Ulrich Kaiser“ etwas künstlerisch Bedeutsames zuwege bringen könnte scheint lachhaft. Und doch war es so.

Schon gleich am Anfang eine Klarstellung: Wer auch immer das Wort „Krautrock“ in die Welt gesetzt hat, verdient immerwährendes Fegefeuer – und weil inzwischen die ganze Welt so denkt, findet sich auch niemand, der die Verantwortung übernehmen will. In diesem Buch wird es somit in diesem Absatz zum zweiten und letzten Mal verwendet.

Ich tue dieses Nachdenken in einer Zeit, in der angeblich die Welt aus den Fugen ist. Gewissheiten, die bisher galten, gelten nicht mehr und der Pessimismus ist allgegenwärtig. Wir sehen mit Brexit und Donald Trump die angeblich so pragmatischen angelsächsischen Länder sich munter selbst ihre eigene Grube graben.

Wir verfolgen atemlos den Aufstieg und hoffentlich den baldigen Niedergang des IS im „Zeitalter des Zorns“. Der Kapitalismus ist am Ende - oder steht er doch nur kurz vor seiner Wiederauferstehung? Wir leben in einer Zeit, in der die besten Köpfe dazu benutzt werden, ihre Mitmenschen dazu zu bringen auf Werbebanner zu klicken. Es ist eine Zeit der „Psychopolitik“, in der die Menschen nicht mehr überwacht müssen, weil sie sich selbst überwachen. Wir sehen Eric Schmidts breites Grinsen, als er uns als Evangelist des Silicon Valley verkündet:

„Diese Jugend lernt ja nichts anderes als das Internet denken, durch das Internet handeln. Und wenn nun dieser Knabe und dieses Mädchen mit ihren zehn Jahren ihr erstes Smartphone bekommen und dort oft zum ersten Mal überhaupt eine frische Luft bekommen und fühlen, dann kommen sie vier Jahre später zu Facebook, und dort behalten wir sie wieder vier Jahre, und dann geben wir sie erst recht nicht zurück in die Hände unserer alten Klassen- und Standeserzeuger, sondern dann nehmen wir sie sofort auf Google Plus und erziehen sie mit Google Maps

Und wenn die dort zwei Jahre oder anderthalb Jahre sind und noch nicht ganze Internetjünger geworden sein sollten, dann bringen wir sie dazu noch mehr unsere Dienste zu benutzen und sie werden dort wiederum sechs und sieben Monate geschliffen...

Und was dann nach sechs oder sieben Monaten noch an Freiheitsdenken oder Standesdünkel da oder da noch vorhanden sein sollte, das übernimmt dann Alexa oder Google Home. Und wenn sie dann nach zwei oder drei oder vier Jahren zurückkehren, dann nehmen wir sie, damit sie auf deinen Fall rückfällig werden, sofort wieder in Linkedin auf und so weiter... Und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben und die sind glücklich dabei.“

Es scheint mir bedeutsam, dass am Ende doch im „Zeitalter des Zorn“ (Midraj), in der „Smarten neuen Welt“ (Morozov) oder der „Psychopolitik“ (Kim) so oft Max Webers „stahlhartes Gehäuse“ zitiert wird, als ob am Ende der Mensch nur die Wahl des „Fressens oder Gefressen Werdens hat“

Glaubt man all diesem, so sind die Aussichten eher freudlos:

Entweder man ist dazu bestimmt, in einem fremdbestimmten Angestelltendasein vor sich hin zu vegetieren, in dem auch noch die geringste Aktion aufgezeichnet wird, um im Zweifel gegen einen verwendet zu werden. Wo aus der Geschwindigkeit mit der man eine Maus bewegt abgeleitet wird, ob man gut geschlafen hat. Wo eine Kamera das Augenblinzeln im Auto überwacht und wehe man blinzelt zu oft! Wo man eher Handlanger des Computers ist als umgekehrt.

Oder man endet als jemand, der anderen Schlechtes antut. Sei es dass er zum brutalen Kapitalisten wird und einen Hedge-Fonds leitet oder ein Startup - in dem nur vordergründig die Welt zu einem besseren Ort gemacht wird, in Wahrheit geht es ums Geschäft und das schließt totale Überwachung mit ein. Die Geschichte von WhatsApp dient als warnendes Beispiel.

Oder sei es, dass man als Mörder endet, wahlweise als IS-Kämpfer oder als ein westliches Analogon wie McVeigh oder Breivik.

Ist dem so? Gibt es nicht noch andere Möglichkeiten?

Rolf-Ulrich Kaiser zeigt auf, dass es vor gar nicht langer Zeit noch eine weitere Möglichkeit zu geben schien und zwar die, sich über die Dinge einfach hinwegzusetzen. Das musste vielleicht in der Katastrophe enden, aber vielleicht war dies nicht zwangsläufig – es hätte auch gut ausgehen können. Und vielleicht gibt es solche Möglichkeiten auch heute noch ?!?

Natürlich ist hier ein bisschen Wehmut dabei, sogar ein großer Schuss „Phantom-Wehmut“, denn mein Jahrgang ist 1972 und ich kenne somit die Umstände nur vom Hörensagen. Das Psychedelischste, was meine Eltern im Plattenschrank hatten, war der Soundtrack zu „Yellow Submarine“ der Beatles.

