Tschuldigung, aber das Hemd gehört in die Hose

Tschuldigung, aber das Hemd gehört in die Hose
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Описание книги

In einem Gasthaus sitzt Herr Konrad, ein alternder Herr, allein an einem runden Tisch. Ein junger Mann tritt ein und begibt sich zu Konrads Tisch. «Ist der Platz hier frei? Darf ich mich zu Ihnen setzen?» "Selbstverständlich! Ich bin Konrad!", sagt der Alte. "Und ich bin Hajo." Er setzt sich an den runden Tisch. "Wohnen Sie in dieser Stadt?", fragt Herr Konrad. "Ich bin Student und wohne hier in der Nähe." Sofort kommen die beiden in ein interessantes Gespräch über die Freiheit. So lernen sich der Junge und der Alte kennen. Dieses Treffen sollte nicht das letzte sein. Immer wieder stoßen sie aufeinander und kommen jeweils sofort ins Diskutieren, einmal über die berufliche Ausbildung, ein andermal über das Altwerden, dann wieder über das Studieren, über Krankheiten im Alter … Die Begegnungen sind meist zufällig, bis eines schönen Tages Herr Konrad Hajo mit dessen Freundin trifft …

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Pierre Emile Aellig. Tschuldigung, aber das Hemd gehört in die Hose

