Die Vereinigten Staaten von Europa

Die Vereinigten Staaten von Europa
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Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde mithilfe der Europäischen Gemeinschaften versucht, Europa nachhaltig zu befrieden. Die zunächst rein wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Staaten sollte einer Entfremdung und so langfristig auch politischen Konflikten vorbeugen. In diesem Sinne sprachen damals u. a. Regierungsoberhäupter wie Winston Churchill und Konrad Adenauer in Anlehnung an die USA von den «Vereinigten Staaten von Europa». Ihnen ging es also maßgeblich um die langfristige Verwirklichung eines europäischen Bundesstaates. Es gab eine politische Vision von einem «vereinten Europa», die sich auch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in der Präambel desselben manifestierte. In diesem Sinne begann eine Entwicklung der Europäischen Gemeinschaften, später der Europäischen Union, die zur Folge hatte, dass sich aus der reinen Wirtschaftsunion auch eine politische Union entwickelte, deren Rechtsnatur nicht der herkömmlicher internationaler Organisationen entsprach. Als das Bundesverfassungsgericht am 30. Juni 2009 sein Urteil zum Vertrag von Lissabon fällte, war schnell erkennbar, dass das Gericht grundsätzliche Aussagen zur Integration Deutschlands in die EU bzw. das «vereinigte Europa» machen würde. Besondere Bedeutung erhielt das Urteil aber nicht wegen seines abschließenden Votums, sondern wegen seiner Aussagen zum Grundgesetz und dessen Grundlagen zum Einigungsprozess insgesamt. In einem nie da gewesenen Umfang nahm das Gericht die Verfassungsbeschwerden einzelner Abgeordneter zum Anlass, den Status der Europäischen Union und ihrer Entwicklungsperspektiven mithilfe seiner Interpretation des Grundgesetzes zu bewerten. Das Lissabon-Urteil erschöpfte sich aber nicht in derartigen Bewertungen, sondern das Gericht entwickelte seine frühere Rechtsprechung und die darin getroffenen Feststellungen zu Europa fort.

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Rembert Graf Kerssenbrock. Die Vereinigten Staaten von Europa

Die Vereinigten Staaten von Europa

Impressum

Vorwort

Abkürzungsverzeichnis

A. Einführung. I. Zielsetzung

II. Gang der Untersuchung

B. Voruntersuchung: Bundesstaat als Organisationsform in Abgren-zung zum Staatenbund

I. Die Idee und die Charakteristika des Staatenbundes / der in-ternationalen Organisation

II. Die Idee des Bundesstaates

III. Die Rechtsnatur der EU im Lichte der Dichotomie von Staaten-bund und Bundesstaat

IV. Unterschiedliche Formen der Bundesstaatenstruktur Bisher wurde untersucht, wie sich die Staatsform des Bundesstaates vom Staatenbund und von einer supranationalen Staatenverbindung grundsätzlich unterscheidet. Aber auch unter den bisher existierenden Bundesstaaten haben sich zwei verschiedene Ausrichtungen her-ausgebildet: zum einen der unitarische Bundesstaat, für den die Bundesrepublik Deutschland ein instruktives Beispiel bietet, zum anderen der duale Bundesstaat, den unter anderen die USA repräsentieren. 88

2. Der duale Bundesstaat

C. Ausgangspunkt: Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Vertrag von Lissabon

I. Die Lissabon-Entscheidung

a) Instrumente zur Bewahrung von Demokratie in staatlicher Sou-veränität

bb) Die Ultra-vires- und Identitäts-Kontrolle

cc) Der Fall Honeywell

b) Voraussetzungen für die Mittel zur Bewahrung des Grundgeset-zes

c) Konsequenzen für einen europäischen Bundesstaat Fraglich ist, welche Rückschlüsse für einen Bundesstaat das Bundesverfassungsgericht selbst aus seinen bisherigen Feststellungen zieht. Hierzu machte es mehrere, zum Teil widersprüch-lich erscheinende Aussagen:

