(Fitness)Training einfach erklärt

(Fitness)Training einfach erklärt
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Modische Trends und betörende Versprechungen sind oft viel zu schön, um wahr zu sein. Die vielen seichten Trainingsprogramme vorab in der Fitnessbranche, Social Media sei Dank, verwirren und sind mitunter schwer zu ertragen. Ich plädiere für mehr Fakten und Hintergrundwissen aus der Wissenschaft, welche eben Wissen schafft und damit neue Erkenntnisse bringt, altes hinterfragt – aber immer solide. Mir geht es um die Rückbesinnung auf das Wesentliche, kurz, klar und präzise. Ich gebe Orientierung, damit in der Praxis klarer argumentiert werden kann. Einige Aussagen werden provozieren – das ist durchaus erwünscht. Der Mensch ist heute zeitoptimiert unterwegs. In Anlehnung an Drucker gilt: «Hören Sie auf richtig zu trainieren und beginnen Sie damit, das Richtige zu trainieren.»

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Peter Regli. (Fitness)Training einfach erklärt

Inhaltsverzeichnis. Impressum 2. Ein Prolog über das Warum 3. Einführung für Ihren persönlichen Profit 6

1 Hören Sie endlich auf zu motivieren 10

2 Leistungen im Sport sind pure Emotionen 19

3 Anpassungen des Körpers mit System 27

4 Individuelle Handlungskompetenz als Gesamtkunstwerk 32

5 Koordination als stete Suche nach dem Gleichgewicht 42

6 Passiver Bewegungsapparat als Stütze 52

7 Aktiver Bewegungsapparat als Motor 70

8 Steuerung verwandelt Aktionspotentiale in Bewegung 89

Zum Schluss noch dies … 103. 9 Planung und Steuerung zum Erfolg 104

10 Regeneration ist der wichtigste Erfolgsfaktor 121

11 Biomechanik analysiert und seziert Bewegung 137

12 Kraft als großartiges Lebenselixier 150

13 Funktionelles Training integriert 184

14 Schnelligkeit ist reine Nervensache 193

15 Herzkreislauf und Atmung als Motor des Lebens 199

16 Ausdauer ist doch so einfach 217

17 Beweglichkeit dank Krafttraining … und etwas mehr 237

18 Faszien faszinieren 246

19 Energie aus verschiedenen Tanks 260

20 Testing für perfekte Trainingspläne 279

21 Ernährung macht vieles, aber nicht alles 293

22 Was Lebensstil mit Kompetenz und Stil zu tun hat 328

23 Glossar 357

24 Literatur, spannende Links und Apps 384

Impressum

1 Hören Sie endlich auf zu motivieren. Was Sie nachher mehr wissen. In diesem Kapitel erfahren Sie, welche Faktoren eine Rolle spielen, damit Menschen bereit sind mehr zu leisten. Motivieren heißt letztlich Rahmenbedingungen setzen, welche ein eigenmotiviertes Handeln ermöglichen. Geben Sie Sinn und nicht Motivation. Vergessen Sie alles, was Sie bisher über Motivation gelesen und gehört haben. Ja, Sie haben richtig gelesen. Es ist nicht die Aufgabe von Ihnen als Trainerin oder Trainer, die Kunden zu motivieren. Wo kämen wir denn hin! Sie müssen verstehen, was Menschen dazu bringt, Leistungen (siehe Kapitel 2) zu bringen, überdurchschnittliche Leistungen. Sorry, da reicht es nicht, von extrinsischer oder intrinsischer Motivation zu sprechen und damit den Eindruck zu erwecken, dass Sie etwas vom Thema Motivation verstehen. Worthülsen haben selten Wirkung. Sie müssen vielmehr verstehen, was den Menschen antreibt. Nur weil Sie die Bedürfnispyramide von Maslow kennen, verstehen Sie noch lange nichts von Motivation, weil Maslow die Bedürfnisse in sein Modell gepackt hat und nicht Motivation; auch wenn das leider oft synonym verwendet wird. Viele Trainerinnen und Trainer wollen motivieren, wissen aber nicht wie. Versuchen wir, uns dem Thema anzunähern. Definition. Motivation ist die Gesamtheit der Motive, die zu Handlungen führt. Dies beruht auf emotionaler und neuronaler Aktivität des Menschen in seinem Streben nach Sinn und Zielen. Ohne Sinn findet Training nicht statt. Es gibt viele Konzepte, die darauf zielen, Menschen zu motivieren oder mindestens zu mehr Leistung oder Leistungsbereitschaft zu animieren. Letztlich hängt die Leistung oder das Engagement der Menschen davon ab, ob sie sich mit den Zielen (siehe Kapitel 9) identifizieren können und den Sinn des Warums erkennen. Der Begriff Motivation kann in zwei Teile gegliedert werden: das Motiv und die dazu gehörende Aktion. Der Wortkombination Motiva(c)tion trägt dem wunderbar Rechnung – der Begriff wurde vom bekannten deutschen Gastronomen Klaus Kobjoll geprägt. Motive lassen sich in zwei Gruppen teilen: die primären und die sekundären Motive. Erstere sind angeboren, beispielsweise Hunger oder Durst. Letztere sind erworben, beispielsweise Attraktivität oder Macht. Haben Sie etwas von Training gelesen? Motivation ist das Verhalten von Menschen, zielgerichtet sein Handeln so auszurichten, dass eine emotionale Balance oder ein Resultat erreicht werden. Jetzt kommen wir der Sache schon näher. Die Motivation wird umso höher, je mehr der Mensch von seinem Handeln profitiert. Der Kittelbrennfaktor taucht aus dem Nebel auf. Goal Setting Theorie nach Locke und Latham. Die beiden Amerikaner legen das zentrale Element schon in den Titel. Die deutsche Übersetzung Zielsetzungstheorie zeigt es deutlich. Ziele motivieren Menschen zu großen Leistungen. Die Ziele müssen so herausfordernd sein, dass sie nur mit großer Anstrengung erreicht werden. Große Anstrengung heißt im Fitnesscenter oder auf dem Trainingsplatz regelmäßiges Training bis zur muskulären Erschöpfung, schwitzen inklusive. Die Ziele müssen dabei klar und präzise formuliert sein. Nach Locke und Latham sind es fünf Merkmale, die Ziele aufweisen müssen:

Mit Hilfe dieser herausfordernden Ziele sind Menschen bereit, mehr zu tun als bisher. Die SMART-Formel hilft, gute und effektive Ziele zu setzen:

Die Kunden werden mit konstruktivem Feedback unterstützt, die vereinbarten Ziele zu erreichen. Womit sich die Frage aufdrängt, ob eine Trainerin oder ein Trainer im Fitnesscenter ein Motivator sein soll oder besser ein Coach. Coaching heißt in meinem Verständnis drei Dinge: betreuen, begleiten und beraten. Haben Sie etwas von Motivation gelesen? Der Rubikon-Prozess und das Römische Reich. Der Rubikon-Prozess ist Teil des Zürcher Ressourcen Modells nach Maja Storch und Frank Krause. Dieses wurde in den 90er-Jahren entwickelt. Auch hier, wie bei der Goal Setting Theorie, stehen nicht motivierende Faktoren im Zentrum, sondern Ziele. Die Kunden sollen sich über ihre Ziele im Klaren sein, eigene Ressourcen dafür aktivieren, damit sie zielorientiert ins Handeln kommen. Keine einfache Sache, vor allem nicht, wenn keine Ziele definiert werden, welche den Namen verdienen. Der Rubikon-Prozess besteht aus fünf sich folgenden Phasen und dem Rubikon. Damit aus Wünschen konkrete Handlungen entstehen

Rubikon-Prozess nach Maja Storch und Frank Krause, eigene Darstellung. Der Rubikon-Prozess trägt den Namen des norditalienischen Flusses Rubikon, welcher für Julius Cäsar 49 vor Christus eine zentrale Rolle spielte: „Der Würfel ist gefallen.“ Damit war klar, dass er sich entschieden hatte, gegen Rom zu marschieren. Seinem Wunsch nach mehr Macht entsprechend. Anhand eines Beispiels aus der Welt der Fitnesscenter wird (hoffentlich) klar, worum es letztlich geht. Bedürfnis: Herr Muster hat ein schleichendes Unbehagen mit der aktuellen Situation. Es ist etwas zu tun, aber was? Der Wunsch: „Ich möchte etwas gegen mein Übergewicht machen.“ Motiv: Herr Muster hat einen Wunsch, welcher noch nicht so weit ist, dass Handlungen abgeleitet werden. „Es wäre schön, einige Kilos weniger auf den Rippen zu haben.“ Im Moment ist das noch sehr vage. Wer will schon nicht sein Gewicht optimieren, wenn er etwas zu klein ist für das Gewicht, das er mit sich trägt? Aber zum Tun ist es noch ein weiter Weg. Genau hier befinden sich die jährlichen Vorsätze. Aus eigener Erfahrung, keine Regel ohne Ausnahme, wissen Sie, dass die wenigsten Vorsätze in die Tat umgesetzt werden. Jetzt ist das Überschreiten des Rubikons wichtig, für Herrn Muster ebenso wie für die jährlichen Vorsätze. Es ist an der Zeit, Ziele zu definieren. Intention: Jetzt definieren wir zusammen mit Herrn Muster ein handlungsorientiertes Ziel. „Ich lege bis zum 10. 9. 2015 fünf Kilogramm Muskelmasse zu und reduziere gleichzeitig meinen Körperfettanteil um 5 Prozent.“ Hier die Probe, wie Sie jedes Ziel kontrollieren:

Präaktionale Vorbereitung: Herr Muster versetzt sich in die Lage, zielorientiert zu handeln. Das kann er, wenn er von Ihnen, liebe Trainerinnen und Trainer, den optimalen, individuellen Trainingsplan erhält. Das ist Ihr wichtiger Anteil zur Zielerreichung des Kunden. Handlung: Jetzt trainiert Herr Muster so, dass er sein Ziel erreichen wird. Soll heißen, zweimal die Woche bis zur muskulären Erschöpfung. Das, was die Trainerin oder der Trainer in den Trainingsplan gepackt hat. Schaffen Sie das, Herr Muster und Sie zusammen, dann sind die angestrebten Erfolge programmiert. Wenn Sie noch unsicher sind, bleibt uns nur noch der Blick nach Österreich zu Viktor E. Frankl; ein lohnender Blick. „Letztlich ist Sinn geben das Einzige, was ich für die Motivation von Menschen tun kann.“ Viktor E. Frankl. Darum geht es – der geniale Viktor E. Frankl. Der aus Wien stammende Viktor E. Frankl hat ein international anerkanntes Konzept entwickelt, welches als Grundgedanke die Freiheit des Willens, den Sinn des Lebens und den Willen zum Sein hat. Die Frage nach dem Sinn spielt auch im Fitnesscenter eine zentrale Rolle. Warum um alles in der Welt soll ich zweimal die Woche bis zur muskulären Erschöpfung trainieren? Frankl geht davon aus, dass nur der Mensch seine Motivation in sich selbst finden kann. Da kann ich Zampano spielen und meinen zu motivieren, so viel ich will. Wenn die Kundinnen und Kunden den Sinn für ihr zukünftiges Tun, trainieren nämlich, gefunden haben, werden sie von selbst ihr Training absolvieren. Helfen sie den Menschen, Sinn in ihrem Training zu finden. Der Rest erledigt sich von selbst. In den Worten von Viktor E. Frankl tönt das dann so: „Letztlich ist Sinn geben das Einzige, was ich für die Motivation von Menschen tun kann.“ Wo er Recht hat, hat er Recht! Konsequenzen für die Praxis. Kein Trainingsplan ohne SMARTE Ziele! Dieser Grundsatz ist das Wesentliche, wenn es darum geht, das Richtige zu trainieren. Richtig zu trainieren reicht nicht. Nur wenn ich als Trainer wirklich weiß, was die Kundin oder der Kunde, die Athletin oder der Athlet für Träume hat, von Zielen sprechen sie in der Regel nicht, wird es mir möglich sein, einen individuellen und zielführenden Trainingsplan zu erstellen. Tun wir das nicht, gehört die Kundschaft im Fitnesscenter zu den 93 Prozent der Trainierenden, welche ihre Ziele nicht erreichen. Sie haben richtig gelesen; im Umkehrschluss heißt dies, lediglich 7 Prozent der Trainierenden erreichen ihre Ziele. Eine unfassbar schlechte Quote

Motivierendes Tun ist abhängig von individuellen Zielen, welche den Trainierenden einen Nutzen bringen und Sinn verleihen. So sind sie bereit, dafür mehr zu leisten. Sie fokussieren ihr ganzes Handeln auf das Erreichen dieser individuellen Ziele. Es ist folglich eminent wichtig, für alle Trainierenden SMARTE Ziele zu definieren. Schöner Nebeneffekt: Je besser Sie das tun, desto einfacher ist das Erstellen des Trainingsplans

2 Leistungen im Sport sind pure Emotionen. Was Sie nachher mehr wissen. In diesem Kapitel erfahren Sie, wie multifunktional Leistungen im Sport sind und welche Faktoren diese beeinflussen. Was ist Leistung und welche Faktoren beeinflussen diese? Facetten der sportlichen Leistung. Leistungen im Sport sind hoch emotional und faszinieren weit über die sportinteressierten Kreise hinaus. Wir sprechen von sportlicher Leistung in unterschiedlichen Ausprägungen. Leistung wird als Ergebnis einer sportlichen Betätigung bezeichnet. Ob das Resultat objektiv in Zeiten und Zentimetern wie in der Leichtathletik gemessen wird oder subjektiv nach vorgegeben Kriterien, beispielsweise im Kunstturnen. Leistung lässt Quervergleiche zu, welche letztlich gar in einer Rangierung Ausdruck finden. Doch Leistung ist auch eine physikalische Größe, welche aus Kraft x Geschwindigkeit berechnet wird. Im Sport, in welcher Ausprägung auch immer, spielt Leistung eine eminente Rolle. Welche Bedeutung wir dieser Leistung zumessen, ist jedem selbst überlassen. Definition. Die Leistung ist immer ein Bezug von Arbeit und Zeit. Letztlich die Frage, in welcher Zeit eine entsprechende Arbeit verrichtet wurde. Erfolg und Misserfolg sind dabei sehr nahe zusammen und hängen auch vom Wertesystem der Beurteilenden ab. Nicht jede Niederlage ist schwerwiegend und nicht jeder Sieg ist unübertrefflich. Ist ein Sieg bei den Olympischen Spielen höher zu gewichten als das Erreichen eines individuellen Zieles nach Jahren harter Arbeit, auch wenn das Resultat deutlich unter dem Niveau von Olympischen Spielen liegt? Ich meine nein, weil über Jahre zielgerichtete Arbeit für das Erreichen eines Zieles letztlich auch Erfolg bedeutet – und für diese Person das Erreichen des Zieles das persönliche Optimum darstellt. Mehr ist nicht zu schaffen. Wir können von sehr unterschiedlichen Leistungen im Sport sprechen:

Voraussetzungen für Leistungen im Sport. Leistungen im Sport sind von vielen Faktoren abhängig, deshalb ist der Begriff der multifaktoriellen Abhängigkeiten ein guter Begriff dazu. Was aber heißt dies genau? Eine Leistung im Sport kann selten auf einen einzigen Faktor reduziert werden. Die folgende Abbildung zeigt, was alles zu einer Leistung beiträgt, ohne Rücksicht auf spezifische Sportarten zu nehmen. Die Grafik verändert sich selbstverständlich je nach Sportart

Einflussfaktoren auf die Leistung im Sport, eigene Darstellung in Anlehnung an Hegner (Training fundiert erklärt) Leistungen im Sport werden durch eine ganze Vielzahl von Faktoren, multifaktoriell eben, beeinflusst. Oft spricht man von den exogenen und endogenen Faktoren. Wobei die exogenen Faktoren eher außerhalb des eigenen Einflussbereiches liegen, die endogenen Faktoren hingegen erschließen sich meinem Einfluss und können mit Training verändert werden. Exogene Faktoren sind IHS. Die exogenen Faktoren lassen sich schlecht beeinflussen (IHS – ist halt so), sie wirken von außen auf die Leistung. Einige Beispiele dafür:

Endogene Faktoren sind in meiner Verantwortung. Die endogenen Faktoren lassen sich besser kontrollieren und beeinflussen. Da habe ich fast alles in der eigenen Hand. Einige Beispiele dafür:

Exogene und endogene Faktoren für Leistungen im Sport, eigene Darstellung in Anlehnung an Hegner (Training fundiert erklärt) Konsequenzen für die Praxis. Im Fitnesscenter werden Sie es selten mit hochmotivierten Leistungs- oder gar Spitzensportlern zu tun haben. Die überwiegende Anzahl der Mitglieder in einem Fitnesscenter sind Menschen mit gesundheitsorientierten Zielen. Als Konsequenz gilt es, die endogenen Faktoren im Blick zu haben. Da alle Menschen bereit sind, mehr zu leisten, wenn sie individuelle und sauber formulierte Ziele haben, setzen sie den Hebel dort an. Ziele sind der größte Hebel für Leistungen im Sport. Egal, auf welchem Niveau oder welcher Art die Ziele auch sind

Leistungen in vollendeter Harmonie bringen viele Menschen zum Träumen. Sie sind hoch emotional. Wenn Sie Leistungen beurteilen – direkt auf dem Platz oder im Fernsehen – denken Sie daran, wie komplex das Zusammenspiel aller Faktoren ist, bevor Sie sich ein Urteil im Sinne von „… das kann jetzt wirklich jeder …“ anmaßen

3 Anpassungen des Körpers mit System. Was Sie nachher mehr wissen. In diesem Kapitel erfahren Sie, wie sich der Körper einem sportlichen Training anpasst und in welchen Zeiträumen diese Anpassungen bei welchen Systemen geschehen. Keine Anpassung ohne klare Forderung „Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft.“ Dieses Zitat des ehemaligen Weltklasseläufers Emil Zatopek zeigt eines: Auch mit einem enormen Trainingsaufwand wird es der Mensch nicht schaffen, ohne Hilfsmittel zu fliegen. Der Fisch wiederum wird es ebenfalls nicht schaffen, zu fliegen. Außer kurz aus dem Wasser. Da ist er nahe beim Menschen, der ohne Hilfe auch nur kurz fliegen kann, nämlich auf die Nase. Sportliches Training wird eine Verbesserung der Leistung (siehe. Kapitel 2) bringen in dem Gebiet, wo trainiert wird. Diese Adaption, Anpassung des Körpers, führt zu einer Steigerung der Leistungsfähigkeit. Training führt zu vielen, unterschiedlichen Anpassungserscheinungen. Trainiert ein Mensch seine Ausdauer (siehe Kapitel 16), wird er nach kurzer Zeit entweder eine längere Strecke oder die gleiche Strecke schneller laufen. Führt ein Kunde im Fitnesscenter regelmäßiges Krafttraining (siehe Kapitel 12) durch, wird er nach kurzer Zeit in der Lage sein, höhere Gewichte zu bewegen. Soll die Geschicklichkeit verbessert werden, lohnt es sich, ein Koordinationstraining (siehe Kapitel 5) durchzuführen. Oder ein Senior macht einen Kurs in Inlineskating – er wird danach in der Lage sein, diese Sportart auszuführen. Definition. Der Mensch ist plastisch. Zellen, Gewebe und Organe passen sich veränderten Bedingungen und Beanspruchungen an. Diese Anpassungsreaktionen passieren auf beide Seiten, positiv bei erhöhten Anforderungen, negativ bei kleineren oder gar keinen Anforderungen. Ein gezieltes Training führt letztlich zu unterschiedlichen Anpassungen im Körper. Diese Anpassungen sind auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Zeitabläufen zu beobachten. Spitzenleistungen im Sport sind nur deshalb möglich, weil unser Körper durch jahrelanges Training in diesen verschiedenen Ebenen dazu gebracht werden kann, leistungsfähiger zu werden. Selbstverständlich spielen noch andere Faktoren für eine sportliche Leistung eine entscheidende Rolle, beispielsweise die richtige Auswahl der Eltern im Sinne der Genetik oder die Psyche der Athleten. Ohne die Anpassungen des Körpers an die verlangte Höchstleistung geht es aber in keinem Fall. Vier Ebenen können dabei unterschieden werden:

Ebene des motorischen Bereichs. Ein Training der technischen Fertigkeiten, dem Bewegungslernen, führt schon nach kurzer Zeit zu einer deutlichen Verbesserung. Wenn Sie beispielsweise das Hürdenlaufen erlernen wollen, werden Sie schon nach 7 bis 10 Trainingseinheiten eine deutliche Verbesserung konstatieren. Der Bewegungsablauf wird harmonischer und dynamischer. Ebene der Energiespeicher. Ein Training der Ausdauer (siehe Kapitel 16) wird dazu führen, dass sich die Energiespeicher im Körper vergrößern. Schon nach zehn bis zwanzig Trainingseinheiten ist eine deutliche Verbesserung, sprich Erhöhung der Energiespeicher, festzustellen. Die Glykogenspeicher in der Muskulatur lassen sich beispielsweise verdoppeln, was im Bereich der Langzeitausdauer (Marathon, Triathlon oder Ultra Trailrunning) leistungsbestimmend ist. (Glykogen: Speicherform der Kohlenhydrate) Ebene der Optimierung geregelter Systeme und Strukturen. Bleiben wir beim Ausdauertraining. Wollen Sie das Herzkreislaufsystem (siehe Kapitel 15) nachhaltig verbessern und so die Leistung (siehe Kapitel 2) steigern, werden Sie dies erst nach zwanzig bis dreißig Tagen feststellen. Beispielsweise durch einen tieferen Ruhepuls, ein schon leicht erhöhtes Schlagvolumen des Herzens oder auch durch eine vermehrte Kapillarisierung, welche mehr Sauerstoff in der Muskulatur ermöglicht. Ebene der Koordination der leistungsbeeinflussenden Systeme. Die höchste Anpassungsstufe erreichen Sie dann, wenn alle an einer Leistung beteiligten Systeme besser zusammenarbeiten, also besser koordiniert sind. Diese Anpassung dauert am längsten, mindestens dreißig bis vierzig Trainingseinheiten. Das heißt beispielsweise: Das Herzkreislaufsystem, das Nervensystem und das Hormonsystem (siehe Kapitel 8) passen sich einander an, sodass eine größere Leistung möglich wird. Konsequenzen für die Praxis. Der Körper verzeiht uns viel. Er lässt vieles mit sich machen, beispielhaft sind die Muskeln der Bodybuilder, welche durchaus als Gesamtkunstwerk zu betrachten sind. Wobei Kunst ambivalent und sehr von persönlichen Vorlieben abhängig ist. Als Trainer muss ich mir bewusst sein, dass die verschiedenen Ebenen der Anpassung in unterschiedlichem Tempo ablaufen. Ich muss die Anpassungen orchestrieren wie der Dirigent eines Symphonieorchesters seine Musiker. Damit das Gesamtkunstwerk meinen Vorstellungen und Anforderungen entspricht

Anpassungen zu provozieren ist der ursächliche Grund für ein Training. Der Körper passt sich auf verschiedenen Ebenen an. Allerdings passen sich die verschiedenen Systeme in unterschiedlichem Tempo an, was im langfristigen Aufbau zu berücksichtigen ist

4 Individuelle Handlungskompetenz. als Gesamtkunstwerk. Was Sie nachher mehr wissen. In diesem Kapitel erfahren Sie, was die individuelle Handlungskompetenz beinhaltet und warum diese den Begriff der Kondition ablösen soll. Welche Faktoren bestimmen die individuelle Handlungskompetenz des Menschen für harmonische Bewegungen in Raum und Zeit? Wer ist fit – der Marathonläufer oder der Bodybuilder? Ist ein Marathonläufer fit? Ist es ein Bodybuilder? Was definiert den Begriff „fit“ überhaupt? Was heißt „individuelle Handlungskompetenz“? Ich vermeide bewusst den Ausdruck „Kondition“, weil mir dieser Begriff zu kurz greift. Die Antworten, die ich auf die Frage „Was ist individuelle Handlungskompetenz“? erhalte, sind oft sehr vage und undifferenziert. Kann ich diese eine Frage nicht korrekt und ausführlich beantworten, habe ich als Trainerin oder Trainer ein Problem – ich weiß nicht, was zielführend ist und welche Inhalte das Training für den Nutzen des Kunden enthalten muss. Definition. Individuelle Handlungskompetenz ist das perfekte Zusammenspiel energetischer und koordinativer Impulse, taktischer Akzente und psychischer Aspekte. Als Synonym darf ruhig der Begriff der individuellen Leistungsfähigkeit genutzt werden. Zusammenspiel so essenziell wie beim Fußball. Die individuelle Handlungskompetenz ist das Zusammenspiel der wichtigsten Fähigkeiten und Fertigkeiten, um den Alltag gut und eigenständig bis ins hohe Alter zu meistern. Dazu gehören die energetischen Impulse von Kraft (siehe Kapitel 12), Schnelligkeit (siehe Kapitel 14) und Ausdauer (siehe Kapitel 16). Dazu gesellen sich die koordinativen Impulse (siehe Kapitel 5) orientieren, differenzieren, äquilibrieren, reagieren und rhythmisieren. Für das spielerische Element sorgen die taktischen Akzente antizipieren, taktieren und kalkulieren. Sie werden noch lesen, warum das so ist – auch für Nicht-Mannschaftssportler. Und zu guter Letzt die psychischen Aspekte, zu denen Leistungsbereitschaft, Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit gehören. Nicht umsonst heißt es im Wettkampfsport oft, der Kopf entscheidet – ich behaupte, nicht nur im Wettkampfsport. Aus diesen vier Bausteinen also setzt sich die individuelle Handlungskompetenz zusammen:

Individuelle Handlungskompetenz, eigene Darstellung in Anlehnung an Hotz. Energetische Impulse als physisches Kunstwerk. Die energetischen Impulse beinhalten die drei motorischen Hauptbeanspruchungsformen Kraft (siehe Kapitel 12), Schnelligkeit (siehe Kapitel 14) und Ausdauer (siehe Kapitel 16). Ihre Qualität hängt von energetischen Faktoren, das heißt von der Energiebereitstellung, ab. Kraft ist der Motor im Alltag. Die Kraft (siehe Kapitel 12) ist dabei der wichtigste Faktor. Kraft ist zwar nicht alles, aber ohne Kraft ist alles nichts. Sie tun im Alltag nichts, aber auch gar nichts, ohne Kraft. Die Schwerkraft zwingt uns zu permanenter Kraftanstrengung. Kraft bringt Lebensqualität auf der einen Seite und Leistung auf der anderen Seite. „Kraft ist nicht alles, aber ohne Kraft ist alles nichts.“ in Anlehnung an Schopenhauer und Kieser. Rückenschmerzen beispielsweise lassen sich in gut 80 Prozent der Fälle mit einem differenzierten Krafttraining beseitigen. An der Uni Kopenhagen (Manniche et al.) konnten die Forscher anhand von 100 Rückenpatienten zeigen, dass nach einem intensiven dreimonatigen Krafttraining 93 Prozent der Patienten deutlich weniger Schmerzen hatten und 43 Prozent sogar schmerzfrei waren (A. Gottlob, Differenziertes Krafttraining, 2. Auflage, S. 208). Lebensqualität pur, wenn der Kunde plötzlich ohne Rückenschmerzen unterwegs ist! Leistungen (siehe Kapitel 2) im Sport lassen sich mit einem differenzierten Krafttraining massiv verbessern. In beiden Fällen ist Kraft eine perfekte Verletzungsprävention und Vorbeugung gegen Osteoporose. Ausdauer als perfekte Ergänzung. Ausdauer (siehe Kapitel 16) darf jeder gerne haben – ich komme mit wenig davon durch das tägliche Leben. Vorausgesetzt, ich will keinen Marathonlauf absolvieren. Ausdauer hat sehr viele positive, gesundheitsrelevante Aspekte: Senkung des Blutdruckes, bessere Versorgung der Organe mit dem lebenswichtigen Sauerstoff, Stressabbau und viele andere mehr. Ausdauer ist eine hervorragende Ergänzung zum Krafttraining. Denken Sie daran: Die beste Ausdauer nützt mir nichts, wenn ich am Morgen wegen fehlender Kraft nicht selbstständig aus dem Bett komme! „Die beste Ausdauer nützt mir nichts, wenn ich am Morgen wegen fehlender Kraft nicht selbstständig aus dem Bett komme!“ Peter Regli. Schnelligkeit als Sturzprävention. Die Schnelligkeit (siehe Kapitel 14) wird meist sträflich vernachlässigt – natürlich nicht bei den weltbesten 100-Meter-Sprinterinnen und -Sprintern, sondern bei Tante Trudy und Onkel Fritz von nebenan. Schnelligkeit ist wichtig, um bei Bedarf schnell reagieren zu können. Logisch, oder? Nur sehe ich oft Kurse in Sturzprävention, bei denen minutenlang auf leicht instabilen Unterlagen irgendwelche koordinativen Aufgaben gelöst werden. Was soll das? Haben Sie jemals jemanden langsam stürzen sehen? Nein? Dann sind wir uns einig. Schnelligkeit spielt in der Sturzprävention, und damit bei einem großen Teil der Kundschaft in einem Fitnesscenter, eine entscheidende Rolle. Wollen wir Menschen auf Stürze im Alltag vorbereiten, gehört das Thema Schnelligkeit zwingend in ein entsprechendes Trainingsprogramm. Koordinative Impulse für ein harmonisches Ganzes. Die koordinativen Impulse sind der Bereich der Bewegungssteuerung und -koordination, letztlich der Technik und der Bewegungsqualität. Die koordinativen Fähigkeiten (siehe Kapitel 5) zählen zu den neuronalen Aspekten. Dazu gehört ebenso die intermuskuläre Koordination, das Zusammenspiel aller an einer Bewegung beteiligten Muskeln „Neuronale Aspekte“ – das klingt wahnsinnig kompliziert. Gemeint ist damit das Nervensystem (siehe Kapitel 8), das all unsere Bewegungen steuert und koordiniert. Hier bringe ich die koordinativen Impulse des sportlichen Tuns unter, die da sind:

Auf Basis einer differenzierten Orientierung ist die Gleichgewichtsfähigkeit die wichtigste aller koordinativen Fähigkeiten. Das Gleichgewicht resultiert aus dem differenzierten Orientieren im Raum. Im dabei entstehenden dynamischen Gleichgewicht ist es möglich, zu reagieren oder zu rhythmisieren. Was kompliziert klingt, lässt sich einfach erklären: Ohne Gleichgewicht lassen sich keine Bewegungsaufgaben ausführen. Das Gleichgewicht im Sport oder generell in der Bewegung kann nur ein dynamisches Gleichgewicht sein, sonst müssten wir ja in Stein gemeißelt dastehen. Das heißt, wir müssen zu jedem Zeitpunkt im Gleichgewicht sein. Schaffen wir das, ist es möglich, zu reagieren oder zu rhythmisieren. Kleiner Versuch: Probieren Sie einmal, aus einem Ungleichgewicht heraus schnell zu reagieren! Sie werden feststellen, dass das nicht funktioniert. Koordinative Impulse in Perfektion umgesetzt heißt: Raum, Zeit und Kraft in eine Einheit, in eine Präsentationsform zu bringen. Sich umfassend orientieren zu können, zielorientiert zu differenzieren, integrativ zu äquilibrieren, situativ zu reagieren und individuell-variabel zu rhythmisieren bringt uns der perfekten Bewegung nahe. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass oft auch die Kopplungs- und Umstellungsfähigkeit zu den koordinativen Fähigkeiten gezählt werden. Taktische Akzente für das perfekte Zusammenspiel. Taktisch richtiges Verhalten verlangt nach dem optimalen und rechtzeitigen antizipieren. Rechtzeitig antizipieren zu können hat den Vorteil, für die bevorstehende Situation bessere Alternativen als der Gegner bereitzuhalten und ihm dadurch zuvorzukommen. Dabei sind Aktionsmuster beteiligt, welche oft geübt werden. Dabei ist der Übergang zum Reflex fließend. Durch mentales Training lassen sich die Aktionsmuster erweitern, um so das Repertoire zu vervollständigen. Kluges Kalkulieren im sportlichen Kontext kann als das Suchen nach dem Pareto-Prinzip verstanden werden. Vilfredo Pareto zeigte auf, wie es mit 20 Prozent Einsatz möglich ist, 80 Prozent vom Erfolg einzufahren. Umgesetzt bedeutet dies in gewissen Situationen mit den Ressourcen ganz gezielt umzugehen. In Sportarten mit Turnierformen ein nicht zu unterschätzender Erfolgsbaustein. Wiederholen ohne das Gleiche zu tun ist die Kunst der Variation. Die Möglichkeiten zum Variieren sind grenzenlos. Diese Variation zur richtigen Zeit am richtigen Ort einzusetzen ist eine hohe Kompetenz, welche bewusst und zielführend im Training integriert werden soll. Eine tragende Rolle im taktischen Bereich spielt die Entscheidungskompetenz des Sportlers. Es gilt bei allen taktischen Entscheidungen stets die energetischen und koordinativen Impulse mit allen Folgeaspekten zu berücksichtigen. So ist es durchaus möglich, aus dieser Sicht auch einmal die zweitbeste Lösung zu wählen! Nur wer dank seiner optimalen koordinativen Voraussetzungen Zeit hat, die optimale Alternative zu wählen, wird letztlich ein erfolgreicher Taktiker sein. Taktik kann als die Kunst bezeichnet werden, zur rechten Zeit am richtigen Ort zu sein, was komplexe Fähigkeiten auf der Ebene der Selbstregulation verlangt. Psychische Aspekte als Erfolgsgaranten zwischen den Ohren. Entscheidend bei den psychischen Faktoren sind geistige Frische und emotionale Stabilität. Die psychischen Aspekte sind eine bedeutende Voraussetzung, um Leistung (siehe Kapitel 2) zu erbringen, egal auf welchem Niveau. Von Fall zu Fall treten dabei die drei wesentlichen Aspekte Leistungsbereitschaft, Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit in feinen Nuancen auf. Um in jeder Situation optimal handeln zu können, ist ein gutes Maß an Selbstvertrauen und Durchsetzungsvermögen nötig, zusätzlich zu den drei schon erwähnten Aspekten. Konsequenzen für die Praxis. Auf der Trainingsfläche muss ein neues Verständnis für den alten Begriff „Kondition“ hin zur individuellen Handlungskompetenz entwickelt werden. Die vier wesentlichen Bereiche energetische Impulse, koordinative Impulse, technisch/taktische und psychische Aspekte müssen zu einer neuen Einheit zusammengefügt werden. Das vernetzte Denken muss im Fitnesscenter vermehrt Einzug halten. Alle wichtigen Kompetenzen sind zu trainieren, damit die individuelle Handlungskompetenz das wird, was sie sein soll: eine Alltagskompetenz, individuell ausgeprägt, damit umfassendes Handeln in Sport und Alltag möglich wird

Beim Sport, egal auf welchem Niveau, benötigen sie individuelle Handlungskompetenz. Je nach individuellem Ziel in unterschiedlichen Ausprägungen. Der Begriff der individuellen Handlungskompetenz soll sowohl im Breiten- als auch im Leistungssport den antiquierten Begriff der Kondition ersetzen

5 Koordination als stete Suche. nach dem Gleichgewicht. Was Sie nachher mehr wissen. In diesem Kapitel erfahren Sie, welche Rolle die koordinativen Fähigkeiten im Kanon mit der individuellen Handlungskompetenz. spielen. Die Suche nach harmonischen Bewegungen. Für die Regulation der Motorik, der harmonischen Bewegung, sind die koordinativen Fähigkeiten notwendig. Je nach Bewegung in unterschiedlicher Ausprägung. Die Koordination und die Kontrolle von Bewegungen oder der Haltung basieren auf einem ausgeklügelten Prozess im zentralen Nervensystem (siehe Kapitel 8) zur systematischen Steuerung der Muskelaktivität. Das Nerv-Muskel-System funktioniert mit Rückkopplungsschleifen, quasi zweigleisig. Auf dem einen Gleis erfolgen die Befehle an die Muskeln, eine bestimmte Bewegung auszuführen. Auf dem zweiten Gleis erfolgen permanente Rückmeldungen über Rezeptoren, welche dafür sorgen, dass die Muskelaktivität den inneren und äußeren Bedingungen angepasst wird. Die Grundlage für harmonische Bewegungen ist letztlich also ein feinkoordiniertes System von Informationen zwischen dem zentralen Nervensystem und der Muskulatur (siehe Kapitel 7), den Gelenken, Sehnen und Bändern. Definition. Die koordinativen Fähigkeiten sind Fähigkeiten, die primär koordinativ, das heißt durch den Prozess der Bewegungssteuerung und –regelung, bestimmt werden. (J. Weineck 2010, S. 793) Sie befähigen den Sportler, Bewegungen in vorgesehener Weise (Stereotypen) auszuführen und Bewegungen durch Anpassung an eine unvorhergesehene Situation zu beherrschen

Abhängigkeiten der koordinativen Fähigkeiten, eigene Darstellung. Die fünf koordinativen Fähigkeiten. Um im Trainingsprozess eine differenzierte Schulung der koordinativen Fähigkeiten zu ermöglichen, muss dafür die Bewegung in ihrer gesamten Komplexität erkannt und wenn nötig in ihre Teilkomponenten zerlegt werden. In der Trainingspraxis ist dem Training der koordinativen Fähigkeiten genügend Raum zu geben. Nur so lassen sich letztlich komplexe Bewegungen harmonisch ausführen. Es lohnt sich, die einzelnen Komponenten zielgerichtet zu entwickeln. Die wichtigsten koordinativen Fähigkeiten sind:

Nachfolgend sind diese Fähigkeiten einzeln beschrieben und ihre Bedeutung wird gewürdigt. Der Vollständigkeit halber sei angeführt, dass manchmal die Umstellungs- und Kopplungsfähigkeit dazu gezählt werden. Diese beiden können aber auch integriert in den oben aufgeführten fünf Komponenten behandelt werden, da sich beide auf die Endform der Bewegung beziehen. Orientierung in Raum und Zeit. Die Orientierungsfähigkeit ermöglicht es, sich in Raum und Zeit mit seinen Be­wegungen zu verändern oder anzupassen. Dabei steht in der Regel eine definierte „Spielbox“ im Zentrum. Solche „Spielboxen“ können beispielsweise das Fußballfeld, die Matte beim Ringen, die Geräte im Kunstturnen oder auch der Gegner oder Partner sein. Die Orientierung kann in zwei Komponenten aufgeteilt werden: In die räumliche und zeitliche Orientierung. Die räumliche Orientierung, oft auch als peripheres Sehen bezeichnet, zeichnet beispielsweise einen Fußballspieler aus, welcher in der Lage ist, den Pass in den freien Raum zu spielen. Die zeitliche Orientierung, oft auch als Timing bezeichnet, ist die Fähigkeit, den Ball mit der optimalen Kraft zu spielen, damit er zeitgleich mit dem Mitspieler im freien Raum ankommt. Beide Qualitäten zusammen verdeutlichen, dass solche Spielertypen nicht wie Sand am Meer zu finden sind. David BECKHAM, Marco REUS, Lionel MESSI oder ein Zinedine ZIDANE sind typische Vertreter dieser Spezies. Ein guter Spieler im Fußball unterscheidet sich dergestalt vom klassischen Mitläufer (die es unbedingt auch braucht!), räumliche und zeitliche Informationen so zu bündeln und zu antizipieren, dass als Resultat der geniale Pass entsteht. Differenzierung für den optimalen Krafteinsatz. Die Differenzierung ermöglicht fein abgestimmte Bewegungen in höchster Bewegungsgenauigkeit und -ökonomie. Wenn wir bei den Beispielen aus dem Fußball bleiben, haben die oben erwähnten Spieler allesamt ein unglaubliches Ballgefühl. Sie wissen bei jedem Pass, wie viel Kraft sie in diesen geben müssen, damit er beim Empfänger ankommt. Eine Fähigkeit, welche nur wenigen Spielern eigen ist. Gleichgewicht als wichtigste koordinative Fähigkeit. Das Gleichgewicht ist die Fähigkeit, seinen Körper in einem Zustand des Gleichgewichts zu halten oder bei Körperverlagerungen diesen Zustand wieder möglichst schnell zu erreichen. Im Sport kann deshalb auch von einem dynamischen Gleichgewicht gesprochen werden. Die Gleichgewichtsfähigkeit kann und soll schon im frühen Alter geschult werden. Balancieren auf allen möglichen Objekten oder das Fahren mit einem Einrad sind Herausforderungen, welche Kinder schon sehr früh, im Vorschulalter oder im frühen Schulkindalter, erlernen und mit Freude ausüben. Vorausgesetzt, sie haben eine Trainerin oder einen Trainer, welcher über die nötigen Kompetenzen verfügt, dem Alter der Kinder entsprechend die richtigen methodischen Konzepte kennt und bei alledem viel Freude auslöst „Auf Basis einer differenzierten Orientierung ist Gleichgewichtsfähigkeit die wichtigste. aller koordinativer Fähigkeiten.“ in Anlehnung an A. Hotz. Reaktion heißt maximal schnelles Reagieren. Die Reaktion ist die Fähigkeit, schnell auf ein Signal hin eine motorische Aktion auszuführen. Dabei spielt es eine Rolle, die Aufgabe mit der am zweckmäßigsten Geschwindigkeit auszuführen. Wobei meistens das maximal schnelle Reagieren das Optimum darstellt. Ein klassisches Beispiel ist der Startschuss bei einem 100-Meter-Lauf in der Leichtathletik. Die Reaktion ist aber nicht nur eindimensional wie beim Sprint. In vielen Sportarten ist es wichtig, schnell auf viele Impulse und Aktionen zu reagieren, in allen möglichen Richtungen. So ist beispielsweise beim Tennis ja nicht der Startschuss wie beim Sprint entscheidend, sondern das Antizipieren des gegnerischen Schlages. Je schneller ich adäquat reagiere, desto früher bin ich am richtigen Ort für die optimale Bewegungsantwort. Die Reaktionsfähigkeit ist im Grundsatz eine eigenständige Komponente, spielt aber beim Thema Schnelligkeit (siehe Kapitel 14) generell eine herausragende Rolle. Rhythmus heißt Bewegungen in vollendeter Harmonie umsetzen. Den Rhythmus kennen wir aus dem Tanzen bestens. Da haben wohl alle einschlägige Erfahrungen gemacht. Rhythmisieren heißt im Tanzen, einen von außen vorgegebenen Rhythmus der Musik zu erfassen und in Bewegungen höchster Harmonie umzusetzen. Rhythmus ist auch, eine Bewegungsaufgabe in der mir eigenen Bewegungsqualität auszuführen. Beispielsweise beim Aufschlag oder bei einem Vorhandschlag im Tennis. Hier finden wir den Rhythmus quasi in der immer gleichen Ausführung der Bewegung. Das Beispiel Tanz verdeutlicht den engeren Rhythmus. Kommt die Tänzerin oder der Tänzer aus dem Rhythmus, wird eine hohe Bewertung des Turniergerichts ausbleiben. Kommt eine Fußballmannschaft nicht auf Touren, findet sie ihren Spielrhythmus nicht oder verliert diesen, kann dies verschiedene Gründe haben. Einer dieser Gründe kann in der taktischen Meisterleistung der gegnerischen Mannschaft liegen, welche den Spielrhythmus mit angepassten taktischen Vorgaben gar nicht erst aufkommen lässt. Und interessanterweise sind die Mannschaften dann in der Regel nicht fähig, auf dem Platz eine entsprechende Antwort zu finden. Da kann der Trainer an der Seitenlinie noch so gestikulieren. Methodische Aspekte für das Training. Rückmeldung (siehe Kapitel 1) ist eine der wichtigsten Aspekte beim Erlernen von Bewegungen. Die Rückmeldung einer Trainerin, eines Trainers oder einer Lehrperson ist enorm wichtig für die Entwicklung und basiert auf einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Lernenden auf der einen Seite und der Bewegung auf der anderen Seite. Es lassen sich einige Grundsätze ableiten unter dem Aspekt beobachten, beurteilen, beraten. Beobachten orientiert sich am Kern der Bewegung. Die Trainerin oder der Trainer beobachten die Bewegungsausführung, vergleichen diese mit dem Idealbild. Sie orientieren sich dabei am Kern der Bewegung und machen einen Ist-Soll-Abgleich. Danach, und erst danach, beurteilen sie das Gesehene. Beurteilen ist das Suchen nach der richtigen Frage. Beurteilen heißt, mit konkreten Fragen zu überlegen, warum die geforderte Bewegung nicht in der geforderten Bewegungsqualität ausgeführt werden kann. Folgende Fragen können dabei helfen:

Beraten heißt zuhören und beobachten. Beraten heißt zuerst einmal zuhören und beobachten. Es hilft niemandem, quasi vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Folgende Inputs können dabei helfen: Wir versuchen, die sensomotorischen Empfindungen beschreiben zu lassen und finden heraus, was wahrgenommen wird. Wir versuchen, den Trainierenden anzuleiten, den Unterschied zwischen Soll und Ist in seiner Bewegung heraus zu schälen

Konsequenzen für die Praxis. Seien Sie sich jederzeit bewusst, dass die koordinativen Fähigkeiten während 24 Stunden notwendig sind. Keine Bewegung, keine Haltung oder Position, welche nicht auf diese Fähigkeiten angewiesen sind. Es macht folglich Sinn, den koordinativen Fähigkeiten den nötigen Raum im Training zu geben. Je größer die Variablen und Variationen im Training, desto größer der Trainingserfolg

Die koordinativen Fähigkeiten sind der Schlüssel zur Bewegungsqualität. Rückmeldungen in das Nervensystem (siehe Kapitel 8) sorgen für die feine Abstufung und Dosierung der Muskelaktivität. Das austarierte System aller Informationen aus Muskulatur, Gelenken, Sehnen und Bändern ermöglicht letztlich den harmonischen Bewegungsablauf

