Der Stammbaum

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Piero Bianconi. Der Stammbaum
1. Gestern und morgen
2. Mergoscia
3. Aus den alten Papieren
4. Das Glück hat mir nicht gelacht. Aber nur immer Mut!
5. Barbarossa in Kalifornien
6. Barbarossa in der Heimat
7. Die Onkel in Kalifornien. Der Onkel Battista
Der Onkel Giuseppe
Der Onkel Gottardo
Die Tante Angelica
Weihnachtliche Festfreude
8. Die Tante, die ins Kloster ging
9. Mein Vater
10. Meine Mutter
11. Confiteor
Nachwort
Chronik und moralische Geologie
Отрывок из книги
Über dieses Buch
«Der Stammbaum»: Anhand der eigenen Familie erzählt Bianconi vom Schicksal der Bewohner des kleinen Tessiner Bergdorfs Mergoscia. Als er im März 1966 in das fast verlassene Dorf hochsteigt, findet er zerfallende Mauern und darin eine Truhe mit Dokumenten, Verträgen und vor allem Briefen. Briefe von jungen Tessinern, die seit dem 19. Jahrhundert ausgezogen waren, um anderswo das Glück zu finden, angezogen von den magischen Namen Australien und Kalifornien, von der Hoffnung auf Gold und Wohlstand.
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Über dem Wasserstand werfen die Reblauben noch Schatten. Man sieht die kräftigen blauen Schosse (sie sind schon mit Grünspan gespritzt worden), und sie schaukeln im leichten Wind. Und auch droben auf der steilen Anhöhe, wo der Wald noch Raum lässt, sieht man Rebland. Und zwischen jenen Kastanien steht eine Kapelle (ich sehe sie nicht, aber ich weiss, dass sie dort steht), die den Namen meiner Vorfahren trägt und die naiven Gestalten der Heiligen, die ihnen jenes elende Dasein ertragen halfen.
Zwischen dem Brombeergesträuch flitzt vielleicht eine Smaragdeidechse oder eine Viper, grau auf grauer Erde, und dehnt sich träge an der Sonne auf dem Trockenmäuerchen. Man sieht niemanden, nicht eine Seele zwischen den Ställen, wo der Holunder die weissen Flecken seiner Schirmchen ausbreitet. Alles schweigt. Nur ab und zu hört man ein kreischendes Geräusch (sie fällen die Bäume mit jenen Motorsägen, die so grell tönen), und das rhythmische Schluchzen eines verspäteten Kuckucks. Und wenn man die Ohren spitzt, hört man das ferne Getöse der Arbeit am Staudamm, jener hellen Mauer dort unten. In der Höhe segeln am Junihimmel weisse Wolken schweigend dahin. Und schweigend steigt auch das mitleidlose Wasser. Es überflutet, tilgt und verschlingt alles, das leere Gehäuse der Schnecke, die Schlangenhaut und den Stall, wo, verlassener und einsamer als die Muttergottes, vor mehr als einem Jahrhundert meine Grossmutter meine Mutter zur Welt brachte.
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