II. Vergleich mit früheren Entscheidungen

1. Solange I

2. Solange II

3. Maastricht

D. Eine neue Perspektive durch die Integrationsoffene Auslegung des Grundgesetzes

II. Was die Präambel ausdrückt

III. Bedeutung der Präambel

IV. Verhältnis von Art. 79 Abs. 3 zur Präambel des Grundgesetzes Es ist in der Staatsrechtslehre allgemein anerkannt, dass die Präambel des Grundgesetzes veränderbar ist, aber in ihren Kernelementen durch Art. 79 Abs. 3 GG vor Veränderung ge-schützt ist. 247 Art. 79 Abs. 3 GG hat also eine – beschützende – Ausstrahlung auf die Präam-bel. Wenn diese aber die Präambel wiederum mit ihrem Gehalt eine Auslegungshilfe für das ganze Grundgesetz ist, als Ausdruck einer Selbstbindung des deutschen Volkes, dann könnte sie auch eine Auslegungshilfe für Art. 79 Abs. 3 GG sein. Es wird vertreten, dass es sich bei Art. 79 Abs. 3 GG um einen absolutistischen Vorbehalt des souveränen Staatswillens für jede Tätigkeit der Staatsorgane und des Staatsvolkes selbst handelt. 248 Es ist aber nicht ersicht-lich, woraus sich ergeben sollte, dass sich die Präambel auf das ganze Grundgesetz mit dem ausdrücklichen Vorbehalt des Art. 79 Abs. 3 GG bezieht. Im Gegenteil nimmt auch Art. 79 Abs.3 GG teil an der Dimension „Zeit und Verfassungskultur“, womit also auch die von der Ewigkeitsklausel geschützten Inhalte wandelbar sind. 249 Zum Teil wird sogar angenommen, dass der nationalen Verfassungsautonomie, die von Art. 79 Abs. 3 GG auch geschützt wird, von Art. 23 GG Grenzen gesetzt werden. 250 Erklärt wird dies damit, dass Art. 23 GG zusam-men mit Art. 2 EUV ein System wechselseitiger Verfassungsstabilisierung sei und die Rück-kehr zu totalitären Systemen und die Förderung des europäischen Verfassungsverbundes zur Aufgabe habe. 251 Derartige Erwägungen lassen sich auch auf die Präambel übertragen und aus ihrem Wortlaut – „als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“ 252 – noch deutlicher ablesen

V. Besonderheiten bei der Verfassungsauslegung Ein weiterer zu berücksichtigender Aspekt ist, dass es sich bei dem auszulegenden Gesetz um eine Verfassung handelt. Grundsätzlich bedarf das Verfassungsrecht genauso der Ausle-gung wie einfache Gesetze. Jedoch verleihen Bedeutung, Rang und Eigenart des Verfas-sungsrechtes der Verfassungsauslegung in der juristischen Hermeneutik ein besonderes Ge-wicht. 258 In diesem Zusammenhang wird auf einige Besonderheiten hingewiesen, die bei der Auslegung beachtet werden müssen 259 :

VI. Auslegung

2. Systematische Auslegung

a) Systematik innerhalb der Präambel

b) Systematik des Graundgesetzes

3. Historische Auslegung

4. Teleologische Auslegung

5. Zwischenergebnis

VII. Abgrenzung zur europarechtsfreundlichen Auslegung Um Missverständnissen vorzubeugen, muss die integrationsoffene Auslegung ausdrücklich von der europarechts- bzw. völkerrechtskonformen Auslegung der Verfassung abgegrenzt werden. Letztere wurde bereits vor dem Urteil zum Vertrag von Lissabon u. a. vom Bundes-verfassungsgericht angewendet und scheint auf den ersten Blick dieselbe Auslegungsme-thode mit anderem Namen zu sein. Jedoch hebt das Gericht im Lissabon-Urteil nochmal be-sonders hervor, dass es diesen Grundsatz gibt und leitet ihn aus dem Verfassungsauftrag der Präambel ab. 349 Mit der integrationsoffenen Auslegung gemeinsam hat die europarechtskon-forme Auslegung den Grundsatz, dass nationales Recht nicht verdrängt wird, sondern das Spektrum der Auslegungsalternativen auf das Ergebnis eingeengt wird, welches mit dem zu berücksichtigenden Recht am ehesten vereinbar ist, was bei der europarechtskonformen Auslegung das EU-Recht im weitesten Sinne ist. 350 Von Teilen der Literatur terminologisch eindeutiger wird von einer gemeinschaftsrechtskonformen 351 oder heute wohl „unions-rechts- konformen“ Auslegung gesprochen, womit der Bezugspunkt EU -Recht von vornherein eindeutig wird