6 Passiver Bewegungsapparat als Stütze. Was Sie nachher mehr wissen. In diesem Kapitel erfahren Sie, welche Rolle der passive Bewegungsapparat spielt. Passiv heißt nicht, nicht anpassungsfähig zu sein. Der Mensch ist plastisch und passt sich erhöhten Anforderungen positiv an und umgekehrt. Bewahren Sie Haltung. Ohne seinen passiven Bewegungsapparat fällt der Mensch buchstäblich in sich zusammen. Er gibt dem Menschen Haltung – wenn dieser etwas dafür tut! Eine gute Haltung ist mit einem Lot, wie es auf Baustellen verwendet wird, gut zu kontrollieren. Halten Sie das Lot in der Mitte des Ohres. Auf der Lotlinie sollten sich jetzt das Schultergelenk, das Hüftgelenk, die Knie und das Sprunggelenk befinden. Ist dem so, haben Sie eine gute Haltung. Dieses Bild haben Sie, wenn Sie von der Seite die Haltung beim Menschen überprüfen wollen. In Bewegung wird sich das verändern. Zum passiven Bewegungsapparat werden die Knochen, Sehnen und Bänder gezählt. Die Knochen dienen dabei als Ansatzstellen für die Muskulatur (siehe Kapitel 7), welche über die Sehnen mit den Knochen verbunden sind. Die Bänder geben unseren Gelenken Stabilität. Auch Bandscheiben, Menisken oder Schleimbeutel werden zu den passiven Strukturen gezählt. Sie helfen mit, zu dämpfen. Der passive Bewegungsapparat bietet überdies Schutz für die inneren Organe, sehr schön am Brustkorb zu erkennen. Oder am Wirbelkanal. In diesem verläuft, gut geschützt, das Rückenmark (Medulla spinalis) als Teil des zentralen Nervensystems (siehe Kapitel 8). Der passive Bewegungsapparat dient auch als Speicher verschiedener Mineralien, beispielsweise Kalzium. Die passiven Strukturen sind, wie der ganze menschliche Körper, plastisch. Das heißt, sie passen sich den veränderten Bedingungen oder Anforderungen durch das Training an. Nicht von heute auf morgen, aber innerhalb von Wochen oder Monaten. Das hat auch eine Kehrseite: Umgekehrt passiert dasselbe. Werden die passiven Strukturen ungenügend belastet oder im Alltag ungenügend genutzt, kommt es zum Abbau. Exemplarisch sei die Osteoporose genannt. Definition. Der passive Bewegungsapparat gibt dem Körper Haltung, stützt ihn und schützt die inneren Organe. Dem passiven Bewegungsapparat werden die Knochen, Sehnen und Bänder zugerechnet. Die Wirbelsäule ist eine Belastungskünstlerin. Die Wirbelsäule zeichnet, seitwärts betrachtet, eine Doppel-S-Form. Sie besteht aus Wirbeln, welche mit 7-12-5 als Formel zusammengefasst werden können. Sie verfügt über sieben Halswirbel, zwölf Brustwirbel und fünf Lendenwirbel. Anschließend folgt das Kreuzbein mit fünf Wirbeln, welche verschmolzen sind. Und zu guter Letzt folgt das Steißbein, welches aus vier bis fünf verschmolzenen Wirbeln besteht. Die Wirbelsäule ist über die beiden Iliosakralgelenke mit dem Becken verbunden

Anatomie der Wirbelsäule: Farblich abgesetzt, von oben nach unten, die Hals- (7), Brust- (12) und Lendenwirbelsäule (5). Dazu das Kreuz- und Steißbein. Die Doppel-S-Form kann noch genauer bezeichnet werden. Die Krümmungen der Wirbelsäule werden als Halslordose, Brustkyphose und Lendenlordose bezeichnet. Zwischen den Wirbelkörpern befinden sich die Bandscheiben, oder anatomisch korrekt die Zwischenwirbelscheiben, als Druckpuffer und bewegende Elemente. Außer zwischen den beiden obersten Halswirbeln, Atlas und Axis. Auf diesen beiden ruht unser Schädel und dieser kann dank dem Zapfen-/Drehgelenk unter anderem Ja und Nein sagen. Korrekterweise sei gesagt, dass das Nein-Sagen eine Zusammenarbeit von Atlas und Axis, das Ja-Sagen eine solche von Schädel und Atlas ist. Exkurs: Bandscheibe. Die Bandscheiben sind zwischen zwei Wirbeln eingebettet. Sie verbinden die Wirbel flexibel, sorgen also für Bewegung. Da zwischen Atlas und Axis keine Bandscheibe vorhanden ist, ergeben sich 23 Bandscheiben, welche rund 25 Prozent der menschlichen Wirbelsäule ausmachen. Die Bandscheibe besteht aus einem äußeren Ring, dem Anulus fibrosus, und einem gallertartigen Kern, dem Nucleus pulposus. Der äußere Ring kann in einen äußeren und inneren Anteil (Lamellen) unterschieden werden. Die Wirbelsäule ist täglich Bewegungen und Stößen ausgesetzt. Die Bandscheibe dient dabei der Dämpfung der axialen Stöße und der Druckverteilung. Die Ernährung der Bandscheibe erfolgt ausschließlich über das Ein- und Ausströmen von extrazellulärer Flüssigkeit aus dem Anulus fibrosus, dem äußeren Ring. Wenn kein Druck auf der Bandscheibe vorhanden ist, füllt sie sich durch Hydration mit Flüssigkeit aus den angrenzenden Wirbelkörpern. Kehrt sich die Situation, stehen die Bandscheiben also unter Druck, wird die Flüssigkeit wieder aus der Bandscheibe herausgepresst, was Dehydration genannt wird. Durchblutet wird der Anulus fibrosus nur im äußersten Bereich über Blutgefäße. Wegen der Druckbelastungen und der damit verbundenen Dehydration nimmt die Dicke der Bandscheiben tagsüber bis zu einem Millimeter ab – weshalb wir am Abend immer etwas kleiner sind. In der Nacht kommt es zur Hydration, damit die Bandscheibe am anderen Tag wieder voll belastet werden kann. Kommt es zu einer Verlagerung des Nucleus pulposus nach hinten, sprechen wir von einer Bandscheibenvorwölbung, wobei in diesem Fall der äußere Faserring, Anulus fibrosus, noch intakt ist. Ist dies nicht mehr der Fall und tritt Bandscheibensubstanz aus, sprechen wir von einem Bandscheibenvorfall. Bandscheibenvorfall mit der Bandscheibe und. dem in Richtung Rückenmark drückenden Kern

Wirbelkörper sind perfekt gebaut. Die Wirbel der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule sind einheitlich aufgebaut, in der Größe aber unterschiedlich, mit Ausnahme der beiden obersten Halswirbel, Atlas und Axis, welche ein Zapfen-/Drehgelenk bilden

Wirbelknochen von oben, dargestellt ist ein T5-Wirbel, der fünfte Brustwirbel

Das Gewicht wird vom Wirbelkörper getragen. Die Quer- und der Dornfortsatz bilden die Ansatzstellen der Bänder und Sehnen. Im Wirbelloch verläuft, gut geschützt, das Rückenmark. Die Gelenkfortsätze bilden die vielen Wirbelgelenke. Bewegungsrichtungen im ganzen Kompassspektrum. Was kann die Wirbelsäule so anstellen und in welchen Richtungen? Die Wirbelsäule ist sehr viel beweglicher als gemeinhin angenommen. Die drei Bereiche Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule verfügen allerdings über unterschiedliche Bewegungsamplituden. Die wichtigsten Bewegungsrichtungen sind die folgenden:

Diese Begriffe werden auch zur Beschreibung der Bewegungen anderer Gelenke verwendet und können in diesem Zusammenhang noch erweitert werden. Brustkorb (Thorax) als persönliches Schutzkorsett. Der Brustkorb wird hinten von der Wirbelsäule und vorne vom Brustbein „begrenzt“. Er besteht aus Rippen, Rippenpaaren. Diese sind gelenkig mit der Wirbelsäule und dem Brustbein verbunden, damit sich der Brustkorb beim Atmen bewegen kann. Der Brustkorb schützt die inneren Organe, beispielsweise die Lunge und das Herz. Er besteht aus zwölf Rippenpaaren, sieben davon sind echte Rippenpaare und fünf sind unechte Rippenpaare, von denen zwei freie Rippen sind. Echte Rippen: Die obersten sieben Rippenpaare sind direkt mit dem Brustbein (Sternum) verbunden. Deshalb spricht man hier von echten Rippen. Unechte Rippen: Die Rippenpaare acht bis zwölf setzen am knorpeligen Rippenbogen an, weshalb man hier von unechten Rippenpaaren spricht. Freie Rippen: Die letzten beiden Rippenpaare enden frei in der Bauchwand, sind also nur mit der Wirbelsäule verbunden. Deshalb spricht man hier von freien Rippenpaaren. Knochen sind lebendiges Gewebe. Der Röhrenknochen eignet sich hervorragend, um den Aufbau des Knochens exemplarisch darzustellen. Grundsätzlich besteht er aus einer Diaphyse (Kompakta, Knochenschaft), der eigentlichen Röhre, und zwei Epiphysen, den beiden Endungen. Die Kompakta umschließt im Kern die Markhöhle mit dem gelben Knochenmark und eine schwammige Schicht jeweils am Ende, der Spongiosa. Diese enthält das rote Knochenmark. Damit der Röhrenknochen im Wachstum wachsen kann, verfügt er über zwei Wachstumsfugen, die Epiphysenfugen. Diese Wachstumsfugen verknöchern nach Abschluss des Wachstums bis spätestens zum zwanzigsten Altersjahr. Die beiden Enden des Knochens sind jeweils mit Knorpel überzogen, welche der reibungslosen Gelenkbewegung und der Druckverteilung dienen. Die Diaphyse ist mit der Knochenhaut überzogen – diese verfügt über viele Nervenzellen und ist deswegen sehr empfindlich

Röhrenknochen. Der Knochen verfügt über folgende Elemente mit den entsprechenden Eigenschaften:

Knochengewebe ist lebendige Materie. Knochen sind nicht einfach lebloses Material, das nur brechen und wieder zusammenwachsen kann. Nein, Knochen leben! Sie bauen sich permanent auf und ab, das Übernehmen spezielle Körperzellen, die Osteoplasten (Aufbau) und die Osteoklasten (Abbau). Überdies dienen die Knochen als Fabrik für die roten Blutkörperchen. Knochen sind gut durchblutet und sorgen für die Stabilität des Körpers. Die gleiche Stabilität wie Knochen bietet Stahl zwar auch – aber wer will schon Knochen aus Stahl? Gut, dann wäre wenigstens die Ausrede korrekt von den schweren Knochen, welche übergewichtige Personen gerne mal anführen. Unsere Knochen sind ein technisches Wunderwerk, welche enorme Stabilität bei geringem Gewicht bieten. Das Knochengewebe verfügt über folgende Elemente mit den entsprechenden Eigenschaften:

Nutzen Sie quasi die Gunst der Stunde und geben Sie Ihren Knochen wieder mehr Stabilität. Belasten Sie die knöchernen Strukturen, damit Aufbauprozesse in Gang kommen. „Schlagende Bewegungen sind die beste Osteoporoseprävention.“ Joggen, leichte Sprünge wie sie beim Seilspringen auftreten oder beim Joggen einige kurze Sprints helfen, die Knochendichte zu erhalten oder gar wiederaufzubauen. Dies geschieht auch im hohen Alter, es ist folglich nie zu spät, damit zu beginnen. Gelenke als Basis der Bewegungen. Echte Gelenke zeichnen sich dadurch aus, dass zwischen den beiden Knochen, dem Gelenkkopf und der Gelenkpfanne, ein Gelenkspalt vorhanden ist. Die Gelenke werden zusätzlich von Bändern passiv und den Muskeln aktiv stabilisiert. Das Gelenk verfügt über folgende Elemente:

Gelenkknorpel und Synovialmembran sind miteinander verbunden und bilden mit anderen Elementen wie beispielsweise den Kapselbändern die Gelenkkapsel

Charakteristisches Synovialgelenk. Durch Bewegung des Gelenkes wird die Produktion der Synovialflüssigkeit in der Synovialmembran aktiviert. Dadurch wird der Gelenkknorpel weicher und kann praktisch reibungslos gleiten. Das ist der Grund, warum die Gelenke vor sportlichen Belastungen gut „aufgewärmt“ werden sollten. Dies ist wichtig im Hinblick auf die Abnutzung von Gelenken mit Arthrose als Spätfolge. Arten von Gelenken. Gelenke sind so etwas wie die Verbindungsstelle zweier Knochen. Sie erlauben Bewegungen in verschiedene Richtungen (Achsen), je nach Ausprägung des Gelenkes. Die folgende Aufzählung der Gelenkarten ist nicht erschöpfend, aber für die Arbeit auf der Trainingsfläche oder in einem Fitnesscenter ausreichend. Kugelgelenk: Hüft- und Schultergelenk sind zwei Vertreter der Kategorie der Kugelgelenke. Die Gelenkkugel befindet sich in der Gelenkpfanne und ermöglicht so Bewegung in alle Richtungen. Scharniergelenk: Zu den Scharniergelenken gehören Knie- und Ellbogengelenk, sie sind zwei Vertreter dieser Art. Der walzenförmige Gelenkkopf ruht in einer Gelenkpfanne, die einem Hohlzylindersegment entspricht. Damit sind nur Bewegungen um eine Achse möglich. Wobei das Knie ein Spezialfall ist, weil zusätzlich auch eine leichte Rotation möglich ist. Die anatomisch korrekte Bezeichnung für das Kniegelenk ist deshalb der Begriff Drehwinkelgelenk. Eigelenk: Das Handgelenk gehört zur Kategorie der Eigelenke. Ein ovaler Gelenkkopf liegt in einer ovalen Gelenkpfanne, was Bewegungen in zwei Achsen ermöglicht. Die beiden Bewegungsachsen stehen im rechten Winkel zueinander. Drehgelenk: Die beiden obersten Halswirbel (Atlas und Axis) bilden ein Drehgelenk. Das Drehgelenk besteht aus einem Zapfen und einer Gelenkpfanne, welche rinnenförmig ist. Das Drehgelenk hat eine Bewegungsachse und ermöglicht so Bewegungen in einer Achse. Sattelgelenk: Das Daumengelenk gehört zur Kategorie der Sattelgelenke. Beide Seiten des Gelenkes sind konvex (gewölbt) und senkrecht dazu konkav (hohl). Das ermöglicht Bewegungen um zwei senkrecht zueinanderstehende Achsen. Ebene Gelenke: Hand- und Fußwurzelgelenke sind Vertreter der Kategorie der ebenen Gelenke. Die Gelenkflächen gleiten aufeinander und können sich auch gegeneinander verschieben. Dies ermöglicht Bewegung um zwei Achsen. Konsequenzen für die Praxis. Knochen sind hochsensible Wesen und wollen so behandelt werden. Sie passen sich erhöhten Beanspruchungen an, indem neue Knochenbälkchen eingelagert werden. Dies erhöht die Festigkeit der Knochen, was unter dem Begriff der Knochendichte bekannt ist und gemessen werden kann. Nimmt diese Knochendichte ab, liegt eine Osteoporose vor. Präventiv wirksam gegen Osteoporose sind hohe Lasten im Krafttraining oder „schlagende Bewegungen“ wie Joggen oder Seilspringen

„Achten Sie auf einen geraden Rücken.“ Diese oft gehörte Korrektur im Krafttraining (siehe Kapitel 12) ist aus den oben gemachten Ausführungen nicht wirklich sinnvoll. Warum soll eine physiologische Krümmung aufgelöst werden, wenn dadurch höhere Kräfte auf die Wirbelsäule wirken? Verzichten Sie auf diese Korrektur!

7 Aktiver Bewegungsapparat als Motor. Was Sie nachher mehr wissen. In diesem Kapitel erfahren Sie, warum die Muskulatur das beste Anti-Aging ist, das Lebenselixier schlechthin. Was Muskeln alles vollbringen und warum die Körperform nicht zwingend allein in Gottes Hand ist. Aktiver Bewegungsapparat als Verbrennungsmaschine. Der aktive Bewegungsapparat, der Name sagt es schon, bewegt uns. Ohne Muskeln keine Bewegung – aber das ist noch längst nicht alles. Um Bewegungen auszuführen, benötigt der Mensch nicht nur die Muskeln. Verschiedene fein aufeinander abgestimmte Systeme (Muskeln, Knochen und Gelenke, Nerven- und Hormonsystem, Energiebereitstellung, um nur einige zu nennen) sind notwendig, damit die Muskeln wissen, was zu tun ist. Die Muskeln sind fähig, Kraft (siehe Kapitel 12) zu entwickeln und Energie (siehe Kapitel 19) zu speichern. Weitere Aufgaben der Muskulatur sind die Wärmeentwicklung, die Blutdruckregulation und die Energiespeicherung. Wichtig ist auch die Schutzfunktion, beispielsweise bei Stürzen, damit dem passiven Bewegungsapparat weniger Schaden zugefügt wird. Bei der Muskulatur werden drei Gewebearten unterschieden: Die glatte Muskulatur, die sich in den Wänden der meisten Hohlorgane findet, die quergestreifte Herzmuskulatur und die quergestreifte Skelettmuskulatur – von dieser ist nachfolgend jeweils die Rede

Arten von Muskelgewebe: Quergestreifte Herzmuskulatur, quergestreifte Skelettmuskulatur und glatte Muskulatur. Jeder Muskel hat auf drei Arten die Möglichkeit, Arbeit zu leisten. Entweder als Agonist, Antagonist oder Synergist. Was heißt das? Am Beispiel des Ellbogengelenks lässt sich dies gut aufzeigen. Bei der Beugung des Ellbogens ist der zweiköpfige Oberarmmuskel (m. biceps brachii) der Agonist, führt also die Bewegung aus – er verkürzt sich. Im Gegenzug wird der Antagonist gedehnt, verlängert sich also. Dies ist in unserem Beispiel der hintere Oberarmmuskel (m. triceps brachii). Synergistisch helfen der Oberarmmuskel (m. brachialis) und der Oberarm-Speichenmuskel (m. brachioradialis) bei der Bewegung mit. Achtung: Kehren wir die Bewegung um, strecken also den Ellbogen, verändert sich die Situation. Aus dem Agonisten wird der Antagonist und umgekehrt. Das heißt: Je nach Bewegung erfüllt ein Muskel seine Arbeit als Agonisten oder Antagonist. Muskeln, welche nur über ein Gelenk gehen, die Sehnen also nur über ein Gelenk ziehen, werden als eingelenkige Muskeln bezeichnet. Am Beispiel des Kniegelenks lässt sich das gut zeigen. Die drei Anteile des vorderen Oberschenkels (mm. vastus medialis, lateralis und intermedius) sind reine Kniestrecker. Der vierte im Bunde des vierköpfigen Oberschenkelmuskels (m. rectus femoris) zieht sowohl über das Knie als auch über das Hüftgelenk. Somit ist er Kniestrecker und Hüftbeuger, also zweigelenkig. Mehrgelenkige Muskeln sind beispielsweise die Strecker und Beuger der Finger, welche über die Fingergelenke und das Handgelenk ziehen. Noch eine spitze Bemerkung: Kennen Sie die Beinbeuger oder die Beinstrecker? Alle reden in den Fitnesscentern und Krafträumen davon. Tatsächlich gibt es aber schlicht weder Beinbeuger noch Beinstrecker. Anatomisch korrekt sind die Bezeichnungen Kniebeuger und Kniestrecker. Definition. Der aktive Bewegungsapparat besteht aus der Muskulatur. Er ermöglicht uns die Bewegung des Körpers im Raum und liefert uns die nötige Bewegungsenergie. Fasertypen entscheiden über Erfolg oder Misserfolg. Die quergestreifte Skelettmuskulatur verfügt über unterschiedliche Fasertypen. Diese Verteilung der Fasertypen ist bei einem Menschen vor allem genetisch disponiert. Wenn Sie also Olympiasieger werden wollen, wählen Sie die Eltern richtig aus! Sonst wird das nichts „Um Weltmeister zu werden müssen Sie. die Eltern richtig gut auswählen!“ Peter Regli. Im Grundsatz gibt es zwei Muskelfasertypen der Skelettmuskulatur: Die langsamen, ausdauernden Fasern, auch ST (slow twitch) Fasern, und die schnellen Fasern, auch FT (fast twitch), welche hohe Kontraktionsgeschwindigkeiten leisten können. Mit entsprechendem Training ist es möglich, aus schnellen Muskelfasern quasi langsame zu machen. Der umgekehrte Weg scheint nicht möglich zu sein. Bildlich gesprochen lässt sich aus einem Sprinter ein akzeptabler Marathonläufer machen – aus einem Marathonläufer aber kein Sprinter. Aus einem lahmen Gaul wird definitiv kein Rennpferd!

Unterscheidungsmerkmale der verschiedenen Muskelfasertypen. ST Fasern für die Marathon Community. Die ST Fasern (slow twitch) sind die ausdauernden Muskelfasern. Bei ihnen wird die Energie überwiegend aerob bereitgestellt, weshalb der Mitochondriengehalt sehr hoch ist. Wollen Sie spitzenklasse im Marathon sein, benötigen Sie überwiegend diesen Muskelfasertypus. Die rötliche Färbung rührt vom Myoglobin her, dem roten Muskelfarbstoff. Dieser ist zuständig für die Bindung des Sauerstoffes in der Muskelzelle. Deshalb spricht man umgangssprachlich auch oft von den roten Muskelfasern. Übrigens: Myoglobin ist ein kugelförmiges Muskelprotein. Sein Name setzt sich aus dem griechischen Begriff „mys“ für Muskel und dem lateinischen Begriff „globus“ für Kugel zusammen. FT Fasern für die Sprinter dieser Welt. Die FT (fast twitch) Fasern werden unterteilt in die FTO (fast twitch oxidative) Fasern und die FTG (fast twitch glycolytic) Fasern. Die oxidativen FT Fasern (FTO) sind mit einer recht großen Ermüdungsresistenz ausgestattet, die glykolytischen FT Fasern (FTG) mit einer eher geringen. Die FT (fast twitch) Fasern zeichnen sich durch eine hohe Kontraktionsgeschwindigkeit aus. Das heißt, sie sind für schnelle und explosive (Kraft-)Leistungen prädestiniert. Damit diese FT (fast twitch) Fasern überhaupt aktiv werden, bedarf es einer entsprechend hohen, willkürlichen Reizung. Wollen Sie spitzenklasse im Sprint sein, benötigen Sie überwiegend diesen Muskelfasertypus. Vorkommen beim Menschen hängt von der Auswahl der Eltern ab. Jeder Muskel besteht aus beiden Fasertypen, die Erbanlagen geben das Verhältnis vor. Gewöhnlich findet man ein Verhältnis von 60 : 40 (ST zu FT Fasern) vor. Marathonläufer verfügen lediglich über rund 20 Prozent der schnellen Fasern. Sprinter dagegen haben bis zu 90 Prozent oder mehr schnelle Fasern. Damit wird deutlich, warum wer in welcher Sportart erfolgreich ist. Die genaue Verteilung lässt sich nur mittels einer Muskelbiopsie bestimmen. Dabei wird in der Regel eine Mikroprobe aus dem Kniestrecker (m. rectus femoris) entnommen und im Labor auf die Faserverteilung analysiert. Muskelformen sind ursächlich für das Trainingsprogramm. Aufgrund der Faseranordnung werden verschiedene Muskelformen unterschieden. Diese Muskelformen mit den unterschiedlichen Muskelfaserrichtungen sind deshalb wichtig, weil ich davon ein differenziertes Training ableiten kann, ja, ableiten muss. Es werden folgende Muskelformen unterschieden:

Am Beispiel des Kapuzenmuskels (m. trapezius) seien diese Muskelfaserrichtungen aufgezeigt. Er verfügt über drei verschiedene Richtungsverläufe der Muskelfasern: aufsteigend, querlaufend und absteigend. Das heißt für das Training: Will ich diesen Muskel in seiner Gesamtheit trainieren, was unbedingt empfehlenswert ist, sind mindestens drei verschiedene Übungen nötig! Muskelaufbau ist ein Gesamtkunstwerk. Muskeln sind faszinierende Gebilde. Jeder Muskel besteht aus Muskelzellen, die nur 10 bis 100 Mikrometer dünn sind und bis zu 10 Zentimeter lang sein können. Diese Muskelzellen werden durch ein Krafttraining in Dicke und Länge verändert. Die wesentlichen Elemente des Muskels sind:

Charakteristischer Muskelaufbau: Struktur der Skelettmuskulatur. Stellen Sie sich folgendes Bild vor: Sie nehmen eine Hand voll Myofilamente und stecken diese in einen Schlauch. So erhalten Sie Myofibrillen. Nun nehmen Sie eine Hand voll dieser Myofibrillen und stecken diese wiederum in einen Schlauch. Sie erhalten jetzt eine Muskelfaser. Nun nehmen Sie eine Hand voll dieser Muskelfasern und stecken diese wiederum in einen Schlauch. Sie erhalten jetzt ein Muskelfaserbündel. Und zu guter Letzt nehmen Sie eine Hand voll dieser Muskelfaserbündel und stecken diese wiederum in einen Schlauch. Jetzt haben Sie den Muskelbauch vor sich. Einige Elemente noch etwas genauer beschrieben

Aufbau Sarkomer: Ein Sarkomer weist lediglich eine Länge von rund 0,002 bis 0,004 Millimeter auf. Das heißt, pro Millimeter verfügen wir über 200 bis 400 Sarkomere. Unglaublich und kaum vorstellbar. Ein Sarkomer verkürzt sich um 0,0004 Millimeter. An einer konzentrischen Kontraktion von 4 Zentimetern Länge sind folglich rund 100.000 Sarkomere beteiligt. Exkurs: Die Sache mit dem Muskelkater. Muskelkater sind feinste Mikrotraumata im Sarkomer, in den Z-Scheiben. Diese entstehen bei negativen Belastungen wie beispielsweise bergabwärts gehen oder bei ungewohnten Belastungen. Dies kann sehr wohl gewollt sein, birgt eine Verletzung doch immer die Option einer entsprechenden Anpassung (Adaption) So gesehen haben Sie immer Muskelkater nach einem richtig guten Training. Dieser Muskelschmerz hält meistens zwei bis vier Tage an und verschwindet dann wieder. Führt man das Training, welches zum Muskelkater geführt hat, einige Male aus, passt sich die Muskulatur an und das Phänomen verschwindet. Ein leichtes Training mit anderem Trainingsinhalt ist bei Muskelkater möglich und durchaus sinnvoll. Während oder unmittelbar nach einer Belastung werden Sie noch keinen Muskelschmerz haben. Diese beginnen erst nach dem Einsetzen des Reparaturprozesses; damit geht eine Ansammlung von Flüssigkeit im Gewebe einher und dies ist letztlich die Ursache der Muskelschmerzen. Neues zu diesem Thema kommt aus der Faszienforschung. Studien von Gibson et al. und Lau et al. geben uns interessante Einblicke in die Faszien. Nach einem exzentrischen Krafttraining wurde sowohl in die Faszien als auch in das Muskelgewebe eine Kochsalzlösung injiziert. Die Schmerzantwort aus den Faszien war deutlich höher. Dies bedeutet, auch wenn noch weiterführende Studien gemacht werden, dass die Faszien einen hohen Anteil am Muskelkater, beziehungsweise dessen Symptomen haben. Und uns möglicherweise ganz neue Erkenntnisse für die Trainingsrelevanz und die Behandlung des Muskelkaters liefern. Gar nicht sinnvoll und reine Zeitverschwendung ist das Dehnen vor oder nach dem Training, um Muskelkater zu verhindern. Im ersten Fall, vor dem Training, ist es eher kontraproduktiv (höhere Verletzungsanfälligkeit) und im zweiten Fall, nach dem Training, sinnlos. Zu diesem Zeitpunkt sind die Mikroverletzungen im Sarkomer bereits vorhanden, können also nicht mehr verhindert werden und sollte ich es wider besseres Wissen doch tun, verstärke ich durch die Dehnung den Effekt noch. Die Schmerzen werden stärker und der Heilungsprozess verzögert sich. Muskelkontraktion ist Chemie und Mechanik kombiniert. Die Muskelkontraktion findet in den Sarkomeren statt. Wenn sich der Muskel verkürzt, gleiten die Aktin- und Myosinfilamente ineinander, ohne sich dabei selbst zu verkürzen. Dies geschieht durch das Freisetzen von Energie (siehe Kapitel 19), damit die Myosinköpfe an den Aktinfilamenten andocken können. Die Energie wird vom ATP (Adenosintriphosphat) bereitgestellt, indem das Enzym ATP-ase im Myosinkopf ATP in ADP verwandelt. Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass auch Kalzium eine prägende Rolle bei der Muskelkontraktion spielt. Dazu im Kapitel Energiebereitstellung (siehe Kapitel 19) mehr. Dieses ineinander Gleiten passiert bei einer Muskelkontraktion mehrmals, bis die gewünschte Länge erreicht ist. Von einer Muskelkontraktion wird gesprochen, wenn der Muskel über das Nervensystem (siehe Kapitel 8) aktiviert wird. Dies kann auf die drei klassischen Kontraktionsarten konzentrisch, exzentrisch oder isometrisch erfolgen. Das heißt, der Begriff der Muskelkontraktion ist weiter gefasst als mit der Muskelverkürzung (konzentrisch), wie es fälschlicherweise oft verstanden wird. Übrigens: Ob sich die Begriffe in naher Zukunft ändern, ist abzuwarten. Die Terminologie ist fest verankert und wird mittlerweile von allen verstanden. Außer vielleicht, dass auf die Frage der Muskelkontraktion eben drei korrekte Antworten möglich sind, die sich jeweils auf die Muskel-Sehnen-Einheit beziehen. Die von Toigo in seinem neuen Buch „Muskelrevolution“ ins Spiel gebrachten Begriffe miometrisch (konzentrisch) und pliometrisch (exzentrisch) sind von der Herkunftsableitung korrekt, aber in der Praxis nirgends in Verwendung. Den Begriff isometrisch verwendet auch Toigo. Mal abwarten, was die Praxis zu den neuen Begrifflichkeiten sagen wird

Muskelkontraktion

Spezialitäten als Kontrollsystem. Zwei Phänomene sollen hier im Zusammenhang mit der Muskulatur noch besprochen werden. Es sind die beiden Phänomene muskuläre Dysbalance und Muskelverkürzung, die auf der Trainingsfläche oder im Fitnesscenter immer wieder ein Thema sind – oft aber im falschen Kontext verwendet oder gar völlig falsch verstanden werden. Muskuläre Dysbalancen: Eine muskuläre Dysbalance ist ein Ungleichgewicht zwischen einem Agonisten und einem Antagonisten. Dieses Ungleichgewicht kann sowohl auf der Spannungsebene (Muskeltonus) als auch auf der Leistungsebene (Kraft) lokalisiert sein. Idealerweise sind diese muskulären Paare in einem perfekten Gleichgewicht, was in der Praxis eher selten ist. Ist dem nicht so, kann es bei einem sehr hohen Muskeltonus mit der Zeit zu strukturellen Verkürzungen kommen, indem sich Sarkomere gewissermaßen zurückbilden. Ein perfektes Gleichgewicht bedeutet in diesem Kontext nicht, dass Agonist und Antagonist über das gleiche Drehmoment (Kraft) verfügen, sondern dass die physiologisch normalen Verhältnisse bewahrt oder wiederhergestellt werden. Rühmt man(n) sich eines wunderbaren Six-Packs und klagt gleichzeitig über Rückenschmerzen, ist das physiologische Gleichgewicht gestört, weil nämlich dem Rückstrecker zu wenig Beachtung geschenkt wird. Da geht dann Ästhetik vor Funktion oder Gesundheit. In gewissen Sportarten sind muskuläre Dysbalancen wichtig – da sind wir aber beim Thema „Treibe Leistungssport oder bleibe gesund“. So haben Eishockeyspieler aufgrund ihrer Haltung beim Spiel „verkürzte“ Hüftbeuger oder Tennisspieler eine mindestens gleich starke hintere wie vordere Oberschenkelmuskulatur. Was für das Eishockey- oder Tennisspiel notwendig ist, ist im Alltag eine Dysbalance. Würden diese Dysbalancen ausgeglichen, hätte das zur Folge, dass die Kraftverhältnisse sich (negativ) für die Sportart verändern und dass sich auch die Feinmotorik (Technik) in dem Sinne verändern würde, dass sie nicht mehr optimal auf die vorhandenen Kraftverhältnisse eingestellt ist – im Leistungssport ein Desaster. Eine muskuläre Dysbalance kann recht gut ausgeglichen werden, vorausgesetzt, ich kenne sie. Das Beste ist, im Krafttraining konsequent antagonistisch zu arbeiten. Soll heißen, wenn ich den Agonisten trainiere, dann trainiere ich zwingend auch den Antagonisten. Wer von Ihnen trainiert regelmäßig den zweiköpfigen Wadenmuskel (m. gastrocnemius)? Und wer bitte schön trainiert regelmäßig den äußeren Schienbeinmuskel (m. tibialis anterior)? Eben! Das meine ich mit dem antagonistischen Training. Die Geschichte mit der Wade ist leider Standard, was beispielsweise bei Läufern zu Problemen mit der Achillessehne führen kann. Muskelverkürzungen: Im vorherigen Abschnitt habe ich den Begriff verkürzt immer in Anführungs- und Schlusszeichen geschrieben. Was spüren wir denn, wenn wir von „verkürzten“ Muskeln sprechen? Durch einen sehr hohen Tonus (Spannung) in dieser Muskulatur, Fehlhaltungen oder auch wegen Problemen auf neuronaler Ebene bin ich weniger beweglich. Oft ist die Ursache eine Kombination der aufgeführten Punkte. Wird ein Gelenk, beziehungsweise die dafür zuständigen Muskeln, während des Alltags oder im Sport nicht regelmäßig über den vollen Bewegungsumfang (Range of Motion, ROM) bewegt, kann es zu einer Reduktion von Sarkomeren kommen. Die Anzahl der aneinandergereihten Sarkomere verkleinert sich – die Muskel-Sehnen-Einheit als Ganzes bleibt aber gleich. Dies passiert jeweils am Muskel-Sehnen-Übergang. Bis dieses Phänomen eintritt, vergeht einige Zeit und es sind immer die gleichen, nicht funktionellen Begebenheiten vorhanden. Zwei Beispiele dazu: In der Welt der Damen sind die Trägerinnen von High-Heels gefährdet, einen funktionell/strukturell verkürzten Wadenmuskel (m. gastrocnemius und m. soleus) zu haben, das heißt, es werden aufgrund von funktionellen Einschränkungen Sarkomere abgebaut. Das geht soweit, dass beim Tragen von „normalen“ Schuhen der Fuß nicht mehr abgerollt werden kann oder es kommt im schlimmsten Fall zu Achillessehnenrissen. In der Welt der Schreibtischarbeitenden kann es zu einem funktionell/strukturell verkürzten Hüftbeuger (m. iliopsoas) kommen. Fehlhaltungen im Bereich der Lendenwirbelsäule sind die Folgen davon. Das heißt, wir müssen die betroffenen Muskeln mit einem funktionellen, antagonistischen Krafttraining wieder ihrer vollen Funktionalität zuführen. Dabei hilft das Faszientraining unterstützend mit. Der Vollständigkeit halber möchte ich noch darstellen wie es zu einem „längeren“ Muskel kommen kann. Weil sich ein Muskel gerne in einer perfekten Relation von Länge und Kraft bewegt, werden bei einem Training über den vollen Bewegungsumfang (Range of Motion, ROM) neue Sarkomere in die Sarkomerenkette eingebaut. Dies darum, weil die Sarkomere so mit einer optimalen Überlappung von Aktin- und Myosinfilamenten die perfekte Relation von Länge und Kraft aufweisen. Wäre dies nicht der Fall, würden die Sarkomere sich zu stark dehnen und somit weniger leistungsfähig sein, sprich weniger Kraft generieren. Konsequenzen für die Praxis. Nutzen Sie den aktiven Bewegungsapparat, die Muskulatur, zur Bewegung. Und sorgen Sie dafür, dass diese in Form bleibt. Regelmäßiges Training führt zu einem um bis zu fünfzehn Jahre tieferen biologischen Alter. An erster Stelle dafür steht das Krafttraining; noch vor dem Ausdauertraining. Die beste Ausdauer nützt nämlich nichts, wenn Sie aufgrund fehlender Kraft am Morgen nicht aus dem Bett kommen

Muskeln sind das beste Anti-Aging Medikament, das es gibt. Sie können ja nicht gegen das Altern sein, es findet sowieso statt. Dank der Muskel können Sie das biologische Alter jedoch um gut fünfzehn Jahre senken. Dafür kann man den Begriff des neuen Alterns verwenden. Gut trainierte Menschen mit demselben Baujahr wie der Autor können so biologisch lediglich dreiundvierzig Jahre alt sein (Stand: Erscheinungsjahr des Buches)

8 Steuerung verwandelt Aktionspotentiale. in Bewegung. Was Sie nachher mehr wissen. In diesem Kapitel erfahren Sie, wie die Aufgabe „Joggen“ vom Hirn in die Muskulatur gelangt und welche Systeme und Elemente dabei beteiligt sind. Das Hirn koordiniert Milliarden von Zellen. Keine Bewegung kann ausgeführt werden, wenn diese nicht gesteuert wird. Gut, es gibt Ausnahmen, etwa Reflexe. Davon später mehr. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen gemütlich auf einem Stuhl und ein Jonglierball kommt direkt auf Ihren Kopf zugeflogen. Was tun Sie? Prinzipiell haben Sie zwei Handlungsoptionen: Abfangen oder ausweichen. Welche wählen Sie? Und warum? Viele Fragen für eine einfache Situation. Bis Sie sich entscheiden, durchläuft das Hirn einen veritablen Entscheidungsfindungsprozess – die beiden Handlungsoptionen sind lediglich das Ende der Kaskade. In gekürzter Version sind das ungefähr folgende Fragen, die das Hirn zu klären hat:

Das sind noch nicht alle Fragen, sie zeigen aber die Komplexität auf. Aufgrund der persönlichen Erfahrungen in ähnlichen Situationen werden Sie sich letztlich für eine Handlungsoption entscheiden. Warum wird der Steuerung so wenig Aufmerksamkeit geschenkt, wenn sie doch offenbar zentral ist beim Bewegen unseres Körpers? Im Fitnesscenter wird viel über Kraft (siehe Kapitel 12), Ausdauer (siehe Kapitel 16) und Beweglichkeit (siehe Kapitel 17) gesprochen, aber selten bis gar nie über das zentrale Thema der Steuerung – obwohl diese wesentlich beeinflusst werden kann. Gilt es doch, für eine Bewegung Millionen von Zellen zu einem harmonischen Ganzen zu koordinieren. Definition. Steuerung ist die Beeinflussung der Intensität oder Richtung von Organsystemen und deren Koordination. Geografie des Steuerungssystems. Im Grundsatz verfügt der Mensch über zwei Steuerungs- und Regulationssysteme: Das Nervensystem und das Hormonsystem. Die Unterscheidung einfach erklärt: Das Nervensystem ist für die Bewegung verantwortlich, das Hormonsystem für Zellen, Organe und Organsysteme

Steuerungssystem mit seinen Teilsystemen. Wie der Grafik zu entnehmen ist, wird das Nervensystem in drei Teilsysteme unterteilt. Das zentrale Nervensystem (ZNS) besteht aus dem Gehirn und dem Rückenmark. Für die Bewegungen benötigt der Mensch zusätzlich das periphere Nervensystem (PNS), welches aus den Nervenbahnen besteht, die vom Rückenmark in die Peripherie gehen, beispielsweise zu den Beinen, Füßen und Armen. Das dritte Teilsystem ist das vegetative Nervensystem (VNS), welches die Vitalfunktionen kontrolliert. Das heißt, es ist im Gegensatz zu den beiden anderen Teilsystemen nicht willkürlich zu beeinflussen. Nervenzellen und Nervenbahnen sind die Autobahn der Befehle. Wie kommt nun aber eine Aufforderung zur Bewegung zur Muskulatur? Dafür werden die Nervenfasern benötigt. Diese sind im Grundsatz alle gleich aufgebaut: aus dem Zellkörper, den Dendriten und einem Axon

Nervenbahn. Der Mensch verfügt über viele Milliarden Zellkörper, die meisten finden sich im Gehirn. Diese sind untereinander teilweise über die synaptischen Verbindungen in gegenseitigem Kontakt. Was sind nun die Aufgaben der verschiedenen Bestandteile? Der Zellkörper der Nervenzelle verfügt über eine Zellmembran, einen Zellkern und einige Zellorganellen. Auffallend sind die vielen Mitochondrien (siehe Kapitel 19) – das heißt, in den Zellkörpern findet ein reger Stoffwechsel statt. Die Dendriten sind die Antennen der Zellen. Sie schnappen die Informationen aus anderen Nervenzellen auf und leiten diese an den Zellkern weiter. Das Axon sorgt dafür, dass die Information weiter zu den Muskeln, anderen Endorganen oder zu anderen Nervenzellen geleitet wird. Man unterscheidet zwischen afferenten (sensitiven) und efferenten (motorischen) Axonen. Motorisch heißt, im Sinne des Wortes, etwas bewegen. Motorische Axone leiten die Informationen zum Muskel, sodass er sich doch bitte kontrahieren soll. Sensitive Axone leiten im Anschluss die Vollzugsmeldung zurück an die Schaltzentrale, das Gehirn. Der Vollständigkeit halber noch zwei wichtige Begriffe, so einfach wie möglich beschrieben: Aktionspotentiale erregen die Muskulatur: Das Aktionspotential steht im Zusammenhang mit der Erregung einer Nervenzelle. Aktion sagt schon aus, was passieren wird. Der Befehl zur Kontraktion muss, bleiben wir bei der Muskulatur, zum vorderen Oberschenkel transportiert werden. Dies geschieht über das Aktionspotential mittels eines etwas komplizierten chemischen Vorgangs im Bereich der Synapsen. Zu diesem Zweck gleich noch etwas mehr. Ruhepotential fürchtet das Ungleichgewicht: Das Ruhepotential entspricht dem Gleichgewicht in der Nervenzelle. Soll ein Aktionspotential abgesetzt werden, muss zuerst, ebenfalls chemisch, ein Ungleichgewicht hergestellt werden. Bildlich kann man sich das so vorstellen, wie es im Buch „Fit in Anatomie und Physiologie“ aus dem Klett Verlag mit der Metapher eines Pfeilbogens gut beschrieben ist. Das Ruhepotential entspricht dem gespannten Bogen. Um den Bogen zu spannen, benötigt man Energie (siehe Kapitel 19) und es dauert einen Moment, bis die Spannung aufgebaut ist. Das Aktionspotential entspricht dem Loslassen: Eine schnelle Entladung der Spannung ohne weiteren Energieaufwand. Struktur und Funktion der Synapsen. Synapsen sind immer gleich aufgebaut: synaptische Endköpfchen am Ende des Axons (Zwiebel), ein synaptischer Spalt und eine Folgezelle danach. Der synaptische Spalt ist sehr dünn und mit einer Transmittersubstanz gefüllt, einfach gesagt der Übertragungssubstanz

Synapse. Die Übertragung einer Information geschieht immer elektrisch oder chemisch. Bei den Synapsen ist die Übertragung chemisch. Dies geschieht über eine Diffusion der Neurotransmitter in den synaptischen Spalt. Sie suchen sich auf der Gegenseite Andockmöglichkeiten, das sind bildlich gesprochen Türen. Wenn die Information, also der Neurotransmitter, dort andockt, geht die Türe auf und die Information ist auf der Gegenseite angekommen. Die motorische Einheit als Verbindung vom Hirn zum Muskel. Die motorische Einheit bildet eine funktionelle Einheit aus Nerv und Muskel. Ohne Befehl aus dem zentralen Nervensystem findet keine Reaktion in der Muskulatur (siehe Kapitel 7) statt