Impressum

5 Kreuzworträtsel. „Man sagte mir“, berichtet Hajo beim nächsten Treffen, „man solle jeden Morgen, sobald die Zeitung da sei, das Kreuzworträtsel lösen, bis man das Lösungswort gefunden habe. Das kurble seine Hirnzellen an. Es sei wie das Warmlaufen eines Motors. Stimmt das?“ „Ich weiß es nicht. Es scheint so!“, meint Herr Konrad, „irgendwie beflügelt es mich. In einer halben Stunde finde ich meistens das Lösungswort oder den Lösungssatz. Heute zum Beispiel: - Weisheit ist des Lebens Auge.“ Und Herr Konrad fährt fort: „Weitere Lösungssätze ergeben sich, über die man nachdenken kann, wie zum Beispiel: - Träume sind Schäume.“ „Nicht immer!“, meint Hajo und gibt weitere Kommentare zu jedem Lösungswort. „Oder: Was sich neckt, das liebt sich!“ Und Hajo ist fast überzeugt: „Stimmt meist. Manchmal kommt es trotzdem zum Streit!“ „Vorgestern lautete das Sprichwort: Lachen ist die beste Medizin. Lachen ist lachen!“, denkt Herr Konrad. „Wohltun trägt Zinsen“, zitiert Herr Konrad weiter und sagt: „Ich denke, man sollte nicht der Zinsen wegen wohltätig sein!“ „Das denke ich auch“, überlegt Hajo „Wäre schön, wenn das nächste Sprichwort stimmt: Eigener Herd ist Goldes wert!, dann. Erfahrung macht den Meister, war eine Lösung.“ Hajo meint: „Manchmal Pfusch!“ „Ein weiteres: Leben und leben lassen! Das ist mir zu oberflächlich. Oder: Dem Mutigen gehört die Welt.“ „Was ist Mut?“, fragt Hajo „Mut ist, als Einziger zu wissen, dass man Angst hat!“, erklärt Herr Konrad. „Möchten Sie weitere weise Sprüche hören, die ich im Laufe der Zeit herausgefunden habe?“ „Ja, gerne!“ „Verrat trennt alle Bande. Sofern es Bande gibt, denke ich. Oder: Wo Rauch ist, da ist auch Feuer. Ja und Nein! Oder: Geteiltes Leid ist halbes Leid „Halb voll oder halb leer?“, fragt Hajo. Was mich nicht umbringt, macht mich stark, fährt Herr Konrad weiter. „Auch schwach“, meint Hajo lakonisch. „Und schließlich: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Im Dunkeln glänzt nichts, wissen Sie!“ „Das ist so“, bemerkt Hajo. Wichtig sei für ihn, meint Herr Konrad, über jedes Sprichwort nachdenken zu können, sofern man darüber nachdenken wolle. Bruce Neumann, ein amerikanischer Konzeptkünstler (1941–2012), sagte einmal: Wenn du etwas wirklich tun willst, tust du es. Es gibt keine Ausrede. Das sei wahr, bemerkt Hajo. Jedenfalls fühle er sich nach dem Morgenturnen seines Hirns wach und wohl, meint Herr Konrad. „Wissen Sie, Hajo, mit zunehmendem Alter spürt man plötzlich seinen abnehmenden Körper!“ „Wie meinen Sie das?“, fragt Hajo, der bereits im Stadtpark auf den älteren Herrn gewartet hat „Langsam wird man buckelig. Mitmenschen stellen es fest: ‚Du hast einen Buckel!‘, sagen sie. ‚Geht es dir nicht gut?‘, fragen sie. Das macht nachdenklich!“ „Wieso?“, will Hajo wissen. „Man beginnt dann vermehrt auf seine Haltung zu achten. Im Spiegel sieht man, wie sich die Wirbelsäule im oberen Teil nach vorn gebeugt hat. Die Lendenwirbel sind strapaziert. Seit Jahren tragen sie mein Körpergewicht. Kein Wunder, wenn die Zwischenwirbel zusammengedrückt werden, der Nervenstrang eingeklemmt wird. ‚Ischias‘ sagt man. Hexenschuss! Man glaubt vielleicht heute noch, dass Schmerzen von übernatürlichen Wesen wie Hexen, Alben, Elfen mittels eines Pfeilschusses zugefügt werden. Man muss halt alles erklären können! Gell?“ „Stimmt. Ja. Leider. Muss nicht immer sein! Oder doch?