E. Der Schutz von Demokratie und Souveränität durch Art. 79 Abs. 3 GG

1. Souveränität

b) Die Entwicklung der Souveränität

cc) Locke

dd) Der Gesellschaftsvertrag: Rousseau, Hobbes, Pufendorf Mit seiner Schrift über den „contrat social“ versucht Rousseau zu beweisen, dass nur über einen Gesellschaftsvertrag zwischen den Regierenden und den Regierten eine rechtliche Be-fehlsgewalt über den Menschen begründet werden kann. 411 Ausgangspunkt für Rousseau ist genauso wie für Locke die persönliche Freiheit oder auch Souveränität, die jeder Mensch schon mit seiner Geburt erwirbt. 412 Inhalt dieser Freiheit sei die Freiheit von jeder persönli-chen Abhängigkeit. 413 Als Konsequenz dieser Freiheit habe auch niemand eine natürliche Au-torität über einen anderen, da das Recht dazu erst geschaffen werden müsse. 414 Das Natur-recht mit der grundlegenden Freiheit des Menschen bilde damit die Grundlage des positiven Rechtes und damit auch erst für die souveräne Herrschaft. Insofern geht Rousseau weiter als Locke: Er hält jeglichen Unterwerfungsvertrag des Volkes unter einen Monarchen für recht-lich ungültig, da dies einer „Eigenveräußerung“ gleichkomme, die absurd sei. 415 Vielmehr hält er den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages zwischen dem Volk und den Regierenden für die Grundbedingung, um eine rechtliche Befehlsgewalt des Staates überhaupt aufbauen und begründen zu können. 416

ff) Krabbe

gg) Kelsen

hh) Carl Schmitt

ii) Heller

jj) Die absolute Souveränität heute

kk) Kritik an der Annahme der absoluten Souveränität An dem oben dargestellten Souveränitätsverständnis von einer absoluten Souveränität, de-ren Einzelkompetenzen dennoch an die EU delegiert werden können, wird Kritik geübt. 504

a) Theorie der Volkssouveränität

b) Volkssouveränität heute

c) Die Lehre vom Selbstbestimmungsrecht der Völker Der Vollständigkeit halber muss kurz auf das zumindest eng verwandte Prinzip der Selbstbe-stimmung eines Volkes eingegangen werden. Bei einer näheren Untersuchung könnte an dieser Stelle auch ein Ansatz zu finden sein, der das Verständnis des Bundesverfassungsge-richtes von Volkssouveränität und Staat in Frage stellt. Der Begriff des Selbstbestimmungs-rechtes der Völker stammt ursprünglich nicht aus dem Staatsrecht, sondern ist ein völker-rechtliches Prinzip. Grundsätzlich wird das Selbstbestimmungsrecht als ein Konzept verstan-den, das unabhängig vom Staat und dessen Staatsgewalt zu verstehen ist und davon abge-grenzt werden muss. 538 So wird auch festgestellt, dass, anders als die Staatsgewalt, die Exi-stenz des Selbstbestimmungsrechtes nicht vom Staat abhängt, sondern von der Existenz des jeweiligen Volkes. 539 Auf diese Weise wird ein Minderheitenschutz innerhalb eines Staates, dessen Staatsvolk nicht ohne Weiteres mit dem Volk aus der UN-Charta gleichgesetzt wer-den kann 540 , überhaupt möglich. 541