Eine motorische Einheit (motorisches Neuron) Die Motoneuronen, die Zellkörper der motorischen Nervenfasern, befinden sich im Rückenmark. Zusammen mit dem Axon, der Verbindung vom Rückenmark zum Muskel, und der motorischen Endplatte auf der Muskulatur bilden sie eine motorische Einheit. Je feiner die Bewegung sein muss, umso weniger Muskelfasern kann eine motorische Einheit bewegen und umgekehrt. So sind bei der Augenmuskulatur pro motorischer Einheit lediglich bis zu zehn Muskelfasern „angeschlossen“, beim vorderen Oberschenkel sind es über tausend Muskelfasern. Wie bei der Muskulatur finden sich auch bei den motorischen Einheiten zwei unterschiedliche Typen: langsame und schnelle. Die langsamen motorischen Einheiten werden immer zuerst rekrutiert. Sie sind für feinmotorische Aktivitäten und Alltagsaktivitäten zuständig. Die schnellen motorischen Einheiten werden dann rekrutiert, wenn große und/oder explosive Leistungen gefragt sind. Mit einem Training der intramuskulären Koordination oder mit plyometrischen (siehe Exkurs Kapitel 12) Trainingsinhalten werden diese Eigenschaften trainiert. Das Nervensystem lernt, die Aktionspotentiale schneller zu transportieren und so mehr Kraft pro Zeiteinheit zu generieren. Leider wird in den Fitnesscentern diesem Bereich zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Ein Training der Sturzprophylaxe findet genau hier statt. Also noch einmal: In der Praxis werden immer zuerst die langsamen und erst dann die schnellen motorischen Einheiten rekrutiert. Dies wird als Hennemannsches Prinzip (siehe Kapitel 12) bezeichnet. Sprich: Sind die Widerstände im Krafttraining zu gering, werden nur die langsamen motorischen Einheiten trainiert und ein Dickenwachstum des Muskels ist eher unwahrscheinlich, wenn nicht sogar verunmöglicht. Hier liegt wohl ein Teil der nicht erfüllten Zielerreichung von 93 Prozent der Kundschaft im Fitnesscenter begründet. Messsysteme schützen vor Verletzungen. Neben den motorischen Einheiten verfügen wir für die Steuerung der Muskeln über zwei zusätzliche Systeme: die Muskel- und die Sehnenspindel. Sie sind, einfach gesagt, dafür verantwortlich, dass die vorgegebenen anatomischen Grenzen nicht überschritten werden. Sie machen folglich nichts anderes, als einen Ist-Wert mit einem Soll-Wert zu vergleichen. Muskelspindeln kontrollieren die Länge: Die Muskelspindeln weisen elastische und kontraktile Eigenschaften auf. Sie liegen parallel zu den Muskelfasern und stehen mit dem Rückenmark in Verbindung. Das ermöglicht den Muskelspindeln, die Länge des Muskels zu messen und die Information weiterzugeben. Wird die Soll-Länge überschritten, kommt es zu einer entsprechenden Reaktion, der Muskel wird entlastet. Sehnenspindeln kontrollieren die Spannung: Sehnenspindeln sind, wie der Name schon suggeriert, in der Sehne lokalisiert. Sie reagieren auf Spannung. Diese kann durch Dehnung oder Kontraktion erfolgen. Wird die Soll-Spannung überschritten, kommt es auch hier zu einer Reaktion – dem Nachlassen der Spannung. „Reflexe sind schneller als der Verstand!“ aus Hegner, „Training – fundiert erklärt“ Reflexe sind schneller als der Verstand. Sie erinnern sich an den Jonglierball, der auf Ihren Kopf zuflog? Und die zwei Handlungsoptionen Fangen oder Ausweichen? Werden Sie vom Jonglierball so überrascht, dass Sie es nicht mehr schaffen, mit einer bewussten Bewegung zu reagieren, kommt quasi der Notausgang zu tragen: der Reflex. Sie werden sich automatisch auf die Seite bewegen oder automatisch die Hände schützend vor den Kopf bringen. Unbewusst, nicht gesteuert, sondern reflexartig. Reflexe sind angeborene Verschaltungen im Rückenmark, über die Sie sich keine Gedanken zu machen brauchen. Reflexe werden in zwei Gruppen eingeteilt: einfache und komplexe Reflexe. Die einfachen Reflexe haben einen Zusammenhang mit den Muskel- und Sehnenspindeln und dienen der Regulierung der Muskellänge und des Muskeltonus. Die Reflexe fragen nicht in der Zentrale (Gehirn) nach, was zu tun ist. Sie tun es einfach, weil die entsprechende Antwort bereits im Rückenmark entsteht und ohne Umweg über das zentrale Nervensystem zum Adressaten zurückgeht. Das macht die Reflexe eben schneller als den Verstand. Im Gegensatz zu den einfachen Reflexen sind an den komplexen Reflexen sehr viele Neuronen und Rezeptoren beteiligt. Häufig handelt es sich um Schutzreflexe, die zum Beispiel ausgelöst werden, wenn wir eine heiße Herdplatte berühren. Oder hatten Sie schon einmal die Wahl die Hand von der heißen Platte zu nehmen oder nicht? Eben. Regelkreis am Beispiel Blutzuckerspiegel. Regelkreise finden in der Technik vielfältige Anwendung und sind meist recht einfach aufgebaut. Ein Regelkreis ist ein geschlossener Ablauf, der dazu dient, eine physikalische Größe in einem technischen Prozess zu beeinflussen. Wichtigstes Element des Regelkreises ist ein Regler mit Rückkopplung, der Ist- und Soll-Wert kontinuierlich miteinander vergleicht und bei einer Abweichung entsprechende Maßnahmen einleitet. Da der Mensch nun aber kein technisches Objekt ist, werden nicht physikalische Größen geprüft und beeinflusst, sondern physiologische. Die Funktionsweise lässt sich sehr gut am Regelkreis des Blutzuckerspiegels zeigen, der in der Abbildung dargestellt ist

Zum Schluss noch dies … Die Steuerung des Körpers ist ein fein ausbalanciertes Gesamtkunstwerk. Dieser wird im Trainingsalltag wenig bis gar keine Bedeutung zugemessen. Dies ist ein gravierender Trugschluss, weil die Steuerung durch Training direkt beeinflusst werden kann. Übernehmen Sie wie beim Symphonieorchester die Rolle des Dirigenten

9 Planung und Steuerung zum Erfolg. Was Sie nachher mehr wissen. In diesem Kapitel erfahren Sie, welche Prinzipien einem zielgerichteten Training zugrunde liegen, wie ein Trainingsjahr unterteilt (periodisiert) wird und wie Ziele zu definieren sind. Das Ziel ist niemals der Weg. Der Weg ist das Ziel (siehe Kapitel 1)! Diesen Ausspruch haben Sie mit Sicherheit schon irgendwo gehört oder gelesen. Am ehesten wohl im Zusammenhang mit Sportlerinnen und Sportlern, welche das Ziel nicht (ganz) erreicht haben. Der Weg ist das Ziel – ein Motto, das letztlich in die Irre führen muss. Doch der Reihe nach. Zuerst erzähle ich Ihnen eine kleine Geschichte vom Alltag auf einer Ranch. Die Geschichte ist übrigens nicht von mir, sondern dem Beitrag „Bohnen und Speck“ von Stefan Köhler in dem Buch „Erzählbar“ von Hans Hess entnommen. Robert lebte mehr schlecht als recht von seiner Schreiberei. Er träumte davon, eines Tages eine Ranch zu besitzen, aber mit seinen Einnahmen als Schriftsteller würde das wohl ein Traum bleiben. Nun hatte er das Glück, einen Verleger zu finden, der ihm einen hübschen Vorschuss auf seine Arbeit zahlte, und so hatte er endlich ein wenig Geld. Natürlich nicht genug für eine Ranch, aber für vier Wochen Urlaub auf einer Ranch reichte es. Voller Vorfreude buchte er die Reise. Schon gleich am ersten Tag durfte Robert helfen, den Zaun zu reparieren, und so ritten sie früh morgens los. Fantastisch! So hatte er sich das vorgestellt: auf dem Rücken eines Pferdes die Natur genießen und stolz auf seiner Hände Arbeit sein. Müde, aber glücklich ritten sie abends nach Hause. Von weitem rochen sie es schon: Bohnen und Speck. Genau das Richtige für einen Cowboy! Das Essen schmeckte herrlich. Am nächsten Tag ging es raus zum Kälber-Brandmarken. Robert lernte es schnell. Ein toller Tag! Abends ritten sie nach Hause, und es gab wieder Bohnen und Speck. Am dritten Tag fingen sie ein paar verirrte Kälber ein und trieben sie zurück zur Herde. Wunderschön, wie sich ihnen die Natur in der Sonne offenbarte! Und abends zu Hause gab es – Bohnen und Speck. Am vierten und fünften Tag trieben sie die Herde auf neue Weiden. Robert fragte sich tagsüber schon, was es wohl abends zu essen geben würde. Es gab – Bohnen und Speck. Wie auch am sechsten Tag …

Speck und Bohnen: Das tägliche Menü im Fitnesscenter. Sie fragen sich, was das mit Planung und Steuerung zu tun hat? Ganz einfach – in der freien Prärie der Fitnesscenter gibt es täglich Bohnen und Speck zu essen. Eine Planung über einen vernünftigen Zeitraum mit Zielen, die den Namen verdienen, und bei der die Trainingsgrundsätze im Wesentlichen eingehalten werden, ist leider nur selten anzutreffen. Machen Sie den Test und fragen Sie das nächste Mal fünf Mittrainierende Ihrer Wahl, was genau ihr Trainingsziel ist. Sie werden sich verwundert die Augen reiben. Nur ganz wenige Trainierende werden klar sagen, was heute das Trainingsziel ist, was mittel- und langfristig als Trainingserfolg angestrebt wird. Der Aufwand für eine strukturierte Planung ist nicht so groß, dass man das aus Zeitgründen nicht machen kann. Da wären wir dann schon fast wieder beim Thema „Der Weg ist das Ziel“. Gehen wir die Sache strukturiert an – denn von der Planung und Steuerung hängt der Trainingserfolg ab – und davon wiederum, unter anderem, die Erneuerungsquote. Alles klar? Biologische Aspekte im Sinne der Anpassung. Der Mensch ist plastisch, passt sich den sich verändernden Bedingungen also an. Positiv wie negativ. Durch das Training versuchen wir ja, diese Fähigkeit im positiven Sinne zu nutzen. Wir fordern den Körper, damit dieser sich anpasst – er nutzt dabei die anabolen Effekte, die aufbauenden Effekte also. Das Gegenteil, der Vollständigkeit halber, sind die katabolen Effekte. Bedingung ist allerdings, dass ich das innere biochemische Gleichgewicht (Homöostase) störe, indem ich genügend Intensität in das Training gebe. Soll heißen: Wenn Sie während des Trainings die Glückspost oder die Neue Post lesen, ist die Intensität definitiv zu gering. Ein unterschwelliger Reiz führt zu keinen Anpassungen. Auf der anderen Seite ist es wichtig, wenn die Intensität hoch genug war, dass wir genügend Erholungszeit einplanen. Besser werden Sie durch die Regeneration (siehe Kapitel 10), nicht durch das Training! Die Regeneration ist eng mit dem Begriff der Superkompensation verknüpft. Superkompensation ist ein Erfolgsmodell. Die Superkompensation zeigt schön auf, was während und nach dem Training passiert. Vor allem die Überkompensation (synonym für Punkt 5 in der Grafik) ist spannend – dank dieser werden Sie nämlich besser

Das Prinzip der Superkompensation, mit freundlicher Genehmigung von www.fitforlife.ch. Am Beispiel eines Krafttrainings (siehe Kapitel 12) will ich das verständlich machen. Eine wichtige Eingangsbemerkung vorne weg: Die Grafik bezieht sich auf die energetischen Aspekte. Neuronale Aspekte beispielsweise haben einen anderen Verlauf. Wir machen also heute ein Hypertrophietraining mit 16 Sätzen bis zur jeweiligen muskulären Erschöpfung. Jeder Satz entspricht einer anderen Übung, aber nicht zwingend einer anderen Muskelgruppe. Wir ermüden, hoffentlich, während des Trainings, das rund 45 Minuten dauert. Mehr ist dafür nicht notwendig. Wir schieben nach dem Training genügend Proteine, Kohlenhydrate und Wasser nach, sodass wir von einer optimalen Erholungszeit profitieren, die nach einem solchen Training rund drei Tage dauert. Der Körper passt sich dieser Belastung an, indem er überkompensiert. Im Idealfall folgt auf dem Höhepunkt der Überkompensation das neue Training. Diese Phase der Überkompensation hält zwei bis vier Tage an. Nur wenn wir das so umsetzen, ist eine Leistungssteigerung nicht aufzuhalten. Ansonsten ist viel Aufwand bei kleinem Ertrag zu konstatieren, sprich wenig Trainingserfolg. Trainingsaufbau ist ein jahrelanger Prozess. Ein langfristiger Trainingsaufbau erfolgt in der Regel über mehrere Stufen. Üblicherweise werden vier Stufen verwendet:

In den beiden ersten Stufen sind wir im Fitnesscenter unterwegs. Alle Kundinnen und Kunden beginnen mit dem Grundlagentraining, das heißt sie bringen den Körper so weit in Form, dass er aufgebaut werden kann. Der Ausgleich muskulärer Dysbalancen (siehe Kapitel 7) und die Beweglichkeit (siehe Kapitel 17) stehen dabei im Zentrum. In diesem Stadium dürften sich die meisten Kundinnen und Kunden der Fitnesscenter befinden. Das Aufbautraining schließt an, hier können spezifische Sportarten ein Thema sein, damit in den entsprechenden Sportarten bessere Leistungen oder harmonische Bewegungen möglich sind. Das Anschlusstraining und das Hochleistungstraining finden nicht unter der Leitung eines Fitnesstrainers statt. Hier sind die Spezialisten gefragt. Das Anschlusstraining entspricht dem Übergang vom Juniorenalter zu den Aktiven und dauert in der Regel zwei bis fünf Jahre. Soviel Zeit ist oft nötig, um diesen Sprung zur Elite zu schaffen. Ist die Athletin oder der Athlet hier angelangt, schließt sich das Hochleistungstraining für den Bereich Leistungs- und Spitzensport an. Trainingsprinzipien sind das Grundgesetz. Trainingsprinzipien sind die Leitplanken des sportlichen Trainings. Stellen Sie sich eine vielspurige Autobahn vor, auf der Sie alle Spuren nutzen dürfen, bis hin zur Leitplanke – aber sinnvollerweise nicht über diese hinaus und auch nicht als Falschfahrer. Diese Trainingsprinzipien sind einzuhalten, damit im Grundsatz ein langfristiges Training zielführend möglich ist. Hier eine Auswahl an Trainingsprinzipien, die im Fitnesscenter von Bedeutung sind. Belastung und Erholung: Die Superkompensation haben Sie schon kennengelernt. Jetzt ist es wichtig zu wissen, welche Art von Belastung eine wie lange Erholungszeit benötigt. Diese ist dann bitte einzuhalten. So können sie täglich ein Ausdauertraining (siehe Kapitel 16) im Bereich des Fettstoffwechsels 16 machen – energetisch ist das kein Problem. Ein hochintensives Intervalltraining oder ein hochintensives Krafttraining dagegen haben Erholungszeiten von zwei bis vier Tagen zur Folge. Wie viel genau? Keine Ahnung! Jeder Mensch reagiert anders auf die gleiche Belastung und man kann nur mit Versuch und Irrtum herausfinden, wie lange die Erholungszeit ist. Meine eigenen Athleten, welche ich über viele Jahre betreuen durfte, kannte ich in- und auswendig. Die obigen Angaben zu den intensiven Trainings sind gute Anhaltspunkte, die im Training verifiziert werden müssen. Kontinuität: Ein Training ist kein Training. Erst eine Kaskade aufeinander aufbauender Trainingseinheiten führt zum Erfolg. Das regelmäßige Training ist der Schlüssel zum Erfolg. Im Krafttraining spricht man von einem Deckeneffekt nach rund 20 Trainingseinheiten. Das heißt bei zwei Trainings pro Woche dauert es rund zehn Wochen bis aufgrund der erfolgten Anpassungen neue Reize nötig sind. Progressive Belastungssteigerung: Eine regelmäßige Anpassung der Belastung ist nötig – der Körper reagiert sonst mit einer Stagnation; er macht keine Fortschritte mehr. Warum auch? Wenn er nicht mehr gefordert ist, muss er sich nicht mehr anpassen. Zuerst sollte dabei immer die Anzahl Trainings erhöht werden, danach der Belastungsumfang und erst am Schluss die Belastungsintensität. Individualität und Alter: „Jetzt reiß dich doch endlich zusammen.“ Diesen Spruch hört man oft im Training, vor allem mit Jugendlichen. Eine ziemlich dämliche Aussage in diesem Altersspektrum. Das Training ist gezielt auf die Möglichkeiten und das Alter anzupassen. Dabei gilt es eben zu berücksichtigen, dass es ein kalendarisches und ein biologisches Alter gibt. Das heißt im Klartext: Bei Kindern und Jugendlichen kann das massiv divergieren. Daher sind solche Sprüche wie „Jetzt reiß dich doch endlich zusammen“ nicht angebracht. Der Jugendliche gibt sich alle Mühe. Wenn das biologische Alter dem kalendarischen hinterherhinkt, kann er die ihm gestellte Bewegungsaufgabe schlicht noch nicht in der geforderten Qualität erbringen! Folglich sind alle Trainingsmaßnahmen darauf auszurichten, dass dem Alter und der Individualität Gerechtigkeit getan wird. Variation: Sie finden eine Geschichte mit grünem und gemischtem Salat im Kapitel Ausdauer (siehe Kapitel 16)! Dort schließt sich der Kreis. Es ist elementar, dass die Trainingsmaßnahmen, sprich die Trainings, regelmäßig variiert werden. Es kann nicht sein, dass ein Kunde zweiundfünfzig Wochen im Jahr die gleiche Übung im Programm hat. Bei gleichem Widerstand und im gleichen Tempo ausgeführt. Mangelnde Zielerreichung ist so programmiert. Und wie war das schon wieder mit den Gründen, das Abo nicht mehr zu erneuern? Also, liebe Trainerinnen und Trainer, wechseln Sie regelmäßig, spätestens nach drei Monaten, das Programm. Soll heißen: andere Übungen, andere Methoden, andere Arbeitstempi und anderes mehr. Der gemischte Salat ist angesagt – in jeder Trainingsart. Periodisierung: Kein Mensch ist fähig, während eines ganzen Jahres in Topform zu sein. Also müssen wir das Trainingsjahr in überschaubare Einheiten aufteilen, sogenannte Perioden. Da ist oft ein Zuviel zu beobachten. In der Regel reicht es im Fitnesscenter schon, wenn wir das Jahr in vier bis sechs Perioden aufteilen. Sinnvoll sind wohl deren sechs. Im Krafttraining (siehe Kapitel 12) heißt das gemäß der Kraftpyramide: zuerst eine Periode Kraftausdauer, gefolgt von einer Periode der Hypertrophie und im Anschluss eine Periode intramuskuläre Koordination. Anschließend beginnt das Spiel von vorne. Konsequent! Im Ausdauertraining dasselbe. Am Beispiel der HIIT-Konzeption (siehe Exkurs Kapitel 16) heißen diese Perioden Potential, Ausschöpfung und Ermüdungsresistenz und werden in dieser Reihenfolge regelmäßig abgewechselt – und damit auch die Methoden und Intensitäten. Optimale Belastungsfolge: Wird mehr als eine Trainingsart ins Training eingepackt, gilt immer die folgende Reihenfolge:

Ausdauer (siehe Kapitel 16) folgt immer am Schluss. Warum um alles in der Welt sehe ich in der freien Prärie immer wieder Menschen, die nach 45 Minuten Ausdauertraining noch Krafttraining machen (wollen)? Sie finden im Kapitel 12 eine kleine Ausnahme dazu. Der Grund für diese Reihenfolge ist einfach: Zuerst spielen die neuronalen Aspekte die entscheidende Rolle und danach die energetischen. Dabei überlagern die neuronalen Anforderungen eben die energetischen! „Planung ist die Vorwegnahme des Irrtums. Je kleiner der Irrtum, je besser das Resultat.“ Peter Regli. Training und Trainingsparameter – ohne geht es nicht. Bei der Trainingsgestaltung sind folgende Punkte zu klären:

Am einfachsten auch hier ein Beispiel, welches hilft, diese Punkte zu verstehen. Der Reihe nach: Was wollen wir heute überhaupt trainieren? Machen wir ein Ausdauertraining, ein Kraft- oder ein Techniktraining? Entscheiden wir uns mal für ein Ausdauertraining als Trainingsart. Weiter ist jetzt zu klären, ob wir ein allgemeines Training machen, ob wir ein sportartspezifisches Training absolvieren oder allenfalls gar ein wettkampforientiertes Training. Diese Klärung bestimmt letztlich, was getan werden soll. Entscheiden wir uns hier mal für ein allgemeines Training der Ausdauer. Jetzt sind die Methoden zu klären, um den Inhalt optimal umzusetzen. Wir machen ein allgemeines Ausdauertraining, das wissen wir ja schon. Methoden stehen uns im Ausdauertraining verschiedene zur Verfügung. Aufgrund des Trainingsinhaltes fallen aber die Wiederholungsmethode und die Wettkampfmethode weg. Bleiben noch Dauermethode und Intervallmethode. Da ich persönlich gerne Intervall habe, wählen wir als Methode die Intervallmethode. Um das Intervalltraining perfekt durchzuführen, brauchen wir wenige Hilfsmittel: das Laufband oder den Wald und einen Trainingscomputer mit integrierter Stoppuhr und der Anzeige der Herzfrequenz. Was muss ich jetzt noch definieren, um das Intervalltraining durchführen zu können? Ja, es sind die folgenden Parameter:

In unserem Beispiel klingt das dann so: Wir trainieren zweimal in der Woche (Trainingshäufigkeit) im Bereich der Ausdauer (siehe Kapitel 16). Wir laufen heute 8 Belastungen (Belastungsumfang). Dazu Aufwärmen und Abschluss des Trainings. Die Belastungszeit beträgt jeweils 3 Minuten (Reizdauer) mit 85 Prozent der HFmax (Intensität). Die Pausen dauern so lange, bis die Herzfrequenz wieder auf 120 Schläge pro Minute gesunken ist (Reizdichte). Und zu guter Letzt weiß ich am Ende des Trainings, dass wir 24 Minuten im Belastungspuls trainiert haben (Gesamtbelastung). Nur wenn Sie den Kundinnen und Kunden alle diese Informationen mitgeben, kann zielführend trainiert werden. Überprüfen Sie mal kurz! Modelle vereinfachen und geben Sicherheit. Modelle werden entwickelt, um komplizierte Sachverhalte einfach darzustellen. Das ist in der Wirtschaft so und im Sport ebenso. Manchmal sind diese Modelle nicht vereinfachend, sondern eher das Gegenteil. Für ein Fitnesscenter sind vor allem die Modelle aus dem Leistungssport zu kompliziert, weshalb ich an dieser Stelle darauf verzichte. Der Vollständigkeit wegen einfach ein Name: das Modell der Trainingsplanung und Steuerung nach Grosser. Ich stelle Ihnen mit dem HelfRecht Regelkreis ein viel einfacheres, vielfach erprobtes Modell vor. Dieses lässt sich perfekt im Fitnesscenter implementieren

Regelkreis der Planung, mit Genehmigung. von © HelfRecht-Unternehmerzentrum, www.helfrecht.de. Der Regelkreis beginnt mit der Analyse. Sie entspricht dem Erstgespräch mit den Kundinnen und Kunden, ergänzt durch ein Testing, wo nötig und sinnvoll. Danach wird über Ziele (siehe Kapitel 1) gesprochen, ich schreibe bewusst in der Mehrzahl. Sind diese Ziele definiert, geht es an die Vorgehensplanung, in unserem Fall ist das der Trainingsplan unter Berücksichtigung aller Trainingsprinzipien. Anschließend das Vorgehen, sprich, das Training wird durchgeführt. Dann folgen im Kreis die Ergebnisse/Erfolge. Hier wird überprüft, ob wir die Ziele erreicht haben oder nicht. Und fertig ist die Geschichte. Einfach, klar, strukturiert. Ich empfehle den HelfRecht Kreis gerne aus genau diesen Gründen. Die Praxis hat gezeigt, dass mit diesem System bis weit in den Leistungssport perfekt gearbeitet werden kann. Es geht letztlich um die Systematik, nicht um das Modell als solches. Zielemanagement ist eine Herkulesaufgabe. Das Zielemanagement – ein Sorgenkind in der Fitnessbranche. Selbst, wenn Ziele definiert wurden – gemanagt werden sie trotzdem nicht. Beim HelfRecht Kreis ist das ein ganz wichtiger Teil. Es gilt, mit den Kundinnen und Kunden zuerst ein langfristiges Ziel zu vereinbaren. Denken Sie an das Kapitel Motivation (siehe Kapitel 1)! Eine sinnvolle Zeitspanne ist hier wohl zwölf Monate. Im Leistungssport denkt man, zum Vergleich, oft im Vierjahreszyklus der Olympischen Spiele. Danach werden Zwischenziele vereinbart, womit wir dann wieder bei der Motivation sind. Diese Ziele sind zu managen. Die Ziele werden wie folgt definiert:

Nur so sind Ziele auch Ziele! Letztlich geht es aber immer um das Gleiche: Ist das Ziel messbar und machbar? Geht man von einem dreimonatigen Rhythmus aus, sind auf zwölf Monate bezogen folglich fünf Ziele zu definieren: das Jahresziel und das Ziel des jeweiligen Trainingsprogrammes alle drei Monate! Diese Zwischenziele erlauben uns ein Controlling. Nicht eine Kontrolle – sondern Controlling. Das sind zwei ganz unterschiedliche Dinge. In meinem Masterstudium ist unser Dozent für das Controlling mit folgendem Satz eingestiegen: „Controlling ist vorausschauendes Denken und Handeln.“ Perfekt umschrieben. Immer nach drei Monaten überprüfen wir, ob wir noch auf dem Weg zum Jahresziel sind – genau das ist damit gemeint! Konsequenzen für die Praxis. Die Trainingsprinzipien sind so etwas wie das Grundgesetz des sportlichen Tuns. Stellen Sie sich diese als mehrspurige Autobahn vor, wo alle Spuren zur freien Benützung offen sind. Aber Achtung, weder links noch rechts ist es ratsam, die Leitplanken zu missachten; dies kann zu bösen Unfällen führen. Der böse Unfall im Sport ist das Übertrainingssymptom bei Trainierenden, welche der Erholung zu wenig Aufmerksamkeit schenken. Die Folge: ein Leistungsabfall, schlechter Schlaf, Nervosität, Unruhe und einiges mehr. Um sich von einem Übertrainingssymptom zu erholen, sind mitunter oft mehrere Monate der Regeneration nötig. Diese beinhaltet psychische (mentale) Aspekte, viel Ruhe und ein sorgfältiges Abwägen der Bewegungsquantität. Halten Sie die Trainingsprinzipien ein und im Zweifel entscheiden Sie sich immer für mehr Erholung und weniger Training. Sehen Sie dies als Erfolgsformel des sportlichen Tuns

Viele Trainierende im Breitensport oder im ambitionierten Leistungssport wenden viele Stunden für das Training auf, ohne substanziell besser zu werden. Sie vergessen, dass Training ein Geben und Nehmen ist. Ich gebe mich in das Training und nehme mir Erholung. Der zweite Aspekt kommt in vielen Fällen zu kurz; planen Sie zuerst die Erholung und Sie wissen im Anschluss, wieviel Training überhaupt möglich sein wird. In diesem Zusammenhang sind die altbewährten Trainingsprinzipen und damit auch die verschiedenen Periodisierungsmodelle nach wie vor gültig und wichtig. Hier ist die Fachkompetenz der Trainerinnen und Trainer gefragt, damit diese individuelle, zielführende und kreative Trainingspläne erarbeiten

10 Regeneration ist der wichtigste Erfolgsfaktor. Was Sie nachher mehr wissen. In diesem Kapitel erfahren Sie, warum die Regeneration ein entscheidender Aspekt für den Trainingserfolg ist und welche Maßnahmen wirklich Wirkung zeigen. Management der Regeneration verdient einen CEO. Alle optimieren das Training, versuchen Neues und übernehmen Beispieltrainingspläne von erfolgreichen Sportlerinnen oder Sportlern aller Couleurs. Was bei X oder Y Erfolg bringt, kann mir ja schließlich nicht schaden. Dieser Fehlinterpretation verfallen viele Mitglieder in den Fitnesscentern und ebenso viele ambitionierte Breitensportlerinnen und Breitensportler. Sie trainieren Umfänge, welche selbst Elefanten an das persönliche Limit bringen. Daraus lässt sich schlussfolgern: Wer weniger trainiert, erzielt die besseren Resultate! Das Thema Regeneration wird oft ausgeblendet, mit fatalen Folgen. Das Management der Regeneration muss bei allen regelmäßig Trainierenden ein Thema sein. Die Trainingspläne sind ausgeklügelt bis ins letzte Detail – aber das wichtigste Detail wird oft vergessen: die Regeneration. „Wie viel soll ich trainieren?“ ist die falsche Frage! Die richtige Frage lautet: „Wie viel Zeit habe ich für die Regeneration zur Verfügung?“ Daraus lassen sich anschließend Umfang und Inhalt des Trainings ableiten. Im Leistungs- und Spitzensport wird die Regeneration immer wichtiger und ist ein großes Thema. So haben sich in der Schweiz die Trainerinnen und Trainer an der Magglinger Trainertagung im Oktober 2017 ausführlich mit dem Thema Regeneration auseinandergesetzt – zwei Tage lang mit spannenden Erkenntnissen für alle Trainierenden. Oder in Deutschland: Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft hat mit „REGman“ ein groß angelegtes Projekt zum Regenerationsmanagement im Leistungssport während vier Jahren (2012–2016) erarbeitet, mit klaren Handlungsempfehlungen zu den jeweiligen Fragestellungen. Ich nehme in diesem Kapitel Bezug auf diese beiden Quellen. Zudem konzentriere ich mich bei den Empfehlungen auf Interventionen, welche für Trainierende im Fitnesscenter und ambitionierte Breitensportlerinnen und Breitensportler relevant und umsetzbar sind. Aus diesem Grund sind psychologische Strategien zur Regeneration nicht Thema dieses Kapitels, obwohl diese einen sehr hohen Nutzwert haben. Definition. Ermüdung ist ein komplexer Mechanismus, in dem physiologische und psychologische Faktoren involviert sind. (Aaron Coutts in Anlehnung an Knicker et al. 2011) Coutts zeigte eindrücklich, dass im Bereich der Regeneration mindestens drei übergeordnete Faktoren definiert sind:

Zum Beispiel ist beim Thema Krafttraining (siehe Kapitel 12) der neuronale Aspekt derjenige, der überwiegt! Die metabolische Regeneration ist mit einem guten Nahrungs- und Flüssigkeitsmanagement (siehe Kapitel 21) nach dem Krafttraining gut im Griff zu haben. Die neuronale Regeneration dagegen scheint deutlich komplizierter. Aus dieser Optik erscheint die propagierte Erholungszeit nach einem intensiven Krafttraining von 72 Stunden in einem anderen Licht. Das heißt: Das Wissen um die wahrscheinlich korrekte Regenerationszeit ist entscheidend für den Trainingserfolg. Bei hochintensiven Belastungen sind Pausenlängen im Bereich des Dreißig- bis Fünfzigfachen der Belastungszeit angezeigt. Zum Beispiel sind es bei plyometrischen Belastungen im mittleren Bereich rund drei Tage, bei intensiven plyometrischen Belastungen sind es gar gut sieben Tage! Struktur der Regeneration. Ermüdung ist ein normales Phänomen beim Training. Am Ende des Trainings soll, ja, muss ich müde sein, sollen sich später die Prozesse der Adaption einstellen. Die Trainingsbelastungen werden im Fitnessbereich teilweise und im Leistungssport voll ausgereizt. Weil dem so ist, muss der Fokus vermehrt und endlich auf die Regeneration gelegt werden. Dabei kann unterschieden werden in

Es ist zu beachten, dass Erholung ein multifaktorielles Phänomen ist, welches auf unterschiedlichen Funktionsebenen des Organismus stattfindet und das auch noch in unterschiedlichen Geschwindigkeiten (Aufzählung aus dem „REGman“-Bericht, Seite 16):

Das heißt: Regeneration muss mindestens so zielführend geplant werden wie der Trainingsprozess an sich. Wie sich Ermüdung messen lässt. Wie lassen sich Erholtheit und Ermüdung messen? In Betracht kommen verschiedene validierte Messverfahren. Das können einfache, motorische Tests sein, wie beispielsweise ein Sprungkrafttest oder eine Messung mittels der Kraftmessplatte. Als zweite Möglichkeit sind die Laborwerte zu nennen. Unter anderem die Kreatinkinase oder der Quotient aus dem freien Testosteron und Cortisol. Im Bereich der Psyche stehen bewährte Fragebogen zu Ermüdung und Belastung zur Verfügung, welche sich in der Praxis bewähren. Bei diesen Fragebogen wird unter anderem mit Adjektiven gearbeitet

Erholungsdimensionen aus dem „REGman“-Bericht, Seite 26: Erholungsdimension (oben) und Beanspruchungsdimension (unten) mit den entsprechenden Adjektiven, eigene Darstellung. Diese Möglichkeiten der Messung von Erholtheit und Ermüdung stehen in den seltensten Fällen in den Fitnesscentern zur Verfügung: Im Gegensatz zu den möglichen Maßnahmen. Maßnahmen zur Förderung der Regeneration. Es gibt eine Vielzahl an Maßnahmen zur Förderung der Regeneration. Der Nachweis der Wirksamkeit ist unter dem Aspekt der Wissenschaftlichkeit nicht bei allen Maßnahmen gegeben. Es gilt also der alte Spruch „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“. Hier eine Auflistung ohne Anspruch auf Vollständigkeit für regenerative Maßnahmen (Aufzählung aus dem „REGman“-Bericht, Seite 34):

Im Rahmen des „REGman“-Projektes hat man bei einer Umfrage in den Sportarten Triathlon und Tennis herausgefunden, dass Flüssigkeitszufuhr und Nahrungsaufnahme, Schlaf (siehe Kapitel 22) und die aktive Erholung mit über vier auf einer Skala von null bis sechs bewertet wurden. Mindestens im Tennis kamen noch Kompressionsbekleidung und Massagen als relevante Themen dazu. Das heißt: Die höchste Zustimmung haben alt bewährte Maßnahmen wie Schlafen und Ernährung (siehe Kapitel 21), neben der aktiven Erholung. Wobei Schlaf und Ernährung das beste Verhältnis von Aufwand und Nutzen aufweisen

Erholungsmaßnahmen in Anlehnung an die Präsentation von Severin Trösch anlässlich der Magglinger Trainertagung 2017, inkl. der leicht modifizierten, anschließenden Kurzbeschreibung, eigene Darstellung. Hier noch einige Bemerkungen zum besseren Verständnis einiger ausgewählter Regenerationsmaßnahmen in der Grafik. Ernährung: Optimieren der Ernährung durch konsequentes Einhalten der Lebensmittelpyramide für Sportlerinnen und Sportler. Schlaf: Optimieren des Schlafes unter anderem durch das Vermeiden von Smartphone und Computergebrauch vor dem Schlafen. Kaltwasser-Intervention: Der Körper wird ganz oder in Teilen in kaltes Wasser getaucht. Wasser-Therapie: Alternierendes Eintauchen des ganzen Körpers oder von Teilen in kaltes und warmes Wasser nach der Belastung. Pool-Walking: Aquajogging im tiefen Wasser. Aktive Erholung: Leichte Aktivität nach der Belastung. Kompressionsbekleidung: Enge Kleidungsstücke, welche gleichmäßig Druck auf die entsprechenden Körperteile ausüben. Warmwasser-Intervention: Eintauchen des ganzen Körpers oder von Teilen in warmes Wasser nach der Belastung. Jetzt noch einige Bemerkungen zu ausgewählten Maßnahmen, welche im Fitnesscenter von Belang sind oder sein können. Aktive Erholung gibt lediglich ein gutes Gefühl. Unter den Begriff der aktiven Erholung fallen alle aktiven Tätigkeiten im Anschluss an ein Training oder einen Wettkampf, welche selbstständig durchgeführt werden. Die Intensität ist in jedem Fall sehr gering, unter 60 Prozent der HFmax. Ob ich diese aktive Tätigkeit in Form von Auslaufen, Ausfahren oder in Kombination mit koordinativen Bewegungsaufgaben oder mit leichtem Dehnen mache, spielt dabei keine Rolle. Aktive Erholung hat Einfluss auf Energie, Kreislauf und Muskulatur, hingegen aber keinen Einfluss auf die Steuerungssysteme wie Hormon- oder Nervensystem. Gemäß dem „REGman“-Bericht, Seite 42, kann zusammenfassend festgehalten werden: Die aktive Erholung hat keinen messbaren Vorteil gegenüber den passiven Maßnahmen. Umgekehrt beeinflusst die aktive Erholung auch nicht die Adaption. Folglich kann ich aktive Erholung einsetzen oder nicht. Damit ist die vielmals gemachte Aussage, dass durch aktive Erholung ein schnellerer Laktatabbau möglich ist, widerlegt. Positiv ist die Maßnahme, wenn ich im Nachgang ein „gutes Gefühl“ habe. Schlaf als Turbo für die Erholung. Schlafen ist die wohl wichtigste Maßnahme im Sinne der Regeneration. Empfohlen werden mindestens sechs, besser bis acht Stunden Schlaf bei hohen körperlichen Belastungen. Hand auf’s Herz: Wer schläft regelmäßig acht Stunden? Regelmäßig ist dabei das Stichwort. Schlafen zur gleichen Zeit und ohne Gebrauch des Smartphones kurz vorher sind wichtige Bestandteile der Regeneration. Einige einfache Tipps:

Als Illustration eine Grafik zur Schlafdauer von Profisportlern

Die Schlafdauer von Sportlern, mit freundlicher Genehmigung von www.gdi.ch aus Tenger/Frick 2014, die Zukunft des Schlafens, www.gdi.ch/schlafstudie. Ernährung ist ein wichtiges Element. Dass die Ernährung ein zentrales Element zur Regeneration ist, hat heute in breiten Kreisen Akzeptanz. Über das Wie und Was gehen die Meinungen allerdings auseinander. Deshalb verzichte ich hier auf weitere Ausführungen, weil dies ein eigenes Thema darstellt (siehe Kapitel 21), um den aktuellen Stand der Wissenschaft darzulegen. Wichtig ist dabei in erster Linie, dass Trainierende sich konsequent an die Lebensmittelpyramide für Sportlerinnen und Sportler halten. Kurz zusammengefasst heißt das: Mehr Kohlenhydrate und Flüssigkeit. Ansonsten verändert sich wenig gegenüber dem weniger aktiven Menschen. Dehnen gibt bestenfalls ein gutes Gefühl. Das Thema Dehnen ist nach wie vor kontrovers. Ein Ausdehnen nach einer Belastung, oft in Kombination mit auslaufen oder ausfahren, hat keinen wesentlichen Einfluss auf die Erholungszeit. Jedoch ähnlich wie bei der aktiven Erholung kann es ein „gutes Gefühl“ geben. Gemäß dem „REGman“-Bericht, Seite 47, kann zusammenfassend festgehalten werden: Dehnen zeigt keine messbaren Vorteile zur Reduktion von Muskelschmerzen oder einer verbesserten Leistungsfähigkeit. Umgekehrt beeinflusst das Dehnen weder die Adaption noch den Trainingsverlauf negativ. Im Anschluss an ein Training sollte nur sehr sanft und in geringeren Bewegungsamplituden gedehnt werden. Massagen zahlen auf das gute Gefühl ein. Massagen werden regelmäßig zur Vorbereitung auf sportliche Leistungen oder zur Erholung eingesetzt. Die regenerationsfördernde Wirkung von Massagen ist offen. Zwar sehr beliebt in der Anwendung, sind die Effekte eher gering oder nicht eindeutig nachweisbar. Dies ergaben mehrere Übersichtsartikel zum Thema (Best 2008, Moraska 2005, Weerapong 2005) Gemäß dem „REGman“-Bericht, Seite 65, kann zusammenfassend festgehalten werden: Die Effekte von Massagen auf die körperliche Leistungsfähigkeit schienen eher gering. Unter bestimmten Voraussetzungen sind die Effekte aber durchaus relevant. Und doch: Subjektiv positiv empfundene Effekte von Massagen können zu einer besseren Leistung beitragen. Ein angenehmes Körpergefühl oder auch die Verringerung von Muskelschmerzen lassen Massagen als positive Intervention rechtfertigen. Foam-Rolle vor und nach dem Training ist hilfreich. Die Foam-Rolle (Synonym: Blackroll, siehe Kapitel 18) wird heute oft vor und nach dem Training eingesetzt. Das Rollen bezweckt Veränderungen im Bindegewebe auf vielfältige Art und Weise. Es gibt eine ganze Reihe von verschiedenen Produkten, welche im Nutzen allerdings vergleichbar sind. Gemäß dem „REGman“-Bericht, Seite 69, kann zusammenfassend festgehalten werden: Das Rollen dient der (kurzfristigen) Steigerung der Beweglichkeit und der Reduktion von Muskelschmerzen. Dabei wird die Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt. Auch ein Einsatz zur Trainingsvorbereitung macht Sinn durch die Erhöhung der Muskeltemperatur. Konsequenzen für die Praxis. Dem Thema Regeneration wird zu wenig Beachtung geschenkt. Aus meiner Beratungstätigkeit weiß ich, dass viele Trainierende mit deutlich weniger Trainingsaufwand zu besseren Resultaten kommen würden. Vorausgesetzt, das Thema der Regeneration wird korrekt angegangen und berücksichtigt. Hier liegen große Reserven, die es zu nutzen gilt. Zum Schluss noch dies … Viel Training bringt nicht immer viel. Wenn zusätzlich die Regeneration noch vernachlässigt wird, ist die Problematik des Übertrainings-Syndroms nicht mehr weit. Viele Breitensportler sind in dieser negativen Spirale – mehr oder weniger bewusst. Viele Trainierende in den Fitnesscentern weisen eines oder mehrere Symptome des Übertrainings auf – ohne sich dessen bewusst zu sein! Die wichtigsten Punkte für die Praxis

11 Biomechanik analysiert und seziert Bewegung. Das wissen Sie nachher mehr. In diesem Kapitel erfahren Sie, welche Rolle Mechanik, Physik und Mathematik in der sportlichen Bewegung spielen und welche Argumente die Biomechanik für den Alltag bereit hat. Mathematik und Physik zum besseren Verständnis. Die Biomechanik ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, die unter anderem Bewegungen analysiert, in Teilbewegungen seziert und ihre Beziehungen zueinander darstellt. Dabei spielen Disziplinen wie Mechanik, Physik und Mathematik eine Rolle. Die Arbeiten decken die ganze Bandbreite von der Grundlagenforschung bis zu den komplexen Bewegungen im Leistungssport ab. Definition. Biomechanik ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, welche Bewegungen analysiert und zueinander darstellt. Dies unter der Verwendung von Begriffen, Methoden und Gesetzmäßigkeiten aus der Mechanik, der Physik und der Anatomie. Welche Rolle spielt nun die Biomechanik im Fitnesscenter? Keine Angst, ich halte an dieser Stelle keine komplizierte Vorlesung zum Thema, sondern versuche vielmehr, das Wesentliche so einfach wie möglich auf den Punkt zu bringen. Die Bewegungsanalyse zerlegt sportliche Bewegungen in ihre Bestandteile und untersucht ihre Beziehungen zueinander. Daraus lassen sich die Knotenpunkte einer Bewegung ableiten, das heißt, diejenigen Punkte, an denen sich Trainerinnen und Trainer orientieren, um Korrekturen zu machen. Korrigieren heißt beobachten, beurteilen und anschließend beraten: Ich beobachte den Trainierenden und stelle einen Fehler (Knotenpunkt) fest, beurteile, woher der Fehler kommt, und gebe erst dann die sinnvollen Informationen an den Trainierenden, wie der Fehler zu korrigieren ist (beraten) Die Biomechanik hilft uns im Fitnesscenter auch, Argumente zu finden, die den Kriterien von Argumenten entsprechen. Richtige Argumente sind logisch, wahr und relevant. Erlauben Sie mir ein Beispiel: Bei einer Kniebeuge heißt es oft, das Knie dürfe nicht über die Zehen hinauskommen. Argumentiert wird mit Sicherheitsaspekten und großen Belastungen für das Knie. Das gleiche Spiel bei der tiefen Kniebeuge: Sie sei zu gefährlich, weil die Belastung für die Knie zu hoch sei. Die Biomechanik liefert uns hier Argumente – oder eben keine. Tatsächlich gibt es in beiden Fällen keine sachlichen Argumente für eine zu hohe Belastung, die von der Biomechanik gestützt werden. Bei einer Kniebeuge, vor allem der tiefen Kniebeuge, muss ich mit dem Knie leicht vor die Zehen gehen, weil ich sonst schlicht nach hinten „umgeworfen“ werde. Und das Hebelgesetz zeigt uns, dass die Kniebelastung bei einer tiefen Kniebeuge kein Problem darstellt. Davon später im Detail mehr. Welche sind die Knotenpunkte für eine Kniebeuge? In Kürze:

Welche sind die Knotenpunkte für eine Kniebeuge? Was ist Biomechanik im Sport? Die Biomechanik des Sports ist die „… wissenschaftliche Disziplin, die die sportliche Bewegung unter Verwendung von Begriffen, Methoden und Gesetzmäßigkeiten der Mechanik beschreibt und erklärt“ (Ballreich). Im Fitnesscenter sowie in Sport und Alltag generell ist der Körperschwerpunkt von Bedeutung. Dieser wird in der Bewegung verschoben. Das kann eine Rotation sein, also eine kreisförmige Bewegung, oder eine Translation, eine gerade Verschiebung. Dabei spielen Kräfte eine Rolle, weil eben diese Kräfte Bewegungen verändern. Die Prinzipien der Biomechanik sind nach Hochmuth:

Hier die schematische Illustration eines laufenden Menschen: Berechnung des KSP aus relativen Teilmassen und Lagen der Teilkörperschwerpunkte nach Olivier und Rockmann, modifiziert nach Baumann

Die Berechnung des Körperschwerpunktes gehört zum Teilgebiet der Anthropometrie, der Lehre von Ermittlung und Anwendung der Masse des menschlichen Körpers. In diesem Zusammenhang sieht man oft die Zeichnung des vitruvianischen Menschen von Leonardo da Vinci

Die wohl berühmteste Zeichnung zur Anthropometrie ist der vitruvianische Mensch von Leonardo da Vinci. Ergänzende Begrifflichkeiten für das bessere Verständnis. Im Zusammenhang mit der Biomechanik gibt es noch einige Begriffe, welche im Fitnesscenter, aber nicht nur dort, eine Rolle spielen, weshalb ich diese Auswahl hier aufführe: Die Mechanik wird in Kinematik und Dynamik unterteilt