“ „Vielleicht doch! Der Ischiasnerv also, auch fachsprachlich Nervus ischiaticus, auch Sitzbeinnerv oder Hüftnerv. Os ischii, heißt ‚Sitzbein‘, ist ein Organ des peripheren Nervensystems ‚Plexus_lumbosacralis‘ (Lenden-Kreuz-Geflecht). Er ist der mächtigste Nerv des Körpers. Seinen Ursprung hat er beim Menschen aus den letzten lumbalen und den ersten drei sakralen Rückenmarkssegmenten (viertes Lendensegment bis drittes Kreuzsegment des Rückenmarks).“ Herr Konrad ist ins Schwitzen gekommen. Er wischt sich mit einem Nastuch aus Stoff die feucht gewordene Stirn. Hajo stutzt. „Sind Sie Arzt oder so ähnlich?“ „Keineswegs!“ „Also?“ „Das ist auch so eine Art Alterserscheinung: Man will alles möglichst genau wissen. Vielleicht will man sein Gedächtnis damit testen?! Oder vielleicht will man ganz einfach wissen, woran man gestorben ist!“ „Vielleicht. Es ist spannend. Erzählen Sie weiter!“ „Gut. Die Körpergröße verringert sich. Die Maße aus dem 20. Altersjahr stimmen nicht mehr, man ist um ein paar Zentimeter kleiner geworden. Rapetisser, sagt der Franzose. Das Gehen wird unsicher, wackeliger, Schwindel macht sich ab und zu bemerkbar, das Gleichgewicht ist irgendwie gestört. Beim Begehen von Treppen aufwärts und abwärts, von Treppenstufe zu Treppenstufe, geht man schwankend. Man hat Angst, die Treppenstufen zu verfehlen.“ „Sind Sie auch schon gestürzt?“ „Ach herrje!“ „In einer Zeitungsnotiz las ich Folgendes“, berichtet Hajo und liest dem Älteren den Artikel vor: Ältere Leute verletzen sich oft bei Stürzen. Bald soll dies ein motorisierter Hightechanzug verhindern, indem er Seniorinnen und Senioren beim Gehen unterstützt. Das Exoskelett erkennt mithilfe intelligenter Algorithmen, wenn sich das Gangmuster vor einem Sturz verändert. Sofort stabilisiert das Gerät daraufhin das Gleichgewicht seines Trägers mittels kleiner Elektromotoren. Entwickelt haben das smarte Exoskelett-Forscher der ETH Lausanne zusammen mit einem Reha-Zentrum in Florenz. Laut den Forschern soll der Apparat nicht nur weiblichen und männlichen Senioren, sondern auch anderen Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen dienen. Zurzeit entwickeln sie den Prototyp weiter – vor allem, um das Exoskelett diskreter aussehen zu lassen, damit es alltagstauglicher wird. Das ist kein Aprilscherz!“, ergänzt Hajo. „Was es nicht alles geben wird! Kein Witz also?“ „Nein, kein Witz.“ Herr Konrad steht auf. „Das Aufstehen ist auch so ein Thema! Bequeme Sitzgelegenheiten meidet man, weil das Aufstehen mehr und mehr Mühe macht. Man versucht dann krampfhaft, den Oberkörper nach vorne zu schieben.“ Herr Konrad macht es vor. „Über die Knie sozusagen, man strafft dann die Bauch- und Beinmuskulatur. Dann ein: Ho-Ruck! Beine durchstrecken, an den Lehnen sich mit den Händen abstützen oder auf den Oberschenkeln, wenn die Lehne fehlt, wie hier. Dann: Aufstehen!“ Hajo denkt: „Es ist nicht grad aufstellend, älter zu werden!“ Herr Konrad macht sich auf den Heimweg und sagt zu Hajo: „Sie werden es später selber sehen: Die Märsche werden kürzer, die Strecken werden flacher, man wird langsamer. Schnell macht sich eine Ermüdung bemerkbar. Mangel an Vitamin B12 sagt dann der Hausarzt und macht fleißig Spritzen.“ Zu Hause überdenkt Herr Konrad das Gespräch mit dem jungen Hajo. Schließlich schreibt er in sein Tagebuch: Nicht nur der Körper verändert sich. Auch die innere Haltung. Man wird kritischer. Vielleicht deshalb, weil man im Umgang mit der Natur, mit Menschen, mit sich selbst ängstlicher wird. Man hat Angst, nicht mehr ernstgenommen zu werden. Angst, falsch zu reagieren. Angst vor Bemerkungen der Mitmenschen wie:

In der Regel vermeiden die Leute den Satz:

Dieser Satz wird nicht gerne gehört. Neue Situationen und Änderungen zu akzeptieren, fällt schwerer und schwerer. Vielleicht deshalb, weil man es selber anders gemacht hätte. Wenn man sich aber der Änderungen bewusst wird, dann hilft Folgendes:

7 Philosophie. „Um ein echtes Leben zu leben, ist es notwendig, sich resolut mit dem Tod zu konfrontieren“, sagt Herr Konrad zur Begrüßung beim nächsten Gespräch mit Hajo, „das sagte Martin Heidegger.“ „Kenn ich nicht! Wer ist das? Wohnt er hier?“ Er möchte gerne alles wissen. Jetzt erfährt er mehr. „Als Philosophiestudent werden Sie ihn sicher kennenlernen. Heidegger ist 1889 in Messkirch geboren und 1976 in Freiburg im Breisgau gestorben. Der deutsche Philosoph Heidegger hat vor allem in Freiburg gewirkt. Seine Philosophie ist durch die Beschäftigung mit der Ontologie geprägt.“ „Ich höre Ihnen gern zu!“, sagt Hajo zu Herrn Konrad, „doch manchmal bin ich, wie jetzt, schlankweg überfordert, verstehe nicht alles. Dann denke ich: Du wirst alt, junger Mann!“ „Keineswegs!“, fährt Herr Konrad weiter „Muss ich mich jetzt schämen?“, fragt Hajo. „Nein, nein! Um Gottes willen! In einem interessanten Artikel über die Scham las ich kürzlich in einer Zeitschrift, die von einer reformierten Kirche herausgegeben wird, die Äußerung einer Theologin, die meint, mit der Scham fange die Geschichte der Menschheit erst richtig an. Ein Psychiater erklärte, die Scham könne krank machen, aber auch zu heilsamer Selbsterkenntnis führen. Und was meinen Sie, Hajo?“ „Ich weiß nur, dass die Scham mir die Röte ins Gesicht treibt. Ich verliere dann die Kontrolle über mich und stehe da mit dem Rücken zur Wand.“ „Die Scham braucht eben Raum“, entgegnet Konrad, „Scham schmerzt. Sie auszuhalten, braucht Mut. Das Gefühl führt uns unser Scheitern vor Augen. Manche durch die Scham aufgezeigten Grenzen sind heilsam, weil sie uns davor bewahren, uns zu verleugnen. Die falsche Scham überwinden und die heilsame Scham aushalten können wir aber nur, wenn wir den Raum dafür erhalten. Wer sich eines Fehlers schämt, braucht weder Druck noch Belehrung, sondern Rückzugsmöglichkeiten. Und die Gewissheit, dass kein Gesichtsverlust droht.“ „Wir haben uns ganz arg vom ursprünglichen Thema entfernt“, sagt Hajo, „ich wollte eigentlich nur wissen, was Sie unter Ontologie verstehen!“ „Ja genau! Ontologie ist die Lehre vom Sein, von den Ordnungs-, Begriffs- und Wesensbestimmungen des Seienden. Heidegger glaubte, seine Zeit sei geprägt durch ‚Seins-Vergessenheit‘. Mit seinem Hauptwerk lenkt er den Blick auf ‚Sein und Zeit‘ und stellt sich die Frage nach dem Sinn von ‚Sein‘. Ich nenne ein paar Zitate, die von Heidegger stammen:

10 Krankheiten. Krank und schwach sein, passt nicht zum männlichen Selbstbild. Depressionen? „Zum Psychiater? – Nicht nötig!“, finden viele ältere Menschen. – Dabei gehören Depressionen zu den häufigsten psychischen Krankheiten im Alter. Das nächste Treffen Herrn Konrads mit Hajo findet im ruhigen Gasthof in der Nähe des Stadtparkes statt. Beide sitzen an einem Zweiertisch in einer Ecke der Gaststube. So können sie ruhig über das Thema ‚Krankheit im Alter‘ diskutieren „Und?“, fragt Herr Konrad, „haben Sie das Interview im Zeitungsartikel über Krankheiten im Alter gelesen?“ 3. 3 Das Gespräch zwischen Herrn Konrad und Hajo ist zusammengesetzt aus einem Zeitungsinterview mit Stefan Klöppel, Chefarzt der Berner Uniklinik für Alterspsychiatrie) „Sicher!“, sagt Hajo prompt, „interessant. Habe doch dazu einige Fragen. Angst „Wovor haben die Menschen im Alter Angst?“, fragt Hajo Herrn Konrad. „Ich meine“, versucht Herr Konrad Hajos Frage zu beantworten, „vor Krankheit, vor der Einsamkeit, dass das Geld nicht reicht. Der Kontakt zu den eigenen Kindern wird seltener oder bricht ab. Dann müssen viele ältere Menschen umziehen ins Pflegeheim und so einen Neuanfang machen. Die Gewöhnung an die fremde Umgebung fällt schwer.“ Einsamkeit „Wie schwer wiegt die Einsamkeit im Alter?“, will Hajo weiter wissen. Herr Konrads Antwort: „Ich las in einer Zeitschrift, dass 30 % der Seniorinnen und der Senioren allein leben. Die Einsamkeit sei ein wichtiger Faktor, wenn man weniger mobil wird und nicht mehr so gern aus dem Haus geht.“ „Empfinden Sie das auch so?“, will Hajo wissen. „Es gibt Momente, in welchen ich ähnlich empfinde. Dann nehme ich den Stock und zwinge mich auf einen Spaziergang, möglichst unter Menschen, in der Stadt, im Warenhaus, in einem Gasthaus.“ Tod. „Und die Angst vor dem Tod?“ „Viele haben Angst vor dem Sterben, vor den Schmerzen, vor dem Leiden. Bei mir steht der Tod, die Tatsache also, nicht mehr da zu sein, nicht im Vordergrund. Mich beschäftigt viel mehr das Leben, der Alltag, wie ich diesen mit vielleicht immer mehr Einschränkungen bewältigen kann.“ Lebenszufriedenheit. Hajo sagt: „Mir ist nicht immer klar, wie es zusammenpasst, dass offenbar die Lebenszufriedenheit im Alter steigt, während die körperlichen Gebrechen zunehmen, Freunde wegsterben!“ „Wissen Sie, mein lieber Hajo, nach der Pensionierung hat man noch viele gesunde Jahre vor sich und eine neue Stressfreiheit. Und im Alter wird man emotional ausgeglichener.“ Unverarbeitetes. „Ich bin neugierig und für mich ist es eine wunderbare Gelegenheit, mit Ihnen, Herr Konrad, über ein Thema zu sprechen, das für mich noch in weiter Ferne liegt! Bricht im Alter nicht auch Unverarbeitetes an die Oberfläche, wenn sich die Zeit nicht mehr von selbst erfüllt?“ „Tatsächlich!“, versucht Herr Konrad diese heikle Frage zu beantworten. „Oft zieht man dann Bilanz wie: Was hat mir mein Leben gebracht? Was habe ich hinterlassen, was habe ich verpasst? – Da ist natürlich viel Unverarbeitetes darunter. Erinnerungen kommen hoch, wie zum Beispiel schlimme Erinnerungen aus der Kriegszeit, die man als Kind erlebt hat. Auch berufliche Abstürze gehören dazu.“ Familiengeschichten „Kann es sein, dass auch verdrängte Familiengeschichten hochkommen?“, will Hajo weiter wissen „Eine heikle Frage! Ja. Die Beziehung zu seinen Kindern ist das wichtigste Element. Sehr lange zurückliegende Ereignisse bekommen plötzlich eine riesige Bedeutung, die sich objektiv kaum nachvollziehen lässt. Ich weiß von einem Freund aus meiner Kindheit, dass er nach dem Tod seiner Frau voller Gram war, weil er sie zu Beginn der Ehe einmal betrogen hat und es ihr nie gesagt hat. Allgemein ist die Pensionierung für viele eine Zäsur. Das sogenannte Netz, das über den Beruf definiert war, bricht zusammen. Das ist viel auf einmal und kann in eine Depression münden“, versucht Herr Konrad der heiklen Frage gerecht zu werden. Depressionen. „Depressionen zählen neben der Demenz zu den häufigsten psychischen Erkrankungen bei älteren Menschen“, fährt Hajo mit seinem Fragespiel weiter, „oft scheint es recht schwierig zu sein, die Depression zu erkennen. Wie sehen Sie das?“ „Manchmal stelle ich dies bei Freunden und Bekannten in meinem Alter fest, dass sie nicht unbedingt traurig sind auch nicht weinen, aber sie verlieren an vielen Dingen das Interesse und ziehen sich zurück. Auch kenne ich niemanden, der von sich aus zum Psychiater geht. Die meisten werden durch den Hausarzt überwiesen.“ „Weil ältere Menschen glauben, nur Verrückte gingen zum Psychiater?“, meint Hajo schmunzelnd. „So ungefähr.“