d) Ursprung und Entwicklung des Selbstbestimmungsrechtes Sprachlich gesehen meint der Begriff der Selbstbestimmung die Bestimmung des eigenen Handelns. 545 Damit legt schon sein wörtlicher Bedeutungsgehalt das Fundament für die freie Willensbestimmung des Individuums über die Form seines eigenen Daseins. 546 Ideenge-schichtlich ist das Selbstbestimmungsrecht mit dem Recht des Einzelnen, unabhängig von je-der Art der Fremdherrschaft zu sein, verbunden, womit ihm ein menschenrechtlicher Ansatz zugrundeliegt. 547 So kann man dies auch historisch auf das schon im 14. Jahrhundert nach-weisbare Widerstandsrecht zurückführen. 548 Über den Protestantismus des 16. Jahrhunderts wurde das Bild des selbstverantwortlichen Christen maßgeblich von Luther geprägt, und über die calvinistische Bewegung und deren Verherrlichung der geeinten Gemeinde bekam das Widerstandsrecht eine überindividuelle Note. 549 Später im 17. Jahrhundert entwickelten Grotius, Pufendorf und Vattel staatsrechtliche Ideen, denen zufolge die Änderung der Ge-bietsherrschaft der Zustimmung der Untertanen bedürfe, da diese sich lediglich vertraglich zum Zusammenleben im Staat vereint hätten, ähnlich dem Modell des Gesellschaftsvertra-ges nach Rousseau. 550 Hier wird die Zustimmung durch die Regierten 551 die Wurzel des Selbstbestimmungsprinzips. 552 Besonders bedeutend für die Entwicklung des Selbstbestim-mungsrechtes waren im 18. Jahrhundert die Französische Revolution und die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung. Es wurde jedoch bei Letzterer das Selbstbestimmungsrecht nicht weiterentwickelt, sondern sich lediglich über die Naturrechtslehre John Lockes darauf beru-fen 553 , so wurde der Anspruch auf eine Nation aus der Volkssouveränität begründet und da-mit die innerstaatliche Legitimation. 554 Auch das Prinzip des allgemeingültigen Anspruchs ei-nes Volkes auf Souveränität und die Gleichheit aller Völker sowie das daraus resultierende Prinzip des Interventionsverbotes 555 wurden als Ausprägung der Selbstbestimmung er-kannt. 556

e) Inhalt des Selbstbestimmungsrechtes

3. Demokratie

a) Wie die Demokratie vom Grundgesetz geschützt wird Im Grundgesetz in Art. 20 Abs.1 GG heißt es:

b) Historischer Ursprung der Demokratie bis hin zum heutigen Ver-ständnis

aa) Demokratie in der Antike

bb) Aquin/Padua

ff) Entwicklung der Demokratie in den amerikanischen Kolonien Parallel zu Europa entwickelte sich in den früheren Kolonien auf dem nordamerikanischen Kontinent ein eigenes Verständnis von Demokratie. In der Neuzeit wurde vor allem die Frage nach der Repräsentation des Souveräns aufgeworfen. Mithilfe der Republik sollte die „Selbstregierung“ durch das Volk ermöglicht werden. 635 Als Republik wurde eine Regierungs-form verstanden, in der alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht, aber durch gewählte Repräsen-tanten ausgeübt wird. 636 Kennzeichnend für das amerikanische Demokratieverständnis war die Auffassung, dass der Staat so aufgebaut werden müsse, dass das öffentliche Interesse möglichst automatisch erreicht würde, indem die Handelnden in Exekutive und Legislative als Privatpersonen mit ihren Familien genauso Adressaten der Staatsgewalt wären, wie das zu regierende Volk. 637 Die Repräsentation des Volkes wurde lediglich als ein willensbasiertes Vollmachtsverhältnis aufgefasst, welches sich aus dem Vertrauen gegenüber den Repräsen-tanten und der Verantwortung derselben gegenüber der Repräsentierten zusammen-setzte. 638