Das Hebelgesetz lässt Belastungen berechnen. Versuch einer einfachen Beschreibung: Bei einem zweiseitigen Hebel gibt es einen festen Punkt, um den sich der Hebel drehen kann – wie bei einer Wippe. Folglich haben wir zwei Hebelarme (L1und L2) und zwei Kräfte (F1 und F2). Das Produkt aus dem jeweiligen Hebelarm und der jeweiligen Kraft ergibt das Drehmoment M mit der Einheit Newtonmeter (Nm). Ist unsere Wippe im Gleichgewicht, sind beide Drehmomente gleich, was mit M1 = M2 ausgedrückt werden kann. In diesem Fall beträgt das resultierende Drehmoment null. Verschieben wir den festen Punkt aber, entsteht ein neues resultierendes Drehmoment. M1 und M2 sind dann unterschiedlich groß, wie das Beispiel zeigt: Beim einseitigen Hebel greift nur ein Hebelarm an einem Punkt. Dann haben wir nur L1 x F2, wobei das Produkt wiederum das Drehmoment ist

Darstellung des Hebelgesetzes beschrieben mit einem resultierenden Drehmoment von null, eigene Darstellung. Jetzt nähern wir uns der Kniebeuge an. Unser Drehpunkt ist das Hüftgelenk. In der Ausgangsposition haben wir einen effektiven Hebelarm von nur wenigen Zentimetern, bei einer Kniebeugung von 90 Grad haben wir einen effektiven Hebelarm von rund 25 Zentimetern und in der Position ganz unten sind es wiederum nur rund 20 Zentimeter. Bei einem Kniewinkel von 90 Grad ergibt sich ein Drehmoment von 0,38 m x 800 N = 304 Nm, bei einem Kniewinkel von 45 Grad ergibt sich ein Drehmoment von 0,32 m x 800 N = 256 Nm. Der Lastarm ist am Autor „gemessen“ bei einer Körpergröße von 1,67 Metern

Hebelgesetz mit verschobenem festem Punkt und zwei unterschiedlichen Drehmomenten, eigene Darstellung. Und wie war das nun mit der Frage, ob ich eine tiefe Kniebeuge machen darf von wegen der Belastung auf das Knie? Mit Sicherheitsaspekten hat dies wenig zu tun, sondern eher mit Unwissenheit. Das größte Drehmoment misst sich bei einer Kniebeugung von 90 Grad. Macht man eine tiefere Kniebeuge, nimmt die Belastung nach den Hebelgesetzen wieder ab

Hebelgesetz am Beispiel der Kniebeuge, eigene Darstellung. Noch ein letztes Wort zum Thema: Bei Kraftmaschinen sind die Positionen für die Trainierenden so einzustellen, dass der Drehpunkt der Maschine mit dem Drehpunkt des entsprechenden Gelenks übereinstimmt, damit das entsprechende Gelenk nicht zu stark belastet wird. Das heißt im Extremfall, also bei ganz großen oder vor allem sehr kleinen Kundinnen oder Kunden: Das Gerät kann nicht optimal auf die Körperproportionen eingestellt werden. Dann heißt es: Aus dem großen Repertoire an Übungen der Trainerinnen und Trainer geeignete Alternativen aus dem Hut zaubern. Konsequenzen für die Praxis. Die Biomechanik liefert keine Trainingspläne. Sie liefert ein Verständnis für die Bewegung und worauf ich als Trainer oder Trainierender achten muss, damit eine hohe Bewegungsqualität erreicht wird. Diese ist zentral vor allen Fragen der Intensität. Im Fitnesscenter ist immer wieder zu beobachten, dass große Lasten mit viel Schwung und mit abfälschenden Bewegungen buchstäblich in Schwung gebracht werden. Das mag einige beindrucken, effektiv ist es nicht

Es ist nun höchste Zeit, den Mythos „Das Knie darf nicht vor die Zehen kommen“ ins Grab zu tragen. Die Biomechanik liefert alle Argumente, warum das so ist. Wem das nicht ausreicht, der nehme noch die funktionelle Anatomie dazu und fertig ist die Argumentationskette. Letztlich ist es für eine tiefe Kniebeuge unabdingbar, mit dem Knie vor die Zehen zu kommen, da ansonsten diese tiefe Kniebeuge schlicht nicht auszuführen ist

12 Kraft als großartiges Lebenselixier. Was Sie nachher mehr wissen. In diesem Kapitel erfahren Sie, wie ein funktionelles Krafttraining zu gestalten ist und welche Determinanten (bestimmende Faktoren) dabei eine wichtige Rolle spielen. Krafttraining bedeutet in sich zu gehen. Alle reden von Qualität, von Diversifizieren und Individualisieren. Die Infrastruktur im Fitnesscenter wird erneuert, aber oh Wunder – hundert Kilogramm sind immer noch hundert Kilogramm. Immer mehr technik- und/oder softwarebasierte Tools sind auf dem Markt. Bei Ihnen ist das auch so? Gratuliere zum Leerlauf! Im Fitnesscenter geht es um die Kernkompetenz Kraft. Bei Ihnen auch? Und warum beobachte ich dann regelmäßig Trainierende, die beim Training lesen, kaum schwitzen und dazu die letzten Geschichten vom Wochenende erzählen? Die Grundlage für ein fundiertes Krafttraining ist die Theorie. Damit der Kunde vom Muskelbesitzer zum Muskelbenutzer wird, was ein wesentlicher Unterschied ist! Hören Sie auf, richtig zu trainieren. Das reicht nicht! Richtig Fußball spielen reicht auch nicht. Fußball spielen kann jeder richtig – effektiv spielen aber nur die Wenigsten. Was heißt das? Effektiv Fußball spielen heißt mehr Tore erzielen als der Gegner. Das ist das Einzige, was Trainer und Fans interessiert. Tore schießen im Fußball heißt, das Richtige machen, effektiv eben. Beginnen Sie also im Krafttraining endlich damit, Tore zu erzielen! Die Fans toben und der Kunde ist zufrieden. Es ist an der Zeit, dass im Krafttraining die richtigen Dinge gemacht werden. Sprich: das ganze Spektrum nutzen, welches Methoden, Planungsmöglichkeiten, Trainingsmittel und Übungsvielfalt bietet! Gute Trainerinnen und Trainer auf der Trainingsfläche haben um die sechshundert Übungen in ihrem Repertoire, damit die Kundschaft zielführend bedient werden kann. Und er weiß, wie ein Krafttraining periodisiert wird. Es ist erstaunlich, wie wenig effektiv Krafttraining in vielen Fitnesscentern durchgeführt wird. Was war schon wieder die Kernkompetenz? Exkurs: Trainingsmittel sind Mittel zum Zweck „Mit welchem Trainingsmittel habe ich den meisten Erfolg?“ Diese Frage taucht im Kontext von Krafttraining immer wieder auf. Ist Hanteltraining besser als Maschinentraining? Sind freie Übungen mit dem eigenen Körpergewicht für gar nichts oder ist es gar das funktionelle Training, welches den besten Nutzen für die Trainierenden bringt? Das Wichtigste vorweg: die Bewegungsqualität entscheidet. Egal welches Trainingsmittel Sie nutzen, die korrekte Ausführung und die individuell richtige Intensität (mit der Option zur Erhöhung des Widerstandes) entscheiden über den Trainingserfolg. Erreichen Sie mit Ihrem Tun den Muskel, den Sie aufbauen wollen (Querschnitt oder Kraft) und halten Sie die eben erwähnten Parameter ein, ist der Erfolg nicht zu verhindern. Entspannen Sie sich folglich bei der Frage, ob Maschinen- oder Hanteltraining effektiver ist. Halten Sie die Trainingsprinzipien und die Determinanten beim Krafttraining ein und Sie werden den Nutzen einfahren, welchen Sie sich wünschen. Definition. Kraft ist die Fähigkeit des Nerv-Muskel-Systems, Widerstände zu überwinden (konzentrisch), Widerständen entgegenzuwirken (exzentrisch) oder Widerstände gegen die Schwerkraft zu halten (isometrisch) Nutzen und Auswirkungen. Ein Krafttraining bringt vielerlei Nutzen für die Trainierenden:

Etwas einfacher gesagt: Ein Krafttraining befähigt jeden, seine Lebensqualität bis ins hohe Alter zu erhalten. Es ist aber auch nie zu spät, damit zu beginnen. Das kann in jedem Alter sein – auch mit weit über siebzig Jahren kann problemlos noch mit Krafttraining begonnen werden. Und zwar Vollgas! Also nicht denken „Ach, der Kunde ist schon siebzig – da gehen wir das mal gemächlich an“, sondern hohe Widerstände und das ganze Spektrum an Übungen und Widerstandsquellen nutzen. Die drei wichtigsten Dinge – ohne Wenn und Aber. Gesundheit ist das wichtigste Gut, deshalb gilt: „Keine Trainerin und kein Trainer dieser Welt macht etwas, das der Gesundheit der Kundschaft schadet.“ Alle Trainerinnen und Trainer dieser Welt unterschreiben dies sofort. Alle Aktivitäten sorgen für mehr Gesundheit und Wohlbefinden, sofern die drei wichtigsten Dinge verinnerlicht sind. „Kein Trainer dieser Welt macht etwas, das der Gesundheit der Kundschaft im Fitnesscenter schadet.“ Peter Regli. Bewegungsqualität ist der zweite wichtige Punkt, der oft genannt aber selten korrekt umgesetzt wird. Das beginnt schon bei der eigenen Bewegungsqualität der Trainerinnen und Trainer, die oft verbesserungswürdig ist. Wie soll ich dem Kunden die Übung korrekt erklären und vorzeigen, wenn ich sie selbst nicht beherrsche? Gibt es eventuell gute (oder eben schlechte) Gründe, warum gewisse Übungen nur ganz selten in einem Trainingsprogramm auftauchen? Ein Schelm, wer jetzt an die Klimmzüge denkt. Die Bewegungsqualität ist einer der wichtigsten Faktoren zum Erreichen der Ziele. Sie machen große Augen? Kontrollieren Sie wieder mal im eigenen Fitnesscenter, wie die Bauchmuskelübungen oder der Latzug ausgeführt werden – und Sie werden verstehen! Fehlt noch der dritte Punkt und der heißt: Vollgas geben! Voraussetzung dafür: Den ersten Punkt verinnerlicht haben und die Bewegungsqualität beherrschen. Dann steht einem Vollgastraining auch mit hohen Lasten nichts entgegen – statt nur Trainingsmittel zu bewegen. Effekte im Krafttraining auf drei Ebenen. Es ist immer wieder erstaunlich, wie wenig Trainerinnen und Trainer über Effekte des Krafttrainings wissen. Auf die Frage „Welche sind die drei wichtigsten Effekte eines Krafttrainings?“ kommt in der Regel die immer gleiche, simple Antwort: Hypertrophie. Als würde Krafttraining nur daraus bestehen. Hypertrophie ist nur ein Drittel der Wahrheit und das ist definitiv zu wenig. Wenn Sie die Effekte des Krafttrainings verstehen, werden Sie die Trainingsprogramme anders gestalten. Krafttraining setzt auf drei Ebenen an: Die neuronale (funktionelle) Ebene: Das Nervensystem (siehe Kapitel 8) lernt, schneller, besser und vielfältiger zu arbeiten. In der Sturzprävention ist das der alles entscheidende Punkt. Die morphologische (strukturelle) Ebene: Damit schließt sich der Kreis zur Hypertrophie. Die Muskulatur (siehe Kapitel 7) passt sich durch ein Dicken- oder Längenwachstum den Belastungen an. Es steht zwar mehr Kraft zur Verfügung, immerhin stemme ich mehr Gewicht, aber sie ist noch nicht in die Bewegung umgesetzt. Die metabolische (energetische) Ebene: Es kommt zu einer Erhöhung der Anzahl Mitochondrien und einer verbesserten Kapillarisierung. Die drei Arten der Kraft. Intramuskuläre Koordination (IK): Hier sind es primär neuronale Effekte, welche durch ein Training verbessert werden. Ist es das Ziel, möglichst hohe Kraftspitzen auf einen Punkt, auf einen Moment, zu erreichen, ist das Training der intramuskulären Koordination zwingend. Der Muskel lernt, Aktionspotentiale schneller zu verarbeiten und damit mehr Kraft zu generieren. Dies gilt für eine maximale, willkürliche Anstrengung. Hypertrophie (Muskelquerschnitt): Hier sind es primär morphologische Effekte, welche durch das Training generiert werden. Der Muskelquerschnitt wird größer, in Länge und/oder Dicke. Überspitzt formuliert: viel Volumen, aber nichts drin. Wem es um optische Verbesserungen geht, der ist hier richtig. Geht es um Leistung (siehe Kapitel 2), greift Hypertrophie zu kurz. Die Formel ist einfach: Je mehr Muskelquerschnitt, desto mehr Kraft. Vorausgesetzt, es folgt ein Training der intramuskulären Koordination. Und glauben Sie mir – hier sind stille Reserven vorhanden! Der größere Muskelquerschnitt resultiert daraus, dass bei der richtigen Belastung die kontraktilen Elemente, die Sarkomere, in Länge oder Dicke eingebaut werden. Dabei werden nicht mehr Muskelfasern eingebaut, sondern die bestehenden werden länger oder dicker. Exkurs: Hypertrophie und Ausdauer. Die Kombination von Kraft und Ausdauer macht in vielen Fällen keinen Sinn. In einer Phase mit dem Trainingsziel „Hypertrophie“ sollte auf ein intensives oder gar hochintensives Ausdauertraining verzichtet werden. Der Grund sind Interferenzeffekte; das intensive oder gar hochintensive Ausdauertraining hemmt die Proteinsynthese – der Aufwand, viele Tonnen gestemmt zu haben, bringt nicht wirklich den Querschnittszuwachs der Muskulatur, welcher erwartet oder erwünscht wird. Einem Ausdauertraining im tief intensiven Bereich zur Regeneration um die 70 bis 75 Prozent der HFmax steht nichts im Weg. Wenn es noch an unterschiedlichen Tagen stattfinden kann, das Ausdauer- und das Krafttraining, umso besser. Allerdings sei angefügt, dass die in diesem Exkurs beschriebene Problematik dann keine Rolle spielt, wenn weder das eine noch das andere richtig gut gemacht wird. Einen spannenden Effekt beschreibt Marco Toigo in seinem Buch „Muskelrevolution“ zum Thema Ausdauer und Kraft. Folgt einem tiefintensiven Ausdauertraining für die dafür trainierten Muskeln, beispielsweise die Beine, ein Krafttraining, so werden die Anpassungen an das Ausdauertraining gar verstärkt, ohne die aufbauenden Prozesse des Krafttrainings zu stören. Ein spannender Effekt, den es in der Praxis aber noch zu verifizieren gilt. Kraftausdauer: Hier sind es primär metabolische Effekte, welche das Training mit sich bringt. Das heißt, die Anzahl der Mitochondrien steigt und eine verbesserte Kapillarisierung ist die Folge. Der Muskel ist fähig, eine Kraftleistung ohne wesentliche Leistungseinbußen länger aufrecht zu erhalten. Exkurs: Plyometrisches Training. In der Welt des Leistungssportes ist es an der Tagesordnung – das plyometrische Training. Diese Trainingsart hilft, die Kraft auf den Boden zu bringen. Oder noch besser: Das Gewicht vom Boden abzuheben. Das eigene Körpergewicht wohl verstanden. Dies geschieht mit höchster Qualität und Intensität. Dafür sind Wechselbeziehungen notwendig – unter anderem die Wechselbeziehung des Dehnungs-/Verkürzungszyklus. Die Kraft, welche konzentrisch ausgelöst werden kann, ist umso größer, wenn der entsprechende Muskel zuerst exzentrisch in eine hohe Dehnung gebracht wird. Das Prinzip ist wie bei einer Feder: Wenn Sie diese in die volle Länge ziehen und anschließend loslassen, werden große Kräfte frei – im Bruchteil einer Sekunde. Ein regelmäßiges, entsprechendes Training ermöglicht es dem Muskel, mehr elastische Energie (siehe Kapitel 18) zu speichern und sie explosiver wieder frei zu setzen. Es gibt auch im Fitnesscenter gute Gründe, sich Gedanken über plyometrisches Training zu machen. Für schon viele Jahre trainierende Kundinnen und Kunden im Fitnesscenter ist das plyometrische Training ein neuer Reiz. Ein starkes Argument: Sturzprophylaxe. Selbstverständlich werden Übungen und Intensität in diesem Fall der Zielgruppe angepasst. Maß halten – weniger ist definitiv mehr. Beim plyometrischen Training, wo es um die Entwicklung der Power geht, sind zwei Dinge zwingend und bedingen sich gegenseitig: Höchste Ausführungsqualität und höchste Belastungsintensität. Daraus ergibt sich der zwingende Schluss, dass pro Trainingseinheit nur sehr wenige Wiederholungen zu bewerkstelligen sind. Es sind mehr als 50, aber nicht wesentlich über 100 Sprünge oder Würfe pro Trainingseinheit möglich. Mehr als 6 Sprünge oder Würfe pro Satz sind nicht zielführend, eine Fallhöhe von rund 40 Zentimetern ist ausreichend. Die Energieversorgung (siehe Kapitel 19) erfolgt ausschließlich anaerob alaktazid. Daraus ergibt sich die Pausenlänge von mindestens 5 Minuten. Was eine Rolle spielt, deren Erholungsfähigkeit aber noch nicht restlos geklärt ist, ist das Nervensystem. Es ist davon auszugehen, dass die Pausenlänge hierfür noch größer wäre. Gehen wir von 10 Trainingssätzen aus mit jeweils 6 Sprüngen oder Würfen pro Satz, heißt das, wir machen rund eine Stunde Pause für gerade mal maximal 60 Sekunden qualitativer Arbeit. Wer aus einem plyometrischen Training den höchsten Effekt herausholen will, soll das bitte in einem gut vorbereiteten Zustand seines Bewegungsapparates tun. Ob das 1,5-Fache stemmen des eigenen Körpergewichts, wie teilweise kolportiert wird, die richtige Voraussetzung ist, wage ich zu bezweifeln. Hier ist der Sachverstand und die Erfahrung von Trainerinnen und Trainern ein wichtiges Kriterium, von der erforderlichen höchsten Bewegungsqualität abgesehen. Jürgen Weineck hat verschiedene Formen des plyometrischen Trainings definiert. Die einfachste Form ist in jedem Fall auch im Fitnesscenter gut durchzuführen und entspricht dem Rebounding im Faszientraining (siehe Kapitel 18). Die zweite Variante ist bereits für Fortgeschrittene, im Fitnesscenter vor allem, aber nicht nur im Kurswesen gut einzuführen, und die dritte und schwerste Form ist den Könnern vorbehalten. Die drei Formen nach Weineck sind:

„mittlere Plyometrie“: Beidbeinige Hürdensprünge

„intensive Plyometrie“: Kastensprünge. Es sei am Rande und der Vollständigkeit halber erwähnt, dass es eine noch intensivere Form gibt: Die Kontrastmethode. Hier ein Beispiel, wie ein Satz mit der Kontrastmethode aussehen kann: Zuerst werden 4 halbe Kniebeugen mit der Langhantel ausgeführt, anschließend ohne Pause 6 Hochsprünge über Hürden ausgeführt und selbstredend wiederum ohne Pause werden 6 Sprünge abwärts auf hohen Treppenstufen (mind. 60 Zentimeter) ausgeführt, welche auf Null abgebremst werden, also sehr konzentriert ausgeführt werden. Diese Form hat eine Erholungszeit von rund fünfzehn Tagen zur Folge

Kontrastmethode der Plyometrie. Zu beachten ist beim plyometrischen Training, dass ein verzögerter Effekt eintritt. Bei den einfacheren Formen sind es rund drei Wochen, bei der intensiven Plyometrie sind es gar sechs Wochen. Aufgrund der drei Formen nach Weineck wird ersichtlich, dass es verschiedene Perioden im Jahresverlauf geben muss. Solche mit und solche ohne Plyometrie. Es macht beispielsweise keinen Sinn, in der Phase eines Hypertrophietrainings auch noch Plyometrie zu machen. Das geht energetisch und aus Sicht der Regeneration (siehe Kapitel 10) ganz einfach nicht auf! Viele Übungen lassen sich so abändern, dass eine plyometrische Ausführung entsteht. So kann ich die Liegestütze mit „in die Hände klatschen“ machen, was eine mögliche Alternative ist. Oder es werden einfachere Bedingungen gewählt, indem beispielsweise die Sprunghöhen sehr gering sind, das können zu Beginn auch mal nur 10 oder 20 Zentimeter sein. Die wichtigsten Punkte für die Praxis

Die weite Welt oder das kleinräumliche Dorf? Der Mensch verfügt über ein globales Muskelsystem, welches die Welt symbolisiert – groß und fähig, den Menschen zu bewegen. Damit Bewegungen feinkoordiniert und zielführend möglich sind, benötigen wir die kleinen Dörfer dieser Welt. In diesen kleinen Dörfern ist das lokale Muskelsystem zu Hause, welches uns Stabilität gibt und eine hohe Bewegungsqualität erlaubt. Im Sport sehe ich oft globalisierte Athleten ohne Heimatdorf – und so sieht es im Wettkampf dann leider auch aus. Ich habe Diskuswerfer der nationalen Spitzenklasse erlebt, welche über eine sehr hohe globale Maximalkraft verfügten. Die innere Stabilität, das lokale System, war allerdings bestenfalls auf regionalem Niveau. Das hat zur Folge, dass technische Abläufe im Diskusring beim Wettkampf zwar gut aussehen, die Kraft aber nicht zielführend eingesetzt werden kann. Es gibt Stimmen, welche diese funktionelle Teilung der Muskulatur in global und lokal schlicht als Unfug bezeichnen. Vielleicht haben wir es hier mit dem Phänomen zu tun, dass Wissenschaft und die Erfahrung im Feld nicht zwingend deckungsgleich sein müssen. Im sportlichen Alltag ist ein stabiler Kern der Beginn einer feinkoordinierten Bewegung auf hohem Niveau und in der Physiotherapie ist das Konzept von globalen und lokalen Muskeln noch immer aktuell. Muskelkontraktion in drei verschiedenen Ausprägungen. Der Muskel ist fähig, in drei (Grund-)Kontraktionsarten zu arbeiten: exzentrisch (bremsen), konzentrisch (überwinden) und isometrisch (halten). Warum um alles in der Welt werden diese drei Kontraktionsarten nicht regelmäßig genutzt? Konzentrisch, okay, das wird meistens noch gemacht. Explizit exzentrisch zu trainieren ist schon viel weniger sichtbar. Doch wie wird das begründet? Oft heißt es „… aus Sicherheitsgründen …“, ohne dass es näher begründet wird. Der Chef hat halt gesagt oder wir machen das seit hundertsiebenundzwanzig Jahren schon so. Die dritte Kontraktionsart ist die isometrische, welche gut in eine langsame Bewegungsausführung integriert werden kann. Langsam, beispielsweise mit dem Bewegungstempo 4-2-4. 4 Sekunden konzentrische Arbeit, 2 Sekunden isometrisch halten und dann in 4 Sekunden den exzentrischen Weg zurücklegen. Die Reihenfolge exzentrisch, isometrisch und konzentrisch macht ebenso Sinn. Wobei es im Fitnesscenter Maschinen gibt, welche eine andere Reihenfolge vorgeben. Das Trainingsprinzip der Variabilität (siehe Kapitel 9) ermöglicht mir, beide Varianten abwechselnd im Trainingsalltag zu integrieren. Genießen Sie diese drei Kontraktionsarten in vollen Zügen und erzählen Sie Ihren Kunden davon! Noch eine Bemerkung: Exzentrisch sind wir fähig, am meisten Last zu bewegen. Dies allein zu bewerkstelligen ist allerdings schwierig. Entweder trainiere ich diese Kontraktionsart mit Hilfe eines Trainers oder einer Trainingspartnerin. Oder es stehen mir elektronisch gesteuerte Geräte wie der Milonzirkel (Herstellerbezeichnung) oder die Zirkel von eGym (Herstellerbezeichnung) zur Verfügung. Erlauben Sie mir noch ein Wort zum Thema Maximalkraft. Dies ist die Kraft, welche Sie willkürlich, bei maximaler Anstrengung, einmal technisch korrekt bewegen können. Aufgrund der verschiedenen Kontraktionsarten ist es selbstverständlich, dass ich diese Maximalkraft bei jeder Übung für jede der drei Kontraktionsarten individuell bestimmen muss – und klar, Sie werden drei verschiedene Werte erhalten. Bei der exzentrischen Belastung werden Sie, das wissen Sie ja bereits, den höchsten Wert messen. Beweglichkeit vom Feinsten – mit einem funktionellen Krafttraining! Sie wollen beweglich bleiben oder werden? Wunderbar, dann sind Sie im Fitnesscenter beim Krafttraining am absolut richtigen Ort. Nutzen Sie im Training immer Agonist, Antagonist und das volle Range of Motion (ROM) aus und Ihre Beweglichkeit wird deutlich verbessert. Nutzen Sie die drei Kontraktionsarten leidlich aus und Sie kommen dem Ziel sehr viel näher als mit Stretching oder Dehnen. Möglich wird dies durch ein Training über den vollen Bewegungsumfang (Range of Motion, ROM), bei dem Agonist und Antagonist gekräftigt werden – und voilà, die Verbesserung der Beweglichkeit (siehe Kapitel 17) ist garantiert. Sie glauben es nicht? Krafttraining ist das am meisten unterschätzte Beweglichkeitstraining. Sie erreichen damit verblüffende Resultate, welche hinlänglich erforscht und belegt sind. Was kann Ihnen Besseres passieren als verblüffte Kunden? Wichtig für die Zielerreichung sind die richtige Übungsauswahl und eine korrekte Bewegungsqualität. Erlauben Sie mir eine klare Ansage: Aus Sicht der Beweglichkeit und der Alltagstauglichkeit ist die Übung Bankdrücken ein Witz. Sie provozieren damit Defizite in der Beweglichkeit, weil der große Brustmuskel nur in einem sehr bescheidenen Bewegungsumfang trainiert wird. Wollen Sie den großen Brustmuskel in seinem ganzen Bewegungsumfang trainieren, bleibt nur eines: Die Übung Butterfly am Kabelzug zwischen zwei Türmen. Verstehen Sie mich richtig: Hier geht es um Beweglichkeit und nicht um Ästhetik. Die Begründung: Im ersten Fall werden Sarkomere abgebaut, weil der Muskel nur sehr reduziert „verwendet“ wird, im zweiten Fall werden Sarkomere eingebaut, weil der Muskel über den vollen Bewegungsumfang (ROM) trainiert wird. Krafttraining ist immer anaerob – und deshalb auch richtig anstrengend. Fettstoffwechseltraining oder aerobes Training während des Krafttrainings? Was nicht alles zu hören ist, nur um das Gewissen der Kundschaft zu beruhigen. Sind die Widerstände im Krafttraining zielführend hoch, gibt es drei Stoffwechsellagen: Anaerob alaktazid im Bereich der neuronalen Effekte, hoch laktazid im Bereich der morphologischen Effekte und immer noch laktazid im Belastungsbereich der metabolischen Effekte. Selbstverständlich laufen diese Stoffwechsellagen immer gleichzeitig ab, weshalb immer auch ein kleiner Teil Fettstoffwechsel im Boot ist. Dieser ist aber vernachlässigbar klein. Eine Bemerkung zum Thema Laktat: Laktat (siehe Kapitel 19) ist keine drogenähnliche Substanz, die abhängig macht, führt nie zum Abbruch einer Leistung, führt nicht zum Muskelkater, behindert weder den Fettstoffwechsel noch die Regeneration und ist kein Abfall-, sondern je nach Stoffwechsellage ein Stoffwechselzwischenprodukt oder Substrat in der anderen Stoffwechsellage. Und noch etwas: Laktat ist weder sauer noch macht es sauer. Dies werden Sie beim Thema zur Energiebereitstellung (siehe Kapitel 19) bestätigt bekommen. Planung zum Erfolg. Zielführend sind drei Planungsmöglichkeiten (siehe Kapitel 9) als ein sinnvolles Nebeneinander. Hier gilt kein Entweder-oder, sondern das Nutzen aller Möglichkeiten: neue Reize setzen, Neues ausprobieren, motivierende Abwechslung mit neuen Reizen schaffen. Die klassische Periodisierung im Rhythmus 3-2-1 ist noch heute die Wahl für Trainierende, welche in das Krafttraining einsteigen: Drei Monate Kraftausdauer, zwei Monate Hypertrophie und einen Monat IK-Training (intramuskuläre Koordination). Im weiteren Trainingsverlauf kann die Periode der Kraftausdauer verkürzt werden auf sechs bis acht Wochen. Die zweite spannende Möglichkeit ist die rollende Periodisierung. Hier wird nach jedem Training der neue Effekt provoziert. Kraftausdauer, Hypertrophie und intramuskuläre Koordination werden in dieser Reihenfolge von Training zu Training gewechselt, sodass mit jedem Training ein anderer Effekt provoziert wird. Die dritte Variante ist im Spitzenbereich anzusiedeln: Alle drei Effekte im gleichen Training erzielen. Die Ansätze der Holistik (Hatfield) sind spannend und können neue Reize bringen, wobei der erste Satz intramuskuläre Koordination (IK), der zweite Satz Hypertrophie und der dritte Satz Kraftausdauer ist. Dies deshalb, weil für den IK-Satz ein erholtes Nervensystem zwingend notwendig ist. Eine etwas andere Sichtweise auf die Planung bringt der Leistungssport ein: Das Dreieck Leistung, Ermüdung und Rückkopplung. Leistung (siehe Kapitel 2) hieße, dass der Muskel nicht erschöpft, sondern auf Leistung getrimmt wird. Der Fokus liegt dann auf einem optimalen Last-Geschwindigkeits-Verhalten, wie beim Training der Schnellkraft, bei Gewichthebetechniken oder bei der maximalen Rekrutierung. Ermüdung hieße, dass der Muskel gezielt ermüdet wird. Dadurch wird eine Ermüdungsresistenz provoziert auf metabolischer und morphologischer Ebene. Durch das Dickenwachstum soll die Ermüdung reduziert werden. Rückkopplung hieße, dass die sensorischen Rückmeldungen die Stabilität der Gelenksbewegung optimieren, was zu mehr Stabilität und Effizienz in den Bewegungen führt. Hier tragen Muskelfaszien (siehe Kapitel 18) ihren Teil dazu bei, die Trägheit des Systems zu reduzieren. Im gesundheitsorientierten Krafttraining ist diese Sichtweise nicht dominant. Exkurs: Einsatz- vs. Mehrsatztraining. Bei der Frage „Einsatz- oder Mehrsatztraining?“ gibt es nicht schwarz oder weiß, sondern es gilt, zur richtigen Zeit das Richtige zu tun. Beide Varianten sind möglich und selbst Kombinationen sind in speziellen Situationen sinnvoll. Der Nutzen der beiden Varianten ist praktisch identisch, wie Untersuchungen gezeigt haben. Aus Gründen eines zeitoptimierten und ganzheitlichen Trainings für die Trainierenden hat das Einsatztraining viele Vorteile. Einsatztraining in seiner modernen Ausprägung heißt, jede Übung nur einen Satz auszuführen, pro Muskel aber mehrere Übungen zu machen! Damit wird sogar ein Training nach holistischen Ansätzen mit einem Einsatztraining möglich! Es ist definitiv sinnvoller, im Training mehrere verschiedene Übungen zu machen, als stumpfsinnig die gleiche Übung in vielen Sätzen. Der Muskel benötigt einen Anfangsimpuls, um mit entsprechenden Anpassungen zu reagieren. Aus diesem Blickwinkel ist ein Einsatztraining bis zur muskulären Erschöpfung die erste Wahl. Stehen hohe mechanische Lasten im Vordergrund, ist das Mehrsatztraining die bessere Wahl. Die physikalischen Größen Kraft, Arbeit und Leistung. Kraft ist definiert als Produkt aus Masse mal Beschleunigung: Kraft (N) = Masse (kg) x Beschleunigung (m/s2). Die Maßeinheit der Kraft ist Newton (N) Arbeit ist definiert als das Produkt von Kraft und Weg: Arbeit (Nm) = Kraft (N) x Weg (m). Als Resultat erhält man die erbrachte Arbeit in der Maßeinheit Newtonmeter (Nm), respektive Joule (J) Dividiert man die Arbeit in Joule (J) durch die Zeit in Sekunden (s), die benötigt wurde, um die Arbeit zu erbringen, erhält man die Leistung in Watt (W), respektive Joule pro Sekunde (J/s). Das heißt: Leistung (W) = Arbeit (J)/Zeit (s) Die Fähigkeit, Muskelkraft zu erzeugen, ist für das menschliche Leben existenziell. So können wir uns dank der Muskelkraft gegen die Erdanziehung behaupten, den Körper stabilisieren und uns körperlich fortbewegen. Die Kraft tritt in verschiedenen Erscheinungsformen auf und kann unterschiedlich schnell (langsam, schnell, ballistisch) entwickelt werden. Exkurs: Querschläger aus Gallien. Das kleine Gallierdorf mit den nicht ganz konformen Einwohnern in der Bretagne kennt jeder von uns. Zwei der Bewohner ebenso: Asterix und Obelix – den Aspekt des Zaubertrankes lassen wir für heute außen vor. Stellen Sie sich die beiden bildlich vor. Asterix und Obelix bewegen, jeder für sich und rein hypothetisch, jeweils fünf identische Wildschweine in der gleichen Zeit vom Waldrand zur Grillstelle auf dem hoch über dem Dorf gelegenen Aussichtspunkt. Damit verrichten sie, berücksichtigt man nur das Gewicht der Wildschweine, die gleiche Arbeit. Asterix ist aufgrund seiner Statur viel agiler als Obelix und verschiebt die fünf Wildschweine in der Hälfte der Zeit den Hügel hoch wie sein Kumpel Obelix. Damit hat er zwar die gleiche Arbeit geleistet, seine Leistung aber ist aufgrund des doppelt so schnellen Arbeitstempos doppelt so hoch. Obelix lässt sich nicht beeindrucken und schafft es, die fünf Wildschweine ebenfalls in der von Asterix vorgegebenen Zeit zum Aussichtspunkt zu tragen. Die absolute Leistung der beiden wäre identisch. Die relative Leistung, bezogen auf das Körpergewicht, ist bei Asterix letztlich deutlich höher. Die relative Leistung erhält man, wenn man die erbrachte Leistung in Relation zum Körpergewicht setzt. So erhält man eine Zahl, die gut für Quervergleiche geeignet ist, um Leistungen zu beurteilen – Leistung pro Kilogramm Körpergewicht nämlich. Und unsere zwei Protagonisten haben so unterschiedliche Figuren, dass wir selbst ohne zu rechnen wissen, dass Asterix die höhere relative Leistung erbracht hat, wenn er absolut dasselbe leistet. Kraft als Resultat des neuromuskulären Systems. Krafttraining ist ein Training des neuromuskulären Systems. Je nach Ziel stehen dabei primär muskuläre und/oder neuronale Adaptionen im Vordergrund. Geht es um die Muskelvergrößerung, so steht die Querschnittszunahme der Muskelfasern im Vordergrund. Geht es aber um die Verbesserung der Schnelligkeit der Kraftentwicklung, so spielen neuronale Adaptationen eine wichtige Rolle. Je nach Trainingsreiz resultieren mehr oder weniger spezifische Anpassungen. Aus diesem Blickwinkel ist es daher absurd zu meinen, dass man, wenn man eine Hantel „explosiv“ bewegt, man dadurch in seiner Sportart automatisch „explosiver“ wird – außer, wenn die Sportart daraus besteht, eine Hantel möglichst schnell bewegen zu können. Vielmehr müssen wir uns fragen, welche strukturellen und metabolischen Eigenschaften (Querschnitt, Länge, Muskelfasertypus) alle bei der Bewegung eingesetzten Muskeln aufweisen müssen und in welcher zeitlichen Abfolge die Muskeln mit einer bestimmten Kraft und bei einer bestimmten Länge eingesetzt werden müssen, damit eine möglichst hohe Schnelligkeit der Bewegung resultiert. Rekrutierung von motorischen Einheiten. Im Zusammenhang mit der Kraftentwicklung ist es wichtig, in welcher Reihenfolge die motorischen Einheiten (siehe Kapitel 8) rekrutiert und damit die Muskelfasern aktiviert werden. Die motorischen Einheiten sind hierarchisch organisiert (Hennemann et al. 1965). Das heißt übertragen auf das Training, dass bei kleiner benötigter Muskelkraft nur die langsamen motorischen Einheiten rekrutiert werden (müssen), um die erforderliche externe Kraft (Drehmoment) zu erzeugen. Umgekehrt müssen für hohe externe Kräfte zusätzlich die großen motorischen Einheiten rekrutiert werden. Die rekrutierten motorischen Einheiten und die damit angesteuerten Muskelfasern werden immer komplett rekrutiert. Reicht das für die geforderte Kraft nicht aus, werden weitere motorische Einheiten rekrutiert. Diesen Prozess steuert das Nervensystem (siehe Kapitel 8) völlig autonom. Analog der drei Muskelfasertypen (siehe Kapitel 7) gibt es auch drei verschiedenen Typen von motorischen Einheiten. Diese lassen sich den entsprechenden Muskelfasertypen zuordnen. Ihrer Größe gemäß werden kleine, mittlere und große motorische Einheiten unterschieden, wobei sich die Bezeichnungen klein, mittel und groß auf die Größe ihrer Zellkerne beziehen. Die motorischen Einheiten des Typs S (slow) sind die kleinsten und haben einen niedrigen Schwellenwert. Das heißt, sie entwickeln langsam Kraft und sind im Gegenzug relativ ermüdungsresistent. Die Kraftentwicklung fällt auch über einen längeren Zeitraum nicht wesentlich ab. Die motorische Einheit des Typs S hat ihre Entsprechung im Muskelfasertyp ST (slow twitch) und wird immer zuerst aktiviert. Wird im Spektrum von 20 bis 50 Prozent der Maximalkraft gearbeitet, schalten sich zusätzlich die motorischen Einheiten des Typs FR (fast fatigue resistant) zu. Diese verfügen über einen mittleren Schwellenwert, können schnell Kraft entwickeln und sind relativ ermüdungsresistent. Die motorische Einheit des Typs FR hat ihre Entsprechung im Muskelfasertyp FTO (fast twitch oxidative) Ist eine Kraft höher als 50 Prozent der Maximalkraft gefordert, so werden nochmals zusätzliche motorische Einheiten des Typs FF (fast fatigable) aktiviert. Diese verfügen über einen hohen Schwellenwert, können schnell Kraft entwickeln, ermüden aber auch schnell. Die motorische Einheit des Typs FF hat ihre Entsprechung im Muskelfasertyp FTG (fast twitch glycolytic) Je höher die Kraftleistung, desto mehr motorische Einheiten werden einem klaren, hierarchischen Schema gemäß aktiviert. Und sie werden immer zusätzlich zu den bereits aktivierten zugeschaltet. Bei rund 85 bis 90 Prozent der möglichen Maximalkraft eines Muskels sind alle motorischen Einheiten aktiviert. Determinanten im Krafttraining. Damit ein Krafttraining den Nutzen nach sich zieht, welcher angestrebt wird, sind die üblichen Trainingsparameter wichtig – aber nicht ausreichend. Marco Toigo hat 2006 zusätzliche Determinanten definiert, die für ein qualitativ hochstehendes Training nötig sind

Auffallend sind die letzten beiden Punkte. Die Trainingsqualität wird endlich definiert, was bislang nicht der Fall und höchste Zeit war, es zu tun. Aufgrund der hohen Belastungen ist eben auch die Erholungszeit genau zu definieren. Geht ein Trainierender in jedem Training an seine muskulären Belastungsgrenzen, sind mehr als 2 Trainingseinheiten pro Woche – für die gleiche Übung – nicht zu bewerkstelligen. Sie fangen an zu rechnen? Sehr gut! Ich gehe davon aus, dass viele Trainierende mit deutlich weniger Aufwand deutlich bessere Resultate erzielen könnten. Um den Trainingserfolg zu gewährleisten reicht es definitiv nicht, nur die Anzahl der Wiederholungen und vielleicht noch den Widerstand zu definieren. Die Spannungszeit und die oben beschriebenen weiteren Determinanten sind vor jedem Training zu klären – vor jedem Training! Tempo im Krafttraining findet nicht statt. Der heutige Stand der Trainingswissenschaft in Bezug auf die Ausführungsgeschwindigkeiten der einzelnen Wiederholungen im Krafttraining lässt nur einen Schluss zu: Arbeiten Sie so langsam wie möglich und sinnvoll – je langsamer, desto besser. Schnellere Bewegungsabläufe, wie es oft in den Fitnesscentern praktiziert wird, machen wenig Sinn, weil viel mit Schwung gearbeitet wird und damit die Effekte nicht optimal genutzt werden. Das heißt, mit langsamen Wiederholungen sind bis zu 20 Prozent mehr an Kraft möglich. Warum soll ich diese verschenken? Oder trainieren Sie mit Rabatt? In der Praxis bewährt hat sich das System 4-2-4. Das heißt, 4 Sekunden konzentrische Kontraktion, 2 Sekunden isometrische Kontraktion und 4 Sekunden exzentrische Kontraktion. Das macht pro Wiederholung 10 Sekunden. Davon ausgehend sind für ein optimales Hypertrophietraining, wo 60 bis 90 Sekunden Spannungsdauer zu leisten sind, 6 bis 9 Wiederholungen in diesem langsamen Tempo durchzuführen. Exkurs: Entwicklung von Schnellkraft. Oft sieht man Trainierende, welche schnell Kraft trainieren oder die schnelle Kraft suchen. In der Hoffnung, schnellkräftiger zu werden. Nur funktioniert das leider nicht. Schnellkraft wird in vier Phasen entwickelt:

Das wird oft noch so gemacht. Die beiden entscheidenden Phasen aber folgen erst:

Das plyometrische Training ist je nach sportartspezifischen Anforderungen unterschiedlich zu gestalten. Ein Springer oder Läufer wird eher Tiefsprünge machen, ein Werfer viel im Bereich exzentrisches Training der Schulter nahe an der Sportart. In der letzten Phase der Umsetzung heißt das für einen Läufer beispielsweise, dass er bei geringer Neigung bergab läuft, ein Werfer wird die Technik mit leichteren Geräten absolvieren als im Wettkampf. Allein die Übungen schnell auszuführen bringt wenig bis gar nichts. Es gilt, die motorischen Einheiten dazu zu bringen, schneller zu arbeiten. Schnellkraft und Schnelligkeit sind folglich eine hochgradig neuronale Angelegenheit. Die Kraftpyramide mit allem Wesentlichen als Hilfe in der Praxis. Das Wesentliche zur Kraft lässt sich am besten mit der Kraftpyramide darstellen. Nutzen Sie diese Darstellung für die tägliche Arbeit – sie wird Ihnen in Fleisch und Blut übergehen

Die Kraftpyramide – das Wesentliche auf einen Blick. Bemerkungen: Das Gewöhnungstraining unten ist nur für absolute Neulinge im Krafttraining nötig. Üblicherweise wird hier mit 15 Wiederholungen gearbeitet. Das ist für den Anfänger nicht zu lang und der Widerstand ist nicht zu anstrengend. Hauptziele sind hier das Angewöhnen des regelmäßigen Trainings, das Kennenlernen der Infrastruktur (Geräte, Anlage, Trainer, Mittrainierende und anderes mehr) und vor allem die Gewöhnung der passiven (siehe Kapitel 6) und aktiven (siehe Kapitel 7) Strukturen an die neue Belastung. Das Gewöhnungstraining dauert unterschiedlich lange, sollte aber sechs Wochen nicht übersteigen. Überprüfung der Determinanten für ein perfektes Training. Nun prüfen wir, ob die Grafik sinnvoll ist und ergänzen wo nötig, weil schlicht nicht ganz alles in die Grafik hineinpasst. Höhe des Spannungswiderstandes aufgrund des 1RM ist vorgegeben und in der Grafik enthalten. Anzahl der Wiederholungen ist vorgegeben und in der Grafik enthalten. Anzahl der Sätze ist als Maximum bis zur muskulären Erschöpfung angegeben und in der Grafik enthalten. Pausen zwischen den Sätzen sind wie folgt zu ergänzen: Vorausgesetzt, im Training sind konsequent Agonist und Antagonist enthalten, kann jeweils sofort zur nächsten Übung gewechselt werden. Anzahl der Trainingseinheiten pro Woche ist wie folgt zu ergänzen: Mehr als 4 Einheiten bis zur muskulären Erschöpfung sind schlicht nicht zu machen. Pro Woche kann derselbe Muskel nicht mehr als zweimal trainiert werden. Das bedingt bei mehr als 2 Trainings pro Woche einen sehr abwechslungsreichen Trainingsplan. Ein Splittraining kann sinnvoll sein, beispielsweise Beine, Rumpf, Arme/Schultern. Dabei werden in derselben Trainingseinheit konsequent Agonist und Antagonist trainiert. Dauer der Trainingsperiode ist wie folgt zu ergänzen: Je nach Trainingsstand kann sie unterschiedlich lang sein. Hier fixe Vorgaben zu machen, ist wenig sinnvoll. Einige Inputs liefert das Kapitel Planung und Steuerung (siehe Kapitel 9) Funktionelle und temporale Verteilung der Kontraktionsarten pro Wiederholung und Dauer einer Wiederholung sind vorgegeben und in der Grafik enthalten. Mit Pausen zwischen intermittierenden Wiederholungen ist gemeint, dass die Wiederholungen nicht aufeinander folgen müssen, beispielsweise beim „Negativtraining“. Je nach Übung fällt die Spannung zwischen den einzelnen Wiederholungen jeweils auf null und es kann unterschiedlich lange dauern, bis die Spannung wiederaufgebaut ist. Diese Unterschiede können sich auf die Prägung des Trainingsreizes auswirken (Toigo) Spannungsdauer ist vorgegeben und in der Grafik enthalten. Muskelerschöpfung ist in der Grafik enthalten. Bewegungsumfang (Range of Motion, ROM) ist wie folgt zu ergänzen: Es ist immer der volle Bewegungsumfang eines Gelenkes zu nutzen, außer in spezifischen Situationen oder bei vorhandenen Beschwerden. Erholungszeit zwischen den Trainingseinheiten ist wie folgt zu ergänzen: In der Regel sind 48 Stunden bis zum nächsten Training einzuhalten. Anatomische Definition der Übungsausführung (Trainingsqualität) ist wie folgt zu ergänzen: Alle Trainingsübungen sind unter den obigen Aspekten in hoher Qualität durchzuführen. Wichtig: Qualität kommt immer vor Quantität, sprich Widerstand! Konsequenzen für die Praxis. Wir wachsen am Widerstand. Das heißt in der Praxis, dass ein genügend hoher Widerstand nötig ist, um einen Effekt zu erreichen. Ein differenziertes Krafttraining mit der Einsatzmethode beinhaltet je nach Zielsetzung mehrere Übungen pro Muskel oder Muskelgruppe. Diese werden langsam, 10 Sekunden pro Wiederholung, ausgeführt und dies bis zur muskulären Erschöpfung. Das führt infolge der Bewegungsqualität in vielen Fällen zu (deutlich) tieferen Gewichten, die bewegt werden können. Aus Sicht des Nutzens für den Trainierenden ist das sinnvoll und nötig. 16 bis 20 Sätze solcherart sind pro Training möglich, danach fehlt schlicht die Energie. Es ist nicht nur wünschenswert, sondern eine Notwendigkeit, die Determinanten des Krafttrainings genau zu prüfen und individuell anzupassen

