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Georg Kranz war Leiter des Gymnasiums im Zentrum Achims bei Bremen. Er war einundsechzig Jahre alt und schon immer mit derselben Frau verheiratet. Kranz war einer der Wenigen, die sich an einem Wochenbeginn auf die Arbeit freuten. Er war ein aufgeschlossener Mann und liebte den Umgang mit Menschen, mit seinem Kollegium und den Schülern. Er unterrichtete fast täglich noch zwei bis drei Stunden Mathematik und Musik.
Der Bahnsteig war voll zu dieser Uhrzeit. Kranz beobachtete zwei Frauen – vermutlich Mutter und Tochter. Die junge Frau war vielleicht siebzehn und auf diesem Bahnsteig der lebhafteste Mensch. Die beiden hatten sich untergehakt. Kranz fühlte sich durch das Mädchen an seine Tochter Nikola erinnert. Auch sie war hellblond, auch sie war quirlig. Ihre Energie hatte Nikola zeitlebens in sportliche Aktivitäten gelenkt. Sie war verrückt nach Tennis. Viele Jahre hatte Kranz seine Wochenenden am Rand eines Tennisplatzes verbracht und Nikola angefeuert. Sie hatte nach dem Abitur Sport und Germanistik studiert. Heute arbeitete als Lehrerin in Oldenburg.
Kranz blickte zur Anzeigetafel – noch eine Minute bis sein Zug kommen sollte. Als er wieder zu den beiden sah, bemerkte er, dass das Mädchen schmerzverzerrt zuckte und sich vom Arm der Mutter losriss. Mit der rechten Hand fasste sie an ihren linken Oberarm. Die Lippen formten ein 'Aua' als sie den Kopf nach hinten drehte und die Personen, die dort standen, ansah. Kaum jemand registrierte sie.