Eine illegitime Kunst

Eine illegitime Kunst
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Eine «illegitime Kunst» nennen Bourdieu und seine Mitarbeiter die Fotografie. In der Tat gilt sie als «Zwitter»: als Alltagshandlung mit dem Anspruch einer Kunstanstrengung. Welchen Zwecken gehorcht die Fotografie? Sind Fotografien Bilder in dem strengen Sinne, mit dem dieses Wort in aller Regel ausgestattet wird? Und welche stillschweigenden oder ausdrücklichen Vorsätze steuern den technischen Apparat, wenn ein Foto «geschossen» wird? In diesem Buch wird die Fotografie unter dem Gesichtspunkt ihres Gebrauchswertes untersucht. Denn es ist, wie Bourdieu sagt, der Gebrauch, der ihre Bedeutung konstituiert, eine soziale Bedeutung. Dies erklärt sowohl die Verbreitung des Mediums als auch die Uniformität der Bildmotive. Und es erklärt den besonderen Status des Fotografierens innerhalb der kulturellen Alltagstätigkeiten es signalisiert eine kodifizierte Verhaltensweise, die «den Anspruch erhebt, Kunst zu sein».

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Pierre Bourdieu. Eine illegitime Kunst

Inhalt

Vorwort

Pierre Bourdieu. Einleitung

1. Kapitel. Pierre Bourdieu, Kult der Einheit und kultivierte Unterschiede

Die Photographie als Ausdruck und Mittel der Integration

Gelegenheiten der Praxis und gelegentlich betriebene Praxis

Devotion oder Devianz?

Klassenunterschiede und sich bewußt unterscheidende Klasse

2. Kapitel. Pierre Bourdieu, Die gesellschaftliche. Definition der Photographie

Eine Kunst, die die Kunst nachahmt

Der »barbarische Geschmack«

Die Hierarchie der Legitimitäten

1. Kapitel. Robert Castel/Dominique Schnapper. Ästhetische Ambition und gesellschaftliche. Ansprüche

Die Ungeduld gegenüber den Grenzen

Die Geduld gegenüber dem Handwerklichen

2. Kapitel. Luc Boltanski, Die Rhetorik des Bildes

Die Zeitschrift und der besondere Augenblick

Andeutung und Auslassung

Die Parade der Objektivität

3. Kapitel. Gérard Lagneau, Optische Tricks und. Gaukelspiel

Eine Genre mit Zwitterstellung

Die Doppelspiele

Die verschlüsselte Botschaft

4. Kapitel. Jean-Claude Chamboredon, Mechanische, unkultivierte Kunst

Ausnahmesituation und Gemeinplätze

Eine unentschiedene Schöpfung und eine entschiedene Ästhetik

Ästhetische Reminiszenz und soziale Schichtzugehörigkeit

5. Kapitel. Luc Boltanski/Jean-Claude Chamboredon, Fachwissen oder Begabung?

Die Erwartungen des Anfängers und die Erwartungen der Berufsphotographen

Die guten Manieren – die Photographen und der Erfolg

Robert Castel, Bilder und Phantasiebilder

Ein überbesetztes Symbol

Latente Phantasien und manifeste Bilder

Exorzismus und Sublimierung

Anhang. Die verwendeten empirischen. Untersuchungen in chronologischer Reihenfolge. Studienjahr 1961–1962:

Studienjahr 1962–1963:

Studienjahr 1963–1964:

Appendix

I. Der Einfluß des Einkommens und seine Grenzen

Ausgeübte Praxis

Intensität der Praxis

II. Der Einfluß der klassenspezifischen Normen. 2.1 Rechtfertigungen für die Abstinenz von der photographischen Praxis

2.2 Ausgeübte Praxis

2.3 Die geäußerte Absicht, Photos zu machen

III. Familienintegration und Kinderzahl. 3.1 Kinderzahl und photographische Praxis

3.2 Haushaltsgröße und Besitz einer oder mehrerer Kameras

3.3 Alter und Familienstand und photographische Praxis

3.4 Das Bemühen um eine versierte Praxis

3.5 Geschlecht und photographische Praxis

IV. Der Einfluß der Ferien

V. Integration und Differenzierung

5.1 Anlässe für die Praxis

5.2 Die anerkannten Funktionen des photographischen Bildes

VI. Größe des Wohnorts

Der Fragebogen8

Anmerkungen. Einleitung

Teil I. 1. Kapitel

2. Kapitel

Teil II

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

Schlußfolgerungen

Anhang

Verzeichnis der Abbildungen. Amateurphotos

Photos von Berufsphotographen

Werbephotos

Photos des Photoklubs Bologna

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Bourdieu/Boltanski/Castel Chamboredon/Lagneau/Schnapper Eine illegitime Kunst Die sozialen Gebrauchsweisen der Photographie

Aus dem Französischen übersetzt von Udo Rennert

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Daß zahlreiche passionierte Amateure kategorisch auf einer Trennung der Geschlechter je nach photographischen Aufgaben und Interessen bestehen, daß sie sich eifersüchtig die anspruchsvollen Anwendungsgebiete vorbehalten und ihren Frauen lediglich die traditionellen überlassen, für die sie ihrer »Weiblichkeit« wegen »prädestiniert« seien, läßt erkennen, wie sehr die als Liebhaberei aufgefaßte Photographie, deren ästhetisches Credo sich, vor allem in den weniger gebildeten Schichten, oft auf die Absage an die Familienphotographie reduziert, aus ebendemselben Grund nach einer Komplementärpraxis verlangt, die der Frau reserviert wird und ausschließlich familialen Zwecken gehorcht.

Tatsächlich findet der ambitionierte Photograph eine – wenn auch noch so eingeschränkte – Definition seines Vorhabens in der Absage an die rituellen Objekte der Alltagsphotographie. Wenn man sich vergegenwärtigt, daß der Photoapparat fast immer Gemeinschaftseigentum ist, das unterschiedslos von den Gruppenmitgliedern in gemeinsamem Gebrauch genutzt wird, dann wird deutlich, daß der autonome Gebrauch der Kamera den Sinn eines Bruchs mit dem Gemeineigentum annimmt: Die Negation der Familienphotographie bedeutet wennschon nicht die Leugnung des Wertes der Familie überhaupt, so doch immerhin eines der Familienwerte, indem man sich weigert, dem Familienkult zu huldigen. Und das Verhalten des Fanatikers, der sich lange bitten läßt, bis er endlich eine Aufnahme von den Kindern macht, obwohl er viele Stunden zurückgezogen in der Dunkelkammer verbringt, steht dem Verhalten des Photographen, der feierlich und öffentlich dem Familienkult huldigt, in derselben Weise gegenüber, wie – soziologisch ausgedrückt – die Magie der Religion.

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