Die unsägliche Frage ob ein Einsatz- oder ein Mehrsatztraining besser sei, erübrigt sich. Ein effektives Training ist mit einem Einsatztraining und fein abgestimmten Übungen enorm gewinnbringend. Die Voraussetzung „… arbeiten bis zur muskulären Erschöpfung …“ setzen wir als gegeben voraus. Wobei uns auch hier das Pareto-Prinzip einholt – 80 Prozent davon reichen im gesundheitsorientieren Kontext aus

13 Funktionelles Training integriert. Was Sie nachher mehr wissen. In diesem Kapitel erfahren Sie, was funktionelles Training leisten kann. Sie erfahren auch die Grenzen des funktionellen Trainings und welche Grundsätze nötig sind für ein effektives funktionelles Training. Funktionelles Training hat eine integrierende Funktion. In den letzten Jahren hat das funktionelle Training immer mehr Anhängerinnen und Anhänger gefunden. Nur – wie funktionell sind diese funktionellen Trainings und worauf begründen die Aushängeschilder in den Medien zum funktionellen Training ihre Philosophien? Die Fitnessbranche spricht derzeit von dem großen Trend, gar von Megatrend ist die Rede. Das zweite stelle ich schlichtweg in Abrede. Zukunftsforscher wie Matthias Horx oder John Naisbitt sprechen von einem Megatrend, wenn folgende drei Bedingungen erfüllt sind:

Alles klar – von einem Megatrend zu sprechen ist im Fall des funktionellen Trainings nicht korrekt. Trends dagegen sind „Bewegungen in eine Richtung“, wie es Matthias Horx ausdrückt. Dabei lassen sich zwei Dimensionen erkennen: eine zeitliche und eine logische. Hier darf funktionelles Training durchaus platziert werden. Aber Achtung: Trends sind Wellen unterworfen, sie kommen und gehen. Das ist der Unterschied zum Megatrend. Definition. Funktionelles Training sind Übungen und Übungskombinationen, welche mehrere Muskeln beanspruchen; Muskelschlingen und -ketten werden genutzt. Dadurch werden die Übungen alltagstauglich. Was funktionelles Training ist oder sein soll. Was aber ist funktionelles Training? Michael Boyle zitiert dazu in seinem Buch „Functional Training“ aus dem Jahre 2002: „Bewegungen, die nur einen einzigen Muskel isoliert beanspruchen, sind als unfunktionell zu bezeichnen. Funktionelle Bewegungsformen integrieren immer mehrere Muskeln und Muskelgruppen gleichzeitig.“ Ist das Training an Kraftmaschinen folglich nicht nur unfunktionell, sondern gar dumm? Nein, sicher nicht, das funktionelle Training ist eine sehr gute Ergänzung zu einem Krafttraining an Geräten, basierend auf der Definition von Michael Boyle. Neu ist funktionelles Training nicht wirklich – schon Turnvater Jahn war in diesem Bereich unterwegs. Ich denke, in der Zwischenzeit ist sehr viel passiert und das intelligente Training hat einen großen Schritt nach vorne gemacht. Für den Ludwigsburger Jürgen Pagel gibt es sechs Grundsätze für das funktionelle Training, die einleuchten:

Ich fasse zusammen: Funktionelles Training ist ein intelligentes Training, welches viel Nutzen stiften kann. Vorausgesetzt, die elementaren Grundsätze von sportlichem Training werden eingehalten und die Bewegungsqualität ist genügend hoch, um negative Auswirkungen zu verhindern. Folgende Aspekte sind aus meiner Optik wichtig: Hohe Bewegungsqualität, das Arbeiten in Muskelschlingen/-ketten und das Trainieren der Muskeln mit mehreren unterschiedlichen Übungen pro Muskel oder Muskelgruppe. Was ist neu an funktionellem Training? Schon in den frühen 80er-Jahren hat Susanne Klein-Vogelbach über funktionelle Bewegungstherapie publiziert. Neu ist das Ganze schon aus dieser zeitlichen Optik nicht. Merkmale von funktionellem Training sind gemäß Klein-Vogelbach:

Die letzten vier Punkte sind alte Bekannte – klassische Trainingsprinzipien (siehe Kapitel 9) nämlich, die schon vorher Gültigkeit hatten und heute noch immer Gültigkeit haben. Hier sehe ich keine neuen Aspekte. Funktionell trainieren heißt, das Denken auf Muskelschlingen und -ketten zu lenken, also nicht auf isolierte Übungen, sondern auf komplexe Bewegungsaufgaben. Das Training ist so auf die stabilisierende und bewegende Muskulatur (siehe Kapitel 7) ausgerichtet – global und lokal (siehe Kapitel 12)! Ob das Training mit oder ohne Hilfsmittel durchgeführt wird, ist nicht relevant, sondern individuell unterschiedlich. Bootcamp, Crossfit, Freeletics, Calisthenics oder Lizenzprogramme wie GRID oder M.A.X. sind aktuell auf dem Markt – ein Trend verspricht das große Geld. Alles recht und gut. Nur ist die Bewegungsqualität der Teilnehmenden und oft auch der Kursleitenden in den seltensten Fällen das, was man als solche bezeichnen kann. Es ist zu befürchten, dass nicht immer die Gesundheit als Nutzen herauskommt – leider. Die Bewegungsqualität ist beim funktionellen Training aber das zentrale Element. Weiterbildungen mit sehr hohen Qualitätsstandards sind gefordert. Hier lohnt sich ein Blick auf andere Bewegungskonzepte, beispielsweise die Spiraldynamik, um die Bewegungsqualität zu gewährleisten. Letztlich ist funktionelles Training ein Personaltraining. Ein Personaltraining mit Kleingruppen von maximal vier bis sechs Kundinnen oder Kunden! Kritik am funktionellen Training. Damit eines klar ist – ich praktiziere selbst auch funktionelles Training! Weil ich der festen Überzeugung bin, dass hier auf allen Stufen der individuellen Handlungskompetenz (siehe Kapitel 4) noch Leistungsreserven vorhanden sind. Die Art und Weise, wie es häufig durchgeführt wird, gefällt mir allerdings nicht immer, da bin ich eher kritisch. Was kann kritisiert werden? Da ist zum einen die Frage, ob wir ein Krafttraining (siehe Kapitel 12) betreiben oder ein eher neuronales Training mit Aspekten des Krafttrainings? Sprich: Welche Ausrichtung soll das funktionelle Training haben? Welche Art von Training ist das funktionelle Training: Krafttraining, Koordinationstraining (siehe Kapitel 5) oder ein Training der energetischen Impulse Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer? Eine abschließende Antwort kann ich nicht geben. Das führt mich zum zweiten Kritikpunkt: Welche wissenschaftlichen Belege zum funktionellen Training sind wirklich vorhanden? Es gibt einige spannende Studien, welche den Nutzen klar aufzeigen – aber meist nur in Teilbereichen. Immerhin. Aktuell ist viel Erfahrungswissen vorhanden. Dieses Erfahrungswissen muss nun noch in wissenschaftliche Belege umgewandelt werden, damit die Trainerinnen und Trainer wissen, was wirklich passiert und vor allem auch warum es passiert. Daraus lassen sich im Anschluss konkrete und fassbare Trainingsempfehlungen ableiten, wie ein funktionelles Training zu gestalten ist. Kraft oder Koordination – das ist hier die Frage. Wie oben schon erwähnt, ist zu fragen, welche Art von Training funktionelles Training ist. Weil es komplexe Übungen sind, ist wohl ein hoher Anteil an Koordination mit im Spiel. Selbstverständlich werden auch die Kraftfähigkeiten verbessert. Oft werden dafür instabile Unterlagen verwendet – deshalb an dieser Stelle ein Exkurs zum Thema der instabilen Unterlagen. Exkurs: Instabile Unterlagen. Ist das Trainingsziel Kraft, müssen die nötigen Lasten so gewählt werden, dass die Trainingsreize genügend hoch sind, um die angestrebten Effekte zu erzielen. Ob das metabolische, morphologische oder neuronale Effekte sind, spielt keine Rolle. Bei dieser Art von Training interessiert es nicht, ob ich koordinativ besser werde. Viel wichtiger ist: Ich benötige je nach. Übungsauswahl hohe koordinative Fähigkeiten, um die gestellte Bewegungsaufgabe überhaupt durchführen zu können. Ist dagegen das Verbessern der koordinativen Fähigkeiten das Trainingsziel, sind Übungsauswahl, Trainingsmittel und die Widerstände diesem Ziel anzupassen. Hier haben die instabilen Unterlagen ihren Platz – aber nicht nur sie. Sling (Markenbezeichnung), TRX (Markenbezeichnung) und ähnliche Hilfsmittel bringen enormes kreatives Potential in diese Art von Training. Das Hauptziel eines sensomotorischen Trainings besteht darin, die Gelenke zu stabilisieren, in allen Winkeln und Lagen. Das führt zu einer stabilen, guten Haltung. Die Hauptnutzen sind folglich:

Letztlich geht es um Folgendes: Die Muskulatur zur Gelenkstabilisation kann früher und stärker aktiviert werden! Geht es um Verletzungsprävention und Bewegungsqualität, ist primär das Thema Kraft ins Zentrum zu rücken. Ohne Kraft kein harmonisches Ganzes. Harmonie heißt zusammenfügen, eine Vereinigung von Entgegengesetztem zu einem Ganzen. Die Frage, die sich stellt: Warum wird (zu) oft auf instabilen Unterlagen trainiert mit dem Fokus Sturzprophylaxe? Der kausale Zusammenhang von Stürzen und Verletzungen ist gegeben. Es ist notwendig, in sehr kurzer Zeit viel Kraft freizusetzen, damit Verletzungen verhindert oder mindestens vermindert werden können. Denn Verletzungen passieren in der Regel in einem dynamisch schnellen Umfeld – oder stürzen Sie langsam? Übungen mit dem Fokus der Gleichgewichtsfähigkeit auf instabilen Unterlagen bringen eine bessere Stabilität, eine bessere Haltung und eine bessere, weil kontrollierte, Bewegungsqualität. Aufgrund der langen Antwortzeiten im neurophysiologischen Bereich sind diese Übungen wenig geeignet, um einen Beitrag zur Sturzprophylaxe zu leisten. Konsequenzen für die Praxis. Funktionelles Training ist ein intelligentes Training mit einer hohen Effektivität. Allerdings sind die nötigen Voraussetzungen und Grundsätze einzuhalten. Insbesondere der Bewegungsqualität ist große Aufmerksamkeit zu schenken. Beim funktionellen Training kommt zusätzlich das Arbeiten in Muskelschlingen und -ketten dazu, was koordinativ hohe Ansprüche stellt. Die weiter oben beschriebenen fünf Merkmale eines funktionellen Trainings sind zwingend einzuhalten

Das funktionelle Training ist eine wunderbare Variation im Training. Nur wer wirklich bereit ist dafür, nur wer über die nötige individuelle Handlungskompetenz verfügt, soll ein funktionelles Training durchführen. Rund die Hälfte der Trainierenden ist dafür nicht bereit, wie Studien zeigen. Also zuerst die Voraussetzungen für funktionelles Training schaffen und danach profitieren

14 Schnelligkeit ist reine Nervensache. Das wissen Sie nachher mehr. In diesem Kapitel erfahren Sie, welche Ausprägungsformen die Schnelligkeit aufweist und wie unterschiedlich sich diese darstellt. Nervenzellen spielen die Hauptrolle. Schnelligkeit ist abhängig von der Leistungsfähigkeit des zentralen Nervensystems (siehe Kapitel 8) und des neuromuskulären Systems. Aufgrund der Ausprägung ist die Schnelligkeit eher in der Koordination (siehe Kapitel 5) zu verorten als in den energetischen Impulsen der individuellen Handlungskompetenz (siehe Kapitel 4). Um eine Bewegung schnell und gleichzeitig präzise auszuführen ist eine perfekte Informationsaufnahme und -verarbeitung zwingend notwendig. Es gibt einige Faktoren, welche die Schnelligkeit beeinflussen, hier eine Auswahl:

Definition. Schnelligkeit im Sport ist die Fähigkeit, aufgrund kognitiver Prozesse, maximaler Willenskraft und der Funktionalität des Nerv-Muskel-Systems höchstmögliche Reaktions- und Bewegungsgeschwindigkeiten unter bestimmten gegebenen Bedingungen zu erreichen (Grosser, 1991, zitiert nach Weineck 2010, S. 609) Schnelligkeit spielt in vielen Sportarten eine zentrale Rolle. Am offensichtlichsten ist es in den Sprintdisziplinen der Leichtathletik, wobei heute selbst der 800-Meter-Lauf als längste Sprintdistanz bezeichnet werden kann. Im Fußball hat die Schnelligkeit in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen, ja, sie hat sogar die Sportart verändert. Das Spiel wurde schneller und jeder einzelne Spieler muss pro Spiel viel mehr kurze Sprints leisten als noch vor fünf oder zehn Jahren. Arten der Schnelligkeit. Es gibt sie nicht, die Schnelligkeit schlechthin. Sie manifestiert sich unterschiedlich, in der Regel sind es aber diese drei Arten, welche eine Rolle spielen: Reaktionsschnelligkeit, Aktionsschnelligkeit und die Frequenzschnelligkeit. Als Sonderform kann die Handlungsschnelligkeit bezeichnet werden. „Handlungsschnelligkeit ist die Fähigkeit, in komplexen Situationen unter Zeitdruck schnell Informationen aufzunehmen, das Wesentliche zu erkennen und richtig zu antizipieren …“ (Hegner, Training fundiert erklärt, 2012). Kurz, die Fähigkeit, verschiedene Ausprägungen der Schnelligkeit zu bündeln und anzuwenden. Reaktionsschnelligkeit ist die Fähigkeit, auf ein Signal so schnell wie möglich zu reagieren in der dafür nötigen Bewegungsqualität. Folgende „Reaktionen“ können unterschieden werden:

Von einfachen Reaktionen wird gesprochen, wenn auf ein bekanntes Signal eine ebenso bekannte und eingeübte Bewegung folgt, beispielsweise beim Start zum 100-Meter-Lauf

Die schnellen Füße der Sprinter beim Start. Von komplexen Reaktionen (Wahlreaktionen) wird gesprochen, wenn auf verschiedene, voraussehbare oder nicht voraussehbare Signale eine adäquate Bewegungsantwort folgt. Diese kann eingeübt oder spontan sein. Aktionsschnelligkeit ist die Fähigkeit, bei zyklischen oder azyklischen Bewegungen diese in hoher Präzision auszuführen. Der Faktor Kraft (siehe Kapitel 12) ist dabei umso höher, je größer der zu überwindende Widerstand ist. Zyklische Bewegungen sind beispielsweise die Tretfrequenz beim Radfahren oder die Schrittfrequenz beim leichtathletischen Sprint. Azyklische Bewegungen sind beispielsweise die Schlagfrequenz beim Boxen oder schnelle Ballwechsel bei den Rückschlagsportarten wie Tennis oder Badminton. Frequenzschnelligkeit ist die Fähigkeit, zyklische Bewegungen mit höchster Präzision gegen geringe Widerstände auszuführen. Beispielsweise wird die Sprintfähigkeit direkt von der Frequenzschnelligkeit beeinflusst. Je höher die Frequenz, desto schneller der Sprint. Methodische Aspekte für das Training. Das Training der Schnelligkeit ist nur in gut ausgeruhtem Zustand sinnvoll. Nicht nur das zentrale Nervensystem (siehe Kapitel 8) wird gefordert, die Leistung (siehe Kapitel 2) hängt letztlich vom ganzen Organismus ab. Es ist besonders wichtig, nur in einem sehr gut aufgewärmten Zustand die Schnelligkeit zu trainieren. Kommt dazu, dass Schnelligkeit nur durch 100-prozentigen Einsatz und Willen verbessert werden kann. Das heißt im Umkehrschluss, dass die Pausen zwischen den Belastungen genügend groß sein sollten, im Bereich von dreißig bis fünfzig Mal so lang wie die Belastung (Hegner, Training fundiert erklärt, 2012). Dies führt schnell zu Pausenlängen von mindestens 5 Minuten und mehr! Das heißt: Schnelligkeit zu trainieren bedeutet, höchste Bewegungsqualität in der Arbeit bei sehr tiefem Belastungsumfang. Dazu kommen die langen Pausen – überspitzt formuliert: Sehr viel Pause bei wenig Arbeit. Konsequenzen für die Praxis. Soll Schnelligkeit trainiert werden, wenn nicht die Medaille im leichtathletischen Sprint als Ziel definiert ist? Selbstverständlich und selbstverständlich dem Alter und Können angepasst. Schnelligkeit ist ein Teil der individuellen Handlungskompetenz (siehe Kapitel 4) und für alle Menschen wichtig. Sturzprävention ist ein Thema, womit viele (ältere) Menschen konfrontiert sind. Weil selten jemand langsam und kontrolliert stürzt, ist ein Training der Schnelligkeit sinnvoll und notwendig

Soll die Schnelligkeit verbessert werden, ist im Training höchste Qualität gefordert, in Bezug auf die Bewegungsqualität und die Intensität. Dies hat zur Folge, dass große Pausen zwischen den Belastungen notwendig sind – diese garantieren letztlich den Erfolg

15 Herzkreislauf und Atmung. als Motor des Lebens. Was Sie nachher mehr wissen. In diesem Kapitel erfahren Sie, wie wichtig das Herzkreislaufsystem für uns Menschen ist, welche Anpassungen wir durch ein Training auslösen und welche Auswirkungen dies hat. Herzkreislaufsystem als Verteilungsmaschine. Ohne das Herzkreislaufsystem wären wir so leistungsfähig wie ein Leichnam im Grab, nämlich gar nicht. Für Trainerinnen und Trainer ist es wichtig, das Herzkreislaufsystem zu verstehen. Das Herz und die dazugehörenden Blutgefäße sind eine funktionelle Einheit zur Versorgung der Endorgane. Das Herz ist der willentlich nicht steuerbare Motor des Herzkreislaufsystems. Es sorgt dafür, dass immer genügend Sauerstoff und Nährstoffe dort vorhanden sind, wo sie benötigt werden. Der Sinusknoten im rechten Vorhof des Herzens dient dabei als Taktgeber. Sie müssen sich keine Gedanken machen, wie schnell das Herz schlagen muss, wenn Sie auf den Zug zurennen, weil Sie mal wieder einige Minuten zu lange geschlafen haben. Das vegetative Nervensystem (siehe Kapitel 8) regelt das für Sie. Man kann das Herzkreislaufsystem in ein Hoch- und Niederdrucksystem einteilen. Über das Hochdrucksystem wird das mit Sauerstoff angereicherte Blut im ganzen Körper verteilt, damit die Endorgane den benötigten Sauerstoff zur Verfügung haben. Von dort wird das Kohlendioxid über das Niederdrucksystem zur Entsorgung zurück zum Herzen transportiert und gelangt von dort in den Lungenkreislauf. Hier wird das Kohlendioxid über die Atmung letztlich in die Umwelt abgegeben, während gleichzeitig über die Alveolen, die Lungenbläschen, neuer Sauerstoff für die nächste Runde im Körperkreislauf gebunden wird. Ein perfekter Stoffkreislauf. Im Niederdrucksystem befinden sich rund 80 Prozent der Blutmenge, also etwa vier bis fünf Liter Blut. Die durch ein adäquates Training verursachten Anpassungen des Herzkreislaufsystems kann man durch die drei folgenden Größen beschreiben. Das Herz wird ökonomischer durch eine leichte Vergrösserung der linken Herzkammer, wodurch der Ruhepuls (Puls am Morgen vor dem Aufstehen gemessen) sinkt. Im Durchschnitt beträgt dieser um die 70 Schläge pro Minute – aus dem Leistungssport sind Werte für den Ruhepuls von unter 30 Schlägen pro Minute bekannt. Durch das ökonomischere Herz kann mehr Blut in den Blutkreislauf gebracht werden, womit das Herzminutenvolumen (HMV) größer ist. Das Herzminutenvolumen ist die Menge Blut, welche in einer Minute ausgeworfen werden kann. „Sportlerherzen sind wie früher die frisierten Mopeds!“ Peter Regli. Ein gut funktionierendes Herzkreislaufsystem ist für den Menschen lebenswichtig. Die Qualität ist davon abhängig, wie stark das System als Ganzes gefordert wird. Definition. Das Herzkreislaufsystem versorgt unsere Organe und unser Gewebe mit dem nötigen Sauerstoff und entsorgt im Gegenzug das Kohlendioxid. Das Herz als Motor unseres Daseins. Das Herz ist ein Hohlmuskel, welcher in der Regel etwa 250 Gramm schwer ist. Seine Größe entspricht in etwa einer Faust und es schlägt im Durchschnitt rund 70 bis 80 Mal pro Minute. Die dadurch beförderte Menge Blut beträgt rund fünf Liter. Wäre jeder Herzschlag bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 85 Jahren einen Franken oder einen Euro wert, verdienten Sie in einem Tag rund hunderttausend Franken oder Euro, im Monat gar drei Millionen Franken oder Euro und im ganzen Leben wären es rund drei Milliarden Franken oder Euro. Die quergestreifte Herzmuskulatur, somit der Herzmuskel (Myokard), wird von der Herzaußenschicht (Epikard) und einer Schicht Bindegewebe (Perikard) umgeben. Das Herz ist im Innenraum in vier Hohlräume aufgeteilt: die jeweils oben liegenden Vorhöfe, links und rechts, und die unten liegenden Kammern, links und rechts. Vorhof und Kammer sind jeweils durch die Segelklappen getrennt. Vor der Lungenarterie und der Aorta befinden sich zusätzlich die Taschenklappen. Dieses System von Klappen bewirkt, dass die zu- und wegführenden Gefäße gegeneinander verschloßen werden. Die linke Herzhälfte ist verantwortlich, das mit Sauerstoff angereicherte Blut durch die Aorta in das System zu pumpen, während der rechte Teil dafür verantwortlich ist, dass das Blut in den Lungenkreislauf gepumpt wird, damit in der Lunge neuer Sauerstoff geholt werden und gleichzeitig das Kohlendioxid entsorgt werden kann. Das Blut kommt dabei in jedem Fall immer zuerst in den entsprechenden Vorhof, fließt dann in die dazu gehörende Kammer und geht von dort auf seine Reise – entweder in Richtung großen Kreislauf (Körperkreislauf) oder in Richtung kleinen Kreislauf (Lungenkreislauf) Der Herzmuskel selbst wird über zwei sogenannte Koronararterien mit Blut versorgt, je eine für die linke und die rechte Hälfte. Sie verzweigen sich im Bereich der Aorta in Richtung des Herzens. Gesteuert wird das Herz über den Sinusknoten, den Sympathikus und den Parasympathikus. Wobei der Sympathikus beschleunigend auf die Herztätigkeit wirkt, der Parasympathikus senkend auf die Herztätigkeit wirkt

Querschnitt des Herzens. Exkurs: Fakten zum Blutdruck. Der Blutdruck ist abhängig von der

Die Stärke des Herzens bestimmt, wie viel Blut pro Herzschlag durch die Arterien gepumpt wird. Wird pro Herzschlag mehr Kraft aufgewendet, wird mehr Blut durch die Arterien gepumpt und der Blutdruck steigt. Der Widerstand ist abhängig vom Gefässdurchmesser und der Elastizität der Gefässwand, beziehungsweise der Starrheit der Gefässwand (Im Alter steigt deswegen der Blutdruck). Je enger die Gefässe, desto höher ist der Widerstand und damit der Blutdruck. Blutdruck ist die Kraft, welche benötigt wird, um das Blut durch den Kreislauf zu treiben. Üblicherweise sprechen wir vom arteriellen Blutdruck (Schlagadern). Doch herrscht auch in den Kapillaren und Venen Druck. In den einzelnen Arterien ist der Druck unterschiedlich. 80 Prozent der Blutmenge ist im Niederdruckteil, wo der Druck nicht über 25 mmHg steigt (Kapillaren, Venen, kleiner Kreislauf). In den Schlagadern herrscht dagegen ein Druck von 120/80 mmHg. In der Lungenschlagader nur 25/10 mmHg (pulmonaler Blutdruck). Dies deshalb, weil der kleine Kreislauf kürzer ist, weniger Eingangsdruck aufweist und die Lungengefässe etwas elastischer sind. Im Hochdruckteil herrscht hoher Druck, aber nicht einheitlich. Je enger die Gefässe, je höher wird der Druck. Damit bestimmt die Weite und somit der Widerstand der Arterien den Druck. Die linke Herzkammer hat nach der Kontraktion in der Erschlaffungsphase (Diastole) einen Druck von beinahe Null! Mit der Austreibung des Blutes aus der linken Herzkammer steigt der Druck auf ein Maximum an und fällt wieder ab auf einen Restdruck von 80 mmHg. Dies ist der untere Blutdruck oder auch diastolischer Blutdruck genannt. Bei diesem Druckwert öffnen sich nämlich die Klappen zwischen Vorhof und Kammer, womit die beiden Herzkammern mit Blut gefüllt werden. Während der Systole wirkt die Kraft des Herzens nicht nur in Strömungsrichtung des Blutes, sondern auch auf die Gefässwand. Die elastischen Wände von Aorta und Arterien werden aufgedehnt und speichern dabei elastische Energie. Nach Ende der Herzkontraktion fällt der Druck in der linken Herzkammer und damit auch in der Aorta. Die elastische Energie der Wände drücken in die Ausgangsposition zurück und üben so Druck auf das Blut aus. Dies führt zu einem kontinuierlichen Blutfluss. Wenn der Druck in der linken Herzkammer unter den Druck in der Aorta fällt, schliesst sich die Aortaklappe; womit das Blut nur noch in Strömungsrichtung nach vorne gedrückt wird. Dafür wird die gespeicherte Energie in der Arterienwand verwendet. Das Blut bleibt so nicht stehen, womit eine dauernde Strömung herrscht (Gleitreibung), was wesentlich weniger Energie benötigt als Haftreibung; das heisst, wenn das Blut jedes Mal zum Stillstand kommen würde. Der systolische Druck ist der höchste Druck während der Austreibungsphase (Systole); daher die Ableitung zum oberen Blutdruck. Der diastolische Druck ist der niedrigste Druck in den arteriellen Gefässen (Diastole) während der Erschlaffungsphase des Herzmuskels. Die verschiedenen Blutgefäße – oder warum Arterien nicht immer Arterien sind. Im Herzkreislaufsystem werden im Grundsatz drei verschiedene Gefäßarten unterschieden

Arterien: Als Arterien werden alle vom Herzen wegführenden Gefäße bezeichnet, unabhängig davon, ob sie sauerstoffhaltiges Blut enthalten oder nicht. Ihr Durchmesser verringert sich zwischen dem Herzen zu den Endorganen kontinuierlich. Je nach Durchmesser der Arterien werden sie als Aorta, Arterien und Arteriolen bezeichnet. Diesen schließen die Kapillaren an. Kapillaren: Die Kapillaren sind so etwas wie der Umsteigebahnhof im Herzkreislaufsystem. Der von den Arterien zugebrachte Sauerstoff wird hier übernommen und in die Endorgane, beispielsweise die Muskulatur, gebracht. Im Falle der Muskulatur geht es in die Zellen über, genauer gesagt in die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zelle. Gleichzeitig wird das Kohlendioxid aus den Zellen über die Kapillaren in die Venen überführt. Venen: Als Venen oder Venolen werden alle dem Herzen zuführenden Gefäße bezeichnet. Sie sorgen dafür, dass das Blut zurück zum Herzen kommt und sind so etwas wie ein aufwärts fließender Fluss. Noch nie gesehen? Ich auch nicht. Deswegen verfügen die Venen auch über die Venenklappen, die dafür sorgen, dass das Blut nicht zurück fließen kann. Zusätzlich hilft die Muskelpumpe mit, das Blut von unten, beispielsweise aus der Wadenmuskulatur, zurück zum Herzen zu bringen. Merke: Alle vom Herzen wegführenden Gefäße werden als Arterien, alle zuführenden Gefäße als Venen bezeichnet! Schema des Herzkreislaufsystems

Zwei Kreisläufe verteilen Blut und Sauerstoff. Das Herzkreislaufsystem wird in zwei Teile aufgeteilt: In den großen Kreislauf, auch Körperkreislauf genannt, und in den kleinen Kreislauf, auch Lungenkreislauf genannt. Begeben wir uns nun auf eine kleine Schifffahrt durch das Herzkreislaufsystem. Wir besteigen als Sauerstoff verkleidet das Schiff in der linken Herzkammer, unserem Startpunkt der Reise. Wir werden mit hohem Druck durch die Aorta in den großen Kreislauf geschickt. Wir haben jetzt die Wahl, entweder nach oben (Kopf) oder nach unten (Füße) zu fahren. Wir sind in zügigem Tempo unterwegs und entscheiden uns, in der Wadenmuskulatur einen Halt einzulegen. Wir fahren jetzt in Richtung Wadenmuskulatur immer etwas langsamer, weil die Gefäße entsprechend dünner werden, bis wir im Umsteigebahnhof, den Kapillaren, angekommen sind. Dort verlassen wir das Schiff, um in der Wadenmuskulatur dafür zu sorgen, dass genügend Energie zur Verfügung steht. Haben wir das erledigt, kehren wir neu angezogen als Kohlendioxid zu den Kapillaren zurück, wo wir ein neues Schiff besteigen, das uns über den venösen Rückfluss zurück zum Herzen bringt. Wir treffen dort im rechten Vorhof ein, gleiten lautlos durch die Segelklappe in die rechte Kammer, von wo wir über die Lungenarterie in Richtung Lunge geschickt werden. Hier teilen wir uns auf – die eine Hälfte geht zum rechten, die andere Hälfte zum linken Lungenflügel. Dort werden wir über die Atmung in die Luft entsorgt – oder bildlich gesprochen, wir ziehen uns wieder um. Jetzt sind wir der Sauerstoff aus der Luft, der in die Alveolen eindringt und wir kehren über die Lungenvenen zurück zum Herzen, wo wir im linken Vorhof eintreffen und lautlos in die linke Kammer gleiten. Die Reise beginnt von neuem

Die Alveolen als Ort des Gasaustausches in der Lunge. Blut ist der Saft des Lebens. Der untrainierte Mensch verfügt über etwa fünf Liter Blut, der ausdauertrainierte Mensch über bis zu sieben Liter Blut. Das Blut besteht aus den festen Bestandteilen, die rund 45 Prozent ausmachen, und dem Blutplasma, das sind die anderen rund 55 Prozent der gesamten Blutmenge. Blutplasma: Das Blutplasma besteht zu über 90 Prozent aus Wasser, der Rest sind Eiweiß, Glukose und Elektrolyte. Es ist dafür verantwortlich, dass die Nähr-, Abfall- und Botenstoffe wie Hormone, Spurenelemente oder Vitamine transportiert werden. Feste Blutbestandteile: Die festen Bestandteile des Blutes sind die roten und weißen Blutkörperchen und die Blutblättchen. Die roten Blutkörperchen, die Erythrozyten, sind für den Sauerstofftransport zuständig. Die weißen Blutkörperchen, die Leukozyten, sind für die Immunabwehr zuständig und die Blutplättchen, die Thrombozyten, spielen eine wichtige Rolle bei der Blutgerinnung

Blutbestandteile, eigene Darstellung. Anpassungen durch Training. Durch Training induzierte Anpassungen finden hauptsächlich auf drei Ebenen statt:

Herzgröße: Durch ein Ausdauertraining (siehe Kapitel 16) kann das Herz viel ökonomischer arbeiten. Dabei kann die linke Herzkammer leicht vergrößert sein. Dies ist aus neueren Studien bekannt. Dass die Herzen von Ausdauerathletinnen und Athleten bis doppelt so groß werden wie das eines Untrainierten gehört somit in das Reich der Mythen und wurde lange Zeit überschätzt. Die Vergrößerung der linken Herzkammer ist in keinem pathologischen Bereich, einfach am oberen Ende der menschlichen Möglichkeiten. Herzminutenvolumen: Das Herzminutenvolumen (HMV) verändert sich durch ein Training. Berechnet wird es wie folgt: Schlagvolumen (SV) x Herzfrequenz (HF) = Herzminutenvolumen (HMV) Eine untrainierte Person hat in Ruhe ein Schlagvolumen von 70 Millilitern und eine Herzfrequenz von 70. Daraus ergibt sich ein Herzminutenvolumen von rund fünf Litern. Unter Belastung steigt das Schlagvolumen auf rund 120 Milliliter und die Herzfrequenz beispielsweise auf 180. Daraus ergibt sich ein Herzminutenvolumen unter Belastung von rund zwanzig Litern. Das Herzminutenvolumen steigt also unter Belastung um das Vier- bis Fünffache an. Pro Stunde sind das beispielsweise rund tausendzweihundert Liter Blut, welche durch das System gepumpt werden. Dies entspricht dem Inhalt von sechs Badewannen. Eindrücklich, oder? Ein trainierter Sportler hat in Ruhe ein Schlagvolumen von 105 Millilitern und eine Herzfrequenz von 150. Daraus ergibt sich ein Herzminutenvolumen von rund fünf Litern. Gleich viel wie oben, aber mit weniger Aufwand. Unter Belastung steigt das Schlagvolumen auf rund 200 Milliliter und die Herzfrequenz beispielsweise auf 180. Daraus ergibt sich ein Herzminutenvolumen unter Belastung von rund sechsunddreißig Litern. Das Herzminutenvolumen steigt hier also unter Belastung um etwa das Siebenfache an. Pro Stunde sind das dann beispielsweise rund zweitausendeinhundertsechzig Liter Blut, welche durch das System gepumpt werden. Noch eindrucksvoller ist es, wenn wir das auf einen Marathon mit einer Laufzeit von 2 Stunden und 10 Minuten umrechnen: Viertausendsechshundertachtzig Liter! Das entspricht über dreiundzwanzig vollen Badewannen! Ruhepuls: Der Ruhepuls liegt beim untrainierten Menschen bei rund 70 Schlägen pro Minute. Er wird am Morgen gemessen, bevor ich mich aus dem Bett in die Vertikale begebe. Der Ruhepuls ist ein hervorragender Indikator für die Ausdauerleistungsfähigkeit eines Menschen. Je tiefer, umso besser. Es sind Werte von 28 Schlägen pro Minute dokumentiert – das sind folglich Spitzenkönner im Fach Ausdauersport. Der Ruhepuls reagiert sehr sensibel auf Veränderungen im Körper. Ist er während einiger Tage leicht erhöht, verlangt das nach erhöhter Aufmerksamkeit. Es kann ein Infekt im Anflug sein, das Training war vielleicht zu hoch dosiert oder die Schlafqualität hat gelitten. Noch ein Wort zur maximalen Herzfrequenz: Diese ist genetisch disponiert und verändert sich nur unwesentlich. Die Unterschiede von Mensch zu Mensch sind beträchtlich. Im gleichen Alter kann dies von 170 bis 200 oder mehr Schlägen pro Minute divergieren. Das ist einer der Gründe, warum die sehr detaillierten Tabellen zur Bestimmung der Herzfrequenz für das Training ein Witz sind. Entscheidend sind der Ruhepuls und die Trainingsfrequenz. Sprich: Wenn ich mit der gleichen Herzfrequenz schneller laufen kann, habe ich gut trainiert. Dabei wird sich auch der Ruhepuls nach unten anpassen. Atmung als Sauerstoff-Versorgungs-Maschine. Für die Atmung interessiert sich die Kundin oder der Kunde im Fitnesscenter herzlich wenig. Beim Krafttraining heißt die Lösung ja einfach: Einen Weg einatmen, einen Weg ausatmen. Deshalb halte ich das Thema sehr kurz. Im Ausdauerbereich passt sich die Atmung ebenfalls gut den erhöhten Anforderungen an, ohne dass ich mich großartig damit befassen muss. Die Atemwege und die Lunge führen dem Körper den lebensnotwendigen Sauerstoff zu. Gleichzeitig wird das Kohlendioxid entsorgt. Aber das wissen Sie ja schon. Beim Atmungssystem werden ein oberer und ein unterer Trakt unterschieden. Der obere Trakt besteht aus der Nase, den Nasennebenhöhlen und dem Rachen. Der untere Trakt besteht aus dem Kehlkopf und der daran anschließenden Luftröhre. Der Querschnitt der Luftröhre entspricht ungefähr dem des kleinen Fingers an Ihrer Hand. Die Luftröhre ist, wenn wir sie und die Lunge als umgekehrten Bauch betrachten, der Stamm dieses Bronchialbaumes. In der Baumkrone befinden sich die Bronchien und schließlich die Bronchiolen/Alveolen am Ende der Kaskade. Die Alveolen sind der Ort des Gasaustausches, analog den Kapillaren, und wären an unserem Baum die Blätter. Ob ein Atemtraining mehr Leistung bringt, ist unklar. Je besser das Leistungsniveau, desto kleiner der Nutzen. Letztlich ist das Transportsystem der limitierende Faktor der aeroben Leistungsfähigkeit und nicht die Atmung. Sauerstoff atmen wir genug ein, die Frage ist, wie viel davon ich in das System bringe. Und das ist lediglich ein gutes Viertel von dem, was wir einatmen

Atmungssystem mit seinen verschiedenen Teilen. Konsequenzen für die Praxis. Das Herzkreislaufsystem, insbesondere das Herz, ist der Motor des menschlichen Daseins. Sorgen wir dafür, dass dieser Motor ein Leben lang funktionsfähig bleibt. Ausdauer ist in vielen Bereichen des Lebens wichtig. Für die meisten Menschen allerdings fast ausschließlich im Bereich des Fettstoffwechsels, welcher aufgrund des Bewegungsmangels in breiten Teilen der Bevölkerung verkümmert ist. Sorgen Sie dafür, dass der Fettstoffwechsel wieder auf Betriebstemperatur kommt

Der Mensch legt im Durchschnitt lediglich noch 400 bis 800 Meter pro Tag zurück. Dies ist, leider, kein Schreibfehler. Die westliche Welt ist auf dem besten Weg zu einer rollenden Gesellschaft

16 Ausdauer ist doch so einfach. Was Sie nachher mehr wissen. In diesem Kapitel erfahren Sie, wie Ausdauer strukturiert ist, welchen Nutzen sie hat und wie ein gut strukturiertes Ausdauertraining aussieht. Ausdauer ist wie gemischter Salat im Restaurant. Ausdauer braucht der Mensch in vielen Situationen. Es sind jedoch grundlegend andere Voraussetzungen zu erfüllen, wenn ich einen Marathon laufen will oder wenn es mir um den Erhalt der Gesundheit geht. Sieht man sich einmal unter gesundheitsbewussten Menschen um, wird oft grüner Salat gegessen – ohne jede Abwechslung in irgendeiner Art und Weise. Warum verzichtet man eigentlich beim Training auf den gemischten Salat, der beim Restaurantbesuch fast immer bestellt wird? Immer die gleiche Strecke im gleichen Tempo in der gleichen Richtung. Ja meine Güte – langweiliger geht es nicht! Tatsächlich stehen uns verschiedene Methoden zur Verfügung, um die Ausdauer zu trainieren. Die übliche Dauermethode ist eine davon – es gibt noch einige andere, die spannender und vielfältiger sind. Wenn denn wenigstens nicht immer im gleichen Trott gelaufen würde! Aber auch da begegne ich den gleichen Menschen im immer gleichen Tempo, wenn ich in meiner eigenen Umgebung die Füße rotieren lasse. Damit das optimale Tempo bestimmt werden kann, ist es unabdingbar, die individuelle Herzfrequenzkurve zu kennen. Diese ist genetisch festgelegt und kann nicht mehr verändert werden. Vergessen Sie also alle bekannten Faustformeln zur Berechnung der idealen Herzfrequenz. Ohne Bestimmung der individuellen, maximalen Herzfrequenz mit einem geeigneten Testverfahren geht im Bereich der Ausdauer wenig bis gar nichts. Sie spielen Golf? Was haben Sie dafür getan? Sie machten einen Knigge-Kurs, lernten die Technik beim Golflehrer und mussten ein Handicap erarbeiten, damit Sie überhaupt allein auf den Golfplatz dürfen. Wo lernten Sie laufen/joggen? Nun ja, so sieht es denn meistens auch aus! Stil ist heute in vielen Lebenslagen ein wichtiges Thema. Beim Laufen in der freien Natur ist davon leider oft nichts zu sehen. Stil und Technik spielen da offenbar keine Rolle! Definition. Ausdauer ist die Fähigkeit des Organismus, Belastungen möglichst lange ohne sichtbarem Leistungsabfall zu widerstehen. In einem Wort: Ermüdungswiderstandsfähigkeit. Nutzen und Auswirkungen. Ein Ausdauertraining bringt vielerlei Nutzen für Sport und Alltag. Hier eine Auswahl der physiologischen Anpassungen:

Zusammengefasst gesagt: Die Leistungsfähigkeit steigt. Das Risiko eines Herzinfarktes sinkt. Körperfettanteil und Blutfettwerte sinken. Ausdauersport vermeidet Übergewicht und dient dem Stressabbau. Was wollen Sie mehr? Und das Beste an der Sache: Es ist gratis zu haben! Na gut, fast. Die Ausrüstung benötigen Sie schon. Vor allem Schuhe, die zu Ihren Füßen passen. Arten der Ausdauer. Die Ausdauer kann in verschiedene Arten unterteilt werden. Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale sind: Energiebereitstellung: Hier unterscheidet man zwischen aerob und anaerob. Das heißt, es steht genügend Sauerstoff zur Verfügung (aerob) oder eben nicht. Das Tempo beziehungsweise der Widerstand (Velo, Rudern) entscheiden letztlich, welches der beiden Systeme mehrheitlich in Betrieb ist. Zeitdauer: Hier unterscheidet man zwischen Kurzzeitausdauer (KZA), Mittelzeitausdauer (MZA) und Langzeitausdauer (LZA)

Die LZA wird in vier Unterbereiche aufgeteilt:

Anteil der Muskulatur: Hier unterscheidet man zwischen allgemeiner und lokaler Ausdauer. Allgemeine Ausdauer ist dann gegeben, wenn mehr als ein Sechstel bis ein Siebtel der Muskulatur in Bewegung ist. Das entspricht in etwa dem Anteil eines Beines am gesamten Körper. Sportartspezifische Ausdauer: Neben einer guten Grundlage benötigt jede Sportart ihre eigene Ausdauerperformance. Diese muss entsprechend trainiert werden. Darum geht es – das Potential als Bruttokriterium. Das Herzminutenvolumen (HMV) und die maximale Sauerstoffaufnahmekapazität (VO2max) entscheiden letztlich über die Ausdauerfähigkeit des Menschen. Je höher die beiden Werte, desto ausdauernder ist die betreffende Person. Das HMV berechnet sich aus dem Schlagvolumen (SV) und der Herzfrequenz (HF). Die entsprechende Formel lautet: SV x HF = HMV. Selbstredend, dass dieser Wert mit der Belastung steigt. Aber das wissen Sie ja schon aus dem Vorkapitel. Die VO2max. gibt an, wieviel Sauerstoff der menschliche Körper maximal aufnehmen und verwerten kann. Leistungslimitierend ist im Bereich der Ausdauer immer die Sauerstofftransportkapazität des Blutes. Ausdauertrainierte Menschen haben ein Herzminutenvolumen in Ruhe von rund fünf Litern, gleich wenig wie ausdauerUNtrainierte Menschen, benötigen dafür aber weniger Herzschläge. Sie können dieses unter Belastung allerdings auf rund vierzig Liter steigern! Das ist dann fast doppelt so viel wie bei einem wenig ausdauertrainierten Menschen. Darum geht es auch noch – die Ermüdungsresistenz. Die Ermüdungsresistenz ist eine Frage der Effizienz, wie die Energie in Bewegung umgesetzt wird. Es werden sowohl zentrale als auch periphere Kompononten verbeßert. Die Ermüdung umschreibt die Veränderungen im menschlichen Organismus, welche die Leistung negativ beeinflußen. Dazu tragen die Thermoregulation und die Atmung bei. Überdies werden die Glykogenspeicher vergrößert und der Organismus lernt, vermehrt den Energiebedarf über die Fette zu generieren. Darum geht es auch – die Ausschöpfung. Die Ausschöpfung ist eine Frage der Energiebereitstellung in der Muskelzelle und der Kapillarisierung, eine periphere Komponente. Dies ist der Bereich des klaßischen Fettstoffwechseltraining. Dieser liegt bei rund 75 Prozent der HFmax. Die Ausschöpfung spiegelt diejenige Intensität, in welcher der Organismus die anfallenden Stoffwechselzwischenprodukte fortlaufend weiter verwerten kann. Limitierend für die Ausschöpfung ist die aerobe Energiebereitstellung. Methoden entsprechen dem gemischten Salat im Restaurant. Dauermethode: Es wird über eine bestimmte Zeit ein kontinuierliches Tempo gelaufen. Das Tempo kann dabei von sehr langsam bis sehr schnell gewählt werden, entsprechend ergibt sich daraus die Dauer

