Zweifel an der Kultur

Zweifel an der Kultur
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Worte Kultur sind gesellschaftlich nahezu beliebig geworden. Auch in den Kulturwissenschaften fehlt es an sprachlicher Sorgfalt. Dem ‚linguistic turn‘ in der Philosophie wird ein ‚cultural turn‘ entgegengesetzt, vielleicht um die Relevanz von Sprache für ein Verstehen auszuhebeln. In den essayistischen, oftmals pointierten Notizen, geht Matern der Frage nach, was als Kultur galt und gilt, und er gelangt zu dem kritischen Résumé, dass letztlich Projektion als zentrale Kulturtechnik fungiert.
In den historischen Erörterungen von Worten ‚Kultur‘ wird darauf verzichtet, die Worte theoretisch zu interpretieren, weil dies der kontextualen Verwendung nicht entspricht. Deutlich wird vielmehr, dass die Verwendungen politisch motiviert waren, bis in die Gegenwart hinein politisch motiviert sind. Eine Kulturwissenschaft lässt sich auf diesem Verhalten nicht aufzubauen, aber eine Kritik.
Die Notizen sind 2012 / 2013 entstanden. Die meisten Texte wurden vorab auf dem lokalen Duisburger Blog ‚xtranews.de‘ publiziert. Neu hinzugekommen sind vor allem Erörterungen, in denen die politische Verwendung stärker ins Zentrum rückt. Die ursprüngliche Form der einfachen Reihung ist für das eBook beibehalten worden, jedoch sind einige Eingriffe in die spontan entstandenen Texte vorgenommen worden.

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Reinhard Matern. Zweifel an der Kultur

Zweifel an der Kultur. Essayistische Notizen

01 Der Award

02 Ein Blick zurück

II

III

IV

V

03 Notizen und Notizen?

04 Wie sprechen?

05 Rom im Flaschenhals

06 Spritzfahrt in die Renaissance

07 Während des Aufenthalts

08 In was für Gespräche

09 Zum Schmunzeln

10 Zum Abgewöhnen

11 Gemeinwesen und Kultur

12 Pufendorf - Ein Innehalten

13 umgangssprachlich

14 Kultur als Spiegel?

15 ‚Kultur‘ als Blabla-Laut?

16 Kultur und Zivilisation

17 Über die Kunst des Ausblendens

18 Anti-egalitäre Tendenzen des Geistigen in der Kultur

19 Stille Post

20 Kultur und Geschichte

II

III

21 Hinter den Spiegeln

22 Politik und Kultur

23 Gesellige Kritik

24 Das Ende einer Ära

25 Lust auf Literatur?

26 Wenn Träume wahr werden, ist der Alptraum nicht weit

27 Musik ist eine Hure

28 Die Blumentöpfe der Kommunikation

Konflikte zwischen Anbietern und Kunden

Einblick in die digitale Gesellschaft

Konflikt zwischen Urhebern und Verwertern

Konflikte mit der Technik, mit Staat und EU

Die Blumentöpfe der Kommunikation

29 Der Wirtschaftsfaktor

30 Jenseits der Freiheit

Inhalt

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Es gibt derzeit kaum einen Schriftzug, der so flexibel einsetzbar ist, wie ‚Kultur‘. Die Verwendung erreicht ein babylonisches Niveau, bleibt aber auf Menschen und ihre Errungenschaften bezogen, auf Individuen und auf Gemeinschaften unterschiedlicher Größe wie Städte oder Nationen.

Der zentrale Kontrast besteht zu ‚Natur‘, ein Gegensatz, der allerdings nicht eindeutig ist, wie es häufig in der Umgangssprache vorkommt. Eine Natur, die nicht von Menschen in irgendeiner Weise geformt wurde, ist kaum noch auszumachen. Entfällt eine Nutzung, z.B. eine landwirtschaftliche wie auf Eis- oder in Sandwüsten, erreicht doch die Verseuchung von Wasser, Luft und Erde alle Striche und Winkel des Planeten. Alternativ lässt sich ‚Kulturlandschaft‘ anführen, auch wenn eine Verwendung im Hinblick auf Umweltkatastrophen schwerfallen kann, die von Menschen verursacht wurden.

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Im Altgriechischen ist eine deutlich geringere Verallgemeinerung zu bemerken. Sammelbegriffe Kultur sind kaum auszumachen. Adjektive hemeros beziehen sich auf Eigenschaften wie „gezähmt“, „veredelt“ oder - ich möchte ausdrücklich offen lassen, ab wann - „gesittet“ (Benseler), bezeichnen also die konkreten Resultate innovativer Anstrengungen in Landwirtschaft - und Erziehung. Homer orientierte sich im Hinblick auf soziales Verhalten noch an asteios, um eine städtische, feine, artige Verhaltensweise zu beschreiben. Substantive hemera verweisen nicht speziell auf Tätigkeiten bzw. Funktionen, sondern auf den Tag, insbesondere auf den Arbeitstag, der mit dem Sonnenaufgang beginnt und mit dem Sonnenuntergang endet (Benseler).

[Durch Hesiods dichterische Theogonie ist eine im Stammbaum früh angesetzte Göttin des Tages überliefert (Hemera). Es ist jedoch kaum auszumachen, welche andere Relevanz diese Erörterung haben soll, als Element eines konstruierten Bildes zu sein. Identifikationen mit der in Griechenland tatsächlich verehrten Eos, der rosenfingrigen Göttin der Morgenröte, von der Homer spricht, hätten es hingegen schwer zu gelingen.]

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