hh) Rousseau

ii) Kant

jj) Pölitz, Tocqueville, von Stein

kk) Naumann

c) Zwischenergebnis: Der substantielle Kern des Demokratieprin-zips

II. Auslegung der Strukturprinzipien mithilfe der integrationsof-fenen Auslegung

1. Wahrung der (substanziellen) Demokratie

b) Gewaltenteilung

c) Repräsentation

d) Identität des Grundgesetzes – Menschenwürde Die Menschenwürde ist in ihrer Bedeutung für die Demokratie streng von den vorigen „sub-stanziellen“ Aspekten der Demokratie zu trennen. Wie man bei Kant gesehen hat, ist die Menschenwürde die Grundlage des Grundgesetzes. Sie gibt kein bestimmtes Verfahren wie die vorigen Aspekte vor, sondern vielmehr den Inhalt dessen, was innerhalb dieser Verfah-ren artikuliert werden soll: die Selbstbestimmung/Volkssouveränität des deutschen Volkes. Zu der Frage der Identität des Grundgesetzes äußert sich das Bundesverfassungsgericht nur vage. Es stellt lediglich fest, dass die verfassungsrechtliche Identität der Mitgliedstaaten un-veräußerlich sei, 689 bezogen auf die Übertragung von Hoheitsrechten. Damit geht es ihm also weniger um die Rechtspersönlichkeit der Bundesrepublik, die nicht aufgegeben werden sollte bzw. kann. Der eigentliche Bezugspunkt der Identität des Grundgesetzes ist vielmehr die Selbstbestimmung des deutschen Volkes bzw. der deutschen Staatsbürger. Insofern ist diese Äußerung irreführend, da sie nicht hinreichend ihren Bezugspunkt benennt. Betrachtet man die Aussage isoliert, ist zu fragen, was der Identitätsbegriff des Gerichtes impliziert. Die zuvor erfolgte Untersuchung gelangte zu dem Schluss, dass die Verfassung des Grundgeset-zes auf der Menschenwürde als grundlegendes Konzept beruht. Legt man zugrunde, dass mit dem Vertrag von Lissabon über die damit mitverbürgten Menschenrechte auch die Men-schenwürde verbürgt ist 690 und beide Aspekte sogar von Art. 2 EUV verbürgt werden, könnte man erneut auch ohne die integrationsoffene Auslegung davon ausgehen, dass dieser As-pekt von der Europäischen Union oder einem europäischen Bundesstaat mit einem ver-gleichbaren Menschenrechtsschutz diese Identität stellvertretend wahren könnte. Nichts an-deres hat das Bundesverfassungsgericht, wie man bereits bei der Untersuchung der Solange-Rechtsprechung gesehen hat, für zulässig befunden. Sollen also die Ausführungen zur Identi-tät der Mitgliedstaaten einen eigenen Sinn haben, sind sie nicht in der Verbürgung der Men-schenwürde an sich zu suchen, sondern vielmehr in der Ableitung der Demokratie aus der Menschenwürde. 691 Diese Ableitung der Demokratie steht aber dann in keinem Gegensatz zur EU oder einem europäischen Bundesstaat, vorausgesetzt er würde diese Bindung an die Menschenwürde lediglich übernehmen. Auch ohne die integrationsoffene Auslegung ist der Schluss erlaubt, dass auch die im Grundgesetz verankerte Menschenwürde einem europäi-schen Bundesstaat unter Teilnahme Deutschlands nicht entgegensteht