12 Hajos Freundin. Herr Konrad spaziert gerne durch die Stadt und über Land. So trifft er oft Menschen, die er kennt, auch Unbekannte, mit denen er ins Gespräch kommt. Auf dem Weg vor ihm geht gemächlich ein Pärchen Arm in Arm. Herr Konrad stutzt … „Das ist doch …!“ Der junge Mann dreht sich plötzlich um und erblickt Herrn Konrad. Das Pärchen bleibt stehen. „Hallo Hajo! Bist du schon unterwegs?“ Die beiden bleiben stehen, bis Herr Konrad sie eingeholt hat. „Grüß dich, Konrad! Darf ich vorstellen? Das ist Gabriele.“ „Ach so! Freut mich, Sie kennenzulernen. Ich bin Konrad!“ Gabriele strahlt: „Hajo hat schon oft von Ihnen erzählt!“ „Hoffentlich nur Gutes!“ Zu Hajo: „Du hast also meinen Vorschlag ernst genommen!“ „Wie du siehst, Konrad!“ „Setzen wir uns doch ins Kaffeehaus, gleich gegenüber!“

13 Hilfs- und andere Mittel. Das herrliche herbstliche Wetter erlaubte es den dreien, sich draußen an einem runden Tisch niederzulassen. „Hallo Herr Konrad! Hallo miteinander“, begrüßt sie Hansi, der Kellner. „Was darf es denn sein?“ „Bring uns drei Espressi, Hansi, bitte!“ Herr Konrad stellt seinen Spazierstock an die Tischkante und prompt rutscht der Stock zu Boden. Schnell bückt sich Gabriele, hebt den Stock hoch und stellt ihn an eine Stuhllehne zwischen sich und Hajo, sodass er nicht mehr wegrutschen kann. „Das ist auch so eine Sache, das mit dem Spazierstock“, erklärt Herr Konrad, „eigentlich bräuchte ich gar keinen mehr. – Zur Sicherheit nehme ich ihn jeweils trotzdem mit. – Ich danke dir, Gabriele, fürs Aufheben!“ „Keine Ursache“, sagt sie, „ich kenne das von meiner Arbeitsstelle her.“ „Was tust du denn?“ Hajo mischt sich ins Gespräch: „Gabriele betreut Menschen in einer städtischen Organisation, die sich WONARB nennt, ein Kürzel für ‚Wohnen und Arbeiten‘ „Ich betreue dort eine Gruppe von fünf bis acht Menschen, die zum Teil arbeitsfähig sind, zum Teil leicht behindert und nicht auswärts zur Arbeit gehen können.“ „Ach so! Deshalb deine schnelle Reaktion mit dem Stock!“ „Genau!“ „Ich habe ab und zu Schwindelanfälle“, erklärt Konrad, „deshalb habe ich den Stock meistens bei mir! Dagegen könne man gar nichts machen, sagt der Arzt. Alterserscheinung. Abbau des zuständigen Nervensystems.“ „Da kommt mir Äsop in den Sinn!“, sagt Hajo und fährt fort: Die Fabel ‚Der alte Mann und der Tod‘ besprachen wir im Kunstunterricht und haben versucht, sie zu illustrieren.“ „Ja“, ergänzt Konrad, „Äsop war ein antiker griechischer Dichter von Fabeln und Gleichnissen. Man weiß nicht allzu viel über ihn, hat wahrscheinlich im 6. Jahrhundert vor Christus gelebt. Er gilt als Begründer der europäischen Fabeldichtung. Jean de la Fontaine (1621–1695) und Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) wurden zu seinen Nachahmern.“ „Hier also die Fabel vom alten Mann und dem Tod“, erläutert Hajo. „Die Skizzen dazu bringe ich ein andermal mit.“ Der alte Mann und der Tod. Ein alter Mann hatte Holz gefällt und musste es einen weiten Weg tragen. Erschöpft legte er unterwegs das Bündel nieder und rief den Tod herbei. Da erschien der Tod und fragte, warum er in gerufen habe „Damit du mir das Bündel aufhebst“, sagte der alte Mann. Das Wort stimmt, dass jeder Mensch das Leben liebt, selbst der Unglückliche

Ein alter Mann fällt Holz. Er trägt sein schweres Bündel weit – weit – weit

Erschöpft legt er das Bündel nieder und ruft den Tod herbei

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