Dauermethode, eigene Darstellung. Fahrtspiel oder variable Dauermethode: Das Fahrtspiel ist eine Variante der Dauermethode. Das Tempo wird variiert, aber es wird nie eine Pause gemacht. Der Name sagt es: Es ist ein Spiel mit Tempo und Gelände nach Lust und Laune. Das Tempo kann dabei frei gewählt werden

Variable Dauermethode, eigene Darstellung. Intervallmethode: Hier wird nach dem Muster Belastung-Pause-Belastung-Pause gelaufen. In der Regel extensiv (langsam) oder intensiv (schnell). Die Pause ist unvollständig, das heißt, die Pause ist so lang, bis die Herzfrequenz wieder auf rund 120 Schläge pro Minute gesunken ist. Dann beginnt die neue Belastung

Intervallmethode, eigene Darstellung. Wiederholungsmethode: Hier wird nach dem Muster Belastung-Pause-Belastung-Pause gelaufen. Richtig, das haben Sie eben schon gelesen. Das Tempo bei der Wiederholungsmethode ist aber intensiv, die Pause dafür vollständig, das heißt, die Pause dauert so lang, bis die Herzfrequenz unter 100 Schläge gesunken ist. Dann beginnt die neue Belastung. Diese Methode ordne ich eher dem Leistungssport zu, da sie für Anfänger und durchschnittlich Laufende eher nicht geeignet ist

Wiederholungsmethode, eigene Darstellung. Wettkampfmethode: Von der Wettkampfmethode spricht man, wenn im Spektrum einer Wettkampfdistanz trainiert wird. Damit einher geht das Wettkampftempo. Hier wird also das angestrebte Tempo in den Fokus gestellt. Wichtig ist diese Methode bei einer Marathonvorbereitung – dazu später mehr. Die Herzfrequenzbereiche für das richtige Trainingsziel. Je nach Ausrichtung und Zielsetzung des Trainings ist die passende Herzfrequenz zu wählen. Nicht auf die Kommastelle genau, sondern im Rahmen eines Bereiches. Ich beschränke mich hier auf drei Bereiche, die sich in der Praxis bewährt haben. Im Leistungssport reichen sie allerdings nicht aus

Für Menschen mit rein gesundheitsorientiertem Fokus reichen diese drei Bereiche völlig. Mit ambitionierten Läuferinnen und Läufern, welche regelmäßig Wettkämpfe bestreiten, wird in der Regel mit fünf Bereichen gearbeitet und im Leistungssport ist das polarisierte Training die Methode der Wahl „Im Ausdauertraining ist gemischter Salat. alleweil besser als ein grüner Salat.“ Peter Regli. Exkurs: Der Sonderfall HIIT. Das hochintensive Intervalltraining, dafür steht HIIT nämlich, ist ein Sonderfall. Es passt aufgrund seiner Konzeption in keine der oben aufgeführten Methoden. Deshalb postuliere ich, das Konzept HIIT als eigenständige Methode aufzuführen. Ziel des HIIT ist ein zeitoptimiertes Training der wichtigsten Ausdauerparameter. Dabei ist die Dauermethode mit im Boot, aber auch die Intervallmethode. Da die Pausen aber fix vorgegeben sind, passt das nicht in die klassische Definition der Intervallmethode mit der unvollständigen Pause. Beim HIIT geht es um drei Faktoren, welche in den Blöcken Potential, Ermüdungsresistenz und Ausschöpfung absolviert werden. Die Bezeichnungen kennen Sie ja schon. Die Blockreihenfolge ist vorgegeben und unterschiedlich zum klassischen Ausdauertraining, auch wenn im Einzelfall eine andere Reihenfolge sinnvoll sein kann. Ihre Entsprechung im klassischen Ausdauertraining findet sich in den oben aufgeführten drei Herzfrequenzbereichen. Potential entspricht dabei der Leistung, die Ermüdungsresistenz der Entwicklung und die Ausschöpfung der Gesundheit. Mit der vorgegebenen Reihenfolge Potential, Ausschöpfung und Ermüdungsresistenz wird zuerst das Potential erhöht, die Zentrale Herz verbessert. Danach lernt der Organismus mehr davon auszuschöpfen (zu nutzen) als periphere Komponente und verbessert am Ende die Ermüdungsresistenz, welche multifaktoriell ist. Potential. Die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) wird mit intensiven Intervalltrainings gesteigert. Damit wird die maximale Herzleistung verbessert. Zum Beispiel vier Mal 4 Minuten mit einer Intensität von bis zu 90 bis 95 Prozent der maximalen Herzfrequenz und einer vorgegebenen Pause von 3 Minuten. Ermüdungsresistenz. Die Ermüdungsresistenz ist ein Entgegenwirken der Ermüdung, die bei sportlicher Leistung immer eintritt. Die Frage ist nur, wie schnell und wie stark. Zum Beispiel werden zwei Belastungen gelaufen von 10 Minuten Dauer im Bereich von 85 bis 90 Prozent der maximalen Herzfrequenz und einer Pause von 3 Minuten dazwischen. Bei den Tempowechseln ist zu berücksichtigen, dass das sogenannte Fliessgleichgewicht (Steady-state) erst nach rund 2 Minuten eintritt, sich die Herzfrequenz und das subjektive Belastungsempfinden sich der neuen Belastung anpassen. Ausschöpfung. Die Ausschöpfung steht in engem Zusammenhang mit der Energiebereitstellung in der Zelle und der Kapillarisierung. Zum Beispiel eine Belastungszeit von 20 bis 30 Minuten mit einer Intensität von 70 bis 75 Prozent der maximalen Herzfrequenz. Die DNA der Ausdauer. Es werden wohl auch im Jahre 2020 noch irgendwelche Faustformeln oder Grafiken gebräuchlich sein, mit welchen vorgegaukelt wird, den für das Trainingsziel relevanten Bereich der Herzfrequenz berechnen zu können. Vergessen Sie es! Formeln wie 220 minus Lebensalter als maximalen Puls eines Menschen zu bezeichnen, ist, gelinde gesagt, ein Witz. Statistik sei Dank – die Wenigen, für die das sogar passt, sind definitiv zu wenig. In der Praxis habe ich Abweichungen gegenüber dieser Faustformel von minus 12 bis plus 34 erlebt. Statistisch passt rund ein Viertel der Trainierenden in die Formel mit einer Abweichung von plus/minus 4

Die individuelle Herzfrequenz ist so einmalig wie die DNA. Das heißt für die Praxis: Nur wer seine individuelle maximale Herzfrequenz (HFmax) kennt, kann ein effektives Ausdauertraining durchführen. Für die Bestimmung dieser HFmax stehen in der Praxis verschiedene Testverfahren zur Verfügung. Von hochkomplexen Labortests hin zum einfachen Feldtest ist da einiges in der Ausdauerwelt zu finden. Je nach Anforderung und Leistungsniveau sind diese mehr oder weniger sinnvoll. Hier sind die Fachkompetenz und der Realitätssinn von Trainerinnen und Trainern gefragt. Testing als ultimative Voraussetzung. Damit die individuelle Herzfrequenz korrekt bestimmt werden kann, ist es unabdingbar, einen Leistungstest (siehe Kapitel 20) zu machen. Es stehen viele Möglichkeiten offen, in der Praxis werden die folgenden zwei Testverfahren mehrheitlich eingesetzt:

Spiroergometrie ist gewissermaßen der Goldstandard, welcher im Leistungssport eingesetzt wird. Er kombiniert den Laktatstufentest mit einer Messung der Sauerstoffaufnahme und der Kohlendioxidausatmung. Damit kann einerseits die VO2max bestimmt werden und anderseits können über das Verhältnis der Sauerstoffaufnahme zur Kohlendioxidausatmung (respiratorischer Quotient) auch die Stoffwechsellagen den Herzfrequenzen zugeordnet werden. Beim Laktatstufentest erhält man als Resultat die Entwicklung der Blutlaktatwerte und der Herzfrequenz bis hin zur HFmax in Bezug zur Leistung. Das heißt, aus den beiden Kurven lässt sich einiges ablesen, was die Ausdauerfähigkeit der Kundschaft betrifft. Die Schwierigkeit liegt in der Auswertung und Interpretation, stehen doch über zwanzig publizierte Modelle dafür zur Verfügung. Welches Modell soll gewählt werden? Es braucht viel Erfahrung, hier die korrekten Interpretationen abzuleiten, aus denen anschließend die Trainingsempfehlungen abgeleitet werden. Mehr zum Thema finden Sie, ausführlich beschrieben, im Kapitel 20. Kritische Anmerkungen „Wer viel testet, testet viel Mist“ (Leo Held), ist eine Redewendung im Bereich Testing, die ich durchaus unterschreiben kann. Vor lauter Testen vergisst man oft zu trainieren. Im Breitensport oder im gesundheitsorientierten Bereich ist es völlig ausreichend, die maximale Herzfrequenz (HFmax) zu bestimmen – was einfach geht und schnell fertig ist. Ein entsprechendes Testprotokoll kann elektronisch über pr@peter-regli.ch beim Autor abgerufen werden. Die Version für das Laufen als Beispiel ist am Ende des Abschnittes eingefügt. Mit der HFmax kann problemlos das Training gesteuert werden, wenn die solcherart Trainierenden nicht Olympiasieger werden wollen. Die so oft zitierte Schwelle im Zusammenhang mit dem aeroben und anaeroben Bereich kann ruhig hinterfragt werden. Sie suggeriert eine klare Trennung von aerob zu anaerob, was in der Praxis aber nie vorkommt. Es wäre folglich besser, von einem Schwellenbereich zu sprechen. Es ist wichtig, einen Test in der Hauptsportart zu machen, sprich für einen joggenden Menschen auf dem Laufband, für Radfahrende auf dem Fahrrad-Ergometer und für Schwimmende eben im Wasser. Die Unterschiede in den Herzfrequenzen bei unterschiedlichen Sportarten sind zum Teil erheblich. Normal ist beispielsweise ein Unterschied vom Joggen zum Schwimmen von 8 bis 12 Schlägen weniger für das Schwimmen gegenüber dem Joggen

Ausschnitt aus dem Testprotokoll für die Bestimmung der HFmax, eigene Darstellung. Laufen mit Stil. Um vom „Krampfläufer“ zum „Genussläufer“ zu mutieren, ist Stil gefragt. Je ökonomischer der Bewegungsablauf, umso weniger Energie wird verschwendet. Hier die wichtigsten Tipps aus einigen Jahren Erfahrung:

Letztlich werden Sie damit mehr Spaß am Laufen haben! Aber nur, wenn Sie auch laufen. Denn ohne geht es auch heute nicht – dafür erhalten Sie gratis und rezeptfrei viel Nutzen – Ihre Gesundheit dankt es Ihnen! Konsequenzen für die Praxis. Hier einige ausgewählte, spannende und eindrückliche Zahlen, was mit einem Ausdauertraining zu erreichen ist. Muskelzelle

Herz

VO2max

Konsequenzen für die Praxis. Stellen Sie um auf gemischten Salat. Die farbenfrohe Vielfalt auf dem Teller übernehmen Sie in das Ausdauertraining. Nicht immer stur die Dauermethode nutzen, Intervall- oder die variable Dauermethode (Fahrtspiel) sind mindestens die gleich spannenden Optionen. Da die Herzfrequenzen beim Menschen so unterschiedlich sind wie der Fingerabdruck, soll diese mittels Testing eruiert werden. Das heißt kein Ausdauertraining ohne die Kenntnis der individuellen maximalen Herzfrequenz. Keine Formel dieser Welt kann das Testing ersetzen. Aufgrund dessen nutzen Sie eben diese Herzfrequenzbereiche unterschiedlich, mal schneller, mal langsamer, aber immer mit viel Freude am Ausdauertraining. Zum Schluss noch dies … Der eingeschlafene Fettstoffwechsel bei vielen Menschen muss dringend wieder in Schwung gebracht werden. Dies passiert mit langsamen Ausdauereinheiten, je nach Niveau sogar spazierend. Das ist ein Tempo, wo jeder und jede sich austoben kann. Die wichtigsten Punkte für die Praxis

17 Beweglichkeit dank Krafttraining … und etwas mehr. Das wissen Sie nachher mehr. In diesem Kapitel erfahren Sie, welche Rolle die Beweglichkeit für einen harmonischen Bewegungsablauf spielt und welche Ausprägungen die Beweglichkeit aufweist. „Krafttraining ist die beste Form des Beweglichkeitstrainings im gesundheitsorientieren Umfeld.“ Peter Regli. Beweglichkeit in Alltag und Sport. Dehnen Sie auch, um beweglicher zu werden? Spüren Sie etwas davon oder ist es eher schade um die aufgewendete Zeit? Das Thema schwappte in den 70er-Jahren wie vieles andere aus Amerika über den großen Teich zu uns – und wurde deshalb für gut befunden. Das ist teilweise heute noch so. In der Zwischenzeit hat die Wissenschaft einiges getan und tatsächlich mehr Wissen geschaffen. Nimmt man den aktuellen Stand der Diskussion, ist das Dehnen sehr differenziert zu betrachten, um es einmal sorgfältig auszudrücken. Beweglichkeit ist wichtig – nur damit wir uns nicht falsch verstehen. Ein harmonischer Bewegungsablauf, ein harmonisches Ganzes, benötigt neben vielen anderen Faktoren eben auch Beweglichkeit. Egal, ob im Alltag oder im Leistungssport. Der Mensch soll beweglich bleiben bis ins hohe Alter, damit seine Lebensqualität gut oder zumindest besser wird. Dass Dehnen allein für die Beweglichkeit verantwortlich ist, glauben heute noch immer viele Trainerinnen und Trainer. Sie schwören schon fast darauf. Deswegen wird es aber nicht richtiger. Sie bemühen oft das Bild der Katze, die sich reckt und streckt. Das hat aber mit den Faszien (siehe Kapitel 18) zu tun. Anders gesagt: Die Katzen waren schon immer intelligenter als wir – wenigstens, was die Beweglichkeit angeht. Das beste Beweglichkeitstraining ist ein differenziertes Krafttraining (siehe Kapitel 12), bei dem konsequent und ohne Ausnahme in jedem Training Agonist und Antagonist trainiert werden. Das wissen Sie ja mittlerweile schon. Das reicht aber noch nicht. Jeder Muskel ist in seinem zum Zeitpunkt des Trainings größtmöglichen Bewegungsumfang zu trainieren. Das ganze ROM (Range of Motion) ist auszunutzen. Aus dieser Optik ist Bankdrücken die dümmste aller Übungen im Krafttraining. Aus Sicht der Ästhetik aber durchaus sinnvoll. Das Dehnen hat dort seinen Platz, wo es sinnvoll und nötig ist, beispielsweise bei der Korrektur von muskulären Dysbalancen (siehe Kapitel 7) oder bei Sportarten wie Ballett oder Kunstturnen. Definition. Beweglichkeit ist die Fähigkeit, körperliche Bewegungen mit einer großen Bewegungsamplitude (Schwingungsweite) auszuführen. Die Beweglichkeit wird von der Gelenkigkeit und der Dehnfähigkeit bestimmt. Formen der Beweglichkeit. Beweglichkeit ist die Fähigkeit des Menschen, Bewegungen willkürlich mit dem nötigen Bewegungsumfang auszuführen. Es gibt verschiedene Ausprägungsformen der Beweglichkeit:

Die allgemeine Beweglichkeit ist das Maß an Beweglichkeit, welches im Alltag ausreicht. Beispielsweise sollte es bei gestreckten Beinen möglich sein, die Fingerspitzen zum Boden zu bringen. Spezielle Beweglichkeit ist gefordert, wenn spezielle Anforderungen zu erfüllen sind. Dies ist im Leistungssport der Fall, beispielsweise beim Kunstturnen oder Eiskunstlaufen. Die aktive Beweglichkeit ist die Beweglichkeit, welche ich selbst ohne Hilfe von außen nutzen kann. Die passive Beweglichkeit ist immer größer als die aktive Beweglichkeit. Dies deshalb, weil Hilfsmittel eingesetzt werden können, um sie zu erreichen. Wenn mir also eine zweite Person hilft, ein Gelenk zu bewegen, kann ich immer mehr bewegen, also eine größere Gelenksamplitude nutzen, als wenn ich das allein tun würde. Die anatomische Beweglichkeit gibt uns das Gelenk (siehe Kapitel 6) vor. Die gesamte anatomisch mögliche Gelenksamplitude kann in der Regel nicht genutzt werden. Das ist so etwas wie ein Sicherheitsventil, das uns vor Verletzung schützt

Ausprägungen der Beweglichkeit, eigene Darstellung. Abhängigkeit der Beweglichkeit. Die Beweglichkeit ist abhängig von zwei Elementen: der Dehnfähigkeit der Muskulatur, insbesondere der Faszien (siehe Kapitel 18), und der Gelenkigkeit. Die Dehnfähigkeit der Muskulatur hat sehr viel mit der Grundspannung des Muskels zu tun. Je höher diese Grundspannung, desto weniger beweglich fühle ich mich. Oft wird dann von verkürzter Muskulatur gesprochen, was eigentlich falsch ist. Die hohe Muskelspannung verunmöglicht einfach einen harmonischen Bewegungsablauf. Die Dehnfähigkeit lässt sich durch ein entsprechendes Training relativ leicht beeinflussen. Die Gelenkigkeit ist abhängig von den Sehnen, Bändern und Gelenkkapseln. Wie weit die Gelenksamplitude letztlich ausgenützt werden kann, hängt aber wieder mit der Muskelspannung zusammen. Ist diese sehr hoch, ist die Gelenkigkeit eingeschränkt, ist die Muskulatur in einem optimalen Spannungszustand, ist eine größere Ausnützung der anatomisch vorgegebenen Gelenksamplitude möglich. Die Gelenkigkeit lässt sich durch ein entsprechendes Training eher wenig beeinflussen. Noch ein Wort zur Hypermobilität. Das ist eine „krankhafte“ Form der Beweglichkeit. Das heißt, ein Gelenk kann über das anatomisch Übliche hinausbewegt werden oder es kommt regelmäßig vor, dass der Gelenkkopf aus der Pfanne springt. Dies hat wiederum mit der muskulären Sicherung des betroffenen Gelenkes zu tun. Struktur der Beweglichkeit. Beweglichkeit hat verschiedene Abhängigkeiten und Determinanten, welche in zwei Gruppen aufgeteilt werden können: die endogenen Faktoren und die exogenen Faktoren. Dabei sind die endogenen Faktoren im Bereich der Anatomie anzusiedeln, die exogenen Faktoren sind außerhalb des menschlichen Körpers zu suchen. Eine Auswahl an endogenen Faktoren:

Eine Auswahl an exogenen Faktoren:

Methodik im Beweglichkeitstraining. Unter Methodik ist die Frage versteckt, wie denn Beweglichkeit trainiert werden soll. Dazu habe ich in der Einleitung schon klar Stellung bezogen. Mit Dehnen allein ist definitiv nichts auszurichten. Ohne spezielle Anforderungen in Alltag oder Sport ist die Beweglichkeit mit Krafttraining perfekt zu verbessern. Voraussetzungen sind, als kleine Wiederholung, die drei folgenden Faktoren:

So ist eine Grundbeweglichkeit oder allgemeine Beweglichkeit zu erlangen und zu erhalten. Mehr brauchen wohl 90 Prozent der Kundschaft im Fitnesscenter nicht. Dies als Minimum aber schon, um eben mit den Fingern bei gestreckten Beinen den Boden zu berühren. Wenn spezifische Anforderungen vorhanden sind, kann das Dehnen als ergänzende Maßnahme sinnvoll und notwendig sein. Dabei werden im Grundsatz aktive und passive Dehnmethoden unterschieden. Aktiv heißt in diesem Kontext, die Übungen werden ohne irgendwelche Hilfsmittel ausgeführt. Passiv heißt folglich, es werden Hilfsmittel eingesetzt. Das können Therabänder sein oder auch eine Person, die mir hilft, die Übungen auszuführen. Manche gehen gar so weit, dass auch die Schwerkraft zu diesen Hilfsmitteln gezählt wird. Da frage ich mich dann, wie man aktiv ohne die Schwerkraft dehnen soll? Oder es werden so tolle Begriffe wie „bewegt-statisches Dehnen“ proklamiert – wie das funktionieren soll, weiß ich nicht. Oder es werden Pflichtbereiche definiert, losgelöst von der vorhergehenden Belastung. Fakt ist: Dehnen ja – und sinnvoll und notwendig mit den erforderlichen Techniken und Übungen. Konsequenzen für die Praxis. Die Zeit, welche für das Dehnen eingesetzt wird, kann getrost anderweitig genutzt werden. Dehnen zum Aufwärmen ist definitiv die falsche Wahl, außer Sie sind Kunstturner auf höchstem Niveau oder in ähnlichen Sportarten unterwegs. Dehnen als Verletzungsprävention oder gar Dehnen zur Vorbeugung von Muskelkater kann getrost in die Sparte der Märchen verschoben werden. In beiden Fällen ist es sogar so, dass die negativen Effekte verstärkt werden

Dehnen dort, wo sinnvoll und notwendig. Dafür stehe ich ein. Die dazu geforderte Qualität in der Ausführung soll gewährleistet sein. Das bedeutet, dass die Übungen gelernt und regelmäßig in ihrer Qualität überprüft werden müssen

18 Faszien faszinieren. Was Sie nachher mehr wissen. In diesem Kapitel erfahren Sie, was es mit den Faszien auf sich hat. Was sind Faszien, ihre Funktion und wie lassen sie sich trainieren. Faszien sorgen für Spannung. Faszien und das Training derselben sind derzeit in aller Leute Mund. Zu Recht, wie ich meine. Rolfing (nach Ida Rolf, 1896–1979) aus dem alternativmedizinischen Bereich setzt schon viele Jahre auf die Faszien. Vielen Menschen konnte mit Rolfing geholfen werden, Beschwerden am aktiven Bewegungsapparat (siehe Kapitel 7) in den Griff zu bekommen. Nur – warum das so war, konnte nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden. Neuere Forschungen, dank ebenso neuen bildgebenden Verfahren, zeigen die Wichtigkeit der Faszien auf. Faszien oder synonym auch Bindegewebe, spielen eine enorme Rolle, wenn es um Beweglichkeit und Leistung geht. Bewegungsprogramme verschiedener Ausrichtungen haben das aufgenommen und bringen die Thematik in den Kursraum der Fitnesscenter. Doch auch im Leistungssport wird den Faszien eine große Aufmerksamkeit geschenkt. Die Kunststoffrollen, welche oft für das Faszientraining eingesetzt werden, sind allgegenwärtig

Die menschlichen Faszien. Faszien sind Alleskönner – etwas überspitzt, aber wohl nicht ganz von der Hand zu weisen. Sie geben dem Körper die Möglichkeit, Energie zu speichern, um diese dann katapultartig wieder abzugeben; bei Sprüngen beispielsweise ist dies sehr wichtig. Überdies sorgen die Faszien für Geschmeidigkeit und puffern Kräfte ab. Alltagsbewegungen können so mit mehr Elastizität ausgeführt werden. Die Faszien geben aber auch Spannkraft und Festigkeit. Sie verfügen über viele Rezeptoren und ein eigenes Kommunikationssystem. Sie halten die Muskeln nicht nur zusammen, sie verbinden sogar benachbarte Muskel untereinander. Definition. Faszien sind faseriges Bindegewebe, welches den ganzen Körper als dreidimensionales Netzwerk überzieht. Was sind Faszien? Faszien sind faserige (kollagenartige) Bindegewebe. Diese bestehen aus Wasser, Kollagen und Zucker-Eiweiß-Verbindungen. Sie durchdringen den ganzen Körper als dreidimensionales Netzwerk. Oft wird von „Anatomy Trains“ (Myers) gesprochen. In den Faszien sind unzählige Rezeptoren vorhanden, welche dem zentralen Nervensystem Rückmeldungen geben (beispielsweise Schmerzen, Gelenkspositionen/Haltung). Faszien verbinden Muskeln, Organe und Knochen, damit alles dortbleibt, wo es letztlich hingehört. Sie schützen Gelenke, halten die Spannung und sorgen so für mehr Körperspannung. Neben den schon erwähnten Bestandteilen einer Faszie (Wasser, Kollagen, Zucker-Eiweiß-Verbindungen) enthalten Faszien auch Elastin. Elastin ist ein Protein und für die Dehnfähigkeit der Faszien verantwortlich. Faszien haben großen Einfluss auf folgende Bereiche:

Der Bauplan der Faszien. Die Faszien verfügen über eine spektakuläre Architektur. Diese Architektur ergibt die Festigkeit und die oben beschriebenen Eigenschaften. Wasser und seine Bedeutung: Bei der Funktionalität der Faszien spielt das Wasser eine entscheidende Rolle. Einseitige, monotone Belastungen führen zu einer Dehydratation der Faszien, indem sie diese wie einen Schwamm „ausdrücken“. Damit ist die Elastizität der Faszien nicht mehr gewährleistet – und so auch die Belastungs- und Regenerationsfähigkeit. Mit einem Trainingsabschluss mit den Kunststoffrollen (myofasziale Massage, Übungsbeispiele siehe weiter unten) verbessern wir den Flüssigkeitsaustausch zwischen Blutgefäßen/Lymphen und Faszien und stellen so die volle Funktionalität des Bindegewebes wieder. her. Gitterarchitektur: Für die optimale Funktionalität der Faszien sind diese in einer „Gitterarchitektur“ mit zusätzlicher Wellenstruktur angelegt. Diese komplexe Struktur erlaubt eine maximale Reißfestigkeit und tiefe Verletzungsanfälligkeit, wird jedoch durch einseitige, falsche, ausbleibende oder zu umfangreiche Belastungen beeinträchtigt. All dies führt letztlich zum Verlust der Elastizität, das Gewebe „verfilzt“ Zusammenfassend kann festgehalten werden: Das myofasziale System umfasst Muskelfasern und Bindegewebe im Verbund. In den Faszien sind viele Nervenrezeptoren vorhanden, die das propriozeptive System mit Informationen beliefern. Gesunde Faszienstrukturen schützen die Gelenke, unterstützen die Muskulatur und sorgen für straffe Körperformen. Gesunde Faszien sind geschmeidig, elastisch, dehnbar, belastbar, gleitfähig und reißfest

A: Faszienarchitektur bei jungen Menschen oder Menschen, die sich viel bewegen. B: Faszienarchitektur bei Menschen, die sich nicht oder zu wenig bewegen. Funktionen der Faszien. Die Faszien nehmen unterschiedliche Funktionen und Aufgaben im Körper wahr. Kräfte übertragen: Die Muskulatur allein ist nicht fähig, Kraft auf die Knochen zu übertragen und so über die Gelenke Bewegung zu ermöglichen. Dafür benötigen wir zusätzlich das Bindegewebe und damit die Faszien. Die Kraft wird in der Muskulatur erzeugt und über die Sehnen auf die Knochen übertragen. Außerdem überträgt auch das faserige Bindegewebe Kräfte/Spannung. Kraft speichern (Katapulteffekt): Auf der einen Seite kann Spannung (Kraft pro Fläche) durch die Muskulatur aktiv generiert werden. Andererseits speichern Muskulatur und Bindegewebe Spannung, welche dann passiv (das heißt ohne zusätzlichen Energieaufwand, wie er beispielsweise bei der Muskelkontraktion notwendig ist) freigesetzt werden kann (wenn wir beispielsweise von einem Stuhl runterspringen und dann ohne Pause in der Gegenbewegung zum nächsten Sprung ansetzen). Dieser Effekt ist vergleichbar mit der Dehnung eines Gummibandes, welches beim Loslassen die gespeicherte Spannung „freisetzt“. Sehr gute Sprinter haben somit neben einer spezifisch ausgeprägten Muskulatur die Fähigkeit, vermehrt Energie in den Faszien zu speichern und freizusetzen. Je besser also das Bindegewebe einer Person trainiert ist, desto besser kann sie die passive Spannung in Bindegewebe und Muskulatur zur Fortbewegung einsetzen. Australische Kängurus schaffen Sprungweiten von über 10 Metern. Dies ist nur möglich, weil die Sehnen und Faszien des Kängurus vorgespannt werden und dann diese Energie im richtigen Moment abgeben. Dieser Effekt konnte mittlerweile auch beim Menschen nachgewiesen werden. Usain Bolt, der aktuelle Weltrekordhalter im 100-Meter-Sprint, schien in diesem Bereich über ganz außergewöhnliche Fähigkeiten zu verfügen, was einen Teil seiner Überlegenheit ausmachte. Er brachte die Energie, wie das Känguru, besser auf die Bahn, wie Forscher in Marburg berechnet haben. Ort der Wahrnehmung: Muskel- und Gelenkrezeptoren sind für die Rückmeldungen zu unseren Sinnesorganen verantwortlich (Schmerzen, Positionen/Winkel). Sie leiten die Informationen an das Nervensystem (siehe Kapitel 8) weiter und dieses übernimmt dann die entsprechenden Antworten. Faszien sind ebenso in die Wahrnehmung von Muskelspannung oder Gelenkpositionen involviert – viel mehr als bisher angenommen. Das Fasziensystem im Körper dient letztlich weit über den einzelnen Muskel hinaus als Wahrnehmungsorgan des Körpers. Bei federnden Bewegungen verlängern sich die Faszien deutlich, ähnlich einer elastischen Feder

Australisches Känguru als Beispiel für den Katapulteffekt. Faszientraining ist ein Vierklang. Faszien können spezifisch trainiert werden. Das Training der Faszien lässt sich in vier Bereiche aufteilen: Rebound Elasticity: Nutzung der Faszien für eine hohe Leistung, indem die Energie gespeichert und in Form des „Katapulteffektes“ freigesetzt werden kann. Die elastischen Faszien unterstützen so die Muskelfasern – die aktive muskuläre Beteiligung ist bei gleicher externer Leistung entsprechend kleiner. Fascial Stretch: Dynamisches Dehnen über lange Ketten. Die Dehnung kann schnell oder langsam ausgeführt werden. Bei der schnellen Ausführung wird weich und elastisch geschwungen oder hineingewippt. Bei der langsamen Ausführung werden die langen myofaszialen Ketten in verschiedenen Winkeln und Dimensionen. gedehnt. Sensory Refinement: Hier stehen das Verfeinern der Bewegungsqualität und die Körperwahrnehmung im Vordergrund. Fascial Release und Hydration: Dies ist der Teil, welcher mit gezieltem, langsamem Rollen über die verschiedenen Muskelgruppen im Endeffekt zu einer flexiblen, elastischen Faserstruktur im Bindegewebe führt. Dabei können schmerzhafte Stellen auftreten, welche sehr gezielt „ausgerollt“ werden. Die Kunststoffrolle löst Verklebungen und Verdickungen und verbessert so das Körpergefühl. Umsetzung in der Praxis. Die Richtlinien zur praktischen Umsetzung beinhalten einerseits konkrete Angaben in Bezug auf die Übungsausführung und andererseits eine vordefinierte Übungsauswahl mit verschiedenen Übungen in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden für die verschiedenen Körperregionen. Die Richtlinien sind einfach gehalten. Grundsätze bei der Arbeit mit Kunststoffrollen

Beispielübung mit einer Black Roll (Herstellerbezeichnung, wird oft als Synonym für alle Arten von Rollen benutzt) Konsequenzen für die Praxis. Faszien wollen gefordert werden. Dehnen im klassischen Sinn, das haben wir schon gesehen, macht selten Sinn, um die Beweglichkeit zu verbessern. Ein differenziertes, kluges Training der Faszien sehr wohl. Wobei ein Faszientraining sehr viel mehr ist als bloß mit der Rolle zu arbeiten. Diese führt zu einer elastischen Faserstruktur des Bindegewebes. In Kombination mit einem dreidimensionalen dynamischen Dehnen ergibt dies einen sehr hohen Effekt. Die Körperwahrnehmung hilft mit, die Bewegungsqualität zu verbessern und zu guter Letzt helfen Sprünge aller Art, die Sehnen und Bänder flexibel zu halten

Faszien spielen beim Thema Muskelkater eine viel größere Rolle als bisher angenommen. Studien von Gibson und Lau lassen vermuten, dass der Schmerz beim Muskelkater aus den Faszien kommt. Durch das Injizieren von Kochsalzlösung und der entsprechenden Schmerzantwort dazu konnte dies festgestellt werden. Einen direkten Einfluss auf das Training hat es im Moment noch nicht, die Faszienforscher werden uns in naher Zukunft sicher tiefere Erkenntnisse mit Praxis-Relevanz liefern

19 Energie aus verschiedenen Tanks. Was Sie nachher mehr wissen. In diesem Kapitel erfahren Sie, welchen Energietank Sie zu welchen Aktivitäten nutzen und warum Laktat in diesem Zusammenhang ein harmloses Substrat ist. Energie hat diverse Quellen am Ursprung. Energiebereitstellung ist ein sehr komplexes Thema aus der Biochemie. Versuchen wir, das Wichtigste auf die Reihe zu bringen – und zwar so, dass es verständlich ist. Versuchen Sie daher zunächst einmal, sich den Energielieferanten unseres Körpers als eine Tankstelle mit verschiedenen Zapfsäulen vorzustellen. Nun stelle ich Ihnen zwei Quizfragen:

Theoretisch deshalb, weil diese Situation so nie vorkommt. Das heißt, alle Stoffwechsellagen sind immer aktiv, die Frage ist nur, welche Zapfsäule wie viel an Energie bringt. Und welche Zapfsäule vorwiegend angezapft wird, hängt von zwei Dingen ab: Der Intensität und der Zeitdauer der körperlichen Anstrengung. Dies ist die erste wichtige Erkenntnis! Je nachdem was Sie vorhaben, sportlich gesehen, müssen Sie an der richtigen Zapfsäule vorfahren. Es stehen Ihnen grundsätzlich vier Zapfsäulen zur Verfügung, die entweder Phosphate, anaerober Glykolyse, aerober Glykolyse oder Fettoxidation anbieten. Sie nutzen, wie schon erwähnt, immer alle, allerdings in unterschiedlicher Gewichtung. Das heißt, Sie können zwar an der richtigen Zapfsäule vorfahren, müssen aber trotzdem alle vier Tanks im eigenen Wagen (Körper) gut gefüllt haben. Davon später im Detail mehr. Zwei Dinge will ich gleich hier schon klar ausführen. Zwei Dinge, die in den Fitnesscentern immer wieder und immer noch oft falsch erzählt werden. Erstens: Es gibt keinen Fettverbrennungspuls. Keinen. Und noch falscher ist, dass die Fettverbrennung erst nach 20 oder 30 Minuten aktiv sein soll. Diese antiquierte Sicht ist leider mancherorts noch immer aktuell. Außerdem sollte immer der Begriff Fettstoffwechsel verwendet werden. Wenn man den Begriff Fettverbrennung verwendet, ist das ungefähr so, wie von einem Beinbeuger zu sprechen. Aber das kennen Sie ja schon. Zweitens: Laktat ist keine gefährliche Substanz! Jawohl, daran ist noch niemand gestorben. Laktat ist ein Stoffwechselzwischenprodukt, das im einen Stoffwechselprozess entsteht und im anderen als Substrat wieder verstoffwechselt wird. Laktat macht im Übrigen auch nicht sauer, die Muskulatur (siehe Kapitel 7) meine ich, dafür sind Protonen, also positiv geladene Wasserstoffatome, verantwortlich. Das heißt, wegen dem Laktat muss kein Training abgebrochen werden und es beeinträchtigt auch die Erholung nicht. Die Halbwertszeit von Laktat beträgt rund 20 Minuten. Das heißt, alle 20 Minuten halbiert sich der Laktatspiegel im Blut. Egal, was Sie dabei tun. Letztlich geht es beim Energiestoffwechsel um genau eine Sache: Den ganzen Tag genügend Adenosintriphosphat (ATP) herzustellen. Weil nur diese eine Substanz Muskelkontraktionen ermöglicht. Fehlt dieses ATP, versinken Sie in die Totenstarre. Die Antworten auf die beiden Fragen zu Beginn bin ich noch schuldig: Im Glukosestoffwechsel schaffen sie lediglich rund 20 Kilometer, im Fettstoffwechsel sind es rund 800 bis 1.000 Kilometer! Welcher ist limitierend? Und zu guter Letzt: Den Proteinstoffwechsel klammere ich bewusst aus. Dieser kommt nur in außergewöhnlichen Situationen zum Tragen. Situationen, welchen wir im Fitnesscenter und beim üblichen Training nicht begegnen. Bei Expeditionen beispielsweise im Himalaya-Gebirge spielt der Proteinstoffwechsel eine große Rolle, weil aufgrund der Höhenlage und der speziellen klimatischen Bedingungen zu wenig Energie zugeführt wird. Der Körper greift dann auf die Muskulatur zurück, baut sich quasi selbst ab, und dank der sogenannten Glukoneogenese kann er aus Muskelprotein (Aminosäuren) die notwendige Glukose herstellen

Wortwolke zum Thema Energie (Metabolismus) – so komplex wie das Thema. Energieträger kommen vom Tisch. Die Energieträger zur Bereitstellung der Energie haben Sie täglich auf dem Tisch: Es sind die bestens bekannten Kohlenhydrate, Fette und Proteine. Diese verfügen über sogenannte Brennwerte. Das heißt: Wie viele Kilokalorien Energie bringt ein Gramm des entsprechenden Grundnährstoffes:

Die Grundnährstoffe (siehe Kapitel 21) werden über die Verdauung in die Einzelteile aufgespalten. Auf unterschiedlichen Wegen und in unterschiedlichen zeitlichen Abläufen. Das soll uns hier nicht weiter interessieren. Irgendwann ist es dann soweit: Acetyl-Coenzym A (aktivierte Essigsäure) in den Mitochondrien ist das Resultat. Davon später mehr. Die aktivierte Essigsäure ist das erste Stoffwechselzwischenprodukt, bei dem ich nicht mehr unterscheiden kann, ob Kohlenhydrate, Fette oder Proteine der Grundnährstoff waren, den ich verzehrt habe. Möglichkeiten der Energiebereitstellung. Es stehen grundsätzlich drei Möglichkeiten offen, wie der benötigte Treibstoff, das ATP, für muskuläre Aktivitäten bereitgestellt werden kann. Entweder mit Hilfe von energiereichen Phosphaten, mit Sauerstoff, aerob in diesem Fall, oder ohne Sauerstoff, anaerob in diesem Fall. Die aerobe Energiebereitstellung mit Hilfe von Sauerstoff kann auf zwei Energieträger zurückgreifen: Kohlenhydrate und Fette. Diese können ökonomisch genutzt werden, um mit Hilfe des Sauerstoffes ATP zu generieren. Fette können nur mit Hilfe von Sauerstoff verstoffwechselt (oxidiert) werden. Dieser aerobe Stoffwechsel findet in den Zellen, genauer den Mitochondrien, statt – den Kraftwerken der Zelle. Kohlenhydrate dagegen können auch ohne Sauerstoff verstoffwechselt werden – also anaerob. Dieser anaerobe Stoffwechsel findet im Zellplasma statt. Dabei spielen die Brenztraubensäure und ihre Salze, die Pyruvate, eine große Rolle. Dieser Stoffwechsel ist schneller als der aerobe, kann aber nicht lange aufrechterhalten werden. Im Bereich des anaeroben Stoffwechsels sind auch die energiereichen Phosphate angesiedelt, dies sind das schon bekannte ATP und das Kreatinphosphat (KrP). Davon haben wir wenig auf Vorrat, für wenige Sekunden nur. Diese benötigen überhaupt keinen Sauerstoff. Eine klare Trennlinie zwischen anaerob und aerob gibt es nicht, es ist ein fließender Übergang. Deshalb ist es sinnvoll, von einem Übergangsbereich zu sprechen. Und noch etwas: Ob anaerob oder aerob die Energie bereitgestellt wird, ist vom Tempo der Herstellung abhängig – nicht zwingend vom Sauerstoffgehalt! Zusammenfassend die drei Energiesysteme:

Was den Energietopf beeinflusst. Wie viel Energie benötigt wird, hängt im Wesentlichen von vier Faktoren ab:

Die Intensität entscheidet, welche Zapfsäule überwiegend zur Bereitstellung des ATPs verwendet wird. Es ist ein großer Unterschied, ob ich einen 100-Meter-Sprint im Stadion laufe oder einen Marathon, der ja schließlich auch 422 Mal so lang ist! Damit ist auch die Zeitdauer bereits angesprochen: Ob 10 Sekunden für 100 Meter oder 2 Stunden und einige Minuten für den Marathon (Spitzenniveau) spielt natürlich eine Rolle. Die beiden Faktoren Intensität und Zeitdauer sind direkt voneinander abhängig: je höher die Intensität, je kürzer die mögliche Zeitdauer der Belastung. Jedes Kilogramm mehr an Körpergewicht bringt einen höheren Energieverbrauch. Das erklärt, warum die Ausdauerathletinnen und -athleten keine Schwergewichte sind. Für die gleiche Leistung (Asterix und Obelix) benötigt eine schwerere Person auch mehr Energie. Zu guter Letzt ist auch der Stoffwechsel ein Kriterium. Jeder von uns hat einen individuellen Stoffwechsel. Das ist der Grund, warum die angezeigten Werte für den Kalorienverbrauch auf den Ausdauergeräten nur Annäherungswerte sein können. Versuche haben gezeigt, dass es Personen gibt, für welche die Anzeige passt, aber auch solche Menschen, für welche der effektive Verbrauch entweder viel höher oder viel niedriger war als die angezeigten Werte

Tabellarische Übersicht zum Energieverbrauch in Abhängigkeit zum Körpergewicht und zur Intensität. Beispielhaft und in Ausschnitten von zwei Sportarten in Kurzform. Alle Werte beziehen sich auf die Anzahl Kilokalorien pro Minute. (2001 by William D. McArdle et al.) Der Lebensstoff ATP – ohne ihn sind wir tot. Das Adenosintriphosphat (ATP) ist eine chemische Verbindung, welche aus dem Nukleinsäurebaustein Adenosin und drei Phosphaten besteht, deshalb auch der Namensbestandteil Triphosphat. Durch das Abspalten einer Phosphatgruppe wird die nötige Energie frei, um eine Muskelkontraktion auszuführen. Diese findet, bestens bekannt, im Sarkomer (siehe Kapitel 7) statt, indem die Myosinköpfe sich kurz lösen und sich wieder einklinken. Weil ein Phosphat dabei abgespalten wird, bleibt nur noch ein Adenosindiphosphat (ADP) übrig. Ein Phosphat ist ja verloren gegangen, „di“ bedeutet „zwei“ Damit diese Abspaltung auch wirklich ausgeführt wird, benötigen wir ein Enzym, das ATP-ase genannt wird. Dieses findet sich, logischerweise, im Myosinkopf. Enzyme sind Eiweißverbindungen, welche im Stoffwechsel, aber nicht nur da, eine zentrale Rolle spielen. ATP ist, wie schon erwähnt, die einzige Substanz, welche eine Muskelkontraktion auslösen kann, wobei es für das Lösen der Myosinköpfchen zuständig ist. Es ist sofort verfügbar, reicht aber nur für kurze Zeit. Dafür ist die sogenannte Energieflussrate sehr hoch, das heißt, pro Sekunde kann sehr viel Energie (ATP) freigesetzt werden. Ganz anders der Fettstoffwechsel, der eine sehr geringe Energieflussrate aufweist, also nur wenig Energie (ATP) pro Sekunde herstellen kann

Chemische Struktur des ATP: Ribose und Adenin bilden das Adenosin und es sind drei Phosphatteile angedockt. Energiequellen im Detail. Nun müssen wir noch erläutern, was es mit den vier Zapfsäulen an der Tankstelle auf sich hat, ohne dass wir eine biochemische Vorlesung abhalten. Die Reihenfolge der Zapfsäulen entspricht der Reihenfolge im Prozess der Energiebereitstellung. Die vier Tanks sind wie folgt beschriftet:

Das allein tönt schon mehr als Spanisch. Doch nun der Reihe nach. Wir beginnen mit dem Start zu einem 100-Meter-Lauf und enden beim Marathon

Verschiedene Zapfsäulen als Symbol der Energiebereitstellung. An der Tankstelle wählen Sie selbst bewusst den richtigen Treibstoff aus, im Energiestoffwechsel ist dies ein unwillkürlicher Prozess. Energiereiche Phosphate. Volle Hütte im Leichtathletikstadion – Totenstille zum Start des 100-Meter-Laufs. Der Starter hebt die Startpistole: auf die Plätze – fertig – los! Der Läufer schnellt aus dem Startblock, richtet sich auf, beschleunigt seinen ganzen Körper nach vorne, erreicht bei gut 70 Metern seine höchste Geschwindigkeit und läuft in 9,99 Sekunden ins Ziel. Tosender Applaus. Er atmet heftig, lächelt aber ins Publikum. Während des Laufes müsste er nicht einmal atmen. Aus Sicht der Energiebereitstellung wäre ein Atmen während dieser rund 10 Sekunden nicht notwendig. Dank der energiereichen Phosphate ATP und Kreatinphosphat (KrP) kann er die nötige Energie sofort bereitstellen, also direkt in der Muskulatur, sogar direkt im Sarkomer. Dafür benötigt er überhaupt keinen Sauerstoff, weshalb er energetisch anaerob-alaktazid unterwegs ist. Das heißt, ohne Bildung von Laktat. Perfekt für kurze Leistungen (siehe Kapitel 2) mit höchster Intensität – aber nur für gut 10 Sekunden

Anaerobe Glykolyse. Der Sieger des 100-Meter-Laufs dreht eine Ehrenrunde. Eine sehr spezielle Ehrenrunde. Da sich eben die 400-Meter-Läufer bereit machen und wegen Verletzung Bahn sechs frei bleibt, nutzt er die Gunst der Stunde und schmuggelt sich in dieses Rennen – auf Bahn sechs! 400 Meter, glauben Sie mir, sind kein Vergnügen. Für den Läufer auf Bahn sechs passiert jetzt Folgendes: Er startet wie gewohnt aus der Startmaschine, läuft die erste Kurve ganz locker mit, diese Distanz kennt er ja bestens, jetzt einfach als Kurve. Die Gegengerade absolviert er immer noch ganz locker, raumgreifende Schritte bringen ihn zur 200-Meter-Marke. Jetzt die zweite Kurve, die Oberschenkel beginnen zu schmerzen, aber es ist noch erträglich. Jetzt das Einbiegen auf die Zielgerade – noch 100 Meter – das kennt er ja ebenfalls. Die Schmerzen werden stärker, die Arme fallen fast ab und bei 350 Metern sieht er Sterne – und weiß im Anschluss nicht, wie er die letzten 50 Meter ins Ziel geschafft hat. Was passiert aus energetischer Sicht? Der Start ist identisch mit dem 100-Meter-Lauf. Da jetzt aber eben nicht bei 100 Metern Schluss ist, benötigt die Muskulatur weiter viel Energie, viel ATP. Da die Intensität sehr hoch ist – 400 Meter werden weit unter 60 Sekunden gelaufen – geht das nur ohne Hilfe von Sauerstoff direkt in der Zelle, genauer im Zellplasma. Aus der Brenztraubensäure beziehungsweise ihren Salzen, den Pyruvaten, wird dann direkt das nötige ATP hergestellt. Damit kommt der Läufer über die Bahnrunde, würde sogar noch 200 Meter schaffen, da dieser Tank für rund 90 Sekunden Energie generieren kann. Der Nachteil ist die Entstehung von Milchsäure. Sie besteht aus einem Laktatrest und einem Proton. Wenn die Milchsäure entsteht, wird sie augenblicklich in diese beiden Stoffe aufgespalten. Das Laktat ist basisch, die Protonen sind sauer. Das Laktat wird dann mittels eines Taxis, des Monocarboxylattransporters (MCT), an einen Ort im Körper transportiert, wo aktuell keine große Muskelaktivität herrscht – und dort wird das Laktat verstoffwechselt, oxidiert, um genau zu sein. Das Herz bezieht gut 60 Prozent seiner Energie aus Laktat. Was passiert genau? Das entstandene Laktat wird mit Hilfe der MCT in die langsamen Fasern des gleichen Muskels oder über die Blutbahn in einen anderen Muskel transportiert. Dort wird das Laktat dann verstoffwechselt (oxidiert) Laktat wird beim Laktatstufentest gemessen – wofür? Als Trainingssteuerung ist er nicht wirklich geeignet. Die entscheidende Frage ist nämlich nicht, wie hoch der Laktatwert ist, sondern wie der Körper mit diesem umgeht. Oder anders gesagt: Wie viele Taxis der Marke MCT stehen zur Verfügung? Das ist das wirklich Interessante. Auslaufen oder Ausfahren mit niedriger Intensität nach einer anaeroben Belastung soll die Erholung begünstigen. Soll ist das entscheidende Wort. Die Halbwertszeit von Laktat beträgt rund 20 Minuten. Das heißt, dass sich die Laktatkonzentration alle 20 Minuten um die Hälfte reduziert. Egal, was wir tun. Aus dieser Perspektive können wir folglich auf das Auslaufen und Ausfahren verzichten. Aber nur aus dieser Perspektive. Es gibt gute Gründe, dies trotzdem zu tun!

