Dorfjunge
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Paul Keller, in Schlesien aufgewachsen, war Dorfjunge durch und durch. Seine zwölf Anekdoten und Geschichten erzählen von einem bäuerlich geprägten Landstrich, dessen Bewohner trotz bitterer Armut ihr barockes Lebensgefühl und die Verbundenheit zur Heimat nie verlieren. Kellers Großvater ist ein Mensch voller Humor und Bescheidenheit. Fünf Enkelkinder muss er in seinem Haus großziehen, weil die Kinder versterben. Trotzdem geht ihm der Sinn fürs Komische nicht aus. Glaubhaft versichert er, dass nur der Schnupftabak seine Scharfsichtigkeit erhält (und bleibt tatsächlich bis zum 72. Lebensjahr ohne Brille). Als ihm und dem großen Haushalt einmal nur noch fünf Pfennige geblieben sind, beschließt er, sein armseliges Barvermögen mit einem Korn zu verkneipen. Doch im Wirtshaus findet eine wundersame Geldvermehrung statt und er kehrt mit fast zehn Mark nach Hause. Die Erzählungen Kellers aus seiner Kindheit sind voller Herzenswärme, Geheimnisse und wunderbarer Begegnungen, wie zum Beispiel in «Das Niklasschiff», wo der jugendliche Erzähler die Seele des Müller-Karl im kleinen Segelboot im Bach findet und so den Todkranken wieder zum Leben erwecken kann. Oder wie die erste Berufung zum Dichter eine Tracht Prügel verhindert. Oder die geradezu hinreißende Geschichte über eine Schlittenfahrt mit dem lieben Gott!Das alte Schlesien wie es leibt und lebt – ein Heimatbuch der besonderen ArtPaul Keller (1873–1932) wurde als Sohn eines Maurers und Schnittwarenhändlers geboren. Zwischen 1887 und 1890 besuchte er die Präparandenanstalt in Bad Landeck und anschließend von 1890 bis 1893 das Lehrerseminar in Breslau. Nachdem er acht Monate als Lehrer im niederschlesischen Jauer tätig war, wechselte er 1894 als Hilfslehrer an die Präparandenanstalt in Schweidnitz. Zwischen 1896 und 1908 war er Volksschullehrer in Breslau. Keller gründete die Zeitschrift «Die Bergstadt» (1912–1931) und schrieb schlesische Heimatromane sowie «Das letzte Märchen», eine Geschichte, in der ein Journalist in ein unterirdisches Märchenreich eingeladen wird, um dort eine Zeitung aufzubauen, und dabei in Intrigen innerhalb des Königshauses hineingerät. Die Namen wie «König Heredidasufoturu LXXV.», «Stimpekrex», «Doktor Nein» (der Oppositionsführer) haben wahrscheinlich Michael Ende zu seinem Roman «Die unendliche Geschichte» angeregt. Zusammen mit dem schlesischen Lyriker und Erzähler Paul Barsch unternahm Keller zwischen 1903 und 1927 zahlreiche Reisen durch Europa und Nordafrika. Zudem führten ihn etliche Lese- und Vortragstourneen durch Deutschland, Österreich, die Schweiz und die Tschechoslowakei. Er war 1910 Mitglied der Jury eines Preisausschreibens des Kölner Schokoladeproduzenten Ludwig Stollwerck für Sammelbilder des Stollwerck-Sammelalbums Nr. 12 «Humor in Bild und Wort». Keller starb am 20. August 1932 in Breslau und wurde auf dem dortigen Laurentiusfriedhof bestattet. – Paul Keller gehörte zu den meistgelesenen Autoren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, was sich in einer 1931 bei fünf Millionen liegenden Gesamtauflage seiner Bücher widerspiegelt, und wurde in 17 Sprachen übersetzt. Schriftsteller wie der alte Wilhelm Raabe oder Peter Rosegger schätzten den Autor sehr. Gerade die früheren Werke wie «Waldwinter», «Ferien vom Ich» oder «Der Sohn der Hagar» zeichnen sich durch künstlerische Kraft und Meisterschaft aus. Seinen Roman «Die Heimat» (1903) nannte Felix Dahn «echte Heimatkunst». Seine bekanntesten Werke wurden zum Teil auch verfilmt.-
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Paul Keller. Dorfjunge
Dorfjunge
Einleitung
Von meinem Grossvater. Arbeit und Leid
Das Rotkehlchen
Zwei Zusammenstösse
Das Augenmittel
Der Nasenheiber
Die Gerste und der Wind
Die wunderbare Geldvermehrung
Ausklang
Vorfrühling
Die fünf Waldstädte
Ameisenfeld
Eichenhofen
Der Geistergrund
Heinrichsburg
die heilige Stadt
Gedeon — Das Ende einer Kindheit. —
Das Niklasschiff
Herbstabend
Die Gewissenserforschung
Wie ich mit dem lieben Gott im Schlitten fuhr
Wie ich einmal an den Kaiser schrieb
Der Guckkasten
Mein Ross und ich
Wie ich Dichter wurde
Отрывок из книги
Paul Keller
In den Jahren meiner Wanderung bin ich oft nach meinem alten Kinderlande zurückgekehrt, manchmal nur von den Hügeln der Erinnerung aus in sehnsüchtiger Schau, öfter aber auch, indem ich nach Hause fuhr, die alte Strasse entlang wanderte und in alle Seitengässchen ging, bei Vater und Mutter einkehrte und bei alten Freunden. Sonntags hörte ich in der Kirche die alten Lieder, und wenn ich über den Friedhof wanderte, stand auf jeder Grabtafel ein Name, den ich kannte. Niemals versäumte ich, über die Felder zu gehen, ich wusste ja von der kleinsten Parzelle, wem sie gehörte und wie es um ihre Ertragsfähigkeit stand. Der Dorfjunge ist in mir so lebendig geblieben, dass ich noch jetzt immer um das Wetter bange, ob es auch im Frühjahr nicht zuviel Trockenheit, im Sommer nicht zu viel Regen, im Winter genügend Schnee bringe. Ich bin meiner Kinderheimat treu verbunden geblieben, habe nichts von ihrer Art, Sprache, Gewohnheit, ihren Mühen und Freuden aus den Augen verloren. Ich war Dorfjunge so durch und durch, dass ich wohl Dorfjungengeschichten schreiben konnte. Sie sind im Laufe vieler Jahre entstanden, in meinen Büchern verstreut und erscheinen hier zum ersten Male gesammelt. Ein paar Stücke, die noch nicht in meinen Büchern stehen, sind dazu gekommen.
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„Gibste de Feife har?“
Das gurgelte er. Und er fasste mich am Halse. Er war einen Kopf grösser und wohl doppelt so stark als ich. Er presste mir die Kehle zusammen. Ganz finster wurde es um mich, und ich fühlte nur den Arm des Räubers. Es lag so ein lähmender Schreck in meinen Gliedern, dass ich mich kaum wehrte. Ich glaube, ich dachte auch nichts, wie er mich so würgte. Nur der gute Grossvater fiel mir auf eine Sekunde ein mit heissem Heimweh.
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