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Peter Brückner. Das Abseits als sicherer Ort
Vorwort
Ouvertüre
1922–1932
1933–1935
Internatsjahre 1936–1939. Widersprüche, nutzbar gemacht
Die Konfirmation
HJ-Zeltlager im Hunsrück
Weihnachten 1937
Freiheit und Realismus
Das Jahr der Faschisierung (1938) Ein schwarzer Frühling
Die Autobahn
Fassade und glückliche Transzendenz
Über das »Heranzüchten kerngesunder Körper«22
Abschließende Notiz
Eine glückliche Katastrophe (1939)
Anmerkung zu Meister Eckehart
Exkurs: Über soziales (Mit-)Gefühl. Die gespaltene Welt
Abitur und zweite Geburt 1939–1941
Ein alternatives Milieu
Die Geburt der Politik
Ein ›Ghetto‹ wird verlassen
Das Abseits in der Krise 1940 / 41. Der Erfüllungsgehilfe
Ich werde Mitglied der NSDAP
Der Opferstatus
Eine militärische Karriere 1941–1945
Anmerkung zu J. W. v. Goethe
Der Krieg: Rückblicke. Es wird weiter gelernt
Was haben wir gewußt?
Die Befreiung: 8. Mai 1945
Anmerkungen
Отрывок из книги
Daß die beiden »Rätsel von Geschichte und Lebensgeschichte« ineinander verschlungen seien, ja daß es sich um ein einziges Rätsel mit einem individuellen Gesicht und einem historischen Wurzelwerk handele – das war die Überzeugung Peter Brückners, war Motiv und Motto aller seiner Arbeiten. Als Psychologe war er immer Historiker und Soziograph, als Analytiker gesellschaftlicher Zustände blieb er Seelenkundler. Diese enorme Spannung zwischen zwei Gegenständen der Forschung und Erkenntnis: Geschichte und Biographie, Gesellschaft und Individuum, Struktur und Ich macht die Faszination und – in Teilen – Schwerverständlichkeit seines Werkes aus. Es handelt sich ja um eine Spannung, die praktisch immer wieder durchreißt, die förmlich Züge einer Konstruktion hat, einer theoretischen ideé fixe, einer heuristischen Formel, deren Tauglichkeit, Zusammenhänge zu erhellen, erst aufzuweisen wäre. Wer von uns ist schon in der Lage, das »Rätsel seiner Lebensgeschichte« so auf Geschichte und Gesellschaft zu projizieren, daß sich auch nur eine sinnvolle Aufgabenstellung ergibt – von einer Lösung zu schweigen. Steckt da nicht etwas Verzweifeltes in diesem Festhalten an der Konvergenz von Ich und Welt, von Vita und Historie, das mehr über das Verlangen nach Sinn und Deutung dessen verrät, der da so verzweifelt festhält? Oder ist umgekehrt der Verzicht auf ›Spannung‹, das Sich-Bescheiden mit den disparaten, verlorenen, vereinzelten Gegenständen unserer Interessen, ist diese heute vorherrschende Spezialisierung in der Wissenschaft, aber auch in den Künsten und Medien, vielleicht eine vorschnelle und bedauernswerte Kapitulation vor den Ansprüchen einer möglicherweise fruchtbareren, aber nur schwer auszuhaltenden, mühevollen, kräftezehrenden Mehrdimensionalität? Vor einem beidhändigen Zugriff sozusagen, der sich mit dem Vereinzelten so wenig zufrieden gibt wie mit dem großen Ganzen, weil er weiß, daß das eine sich nur im anderen bewegt und das andere nur war und wird, was viele einzelne aus ihm machen?
Peter Brückner war studierter Psychologe und gelernter Psychoanalytiker, er hat nur kurze Zeit in seinem Leben als Therapeut praktiziert, trotz seiner großen Talente in dieser Disziplin. Was ihn stärker faszinierte als die einzelne Stimme, war das Konzert der historischen Bedingungen, waren auch die stummen Signale der bloßen Möglichkeiten, war das Zugleich von Solist und Orchester, der große Akkord sozusagen. Die Therapie konnte diese Neugier nicht befriedigen. Also ging Peter Brückner an die Hochschule. Er nahm einen Ruf der TU Hannover an und lehrte dort Psychologie; in seinen letzten Jahren bemühte er sich, zusätzlich die Venia legendi für Soziologie oder Politische Wissenschaften zu erlangen, was aber nicht glückte. Das Studium von Lebensgeschichten wollte er auch als Professor mit dem Studium von Geschichte verbinden, er wollte eine Qualifikation nicht nur für das Lesen in der Seele, sondern auch für das Lesen im Buch der Gesellschaft vorweisen können. Was sich institutionell dann nicht durchsetzen ließ, hat er als Autor und Lehrer auf eigene Faust probiert: die Psyche war für ihn in seinen Vorlesungen und Analysen immer auch Politikum und das politische Leben nie frei von subjektiven Impulsen. Er hielt an der ›Spannung‹ fest und hielt sie in sich aus – seine Autobiographie der Jahre 1923 bis 1945, Das Abseits als sicherer Ort, ist dafür ein sprechender Beleg.
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Nimmer sich beugen / Kräftig sich zeigen
Rufet die Arme / Der Götter herbei«
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