Aerobe Glykolyse. Das Gefühl am Ende des 400-Meter-Laufes will unser Athlet nicht noch einmal erleben und entscheidet sich, im Alter auf etwas längere Distanzen zu wechseln. Etwa 90 Minuten scheinen eine gute Länge zu sein. In diesem Bereich sind Breitensportler mit einer Intensität von rund 85 Prozent der maximalen Herzfrequenz unterwegs. Gespräche sind bei diesem Tempo gut möglich. Unser Athlet nimmt also an einem 10-Kilometer-Lauf teil und das passt ganz gut. Jetzt hat er genügend Sauerstoff zur Verfügung und die Intensität ist nicht zu hoch, um einen großen Teil seines Energiebedarfs mit Hilfe von eben diesem Sauerstoff zu generieren. Dies geschieht in der Zelle, genauer in den Kraftwerken in der Zelle, den Mitochondrien. Die Kohlenhydrate sind soweit aufgespalten, dass in den Mitochondrien das Acetyl-Coenzym A (aktivierte Essigsäure) entsteht. Daraus wird im sogenannten Citratzyklus genügend ATP hergestellt, um diese 10 Kilometer ohne größere Schwierigkeiten zu bewältigen – aus energetischer Sicht. Das bei der Herstellung entstehende Wasser und Kohlendioxid (CO2) wird über die Atmungskette entsorgt

Fettoxidation. Nachdem unser Athlet diese 10 Kilometer problemlos absolviert hat, wagt er sich gar an eine mehrstündige Belastung, einen Marathon nämlich. Die Herstellung des dafür nötigen ATPs findet analog zur aeroben Glykolyse in den Mitochondrien statt. Es wird einfach die Hauptzutat gewechselt, nämlich von Glukose zu Fettsäuren. Diese werden mit Hilfe des L-Carnitins durch die Mitochondrienmembran (Außenhaut der Mitochondrien) geschleust und dort zu Acetyl-Coenzym A, inzwischen bestens bekannt als Stoffwechselzwischenprodukt, umgebaut. Das funktioniert über viele Stunden und hunderte von Kilometern – einfach im gemächlichen Tempo

Energiequellen unterschieden nach Intensität und zeitlicher Dauer. Konsequenzen für die Praxis. Was hilft uns dies alles in der Praxis? Den Fettstoffwechsel zu trainieren ist sehr einfach. Einfach in dem Sinne, dass wir mit rund 75 Prozent der maximalen Herzfrequenz unterwegs sind, was sehr einfach und locker ist. Viele Trainierende sind mit zu hoher Herzfrequenz unterwegs, wenn es um ein gesundheitlich orientiertes Training geht. Die Angst vor dem Laktat ist von gestern. Laktat entsteht während der anaeroben Glykolyse als Zwischenprodukt und wird im anderen Stoffwechsel, der aeroben Glykolyse und im Fettstoffwechsel, als Substrat genutzt. Die Halbwertszeit von Laktat beträgt rund 20 Minuten. Laktat wird nicht schneller abgebaut, wenn wir uns dazu leicht bewegen

Die vier Zapfsäulen sind im Grundsatz immer an der Energiebereitstellung beteiligt. Es gibt nicht nur diesen oder jenen Treibstoff, es ist immer eine Kombination. Außer beim 100-Meter-Lauf – die energiereichen Phosphate sind auf keine Hilfe angewiesen. Bei allen anderen sportlichen Aktivitäten sind immer alle Zapfsäulen involviert – je nach Intensität mehr oder weniger

20 Testing für perfekte Trainingspläne. Was Sie nachher mehr wissen. In diesem Kapitel erfahren Sie, warum Testing nicht so einfach ist, welche Gütekriterien dabei wichtig sind und was in der Praxis sinnvoll ist. Nicht alle Trainerinnen und Trainer sind sattelfest in Leistungsdiagnostik. Im Bereich Testing ereignet sich täglich Erstaunliches. Gemessen werden kann vieles – ob es sinnvoll ist, ist eine andere Frage. Es gibt ein treffendes Zitat, welches ich leider nicht zuweisen kann, es von Leo Held aber zum ersten Mal gehört habe: „Wer viel misst, misst viel Mist.“ Das kann ich mit ruhigem Gewissen unterschreiben und ergänze noch: Oft mit sehr wenig fachlichen Kenntnissen und noch weniger Erfahrung im entsprechenden Fachbereich. Oder wie lässt es sich erklären, dass es Trainerinnen und Trainer in Fitnesscentern gibt, die pro Monat vielleicht einen Laktatstufentest durchführen? Das geht gar nicht – je höher die Fallzahlen, umso besser die Qualität. Das kennen wir aus der Medizin. „Wer viel misst, misst viel Mist.“ unbekannter Autor, gehört bei Leo Held. Einen Test technisch korrekt durchzuführen ist keine Meisterleistung, sondern klassisches Handwerk. Das lässt sich lernen. Damit ist aber der kleinste Teil eines Testings erledigt und der letztlich am wenigsten wichtige. Die wirkliche Arbeit beginnt erst jetzt. Die Auswertung und Interpretation erfordert viel Erfahrung und eben diese hohen Fallzahlen, welche weiter oben erwähnt sind. Wo will denn die Erfahrung sonst herkommen? Hier liegt der Hund begraben, wie es so schön heißt. Eine korrekte Auswertung und Interpretation ist das Wesentliche. Daraus werden anschließend die individuellen Trainingspläne abgeleitet. Eine komplexe Geschichte. Was will ich testen und warum? Diese Fragen werden in den wenigsten Fällen zu Beginn klar beantwortet. Man macht mal und schaut dann. Ja, meine Güte, wofür bezahlt die Kundschaft genau? Weiß jede Trainerin, jeder Trainer, was er testet und warum? Ob er das Richtige testet und nicht einfach nur richtig testet? Und hat das Ganze dann auch noch eine Relevanz für das Training? Oder testen wir, um medizinische Daten zu haben, beispielsweise Blutdruck? Fragen über Fragen. Was sind sportmotorische Tests? Der Versuch einer Definition: Sportmotorische Tests sind Bewegungsaufgaben, aufgrund derer auf den Grad der zugrunde liegenden motorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten geschlossen werden kann. Sie sollen empirisch abgesichert sein und zu einer quantitativen Aussage führen. Sie müssen zwingend den Gütekriterien für Leistungstests entsprechen. Die spannende Frage dabei: Kann aus dem Test tatsächlich auf den Ausprägungsgrad der Fähigkeiten und Fertigkeiten geschlossen werden? Zwei grundlegende Fragen stellen sich bei der Konzeption von Leistungstests: Lässt das Resultat eines Tests eindeutig auf die gesuchten Fähigkeiten und Fertigkeiten schließen? Und die zweite Frage: Wenn die Fähigkeiten und Fertigkeiten mit verschiedenen Tests eruiert werden – welcher ist dann der richtige? Es gibt gute Gründe, sportmotorische Tests durchzuführen, hier einige davon:

Gütekriterien von sportmotorischen Tests. Damit Resultate vergleichbar sind, müssen die sportmotorischen Tests allgemein gültigen Gütekriterien entsprechen. Diese sind zwingend einzuhalten, sonst nützt das ganze Testing herzlich wenig. Es sind die folgenden drei Gütekriterien: Objektivität, Reliabilität und Validität. Zusätzlich gibt es noch die Nebengütekriterien wie Ökonomie, Relevanz, Normiertheit, Einfachheit, zeitlicher Aufwand

Die Objektivität eines Tests ist die völlige Unabhängigkeit des Untersuchers. Das heißt im Klartext: Egal, wer den Test durchführt, das Resultat muss immer dasselbe sein. Hier spielen die schon erwähnten Fallzahlen mit hinein. Die Durchführung muss so klar geregelt sein, dass es keine Diskussionen gibt. Dasselbe gilt für die Auswertung und die Interpretation. Nehmen wir als Beispiel die Testübung Liegestütz. Es ist ein Schwachsinn zu testen, wie viele Wiederholungen in einer Minute geschafft werden, mit nur dieser einen Anweisung „Mache so viele Liegestütze wie möglich“. Das Testergebnis wird immer unterschiedlich sein, je nach Ausführung. Und das darf nicht sein

Die Reliabilität eines Tests ist der Grad der Genauigkeit oder Zuverlässigkeit der Messung. Es können beispielsweise Ungenauigkeiten in der Messung oder in der Bedienung der Messgeräte entstehen. Kommen wir auf das Beispiel der Liegestütze zurück. Wir müssen genau definieren, wie diese auszusehen haben. Eine kleine, nicht abschließende, Auswahl an Kriterien:

Das Tempo kann beispielsweise über ein Metronom gemessen und die Höhe mit einer klaren Abgrenzung mittels Stab oder Seil festgelegt werden. Alle aufgeführten Fragen sind klar zu definieren und in einem Protokoll für alle festzuhalten. Alle Tests sind dann mit genau diesem Protokoll auszuführen

Die Validität eines Tests gibt an, ob genau das gemessen wird, was der Test vorgibt zu messen. Um bei unserem Beispiel der Liegestütze zu bleiben: Ich will die Rumpfkraft messen. Ist der Liegestütz das korrekte Instrument dafür? Sie sehen, Testing tönt einfach, ist in der Praxis aber recht aufwendig. Nicht zwingend was die Kosten betrifft, aber bezüglich Planung und Durchführung. Damit ich am Ende wirklich die Resultate erhalte, mit denen ich in der Praxis konkrete Handlungsempfehlungen ableiten kann. Was in der Praxis den Trainerinnen und Trainern hilft. Zielerreichung – das wollen die trainierende Kundschaft im Fitnesscenter und die Trainerinnen und Trainer. Diese Zielerreichung ist mit nur 7 Prozent in der Fitnessbranche aber tief, unfassbar tief! Damit die Zielerreichung mit den Trainingsplänen korrespondiert, ist es notwendig, einige Daten der Kundschaft zu kennen, eine saubere Analyse vom Ist-Zustand. Ich beziehe mich in diesem Teil explizit auf die Fitnessbranche, weil wir im Leistungssport von anderen Voraussetzungen ausgehen. Dieser Analyseteil kann den Unterschied ausmachen vom erfolgreichen Einzelstudio zu den Kettenbetrieben. Die Stichworte dazu sind perfekte Betreuung, perfekte Kundenbindung und perfekte Zielerreichung. Los geht’s! Als minimalen Standard einer Ist-Analyse im Fitnesscenter sehe ich drei Bereiche:

Als gute Ergänzung, vor allem in Fitnesscentern mit funktionellem Training (Crossfit, Bootcamp, Functional Training und andere) ist das Functional Movement Screening (FMS) zu nennen. Beim FMS wird mit 7 Übungen die Beweglichkeit und Stabilität getestet. Pro Übung werden 3 Punkte vergeben, maximal also 21 Punkte. Wer 14 Punkte und mehr erreicht, ist gut vorbereitet für das funktionelle Training, für ein Training generell. Der Ursprung des Functional Movement Screening liegt in den USA bei Gray Cook und Lee Burton, welche nach Verletzungsmustern bei College Athleten suchten. Der standardisierte Test ist einfach in der Handhabung und in weniger als 15 Minuten erhält man eine Übersicht der wichtigsten Bewegungsmuster. Stoffwechsel- und Leistungsanalyse mit DYNOSTICS. Die deutsche Firma DYNOSTICS hat es geschafft, den Goldstandard im Testing, die Spiroergometrie, für ein breites Publikum nutzbar zu machen. Nutzbar aus Sicht der Kosten, der Genauigkeit und der Praxistauglichkeit. Ein kompaktes System, welches alle nötigen Parameter liefert, um sinnvolle und individuelle Trainingspläne im Ausdauerbereich zu erstellen. Toll sind die hinterlegten Trainingsempfehlungen für die Ausdauer, welche die Trainerin oder der Trainer für seine Kunden je nach definiertem Ziel abrufen kann. Aufgrund der individuellen Herzfrequenzdaten wird im Hintergrund ein strukturiertes Ausdauertraining erstellt. Eine große Hilfe für die Trainerinnen und Trainer. Mit der Leistungsanalyse zu den individuellen Herzfrequenzbereichen zeigt das Testing genau, in welchem Bereich am meisten Fette verbrannt werden, wo der Bereich für eine Leistungssteigerung liegt und wann der individuelle anaerobe Schwellenbereich überschritten wird. Die DYNOSTICS App liefert Trainerinnen und Trainern, wie oben schon erwähnt, maßgeschneiderte Programme für die Trainierenden. Bei der Leistungsanalyse werden mit Hilfe einer Maske während der Belastung die Sauerstoffaufnahme und das ausgeatmete Kohlendioxid gemessen. Daraus errechnet sich unter anderem der respiratorische Quotient (RQ), welcher Auskunft darüber gibt, in welchem Herzfrequenzbereich welche Energiequellen hauptsächlich genutzt werden. Am Ende des Tests steht die Leistung in Watt oder km/h und die maximale individuelle Herzfrequenz. Die Stoffwechselanalyse auf der anderen Seite ermittelt den individuellen Grundumsatz und liefert gleich noch den prozentualen Anteil an Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen der aktuellen Stoffwechselsituation. Die DYNOSTICS App liefert auch hier aufgrund der Messung Ernährungsempfehlungen, abgestimmt auf die Ziele (siehe Kapitel 9) der Kundschaft, welche in der App einfach definiert werden können. Pulsbereiche in der App-Darstellung von DYNOSTICS. Abbildung mit freundlicher Genehmigung von DYNOSTICS, www.dynostics.com

Der Autor durfte in dankenswerter Weise das System aktuell testen und im Rahmen der Stoffwechselanalyse wurde ein Wert von 1.883 kcal pro 24 Stunden als Grundumsatz errechnet. Diesem Wert begegnen Sie im nächsten Kapitel wieder. Stoffwechselsituation im Ist-Zustand in der App-Darstellung von DYNOSTICS. Abbildung mit freundlicher Genehmigung von DYNOSTICS, www.dynostics.com

Alles in allem ein hervorragendes Tool für die Mitarbeitenden im Fitnesscenter, um die Kunden individuell zu unterstützen und an das persönliche Ziel heranzuführen. Körperkomposition ist nicht gottgegeben. Die Körperzusammensetzung kann mit verschiedenen Systemen gemessen werden. Die bioelektrische Impendanzanalyse (BIA) ist eine gute Methode, was das Preis-/Leistungsverhältnis betrifft. Die Resultate sind für Trainerinnen und Trainer sehr wertvoll und aussagekräftig. Der Autor durfte eine Messung mit einem BIACORPUS RX 4000 von MEDICAL durchführen, um die aktuellen Daten zu haben, welche den Berechnungen in diesem Buch mitunter als Basis dienen. Dank der Resultate lassen sich die Trainingspläne individualisieren und zusammen mit den oben schon erwähnten Tests ist eine Ist-Analyse vom Kunden vorhanden, die als Ausgangslage genutzt wird, um die Ziele zu individualisieren

Datenblatt der Körperzusammensetzungsmessung des Autors. Die Auswertung liefert viele Daten, unter anderem den Körperfettanteil, die Muskelmasse oder den Phasenwinkel. Dieser wird nur von wenigen Systemen erfasst. Der Phasenwinkel ist ein physikalisches Maß und abhängig von der Zellgröße, der Zellmenge, dem Potential der Zellmembranen und der Energiebereitstellung durch die Mitochondrien. Der Phasenwinkel wird in Grad ausgedrückt und der Normwert liegt zwischen 5 und 9 Grad. Je höher der Wert, je besser der Zustand der Zellen. Konsequenzen für die Praxis. Was hilft uns dies alles in der Praxis? Ganz einfach, auf Basis von aktuellen Ist-Werten zur körperlichen Verfassung lassen sich individualisierte Ziele für die Kundschaft definieren. Und darauf aufbauend die ebenso individuellen und zielführenden Trainingspläne ableiten

Zielerreichung und Betreuung sind die zwei Punkte, welche für die Kundschaft im Fitnesscenter enorm wichtig sind. Mit einem Testing sind beide Punkte im Fitnesscenter wunderbar umzusetzen. Das Testing ist wohl die eleganteste Möglichkeit, dem Kunden zum Ziel zu verhelfen und damit langfristig an das Fitnesscenter zu binden

21 Ernährung macht vieles, aber nicht alles. Was Sie nachher mehr wissen. In diesem Kapitel erfahren Sie, wie die Ernährung funktioniert und was die Aufgaben der Makronährstoffe sind. Dazu lernen Sie die LOGI-Pyramide etwas genauer kennen, die uns eine gute Hilfe ist, und Sie erfahren von den kleinen Helferlein, den Supplementen, und warum diese in der Regel unnötig sind. Ernährung wird oft überbewertet. Zuerst eine Einordnung ins Ganze: Ernährung ist ein komplexes Thema, das mitunter aber auch überbewertet wird. Gesundheit ist nämlich so komplex, dass Ernährung nur ein kleines Puzzleteil vom Ganzen sein kann! Gesundheit ist von vielen Faktoren abhängig und viele Faktoren tragen zur Gesundheit bei. Nicht nur nicht krank sein ist wichtig, nein, auch das soziale Umfeld, die Life-Work-Balance, wie das Neudeutsch heute heißt, tragen wesentlich zur Gesundheit bei. Die kulinarischen Genüsse eben auch. Wie letztlich welcher Faktor mit welchem interagiert, wissen wir, wenn wir ehrlich sind, schlicht und einfach nicht. Am Ende des Tages stellt sich in Bezug auf die Ernährung nur eine Frage: Waren der Input und der Output im Gleichgewicht? Das heißt, wir haben so viele Kalorien verbraucht, wie wir aufgenommen haben. Das ist das große Geheimnis – seit jeher. Diäten wie Almas Superturbodiät oder die Ananas-weiß-nicht-was-für-eine-Diät sind schlicht unnötig! Jeder Buchhalter weiß: Stimmt die Bilanz auf den Rappen genau, ist er, der Buchhalter, gut gelaunt! Das sollte auch bei den Kalorien so sein. Vielleicht nicht jeden Tag, aber im Wochendurchschnitt schon. Die Energiebilanz ausgeglichen zu gestalten ist aus Sicht der gesunden Ernährung sinnvoll. Es gibt aber Situationen, welche es zulassen, die Bilanz mindestens zeitweise nicht auf Null zu stellen, beispielsweise wenn als Ziel eine Gewichtsreduktion definiert ist. Der Body Mass Index (BMI), Sie kennen diese Zahl, kann sehr irreführend sein. Da diese Zahl lediglich das Verhältnis zwischen Länge und Gewicht ausdrückt, ist sie aus gesundheitlicher Sicht nicht wirklich relevant. Ab einem BMI von 25 gilt man als übergewichtig, womit selbst der Autor mit einem BMI von 26,3 aus Sicht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) übergewichtig ist, wie folgendes Bild deutlich unterstreicht:

Der aus Sicht der WHO übergewichtige Autor. Noch Fragen zum BMI? Nicht die Hülle ist wichtig, sondern der Inhalt! Aus gesundheitlicher Perspektive ist der Inhalt das Verhältnis der Muskelmasse gegenüber der Fettmasse, was im Körperfettanteil ausgedrückt wird. Dies ist sehr viel aufschlussreicher als der BMI allein und relativiert damit einiges. An der Uni Salzburg wurden diese beiden Werte in eine sinnvolle Tabelle verpackt – die uns im Fitnesscenter viel mehr hilft als jeder BMI-Wert. Sie finden diese weiter hinten im Kapitel. Apropos Körperfettanteil: Da gibt es eine Vielzahl an Grafiken im Netz und in Büchern, die alle gleich aufgebaut sind und alle das Gleiche aussagen: Liebe Leute, werdet dick! Denn je älter ich werde, desto höher darf mein Körperfettanteil sein – mit ziemlich großen Differenzen. Das heißt im Falle des schon übergewichtigen Autors, dass er noch gute sechs Kilogramm zulegen könnte und immer noch im grünen Bereich läge. Der Laie wundert sich und der Fachmann staunt

Altersabhängige BMI-Klassifikation (nach DGE) Ein weiteres problematisches Thema sind die verschiedenen Ernährungspyramiden. Diese werden in der Regel von den Ländergesellschaften für Ernährungsfragen publiziert und alle Jahre leicht angepasst – man darf die gemachten Fehleinschätzungen ja nicht zu prominent bekannt machen. Da gefällt mir Udo Pollmer viel besser. Pollmer ist der wissenschaftliche Leiter des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften und Fachautor mit zahlreichen Veröffentlichungen. Er macht im Sinne der Lebensmittelpyramiden einen treffenden Vergleich: Stellen Sie sich vor, Sie stehen in der Herren- beziehungsweise Damenabteilung eines Schuhgeschäfts. Perfekt durchgestylte Einrichtung, wunderbares Farbkonzept und perfekte Lichtinszenierung. In der Mitte, auf einem stylischen Sockel, steht ein Paar Schuhe in einer Größe bereit. Das ist alles. Was wählen Sie? Sie werden jetzt zu Recht sagen: „Jeder Mensch hat andere Füße, andere Geschmäcker und andere Vorlieben.“ Super, da pflichte ich Ihnen bei! Nur – die Lebensmittelpyramide gilt in der Regel für viele Millionen Menschen, bei uns in der Schweiz für rund fünf bis sechs Millionen Menschen. Wie war das schon wieder mit den Füßen, Geschmäckern und Vorlieben? Jeder Mensch hat einen eigenen Stoffwechsel – weshalb um alles in der Welt sollen dann alle gleich essen? Und noch etwas Spannendes gibt es: Der Durchschnittsmensch im Jahre 2020 bewegt sich nur ungefähr 400 bis 800 Meter pro Tag, Tendenz ist die kleinere Zahl. Sie haben richtig gelesen, da ist kein Kommafehler oder so enthalten. 400 bis 800 Meter! Und dafür sollen rund 50 Prozent der gesamten Energiezufuhr aus Kohlenhydraten bestehen? Das verstehe, wer will – ich schon lange nicht mehr. Eine vernünftige Nährstoffverteilung in der heutigen Zeit der Bewegungsmuffel könnte so aussehen: 35 Prozent Kohlenhydrate, 25 Prozent Proteine und 40 Prozent Fett. Ob solche Empfehlungen sinnvoll sind, stelle ich in Frage. Individuelle Empfehlungen scheinen der bessere Weg, denken Sie nur an den obigen Vergleich mit den Schuhen nach Udo Pollmer – eine gute Basis ist es aber allemal. Nach dieser Einführung in Kürze fragt man sich: Was soll das? Gibt es überhaupt die gesunde Ernährung? Oder sollten wir nicht besser etwas individueller und differenzierter an die Sache heran gehen? Ernährungswissenschaftler Paolo Colombani hat es an einem Symposium auf den Punkt gebracht: „Es ist egal, was die Menschen essen, sofern sie sich genügend bewegen.“ Dieses provokative Resümee zieht er nach 20 Jahren Forschung in Ernährungsfragen. Hier noch die mathematische Auflösung für den BMI des Autors: Bei einer Länge von 1,67 Metern und einem Gewicht von 73 Kilogramm ergibt das einen BMI von 26,3. Das ist leichtes Übergewicht nach den bekannten BMI-Tabellen. Der Körperfettanteil liegt aktuell bei rund 17 Prozent – nicht schlecht für Baujahr 1962. In diesem Alter dürfte der Autor aber bis zu 23 Prozent Körperfett haben – daraus errechnen sich die rund sechs Kilogramm, die oben schon erwähnt sind. Soll und Haben im Gleichgewicht. Vom Autor war in diesem Kapitel schon die Rede. Er ist weder ein gutes noch ein schlechtes Beispiel – aber immerhin ein Beispiel, weshalb ich für diesen Abschnitt seine Zahlen verwende. Die Berechnungen sind Näherungswerte, welche schnell einen guten Überblick geben

Den Grundumsatz berechnen Sie näherungsweise wie folgt: Männer nehmen das eigene Körpergewicht und multiplizieren dieses mit 24. Das heißt am Beispiel des Autors: 73 x 24 = 1.752 kcal. Bei Frauen rechnet sich der Grundumsatz aus dem Körpergewicht multipliziert mit 21. Diese Formel ist einfach, schnell und klar. Sie erinnern sich aus dem Kapitel vorher: Gemäß Stoffwechselanalyse waren es 1.883 kcal. Der Grundumsatz ist diejenige Energiemenge, welche der Körper bei völliger Ruhe und während 24 Stunden zum Aufrechterhalten seiner vitalen Körperfunktionen benötigt. Er hängt von vielen Faktoren ab, beispielsweise vom Geschlecht, dem Alter, dem Gewicht, der Körpergröße oder der Muskelmasse. Dies besagt, dass jede Formel nur eine Annäherung an die effektiven, individuellen Werte sein kann und Fachpersonen aufgrund ihrer Erfahrungen die Werte entsprechend interpretieren. Eben diese Fachpersonen greifen sehr oft auf die „Harris-Benedict-Formel“ zur Berechnung des Grundumsatzes zurück. Auch diese Rechnung ist näherungsweise: Für Männer: Grundumsatz [kcal/24h] = 66,47 + (13,7 * Körpergewicht [kg]) + (5 * Körpergröße [cm]) – (6,8 * Alter [Jahre]) Beim Autor ergibt dies aktuell einen Wert von 1.514 kcal für den Grundumsatz. Sie sehen, drei Berechnungen, drei Resultate. Es obliegt den Fachpersonen, die korrekten und sinnvollen Interpretationen und Handlungsempfehlungen zu machen. Die Stoffwechselanalyse dürfte wohl der sicherste Wert sein, also die 1.883 kcal. Für Frauen: Grundumsatz [kcal/24h] = 655,1 + (9,6 * Körpergewicht [kg]) + (1,8 * Körpergröße [cm]) – (4,7 * Alter [Jahre])

Der Leistungs- oder Freizeitumsatz ist diejenige Energiemenge, welche der Körper innerhalb eines Tages benötigt, um seine Tätigkeiten zu verrichten. Als der Leistungsumsatz wird derjenige Energiebedarf verstanden, welcher über den Grundumsatz hinausgeht. Hier gilt es, ehrlich zu sein. Sie müssen Ihr PAL korrekt einschätzen. PAL steht für Physical Activity Level. Was kompliziert tönt, ist letztlich ganz einfach: Wie bewegt ist Ihr Alltag? Sie haben eine Auswahl von 1,2 bis 2,4. Vom Nichtstun bis zum Akkordarbeiter auf der Baustelle. Für die meisten dürfte ein PAL-Wert von 1,3 bis 1,5 wohl realistisch sein. Die Beschreibung dazu: PAL-Wert 1,3 bis 1,5 für eine überwiegend sitzende Tätigkeit mit wenig oder keinen Freizeitaktivitäten, beispielsweise Büroangestellte, Bildschirmarbeit, Feinmechaniker, Lehrer. Diesen PAL-Wert nehmen wir nun, im Beispiel also 1,4, und multiplizieren diesen mit dem Grundumsatz. Das heißt in unserem Beispiel: 1.752 x 1,4 = 2.453 kcal. Korrekterweise muss angefügt werden, dass in dieser Zahl die 1.752 kcal vom Grundumsatz mit enthalten sind. Der eigentliche zusätzliche Bedarf sind demnach nur 701 kcal

PAL-Werte im Überblick

An Tagen mit Training dürfen Sie noch diese zusätzlichen Kilokalorien dazu rechnen. Aber nur an den Tagen, an denen Sie auch wirklich trainieren! Der Autor war heute joggen, während 75 Minuten und einem Durchschnittstempo von 4 min 58 sec pro Kilometer. Das macht dann pro Minute 15 kcal, für das Training ergibt das ein Total von 1.125 kcal. Diese 15 kcal kommen aus der McArdle-Tabelle, welcher Sie in Abbildung 59 im Kapitel Energie bereits begegnet sind. Diese Tabelle listet viele Sportarten mit unterschiedlichen Intensitäten auf unter Berücksichtigung verschiedener Körpergewichte

Der Gesamtumsatz errechnet sich jetzt ganz einfach – Sie addieren lediglich den Leistungs- oder Freizeitumsatz und den Trainingsumsatz. So erhalten sie den Gesamtumsatz für diesen Tag! Soll heißen: 2.453 + 1.125 = 3.668 kcal. Der Gesamtumsatz beträgt in unserem Beispiel also 3.668 kcal für einen Tag inklusive Training. Zur besseren Verständlichkeit die Zahlen noch in einer besseren Übersicht: Grundumsatz (kg * 24) – 1.752 kcal. Leistungs- oder Freizeitumsatz – 2.453 kcal1) (Grundumsatz * 1,4) Trainingsumsatz – 1.125 kcal2) ------------- Gesamtumsatz (1 + 2) – 3.668 kcal ========

Nach der Einführung kann ich mich hier kurzhalten. Die Körperzusammensetzung ist individuell – eine Kombination aus BMI und Körperfettanteil gibt uns die Möglichkeit, mit wenig Aufwand eine gute Aussage gegenüber unseren Kunden zu machen. Nachfolgend die schon erwähnte Tabelle:

Kombination aus BMI und Körperfett für eine sinnvolle Gesamtaussage (Tanita Instruktorenhandbuch) So, jetzt ist der Autor beruhigt und auch „rehabilitiert“. Das Lesebeispiel zeigt: BMI leicht über 26 und ein guter Körperfettanteil deuten auf leichtes Übergewicht, bedingt durch eine große Muskelmasse. Aus gesundheitlicher Sicht ist alles im grünen Bereich. Merke: In Zukunft berechnen Sie nicht nur den BMI, sondern messen zwingend immer den Körperfettanteil, um eine sinnvolle Aussage machen zu können, mit der Sie als Trainerin oder Trainer im Fitnesscenter gut arbeiten und beraten können

Körperfett-Tabellen für Männer und Frauen. Pyramiden wie im alten Ägypten. Ernährungspyramiden gibt es fast wie Sand am Meer. Jedes Land hat eine leicht unterschiedliche Sicht der Dinge. Im deutschsprachigen Raum sind die Referenzwerte relativ ähnlich und mit den internationalen Standards gut im Einklang. Erinnern Sie sich einfach an Udo Pollmer – ja, der mit dem Bild des Schuhladens. Exemplarisch hier die LOGI-Ernährungspyramide nach Nicolai Worms. Warum gerade diese? Ganz einfach, weil hier die beiden Stufen Kohlenhydrate und Proteine vertauscht sind – das heißt, mehr Protein zu futtern, dafür weniger Kohlenhydrate. Das macht Sinn, wenn wir uns kurz die 400 bis 800 Meter vor Augen führen, die der durchschnittliche Mensch heute noch zu Fuß bewältigt. Am Tag, nicht in der Stunde! Das heißt, wenn wir uns an die Empfehlungen der Ländergesellschaften halten, mästen wir uns doch wie Schweine. Denn Kohlenhydrate locken das Masthormon Insulin, welches die Fetteinlagerung fördert und den Fettstoffwechsel hemmt

Die Original-LOGI-Pyramide nach Dr. Nicolai Worm, Stand 2009, publiziert in den Büchern zur LOGI-Methode bei systemed/www.systemed.de, Abdruck nur mit ausdrücklicher Genehmigung des systemed Verlages. Copyright: systemed Verlag nach Dr. Nicolai Worm/Heike Lemberger/Franca Mangiameli, © riva Verlag, 2020. Wie in derartigen Darstellungen üblich, sollte man von unten nach oben immer weniger von den entsprechenden Lebensmitteln essen. Was ja eigentlich schade ist, weil das Beste ja zuoberst steht – Süßigkeiten! Auf einen Nenner gebracht: Essen Sie genügend Pflanzliches in Form von Gemüse und Früchten, möglichst in verschiedenen Farben. Dazu essen Sie Proteine – und weil diese sättigend wirken, haben Sie nicht das Gefühl, Hunger zu haben. Kohlenhydrate sind dosiert einzusetzen – lassen Sie einfach schon mal die Unsitte weg, vor dem Essen schon Brot zu essen! Und zu guter Letzt verzichten Sie (fast) auf Süßigkeiten – essen Sie wenige, die aber mit Genuss und ohne schlechtes Gewissen. Wenn Sie jetzt noch genügend trinken, Wasser oder ungesüßten Tee am besten, passt es schon sehr gut! Ich wünsche guten Appetit! Makronährstoffe kommen vom Teller. Die Makronährstoffe handle ich im Schnellzugstempo ab, weil ich für Sie ja kein Ernährungsbuch schreibe. Kurz, klar und präzise

Kohlenhydrate sind der schnell verfügbare Brennstoff. Gespeichert werden die Kohlenhydrate in Form von Glykogen in der Muskulatur und in der Leber. Die wenigen kcal Glukose im Blut sind nicht der Rede wert. Damit ist gesagt, dass Glykogen für die Energiebereitstellung in Glukose umgewandelt werden muss. In der Leber sind 60–120 Gramm Glykogen gespeichert, in der Muskulatur (siehe Kapitel 7) 300–600 Gramm. Die erste Zahl jeweils für eine untrainierte Person, die zweite für eine gut trainierte Person im Bereich Ausdauer (siehe Kapitel 16). Warum ich das so schreibe? Ganz einfach: Weil im Breitensportbereich, beispielsweise für eine Marathonzeit von 4 Stunden, die Glykogenspeicher ausreichend gefüllt sind, ohne irgendwelche Kohlenhydratdiäten im Vorfeld. Die Pastaparty am Vorabend können Sie sich also sparen. Vorausgesetzt, die Ernährung im Vorfeld ist dem Trainingsaufwand und dem Wettkampfziel angepasst

Kohlenhydrate in Form von Teigwaren in verschiedenen Formen. Exkurs: Glykämischer Index vs. glykämische Last. LOGI steht für „Low Glycemic and Insulinemic Diet“. Was übersetzt werden kann als Ernährungsform zu langfristig tiefen Blutzucker- und Insulinwerten. Im Zentrum steht dabei die glykämische Last (GL) Der Glykämische Index (GI) sagt, wie schnell ein Lebensmittel den Blutzuckerspiegel beeinflusst – und damit die Insulinausschüttung provoziert. Je mehr Kohlenhydrate in einem Lebensmittel enthalten sind, je höher der GI, umso ausgeprägter also die Insulinausschüttung. Traubenzucker als Referenzwert hat den Wert 100. Lebensmittel mit niedrigem GI haben einen Wert bis 55, als mittlerer GI gelten Werte zwischen 56 bis 69, über 70 spricht man von einem hohen GI. Die glykämische Last ist ein viel besserer Wert, um die Insulinausschüttung zu zeigen. Die GL berücksichtigt den glykämischen Index und vor allem die Menge Kohlenhydrate pro verzehrte Portion. Je tiefer die GL, desto besser. Dabei haben GL von bis zu 10 einen geringen Einfluss auf den Blutzucker, eine mittlere Last von 11 bis 19 einen mittleren Einfluss auf den Blutzucker und Werte über 20 haben einen hohen Einfluss auf den Blutzuckerspiegel. Entscheidend ist folglich nicht der glykämische Index, sondern die glykämische Last. Es gibt Lebensmittel mit einem hohen GI wie die Wassermelone, welche dank weniger Kohlenhydrate aber eine kleine GL auslösen. Und umgekehrt hat Vollkornbrot einen tiefen GI, wegen den vielen Kohlenhydraten aber eine hohe GL

Die Proteine sind der Baustoff des Körpers und spielen in der Erholungsphase nach sportlichen Leistungen (siehe Kapitel 2) eine große Rolle. Sorgen Sie für eine genügend hohe Zufuhr von Proteinen regelmäßig über den Tag verteilt? Genügend heißt, dass pro Kilogramm Körpergewicht 1,5 bis 2,0 Gramm Proteine nötig sind. Etwas differenzierter betrachtet: Nichtsportlerinnen und -sportler benötigen rund 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht, Sporttreibende zwischen 1,3 und 2,0 Gramm pro Tag und Kilogramm Körpergewicht und bei einer angestrebten Gewichtsreduktion dürfen es zwischen 1,5 und 2,0 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht sein. Damit ist der Bedarf gut gedeckt – auch für Kraftsportler. Mehr ist schlicht nicht notwendig. Mehr Proteine bringen nicht mehr Muskelmasse! Da ist das Training entscheidend, bis zur muskulären Erschöpfung. Und da haben viele noch ganz viel Reserve – da nützen auch die Proteinshakes in der Garderobe nach dem Training nichts! Aber: Diese können sehr wohl sinnvoll eingesetzt werden. Wenn ich am Mittag trainiere, nehme ich oft einen Proteinshake, weil ich dann den Nachmittag problemlos überstehe, bevor ich am Abend dann ein gutes Essen genieße. Merken Sie sich aber eines: Wollen Sie Muskelmasse zulegen, trainieren Sie unter drei Bedingungen: hart, hart und hart. Nach jedem Training führen Sie, wenn die drei Bedingungen erfüllt sind, 20 Gramm Proteine zu. So ist eine perfekte Proteinsynthese im Muskel garantiert

Proteine in Form von Fisch, schön drapiert

Fette werden oft verdammt – dabei sind diese lebensnotwendig. Sie liefern die Energie (siehe Kapitel 19) für Langzeitbelastungen, wie eben einen Marathon in 4 Stunden. Aber, und das wird oft vergessen, sie bieten auch Schutz für die Organe. Der Anteil der Fette bei einem Marathonlauf im Breitensport dürfte im Bereich von 30 bis 40 Prozent liegen. Bei Langzeitbelastungen, wo die Kohlenhydratzufuhr während dem Wettkampf eingeschränkt ist, beispielsweise einem Ironman oder dem Race Across America, wird der Fettstoffwechsel eine größere Rolle spielen. Fett ist zudem Hauptbestandteil der Zellmembranen

Fette werden aus verschiedenen Quellen genutzt. Eine erste große Teilung sind die tierischen und pflanzlichen Fette. Sie enthalten wichtige Vitamine und Fettsäuren. Tierische Fette haben einen hohen Gehalt an Cholesterin und gesättigten Fettsäuren. Sie sind schwerer verdaulich als die pflanzlichen Fette. Weiter unterscheidet man gesättigte, einfach gesättigte und mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Gesättigte Fettsäuren finden sich vor allem in tierischen Lebensmitteln wie Butter oder Käse. Sie müssen nicht in großen Mengen aufgenommen werden, weil der Körper diese selbst herstellen kann. Im Gegensatz dazu müssen die mehrfach ungesättigten Fettsäuren mit der Nahrung zugeführt werden. Der Cholesterinspiegel kann durch eine hohe Aufnahme von mehrfach ungesättigten Fettsäuren gesenkt werden. Die mehrfach ungesättigten Fettsäuren werden in Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren unterteilt. Diese finden sich unter anderem in Olivenöl, Rapsöl, Haselnüssen oder Avocados

Fett und Öle, hier in Form von Olivenöl mit verschiedenen Oliven. Vitamine und Mineralstoffe. aus dem Inneren der Lebensmittel. Die Versorgung mit lebensnotwendigen Vitaminen und Mineralstoffen ist bei einer ausreichenden, gemischten Kost problemlos gewährleistet. Wenn diese zu alledem noch schön farbig daherkommt, kann schon fast nichts mehr passieren. Eine zusätzliche Verabreichung in Form von Nahrungsergänzungen bringt keine bessere Leistung. So viel mal vorweg. Warum werden dann trotzdem jedes Jahr Millionen Packungen Vitamin C oder Magnesium gekauft? Eine gute Frage – die Antwort ist wohl in der PR und Marketingmaschinerie der Pharmaindustrie zu suchen. Nicht, dass ich gegen diese Präparate bin – unter einer Voraussetzung: Es ist ein klares Defizit am entsprechenden Vitamin oder Mineralstoff nachgewiesen! Das lässt sich beispielsweise über ein Blutbild bestimmen – und somit vom Arzt. Wenn also bei einer Frau, was nicht selten vorkommt, ein sehr tiefer Ferritin- oder Eisengehalt diagnostiziert wird, ist das in aller Regel mit der Ernährung kaum zu beheben. Hier haben die zugeführten Präparate ihren Sinn. Im Falle des Eisens nicht vergessen, gleichzeitig Vitamin C einzunehmen, weil damit die Aufnahme des Eisens verbessert/optimiert wird. Exkurs: Magnesium. Magnesium spielt bei der chemischen Übertragung von Nervenimpulsen eine bedeutende Rolle. Bei der Thematik Krampf dagegen ist Magnesium praktisch nie das wesentliche Element. Hier spielen falsche Belastungen, Überbelastungen, negativer Wasserhaushalt und ein Mangel an Natrium und Kalium die entscheidende Rolle. Jetzt kommt oft die Frage: „Warum haben Fußballspieler oft Krampferscheinungen gegen Ende des Spiels?“ Vielleicht sind sie ungenügend trainiert, sicher ist der Wasser- und Salzhaushalt nicht mehr im Lot und ebenso sicher ist, dass meistens nur Spieler derjenigen Mannschaft Krämpfe haben, welche in Führung liegt. Noch Fragen? Wenn Sie schon das Gefühl haben, selbst etwas tun zu müssen, entscheiden Sie sich wenigstens für ein Kombipräparat, in welchem die Tagesdosen der Vitamine und Spurenelemente sauber aufeinander abgestimmt sind. Im Bereich der Vitamine und Mineralstoffe sind noch viele Fragen offen – vor allem die Frage der Interaktionen untereinander. Deshalb ist es sinnvoller, eine ganze Orange, also das Lebensmittel, zu verzehren und nicht die gleiche Menge an Vitaminen und Mineralstoffen separat, also nur die Inhaltsstoffe. Beim Lebensmittel wirken Interaktionen, die offenbar sehr wichtig, aber noch kaum erforscht sind. Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass die Mineralstoffe in die zwei Gruppen Spurenelemente und Mengenelemente aufgeteilt werden. Wasserhaushalt oder wenn 1.400 Liter Wasser durch das Hirn fliessen. Wasser ist Leben! Wasser ist Reaktionspartner bei vielen Stoffwechselprozessen und dient dabei als Lösungs- und Transportmittel. Zusätzlich bietet Wasser Schutz vor Überhitzung, dient also der Thermoregulation. Pro Tag rauschen rund 1.400 Liter Wasser durch das Gehirn und rund 2.000 Liter durch die Niere – beeindruckend. Hören Sie mal gut hin zwischen den Ohren – mit etwas Glück hören Sie es rauschen. Warum ist Wasser so wichtig? Eine Auswahl:

Ohne regelmäßiges Nachtanken sind alle Voraussetzungen für einen Leistungsabfall erfüllt. Rund 1,5 Liter pro Tag sollten es unter normalen Bedingungen in etwa sein. Schweißverlust oder hohe Temperaturen bedingen eine höhere Trinkmenge. Je nach Stoffwechsel kann das aber stark differieren. Bereits ein Wasserverlust von 2 Prozent des Körpergewichts kann die Ausdauer vermindern, bei 4 Prozent ist die Kraftleistung vermindert, bei 12 Prozent hören Sie auf zu schlucken, weshalb Sie bei 15–20 Prozent diese Welt verlassen – in der Horizontalen. Noch ein Wort zum Sport: Pro Stunde Sport sollten rund 0,8 Liter Flüssigkeit zugeführt werden. Bis zu einer Stunde Sport ist Wasser absolut ausreichend, wenn es deutlich über 90 Minuten geht sind handelsübliche Sportgetränke angesagt, welche über einen Kohlenhydratanteil von rund 10 Prozent verfügen. Die Sportgetränke allerdings hemmen während der Trainingseinheit den Fettstoffwechsel – es fragt sich deshalb, warum viele Trainierende im Fitnesscenter so viele farbige Getränke anstelle von Wasser zu sich nehmen und als Trainingsziel die Gewichtsreduktion angegeben haben? Supplemente sind nur in Ausnahmefällen sinnvoll. Supplemente sind ein kleiner, sehr kleiner Baustein in der Sporternährung. Es gibt nur wenige Supplemente, welche zum richtigen Zeitpunkt eingenommen das Training wirklich unterstützen. Im Umkehrschluss heißt dies, dass eine Vielzahl von Supplementen auf dem Markt angepriesen wird, die keinen nachgewiesenen Effekt auf die Leistung haben. Tatsächlich aber werden (finanzielle) Ressourcen eingesetzt, die anderweitig wohl sinnvoller eingesetzt wären. „Was bringen die kleinen Helferchen wirklich – vom harmlosen Multivitaminsaft über Hormone bis zum Gorillasaft im Kraftsport?“ Peter Regli. Solide Basisernährung als Ausgangslage. Die Basis bildet in jedem Fall eine Ernährung, welche sich nach den Grundsätzen der Ernährungspyramide richtet. In der Praxis zeigt sich, dass dies schon schwierig genug zu sein scheint. Die Menge und die Zusammensetzung der Lebensmittel lassen oft stark zu wünschen übrig. Dabei sind diese Empfehlungen auch für Sportlerinnen und Sportler korrekt. Je nach Sportart und Bedarf werden die Empfehlungen aber individuell angepasst. Schon recht schnell kommt in der Fitnessbranche, aber nicht nur dort, die Frage nach Sporternährung auf. Was ist Sporternährung und wer benötigt sie? Hier finden sich unterschiedliche Angaben. Auf jeden Fall klar ist: Wer nicht pro Tag mindestens eine Stunde trainiert, muss über Sporternährung keinerlei Gedanken verlieren. Wer also dreimal die Woche im Fitnesscenter trainiert, kann Sporternährung im engeren Sinn und Supplemente vergessen. Das richtige Timing der Proteinzufuhr bei leistungsorientierten Trainierenden kann aber je nach Sichtweise sehr wohl als Sporternährung bezeichnet werden. Was sind Supplemente? Eine einheitliche Definition gibt es nicht. Im Umfeld von Sport und Fitness versteht man darunter Produkte, die als Nahrungsergänzungsmittel bezeichnet werden und in verschiedenen Darreichungsformen auf dem Markt sind. Beispiele sind Sportgetränke, Kohlenhydratgels oder Energieriegel. Energielieferanten also, welche Training und Wettkampf unterstützen können. Dann gibt es eben noch die Supplemente, welche nicht als Energielieferanten nutzbar sind. Darunter fallen etwa Vitamine oder Mineralstoffe, welche die Leistung bei Mangelerscheinungen positiv unterstützen können. Weitere leistungssteigernde Supplemente sind Koffein oder Kreatin, welche in gewissen Sportarten und Situationen ebenfalls sinnvoll eingesetzt werden können. Die Unterscheidung und Abgrenzung ist nicht immer einfach. Ein gekauftes Sportgetränk geht in den meisten Fällen als Supplement durch. Das zu Hause selbst produzierte Sportgetränk dagegen wird wohl einfach als Tee bezeichnet. Wobei diese den gekauften Produkten in nichts nachstehen. Wissen Sie jetzt mehr? Ein Versuch zur Klärung. Alles, was die Basisernährung abdeckt, muss nicht zusätzlich zugeführt werden. Tun wir es doch, soll oder muss von einem Supplement gesprochen werden. Nur ist die Notwendigkeit dafür in der Regel nicht gegeben – es gibt nur ganz wenige Supplemente, welche so gut untersucht sind, dass ein Einfluss auf die Leistung nachweislich erfolgt. Eines dieser wenigen sinnvollen Supplemente sind die in der Fitnessbranche so beliebten Proteinshakes. Kein Mensch, der Muskelaufbau betreibt und sich an die Regeln der Basisernährung hält, und damit auch genügend Kalorien zuführt, benötigt einen Proteinshake. Denn wenn die Praxis eines zeigt – einem Proteinmangel bin ich noch nie begegnet. Aber – es ist ein Millionengeschäft. Warum also nach einem Krafttraining (siehe Kapitel 12) noch vor dem Duschen einen Proteinshake einnehmen; wie oft zu beobachten? Es genügt vollauf, innerhalb von maximal 2 Stunden bei einem durchschnittlichen Körpergewicht von 70 Kilogramm die Zufuhr von 20 Gramm Protein zu gewährleisten! Und das ist mit der üblichen Ernährung und den üblichen Nahrungsmitteln problemlos möglich. Ein Proteinshake ist in gewissen Situationen durchaus eine gute Lösung. Wenn ich persönlich über den Mittag trainiere, nehme ich einen solchen, weil der Körper schnell das erhält, wonach er nach dem Training lechzt. Den Nachmittag überstehe ich dank dem Sättigungsgefühl der Proteine locker – damit ich am Abend zu Hause eine bedarfsgerechte Mahlzeit einnehmen kann. So eingesetzt, ist dem Einsatz von Proteinshakes nichts entgegen zu halten. Chancen und Risiken von Supplementen. Supplemente dienen also in erster Linie als Ergänzung einer guten Basisernährung, sofern nicht ein Defizit irgendwelcher Art nachgewiesen ist. Einige Supplemente können, richtig dosiert und eingenommen, die Leistung direkt beeinflussen. Zum falschen Zeitpunkt verzehrt oder in einer ungünstigen Dosierung kann auch das Gegenteil eintreffen. Nutzen und Risiko sind genau abzuwägen. Vor jedem Einsatz sind folgende Fragen genau und ehrlich zu klären:

Beim letzten Punkt meine ich nicht die pseudowissenschaftlichen Anpreisungen der Industrie oder die erfahrungswissenschaftlichen Kommentare von aktiven Benutzern! Gegen einen Einsatz von Supplementen sprechen unter anderem:

Ein weiterer Punkt, der zum Denken anregen soll: Im Training kann in aller Regel noch sehr viel optimiert werden – da fallen die 0,5 bis 1 Prozent im Bereich der Supplemente schlicht nicht ins Gewicht. Gibt es gute Supplemente im Sport? Ja klar, die gibt es. Aber erwarten Sie jetzt nicht eine Auflistung von geheimsten Wunderpülverchen. Und stellen Sie trotzdem die oben gestellten Fragen vor dem Einsatz!

Klassifizierung der Supplemente. Der Markt an Sportnahrungsmitteln und Supplementen ist enorm. Es gibt Produkte, wie oben erwähnt, die machen durchaus Sinn für einen Einsatz im Sport. Bei vielen Produkten liegen der Nutzen und das Versprechen dazu doch sehr weit auseinander oder sind wissenschaftlich nicht belegt. Die folgende Klassifizierung, wie wir sie in der „Swiss Sports Nutrition Society“ (www.ssns.ch) verwenden, gibt einen Überblick über die Supplemente. Sie entstand aufgrund einer umfassenden Sichtung geeigneter wissenschaftlicher Studien. Klassifikation A: Einsatz im Sport durch gute Evidenz gestützt. Einige Beispiele: Sportgetränke, Riegel, Gels, Eisen, Kalzium, Vitamin D, Beta-Alanin, Bicarbonat, Koffein oder Kreatin. Klassifikation B: Noch nicht ausreichend erforscht. Der Einsatz bedarf spezifischer, individualisierter Protokolle, beispielsweise Carnitin. Klassifikation C: Kein oder kaum ein Nutzen im Sport. Der Einsatz im Sport wird nicht empfohlen. Es ist zwar eine riesige Anzahl von Supplementen erhältlich. Verständlich, dass viele Menschen glauben, ohne Supplemente gäbe es keinen Trainingserfolg. In die Kategorie C fallen quasi alle Supplemente, welche nicht in den Kategorien A, B oder D auftauchen. Klassifikation D: Verbotene Substanzen. Hier ist die gesamte Dopingliste zu erwähnen. Die genaue Aufstellung und die entsprechenden Listen dazu finden Sie auf www.ssns.ch/sportsnutrition/supplemente/supplementguide. Ich kann nur empfehlen, bei Unklarheiten auf diese Website zu gehen – es dürfen auch entsprechende Fragen deponiert werden. Erstaunliches von der Front. Es ist manchmal schon sehr amüsant, wie über Supplemente gesprochen wird, und welcher Aufwand betrieben wird, um diesen Bereich zu optimieren; bei gleichzeitigem Abbau der hinteren rechten Gesäßtasche. Wenn ich sehe, wie diese Sportlerinnen und Sportler trainieren, bleiben viele Fragen offen. Beispielsweise, ob je jemand die Trainingsparameter prüft und individuell korrekt festlegt. Oder ob so grundlegende Dinge wie Trainingsprinzipien und deren Umsetzung in der Planung und Steuerung des Trainings vor lauter Supplementen schlicht keinen Platz mehr im Kopf haben. Und zu guter Letzt sehe ich eine Bewegungsqualität, die näher am Unfall als am Trainingsnutzen ist. Denken Sie bitte an Folgendes: Es lohnt sich in jedem Fall, zuerst das eigene Training zu optimieren – in allen Belangen. Dazu gehört auch, die Erholungszeiten optimal zu terminieren. Dürfen Sie folglich mit ruhigem Gewissen sagen, dass im Bereich Durchführung, Planung und Steuerung des persönlichen Trainings alles perfekt ist, können Sie noch überlegen, ob Supplemente von Nutzen sein könnten. Aber nur dann! Hilfe für die Front. Eine große Hilfe können die folgenden zwölf Fragen sein. Diese klären sehr schnell, wo bei Supplementen Vorsicht geboten ist. Die Fragen stammen aus Williams, M. H., Anderson, D., Rawson, E. (2012), Nutrition for Health Fitness and Sport. Roseville (CA): McGraw Hill. Muss mindestens eine der folgenden Fragen mit Ja beantwortet werden, ist bereits Vorsicht geboten

Konsequenzen für die Praxis. Das Thema Ernährung ist und bleibt kontrovers. Ein Grund: Ernährungsstudien bringen uns nicht diejenigen Informationen, welche wichtig und nützlich sind. Warum das so ist? Ernährungsstudien sind immer nur statistische Ableitungen, stellen also Korrelationen dar. Eine Kausalität kann aus ethischen Gründen nicht hergestellt werden im Rahmen von Studien, sonst würde man den Tod von Studienteilnehmenden in Kauf nehmen. Aber: Sauber durchgeführte Interventionsstudien haben durchaus das Zeug dazu, uns zu neuem Wissen zu verhelfen. Bleiben Sie entspannt, richten Sie sich nach den Empfehlungen im Buch und Sie sind in Bezug auf das Thema Ernährung sehr gut unterwegs. Es ist nämlich nicht ganz einfach, sich nur schon an diese Vorgaben zu halten. Tun Sie es und Sie sind ernährungstechnisch gut aufgestellt

Entspannen Sie sich. Wegen der Ernährung ist noch niemand Weltmeister geworden. Vielleicht einmal nicht, das ist möglich. Das Training entscheidet letztlich über Erfolg oder Misserfolg. Die Reserven orte ich im Training, nicht bei der Ernährung. Die richtige Ernährung unterstützt die Trainierenden optimal für das Training und die Erholung danach und fördert so langfristig die positive Leistungsentwicklung

22 Was Lebensstil mit Kompetenz. und Stil zu tun hat

Ich bedanke mich bei Anne Noack. als Gastautorin dieses Kapitels. Anne Noack, 1987 geboren, studierte Fitnesstraining sowie Prävention und Gesundheitsmanagement. Sie lebt in Luzern und arbeitet als Fitnessberaterin, Personal-Trainerin und als Dozentin. Was Sie nachher mehr wissen. In diesem Kapitel erfahren Sie, wie Bewegung, Ernährung und Entspannung Ihren Lebensstil direkt beeinflussen. Dazu wie Schlaf und Stress sich gegenseitig beeinflussen und wie Sie die richtige Balance finden. Lebensstil ist hausgemacht. Unsere Lebenserwartung wird von vier Faktoren maßgeblich beeinflusst: der sozialen und physischen Umwelt, der Gesundheitsversorgung, die uns zur Verfügung steht, von biologischen Faktoren – und von unserem Verhalten. Der Lebensstil nimmt in dieser Aufstellung einen Anteil von 50 Prozent ein. 50 Prozent unserer Gesundheit sind davon abhängig, ob wir wissen, was einen gesunden Lebensstil ausmacht, und ob wir dieses Wissen auch anwenden. Dabei verstehen wir unter Lebensstil nicht Wohnstil, Kleidung oder Hobbys, sondern alle Verhaltensweisen, die für die Gesundheit relevant sind, beispielsweise Bewegung, Ernährung, Schlafverhalten, der Umgang mit Genuss- und Suchtmitteln oder mit Stress. Nachfolgend sollen diese Themen in den drei Kategorien Bewegung, Ernährung und Entspannung zusammengefasst werden. Die Gesundheit ist der wichtigste Einflussfaktor auf unsere Lebenszufriedenheit. Heute wird sie vor allem und immer früher durch Zivilisationskrankheiten beeinträchtigt, verursacht durch unseren Lebensstil. Herzkreislauferkrankungen sind in den Industrieländern Todesursache Nummer eins. Bei einer aufgrund des medizinischen Fortschritts weiter ansteigenden Lebenserwartung und bei gleichzeitig immer früher auftretenden Zivilisationskrankheiten heißt das: Wir leben zwar immer länger, sind davon jedoch immer länger krank. Indem Sie Ihr Wissen über positive und negative Auswirkungen auf die Gesundheit weitergeben, können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dem Fitnesscenter dazu beitragen, Gesundheitskompetenz aufzubauen. Komplex wird die Lebensstilberatung unter anderem durch vielfältige Einflussfaktoren (persönliche Bedingungen, soziales Umfeld, Umwelteinflüsse) und den sich entwickelnden Wissensstand. Neben dem Fachwissen erfordert die Beratung eine hohe Sozialkompetenz, um sensible Themen anzusprechen, sowie möglicherweise andere Methoden als sie in der Fitnessberatung angewendet werden. Offen bleibt daher die Frage, inwiefern sich Fitnesscenter im Bereich der Lebensstilberatung etablieren wollen (Stichwort Kosten-Nutzen-Verhältnis) und auch können (personelle, finanzielle, räumliche Ressourcen) Bewegung. Der Nutzen körperlicher Aktivität für die Gesundheit ist eindrücklich belegt – und dennoch: Nur ein Drittel der Bevölkerung ist regelmäßig sportlich aktiv, ein weiteres Drittel hingegen selten bis nie. Bewegungsmangel ist ein ausschlaggebender Risikofaktor für die Entstehung von Herzkreislauferkrankungen. Verstärkt wird er durch Übergewicht, welches durch fehlende Aktivität begünstigt wird. Regelmäßige Bewegung hingegen kann zu einer ausgeglichenen Energiebilanz beitragen, sowie Blutdruck und Blutfettwerte senken. Sie erhöht die Insulinsensibilität der Zellen und dient damit der Prävention oder Behandlung von Diabetes mellitus Typ II. Verschiedene Bewegungsformen können die Knochendichte erhöhen und Rückenschmerzen lindern. Bewegung wirkt stimmungsaufhellend und angstlösend und dient damit neben der körperlichen auch der psychischen Gesundheit. Diese Aufzählung ist nicht vollständig, zeigt jedoch bereits eindrücklich die Notwendigkeit regelmäßiger Bewegung für die Gesundheit. Welche Bewegungsdosis ist notwendig, um diese Wirkungen zu erzielen? Die Mindestempfehlung umfasst täglich (mindestens jedoch fünfmal pro Woche) 30 Minuten Bewegung bei mittlerer Intensität. Diese ist beispielsweise durch eine beschleunigte Atmung gekennzeichnet und wird schon beim zügigen Gehen erreicht. Bewegungsempfehlung für Erwachsene, Schweizer Bundesamt für Sport. BASPO, Netzwerk Gesundheit und Bewegung, www.hepa.ch

Zusätzlich zur Mindestempfehlung können weitergehende Effekte durch ein gezieltes Kraft- und Beweglichkeitstraining zweimal wöchentlich sowie durch Ausdauertrainingseinheiten (dreimal 20–60 Minuten pro Woche) erreicht werden (Optimalempfehlung). Jede Steigerung der körperlichen Aktivität führt zu einer (weiteren) Zunahme des gesundheitlichen Nutzens. Der Effekt ist dabei in der Stufe der Überwindung von Inaktivität am höchsten, an der Grenze zum Leistungssport flacht die Zunahme ab. Zu empfehlen ist bei allen Aktivitäten eine abwechslungsreiche Zusammenstellung des „Bewegungsmenüs“

Dosis-Wirkungs-Kurve für Erwachsene, Schweizer Bundesamt für Sport BASPO, Netzwerk Gesundheit und Bewegung, www.hepa.ch. Wünschenswert wäre im Alltag der Fitnesscenter nun Folgendes: Die Kundinnen und Kunden kommen mit dem Fahrrad oder zu Fuß. Sie sind ausgeruht und haben sich mit einer gesunden Mahlzeit optimal auf das Training vorbereitet, welches sie konzentriert absolvieren. Die Kraftübungen werden erschöpfend ausgeführt, das Ausdauertraining anhand der Herzfrequenz gesteuert. Nach dem Training werden Maßnahmen zur Förderung der Regeneration ergriffen. In der Praxis sieht dies nicht immer so aus. Zwar haben sich die Kundinnen und Kunden mit ihrer Anmeldung im Fitnesscenter bereits für mehr Bewegung entschieden – aber auch für einen aktiven Lebensstil? Dies gilt es im Gespräch herauszufinden. Welche Erfahrungen und Erwartungen werden mitgebracht? Bestehen medizinische Kontraindikationen? Wie steht es um Risikofaktoren wie Rauchen oder Stress? Wird die empfohlene Mindestdosis an Bewegung außerhalb des Fitnesscenters bereits erreicht? Abhängig von den Antworten sollte ein individuell angepasstes (und nicht zwingend das maximale) Trainingsprogramm zusammengestellt werden. Für ein gesundheitsorientiertes Fitnesstraining ist beispielsweise die Anzahl der wöchentlichen Trainingseinheiten zunächst klar wichtiger als deren Umfang und Intensität. Die persönlichen Lebensumstände spielen für die Trainingsgestaltung also eine entscheidende Rolle. Zwei Fragen zur Veranschaulichung: Ist es angemessen, ein hochintensives Intervalltraining von einer Person zu fordern, die bisher völlig inaktiv war, oder welche sich durch private und berufliche Belastungen bereits ständig an ihrer Leistungsgrenze befindet? Sind 5 Trainingseinheiten pro Woche (entspricht der Optimalempfehlung, wenn Kraft- und Ausdauertraining nicht kombiniert werden) für eine berufstätige Mutter oder für jemanden, der bisher weniger als einmal pro Woche Sport gemacht hat, umsetzbar und sinnvoll? Anders als im Leistungssport, bei welchem Belastungs- und Erholungszeiten den Wochenrhythmus bestimmen, unterliegen die meisten Fitnesskundinnen und -kunden vielfältigen familiären und beruflichen Anforderungen, welche zeitliche Grenzen für das Training setzen. Umso wichtiger wird die Motivation zu mehr Alltagsbewegung! Ernährung. Die Ernährung ist ein ebenso wichtiger Gesundheitsfaktor wie die Bewegung. Über gesunde Ernährung ist viel zu lesen, wenig davon wird tatsächlich umgesetzt. Es stellt sich die Frage, wie fundiert das Ernährungswissen der Kundinnen und Kunden im Fitnesscenter tatsächlich ist. Verschiedene Erkrankungen werden durch Fehlernährung verursacht oder begünstigt. Dazu gehören Diabetes mellitus Typ II, Karies, Arteriosklerose oder Gicht, aber auch durch Übergewicht bedingte Gelenk- oder Herzkreislauferkrankungen. In der Kritik stehen hauptsächlich Zucker und Süßspeisen, ungesunde oder zu viele Fette, fehlende Ballaststoffe, Vitamin- und Mineralstoffmangel oder eine zu geringe Flüssigkeitszufuhr. Auch die gesundheitlichen Auswirkungen von Milchprodukten oder rotem Fleisch werden derzeit kritisch diskutiert. Über Nährstoffe und die Bewertung des Körpergewichtes war bereits im Kapitel Ernährung zu lesen. Für die Gesundheit ist zum einen ein normales Körpergewicht wichtig, zum anderen die richtige Zufuhr von Makro- und Mikronährstoffen. Eine ausgewogene Ernährung (siehe Kapitel 21) kommt nicht ohne Kohlenhydrate und Fette aus. Wertvoll sind Nahrungsmittel mit hohem Sättigungsgrad und geringer Energiedichte wie Obst und Gemüse, Eiweißlieferanten sowie ungesättigte Fette (beispielsweise Olivenöl, Nüsse, Lachs) In den Themenbereich der Ernährung fällt auch der Umgang mit Genussmitteln. Dies sind Esswaren und Getränke, welche nicht direkt der Ernährung dienen. Bei verschiedenen Genussmitteln kann der regelmäßige Konsum zur Suchtabhängigkeit führen. Das beliebteste Genussmittel ist zweifellos Kaffee. Er macht wach, steigert die Stimmung und die Leistung. Hauptwirkstoff ist das Koffein, welches auch durch Tee, Cola und andere koffeinhaltige Getränke oder in Form von Tabletten aufgenommen werden kann. Bei erhöhter Dosierung, vor allem in Kombination mit Stress, kann Koffein unerwünschte körperliche (beispielsweise Zittern, Herzrasen, Schlafstörungen) und psychische Reaktionen (beispielsweise Nervosität, Gereiztheit, Angstzustände) hervorrufen. Ebenfalls stark verbreitet ist der Verzehr von Alkohol, der nicht nur weitestgehend gesellschaftlich akzeptiert wird, sondern durch den Konsum in Gesellschaft auch einen Beitrag zur sozialen Gesundheit leisten kann. Speziell für einen maßvollen Rotweinkonsum ist auch ein körperlicher Gesundheitseffekt belegt. Dem gegenüber stehen eine hohe Suchtgefahr, alkoholbedingte Erkrankungen mit möglicher Todesfolge (insbesondere Krebs und Leberkrankheiten) sowie Verletzungen und Unfälle. Insgesamt ist für mehr als 60 Krankheiten ein Zusammenhang mit Alkohol belegt. Ähnliches gilt für Tabak, welcher heute primär als Suchtmittel betrachtet wird. In der Schweiz sind 14 Prozent der gesamten Todesfälle auf das Rauchen zurückzuführen. Die gesundheitlichen Risiken sind hoch, das Aufhören für viele Raucherinnen und Raucher ein Dauerthema. Erschwert wird dies durch das breite Angebot an Tabakwaren und die gute Verfügbarkeit. Nicht selten ist die Entscheidung zu mehr Bewegung auch mit dem Vorsatz, das Rauchen aufzuhören, verbunden. Obwohl sie einen entscheidenden Einfluss auf die Trainingsresultate hat, ist die Ernährung im Fitnesscenter in der Regel nur ein Randthema. Entsprechend beschränken sich Empfehlungen zur Ernährung oftmals auf den Eiweißshake nach dem Training oder andere Nahrungsergänzungsmittel. Einige Fitnesscenter bieten mit unterschiedlicher Qualität Ernährungsberatungen an. Hier ist fundiertes Wissen gefragt. Wer über dieses Wissen oder die Zeit für individuelle Beratungen nicht verfügt, sollte an Fachpersonen verweisen. Grundlegende Empfehlungen und die Weitergabe persönlicher Erfahrungen dürfen hingegen von jeder Fitnesstrainerin und jedem Fitnesstrainer erwartet werden, setzen jedoch das persönliche Interesse für eine gesunde Ernährung voraus. Einige Beispiele:

Entspannung. Wir sind flexibel, schnell, mobil, vernetzt. Wir leben globalisiert, ziehen keine klare Grenze mehr zwischen Arbeit und Freizeit, wir sind in der digitalen Welt zu Hause. Wir sind immer erreichbar. Entspannung? Vielleicht im nächsten Urlaub. So lassen sich Zukunftsstudien zusammenfassen – einiges trifft schon heute für viele zu. Wirtschaftliche, soziale und technische Entwicklungen beeinflussen unseren Alltag und führen zu veränderten Anforderungen. Dabei nehmen der Leistungsdruck und andere psychische Stressoren zu, die Gefahr der Überforderung wächst. Obwohl jeder Mensch täglich mit den verschiedensten Anforderungen in Ausbildung oder Beruf, im Privatleben, der Partnerschaft, der Familie oder der Freizeit konfrontiert ist, beantworten die Frage „Fühlen Sie sich gestresst?“ bei weitem nicht alle mit „Ja“ Ob eine äußere Anforderung, beispielsweise ein neuer Arbeitsbereich oder ein Konflikt mit dem Partner oder der Partnerin, zu einer Stressreaktion führt, hängt von der subjektiven Bewertung durch die betroffene Person ab. Diese Bewertung umfasst zuerst die Einschätzung der Situation: Ist sie irrelevant, angenehm-positiv oder stressbezogen? Als stressbezogen werden neben wahrgenommenen Bedrohungen sowie Schäden und Verlusten (jeweils verbunden mit negativen Gefühlen) auch Herausforderungen definiert, wenngleich diese mit positiven Emotionen verbunden sind. Anschließend werden die Bewältigungsmöglichkeiten (eigene Kompetenzen und Unterstützungsmöglichkeiten) abgeschätzt. Besteht ein Ungleichgewicht zwischen Anforderungen und den eigenen Fähigkeiten und Ressourcen, entsteht Stress

Transaktionales Stressmodell von Lazarus, eigene Darstellung nach Kaluza, Regli 2020. Stress ist immer mit einer körperlichen Aktivierung verbunden. Der Organismus bereitet sich innerhalb kürzester Zeit auf Kampf oder Flucht zur Abwehr der drohenden Gefahr vor. Zur körperlichen Stressreaktion gehören unter anderem eine bessere Durchblutung von Gehirn und Muskulatur, die Beschleunigung der Atmung, die Erhöhung der Muskelspannung, ein schnellerer Herzschlag und höherer Blutdruck sowie die Hemmung der Verdauungstätigkeit. Diese Aktivierung ist nicht an sich gesundheitsschädlich. Im Wechsel mit Phasen der Entspannung wird sie als angenehm, leistungssteigernd und motivierend erlebt. Wir sprechen hier von positivem Stress. Anders als zu Zeiten der Jäger und Sammler, als die Auseinandersetzungen mit Gefahren von kurzer Dauer waren, bestehen Stressoren heute oft dauerhaft oder immer wieder, sei es im beruflichen Alltag oder im sozialen Umfeld. Fehlt die benötigte Zeit für Erholung und Entspannung, bleibt der Organismus auf einem erhöhten Widerstandsniveau – nun mit nennenswerten gesundheitlichen Gefahren. Typische Auswirkungen sind Bluthochdruck, Verspannungen, Kopf- und Rückenschmerzen, Schlafstörungen, ein chronisch erhöhter Kortisolspiegel im Blut sowie ein geschwächtes Immunsystem. Körperliche oder psychische Erkrankungen können die Folge sein. Seelische Belastungen oder Stress haben aber auch einen negativen Einfluss auf den Verlauf von Krankheiten, deren Ursachen nicht zwingend im Stress liegen, beispielsweise Herzkreislauferkrankungen, chronisch-entzündliche Erkrankungen oder Immunerkrankungen. Bereits diese kurze Zusammenfassung zeigt auf, dass die Thematik sehr komplex ist. Ebenso vielfältig sind die Ansätze zur Stressbewältigung. Bleiben wir beim oben aufgezeigten Modell, kann die Stressbewältigung bei den Stressoren, der individuellen Bewertung oder der Stressreaktion ansetzen

Individuelles Stressmanagement, eigene Darstellung nach Kaluza, Regli 2020. Für eine Beratung im Bereich Stressmanagement sind, ebenso wie in den Bereichen Bewegung und Ernährung, ein umfangreiches Wissen und zusätzlich einige Lebenserfahrung notwendig. Hier stoßen Fitnesscenter heute an ihre Grenzen. Wenngleich die Themen Lebensstilberatung und Entspannung Einzug in die Ausbildung der Fitnesstrainerinnen und Fitnesstrainer halten, kann sich eine Beratung in diesem Bereich in der Regel nur auf das regenerative Stressmanagement beziehen. Dazu gehören unter anderem: Bewegung als Ausgleich, Ablenkung und Hobby, Entspannungsmöglichkeiten und -methoden, das Fitnesscenter als soziales Netzwerk. Themen der Beratung können aber auch die Schlafqualität oder der Umgang mit Lifestyle-Medikamenten sein. Über den Kaffee hinaus sind in den vergangenen Jahren Medikamente populär geworden, mit denen gesunde Menschen versuchen, ihre Leistung zu steigern. Besonders bekannt ist das vor allem bei Studenten beliebte Ritalin zur Konzentrationssteigerung, aber auch Medikamente zur Steigerung der Potenz, zur Gewichtsreduktion, gegen Haarverlust oder für Schönheitsbehandlungen gehören dazu. Zukunftsstudien sagen eine Festigung dieses Trends voraus, da die Anforderungen an den Einzelnen in den folgenden Jahren weiter steigen werden. Auch ein erhöhter Alkohol-, Koffein- oder Nikotinkonsum kann subjektiv als stressreduzierend wahrgenommen werden, verstärkt die körperlichen Reaktionen jedoch. Das Fitnesscenter bietet gesundheitsfördernde Alternativen zum Stressabbau. Bewegungsprogramme helfen, die durch Stress aktivierte Energie abzubauen. Sport führt zu einem besseren Körpergefühl und stärkt das Selbstwertgefühl. Die Endorphin-Ausschüttung steigert das Wohlbefinden, die Schlafqualität verbessert sich. Gleichzeitig wirkt Sport vielen negativen körperlichen Stressfolgen entgegen, indem er beispielsweise den Rücken kräftigt, den Blutdruck senkt oder das Immunsystem stärkt. Zu beachten ist seitens der Trainerinnen und Trainer die Dosierung der Belastung. Je nach Anforderungen des Trainierenden in Beruf und Alltag kann ein extensives Training zielführender sein als intensive Belastungen zur Leistungssteigerung. Eine ausgewogene Ernährung hält gesund und leistungsfähig. In stressigen Zeiten kommt diese jedoch oft zu kurz. Langsames und bewusstes Essen und die Konzentration auf das, was man isst, schaffen Auszeiten im Tagesverlauf. Auch verschiedene Lebensmittel sollen Stress entgegenwirken, zum Beispiel Magnesium gegen Erregungszustände (Bananen, Haferflocken, Erdnüsse), Zink für Nerven und Immunsystem (Kürbiskerne, Sesam) oder Nahrungsmittel, welche für einen hohen Serotoninspiegel sorgen (Proteine, schwarze Schokolade) Einzelne Fitnesscenter bieten Kurse wie Autogenes Training oder progressive Muskelentspannung an. Hier lernen die Teilnehmenden Entspannungsmethoden, welche sie auch im Alltag einsetzen können. Zudem kann Wellness dem Stressabbau dienen, da die Angebote das mentale Abschalten und die Ablenkung vom Alltag ermöglichen und der Stimmungsaufhellung dienen. Zu beachten ist, dass die Hitze in Sauna und Dampfbad alle körperlichen Stresssymptome auslöst. Soll der Saunaaufenthalt der körperlichen Entspannung dienen, ist auf ausreichende Ruhezeiten und Flüssigkeitszufuhr zu achten. Diesen Anforderungen entspricht der „schnelle Saunagang“ nach dem Training nicht! Die wichtigste Ruhezeit finden wir in der Nacht. Schlaf dient sowohl der körperlichen als auch der psychischen Regeneration. Nach einer erholsamen Nacht fühlen wir uns am Morgen wach und leistungsfähig. Aber: Wir schlafen immer weniger, immer kürzer und immer schlechter. Mit wenig Schlaf auszukommen gilt heute als persönliche Stärke. Studien zeigen jedoch, dass eine Schlafdauer von nur 4 bis 5 Stunden die kognitive Leistung erheblich beeinträchtigt. Durchschnittlich schlafen wir knapp 7 Stunden pro Nacht. Bemerkenswert: Viele Profisportler schlafen wesentlich länger!

Die Schlafdauer von Sportlern, mit freundlicher Genehmigung von www.gdi.ch, aus Tenger/Frick 2014, die Zukunft des Schlafens, www.gdi.ch/schlafstudie. Viele Faktoren haben Einfluss auf die Schlafqualität, zum Beispiel Belastungen im Berufs- oder Privatleben, Umwelteinflüsse oder die Schlafumgebung. Schlafstörungen, welche länger als ein paar Tage anhalten, sollten ärztlich betreut werden. Zur Verbesserung der Schlafqualität können jedoch schon einfache Mittel hilfreich sein:

Das Thema Schlaf wird in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen. Angepasst an die veränderten Lebensbedingungen werden auch die Schlafzeiten flexibler: Man schläft nicht mehr immer nachts, zu Hause und am Stück, sondern vermehrt dann und dort, wo es gerade möglich ist. Das Wissen um die Gesundheitsbedeutung von Schlaf wird zunehmen, der Markt für Produkte und Dienstleistungen wachsen. Beispiele dafür sind technologische Tools (beispielsweise Schlafphasenwecker), öffentliche Schlafgelegenheiten (beispielsweise Power-Napping-Zonen) oder auch die Bettmenükarte im Hotel mit verschiedenen Matratzen oder Kissen zur Auswahl. „4 Stunden schläft der Mann, 5 die Frau, 6 ein Idiot.“ Napoleon Bonaparte. Um der Wichtigkeit des Themas Schlaf gerecht zu werden, hier als Ergänzung ein ausführlicher Exkurs von meinem lieben Freund Benjamin P. Steinmann. Schlafen im Wandel der Zeit, mit freundlicher Genehmigung von www.gdi.ch, aus Tenger/Frick 2014, die Zukunft des Schlafens, www.gdi.ch/schlafstudie

Exkurs: Schlaf als biologischer Jungbrunnen. Benjamin P. Steinmann, 1972. Naturheilpraktiker mit Schwerpunkt Diätetik, Pflanzenheilkunde und Vitalstofftherapie, Master in Ausbildungsmanagement (MAS AM ZFH), Berufsschullehrer für Gesundheitsförderung und Prävention. Er lebt und arbeitet in Zürich als Berater, Coach, Trainer, Dozent und Lehrer. Der Schlaf gehört wie die Bewegung zu den biologischen Grundbedürfnissen des Menschen. Aus diesem Blickwinkel ist Schlafen nicht optional, sondern eine genetische Notwendigkeit. Der Schlaf ist die programmierte Erholungs- und Regenerationsphase, in welcher der Organismus wieder auftanken kann. Schlafen dient der Erholung und ist Voraussetzung für das Bereitstellen von physischer und psychischer Energie für den kommenden Tag. Die moderne Forschung zeigt, dass Schlafen und Träumen kein überflüssiger Luxus sind, sondern absolute Notwendigkeit. Wachen und Schlafen sind zwei grundlegend lebensbestimmende Verhaltensweisen. Wie viel Schlaf braucht der Mensch? Eine Expertengruppe der National Sleep Foundation kam im Jahr 2015 zum Schluss, dass vielerlei Faktoren die Schlafdauer beeinflussen und generelle Aussagen nur schwer möglich erscheinen. Die Forschungsgruppe macht folgende allgemeine Aussagen zur minimalen Schlafmenge: Weniger als 7 Stunden Schlaf würden mit erhöhten Gesundheitsrisiken wie Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck, Herzerkrankungen und Schlaganfall, Depressionen und erhöhter Sterblichkeit einhergehen. Darüber hinaus wird das Immunsystem geschwächt. Diese sehr generellen Aussagen geben einen Hinweis, was die Folgen sein könnten, jedoch tragen sie der Individualität des Menschen nicht ausreichend Rechnung. Jeder Mensch besitzt sein individuelles Schlafmaß. So spielen vor allem genetische Aspekte, individuelle physiologische Bedingungen, umgebungsbedingte und situative Faktoren als auch kulturelle Aspekte eine wesentliche Rolle. Da der Schlafbedarf in erster Linie genetisch bedingt ist, kann dieser zwischen einzelnen Individuen deutlich zwischen 3 und 12 Stunden variieren. Allgemein kann gesagt werden, dass die individuell optimale Schlafdauer immer dann erreicht ist, wenn sich die betreffenden Menschen am Tag ausgeschlafen, leistungsfähig und emotional ausgeglichen fühlen. Als guten Wert nach Hans-Günter Weess ist eine Schlafdauer von 7 bis 9 Stunden pro Tag zu empfehlen. Melatonin ist die körpereigene Schlaftablette. Gesteuert wird der nächtliche Schlafrhythmus hauptsächlich durch die körpereigene „Schlaftablette“; dem Hormon Melatonin. Dieses Hormon wird mit einsetzender Dunkelheit aus Serotonin in der Zirbeldrüse gebildet. Diese Ausschüttung stimuliert die Schlafbereitschaft und das Schlafen. Die Ausschüttungsmenge des Melatonins ist einem 24-Stunden-Rhythmus, aber auch jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen. Daneben gehört das Melatonin zu den stärksten körpereigenen Radikalfängern. Die Absenkung des Energieverbrauches bei gleichzeitiger Hemmung oxidativer Vorgänge im Körper macht Melatonin zu einer wichtigen Substanz für eine Verlangsamung des Alterungsprozesses. Architektur des Schlafs – Schlafphasen. Der Schlaf stellt einen dynamischen und aktiven Prozess dar. Je nach Schlafdauer durchläuft der Mensch zwischen vier und sieben Schlafzyklen. Ein Schlafzyklus dauert rund 90 Minuten. Dabei wechseln sich Traumphasen (REM) und Tiefschlafphasen ab. Zu Beginn der Nacht steht die körperliche Erholung mit Tiefschlaf im Vordergrund. In der REM-Phase finden die emotionale Erholung und ein Teil der Gedächtnisbildung statt. In der zweiten Schlafhälfte nimmt der Anteil des Tiefschlafs ab und stabiler Schlaf wird häufiger. Beim Menschen lassen sich die folgenden fünf Schlafstadien unterscheiden, in Anlehnung an Hans-Günter Weess:

Positive Auswirkungen des Schlafs

Mittagsschlaf gegen das Nachmittagskoma. 1985 konnten Campell und Zulley belegen, dass der Mittagsschlaf zum biologischen Programm des Menschen gehört. Viele Körperfunktionen zeigen keinen einheitlichen Verlauf, sondern es sind mehrere Schwankungen (ultradiane Periodik) zu erkennen. Genannt sei hier als Beispiel die Kreislauflabilität, diese weist zwei Maxima innerhalb eines 24-Stunden-Tages auf. Einerseits gegen drei Uhr morgens und ein Maximum gegen Mittag. Campell und Zulley fanden heraus, dass neben der Hauptschlafphase (nachts) noch ein zweiter bevorzugter Zeitpunkt für den Schlaf besteht: der Mittag – zwischen 13 und 15 Uhr. In der Mittagszeit zeigen sich ähnliche biologische Symptome wie in der Nacht:

Die Dauer des Mittagsschlafs sollte 10 bis 30 Minuten nicht übersteigen. Wer länger schläft, hat Probleme, anschließend wieder wach zu werden, dieser Zustand nennt sich Schlaftrunkenheit. Ursachen von Ein- und Durchschlafstörungen. Bei der Insomnie (Schlaflosigkeit) handelt es sich weniger um ein Krankheitsbild als vielmehr um ein Symptom. Sie ist definiert als Schwierigkeit, ein- oder durchzuschlafen, nächtliches Aufwachen oder das Unvermögen, Schlaf im erforderlichen Umfang oder in der erforderlichen Qualität zu finden wie Wong und Egger festgestellt haben. Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnien) sind das Produkt verschiedener Faktoren, deren Entstehungsgeschichte oft nicht bekannt ist. Von einer Schlafstörung wird gesprochen, wenn über vier Wochen jede oder fast jede Nacht schlecht geschlafen wird und tagsüber unter der entsprechenden Müdigkeit gelitten wird. Rund ein Drittel der Menschen in der westlichen Welt klagt über gelegentliche oder permanente Schlafstörungen. In einer Studie des Robert Koch-Instituts aus dem Jahr 2013 wird von 5,7 Prozent der deutschen Bevölkerung mit behandlungsbedürftigen Ein- und Durchschlafstörungen berichtet. Das Verhältnis zwischen Anspannung und Entspannung stimmt längst nicht mehr. So sind Schlafstörungen oft mit anderen Störungen und Stresssituationen gekoppelt. Nachfolgend mögliche Stressoren für Schlafstörungen in Anlehnung an Rensing:

Körperliche Folgen von Ein- und Durchschlafstörungen. In einer größeren Studie aus dem Jahr 2007 konnte Daniel Taylor von der North Texas Universität in Denton zeigen, dass Patienten mit Ein- und Durchschlafstörungen im Vergleich zu Schlaf-Gesunden häufiger körperliche Erkrankungen aufweisen. Die folgende Auflistung zeigt eine nicht abschließende Zusammenstellung von körperlichen Folgen von Ein- und Durchschlafstörungen:

Weiterführende Literatur. West, C. & Egger, G. (2017): Präventionsmedizin. Elsevier Verlag, München. Weess, H.-G. (2016): Die schlaflose Gesellschaft. Schatthauer, Stuttgart. Zulley, J. (2018). Schlafkunde. Mabuse-Verlag, Frankfurt am Main. Die richtige Balance finden. Fitnesstrainerinnen und Fitnesstrainer werden auch zukünftig vor allem ihre Kundinnen und Kunden in Bewegung bringen. Das ist ihre Kernkompetenz und damit tragen sie schon viel zur Gesundheit bei. Gleichzeitig ist die Entwicklung hin zu einer themenübergreifenden Beratung zu begrüßen. Fitnesstrainerinnen und -trainer dürfen und sollen auf Zusammenhänge aufmerksam machen: Es ist nicht sinnvoll, nach dem Training Fastfood zu essen, es ist paradox, den Lift ins Fitnessstudio zu nehmen, und nach einem stressigen Tag ist das Sprudelbad mitunter die bessere Wahl als ein intensives Intervalltraining. Die Sensibilität für Lebensstilthemen, ein offenes Ohr und die Berücksichtigung der persönlichen Lebensumstände können einen wichtigen Beitrag zur Kundenzufriedenheit und -bindung leisten. Andererseits darf die Tiefe der angesprochenen Themen nicht unterschätzt werden. Gesundheitsberatungen werden heute von medizinischem Fachpersonal und Psychologen durchgeführt. Durch entsprechende Weiterbildungen können sich auch andere Berufszweige wie eben Fitnesstrainerinnen und -trainer in diesem Bereich qualifizieren. Es nützt jedoch niemandem, wenn Trainerinnen und Trainer mit Halbwissen glänzen – nicht den Kundinnen und Kunden, nicht den Fitnesscentern, auch nicht dem Ruf der Branche. Sollen Lebensstilthemen ins Beratungsportfolio aufgenommen werden, ist die fundierte Ausbildung der Mitarbeitenden (fachlich und methodisch) notwendig. Zusätzlich sollten diese ihr eigenes Gesundheitsverhalten reflektieren und bereit sein, eine Vorbildrolle einzunehmen. Abhängig vom Ausbildungsabschluss, der Ausrichtung des Fitnesscenters, dem Arbeitspensum (die nebenberufliche Beschäftigung als Trainerin oder Trainer ist nicht unüblich) und den persönlichen Interessen dürfte die Bereitschaft, sich als Lebensstilberatende zu qualifizieren, unterschiedlich groß sein. Außer Frage steht, dass die beruflichen und gesellschaftlichen Anforderungen an den Einzelnen zukünftig nicht abnehmen werden. Gesundheitsbezogene Themen, welche schon heute wichtig sind, werden morgen noch mehr Beachtung erfahren (müssen). Ob die Kundinnen und Kunden die Förderung ihrer Lebensstilkompetenz vom Fitnesscenter erwarten, bleibt hingegen abzuwarten

23 Glossar. Was Sie nachher mehr wissen. Hier finden Sie die wichtigsten Begriffe in alphabetischer Reihenfolge. Die Auswahl ist weder abschließend noch präferiert. Die Definitionen im Glossar sind nicht wissenschaftlich verfasst, sondern so, dass selbst der Autor sie versteht. Die Enzyklopädie Wikipedia diente, wo nötig, als Inspiration

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Es wäre doch so einfach 8

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Die drei wichtigsten Dinge – ohne Wenn und Aber 153

Effekte im Krafttraining auf drei Ebenen 154

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