Zum ersten Mal hörte ich von Rolf-Ulrich Kaiser im inzwischen legendären Buch „Krautrocksampler“ von Julian Cope, in dem ihm ein ganzes Kapitel gewidmet ist. Ich kaufte mir dieses Buch „einfach so“, ohne dass ich von der besprochenen Musik wirklich eine Ahnung gehabt hätte, wie auch. Im deutschen Feuilleton - wir werden noch dazu kommen müssen, leider – war lange Jahre deutsche Rockmusik der damaligen Zeit das ungeliebte Kind. Man verehrte David Bowie, ohne zu wissen, woher er seine Ideen hatte. Man schrieb lieber lange Elogen auf Radiohead -aber als Thom Yorke die Neuveröffentlichung von „NEU!“ als „eine Quelle puren Glücks“ bezeichnete, wussten, die wenigsten Journalisten in Deutschland damit etwas anzufangen. Erst in den allerletzten Jahren wird sich Deutschland bewusst, was es da für einen Schatz besessen hatte – leider für viele Künstler wie Klaus Dinger zu spät...

Das zweite Mal begegnete ich Rolf-Ulrich Kaiser – in Lebensgröße (!) – im Tokyo Tower. Ungelogen. Denn dort gab es in den Neunzigern ein Wachsfigurenkabinett, in dem ausschließlich progressive, meist deutsche Musiker ausgestellt wurden. An diesem Ort, weit weg von zuhaus, einen ganzen Raum zu sehen, in dem die von Kaiser organisierte Musik gefeiert wurde, schien mir surreal, ähnlich wie in einem Roman von Thomas Pynchon, in dem die geheimen Organisationen immer wieder an den ungewöhnlichsten Orten auftauchten. Leider gibt es dieses Wachsfigurenkabinett heute nicht mehr, angeblich stehen die Figuren in irgendeiner Lagerhalle und warten auf einen neuen Platz, der ihrer würdig ist.

Ein Problem war allerdings, dass ich zu diesem Zeitpunkt die betreffende Musik nicht hören konnte, denn Streamingseiten oder „Youtube“ im Internet gab es damals noch nicht – ich war schon stolz, dass ich über die Uni eine Emailadresse besass, mit der ich Mails, die natürlich nur aus Text bestanden, verschicken konnte. Ich konnte somit den Kaiser sehen – die Musik dahinter hören war unmöglich. Somit war es wohl kein Wunder, dass Rolf-Ulrich Kaiser in meiner Wahrnehmung dann langsam verblasste, bis fast zwanzig Jahre später ich aus einer Laune heraus beschloss, „Future Days“ von David Stubbs zu kaufen, eines der besten Bücher über die deutsche Rockmusik der damaligen Zeit. Dies führe dann dazu, mich erneut mit Kaiser zu beschäftigen und vor allem die Musik dahinter auch zu hören.

Bei allem Negativen, was man über das Internet sagen kann, insbesondere den irreversiblen Schaden, den es der Musikindustrie beschert hat - die Funktion von Youtube und ähnlichen Seiten als Bewahrer von Musik kann nicht überschätzt werden. Zuvor war es so, dass wenn in den einschlägigen Plattenläden eine Platte oder CD nicht verfügbar war, es diese einfach nicht gab. Natürlich hätte man per Mail-Order diese sich beschaffen können, aber wer kauft schon die Katze im Sack? Falls man eine „Cosmic-Jokers“-Platte hätte kaufen können – schon in den Neunzigern kosteten sie mehr als zweihundert Mark...

Teilweise waren entsprechende Veröffentlichungen auch gar nicht verfügbar. Ich erinnere mich noch, wie ich in einem CD-Laden in einem Kaufhaus in Madrid die ersten beiden Kraftwerk-Platten auf CD gesehen hatte – aber aus irgendwelchen Gründen diese nicht sofort kaufte, wahrscheinlich, weil ich dachte, daheim in Deutschland wären diese bestimmt auch zu kaufen und ich hatte eh schon genug Gepäck dabei. Dem war aber nicht so und ich ärgerte mich sehr. Wenn dies sogar für eine weltweit berühmte Band wie „Kraftwerk“ galt, so sollte dies für die Veröffentlichungen der „Cosmic Jokers“ umso mehr gelten. Diese waren einfach nicht zu beschaffen, es sei denn, man verwendete viel Zeit darauf, sie – ähnlich archäologischen Expeditionen – in entlegenen Orten zu finden. Natürlich förderte all dies die Entstehung von Subkulturen, in denen Adepten, Alchemisten ähnlich, die Kenntnisse nur Eingeweihten weitergeben, für jemand, der weder die Zeit noch die Muße hat, in die entsprechende Szene einzutauchen bedeutet dies, dass ihm die betreffende Musik unbekannt bleiben wird und er weiterhin David Bowie oder Brian Eno für bedeutend hält, ohne zu wissen, dass diese sich schamlos bei anderen bedient haben.

Das obige Wort „organisiert“ ist übrigens mit Bedacht gewählt, denn Kaiser war kein Musiker. Im Gegenteil, Kaiser war komplett unmusikalisch. Kaiser kam von einer anderen Seite, der literarischen, und er war nicht so sehr auf der Suche nach neuer Musik, sondern nach „Gegenkultur“ - und die erhoffte er sich mit Musik zu schaffen.

Eine Frage, die ich in diesem Buch immer wieder stellen werde, ist: Würde er heute dann immer noch Musik machen? Ich denke nicht, er würde Computer programmieren. Dazu später mehr.

Nachdenken über Rolf-Ulrich Kaiser

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