a) Souveränität im Sinne von Staatlichkeit

bb) 2. Variante: Zusätzliche Staatlichkeitsebene Eine andere Möglichkeit, Souveränität integrationsoffen zu verstehen, ist, dass sich eine eu-ropäische Souveränität zusätzlich zu der nationalen Souveränität entwickeln könnte. 701 Bis-her geht man bei der Diskussion um den europäischen Bundesstaat, noch basierend auf Jelli-nek, von einer zweigliedrigen Staatlichkeit aus: Wie bereits zu Beginn dargestellt, hängt es dann vom Verständnis des Bundesstaatenmodells ab, ob man von einer zwischen Bund und Ländern geteilten oder einer einheitlichen Souveränität des Bundes ausgeht. Unabhängig da-von gibt es aber in beiden Modellen zwei Zuordnungssubjekte. Die vom Grundgesetz postu-lierte Volkssouveränität könnte „integrationsoffen“ gewahrt werden, wenn lediglich die „eu-ropäischen B elange“ von dem gesamteuropäischen Bundesstaat geregelt werden. Es würde also eine zusätzliche, eine dritte Staatlichkeitsebene und damit auch eine zusätzliche Souve-ränitätsebene eingefügt. Um aber dann nicht mit der Souveränität der mitgliedstaatlichen Bevölkerung in Widerspruch zu geraten, dürften dieser Ebene keine Kompetenzen einge-räumt werden, die eigentlich von den nationalen Parlamenten selbst verantwortet werden müssen. Da eine solche Abgrenzung wegen der schon jetzt zu beobachtenden Verselbststän-digung der Unionsorgane aber nicht ohne Weiteres möglich ist, wird ein Einschub einer drit-ten Staatsebene auch kritisch betrachtet. 702 Untersucht man die heutige Europäische Union mit der Vielzahl ihrer Kompetenzen, dann geht deren Einflussnahme auf die Mitgliedstaaten bereits darüber hinaus und stellt faktisch längst eine eigene Ebene der Staatlichkeit und Sou-veränität dar. 703

aa) 1. Variante: Teilbarkeit von Volks- und Staatssouveränität Zunächst gäbe es die Möglichkeit, Souveränität nach Pufendorf als grundsätzlich teilbar zu betrachten. 708 Damit würde zwar dem deutschen Volk und damit der Bundesrepublik Deutschland Souveränität zukommen, aber nur noch eine Teilsouveränität. Ähnlich zu ver-stehen sind Vorschläge, die hinsichtlich der fortwährenden Integration Deutschlands in die EU verlangen, dass die Bundesrepublik und damit explizit das Bundesverfassungsgericht von „nationalstaatlichen Legitimationsmustern“ abrücken und stattdessen die „überstaatliche Bedingtheit“ des Grundgesetzes ausreichend berücksichtigen müssten. 709 Man könnte also die Worte „alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ derart verstehen, dass tatsächlich Staats-gewalt vom deutschen Volk ausgeht, aber eben nur ein Teil der dazu komplementär beste-henden Souveränität des europäischen Staates. 710 Auch die Selbstbestimmung des Deut-schen Volkes, das über die Bekenntnisse in Art. 1 GG und die Konkretisierung über das Allge-meine Persönlichkeitsrecht für den Einzelnen im Grundgesetz verankert ist 711 , müsste ent-sprechend verstanden werden; das deutsche Volk müsste sich selbstbestimmt regieren kön-nen, aber eben nur so weit, wie seine kompetenziellen Grenzen an die des europäischen Bundesstaates stoßen. 712 Zwar wird zu diesem Aspekt angemerkt, dass darüber auch andere Völker Einfluss auf das deutsche Volk erhalten würden 713 , dies gilt jedoch nur in dem Maße, wie das deutsche Volk ebenso Einfluss auf andere Völker erhalten würde. Die im Grundge-setz verbürgte Würde des Menschen sagt auch nichts darüber aus, dass die Selbstbestim-mung nicht auch Grenzen haben kann. Zwar könnte man aus dem Konzept der Selbstbestim-mung an sich eine unbegrenzte Freiheit des deutschen Volkes ableiten 714 , jedoch kann dies in einem vereinten Europa nicht gelten. Diese Einschränkung ist notwendig, um Wertungswi-dersprüche zu vermeiden. Dies widerspricht auch nicht der „Würde - orientierten“ Ausrich-tung des Grundgesetzes. Zum einen wird bereits heute über die Europäische Union in Art. 2 EUV und die darin verbürgten grundlegenden Werte die Menschenwürde mit geschützt, wo-mit das deutsche Volk nicht einem grundlegend anderen Wertekonzept ausgeliefert wäre. 715

cc) 3. Variante: Parallele Volkssouveränität

F. Das europäisches (Staats-)Volk

I. Die Begriffe Volk, Nation, Staat

II. Ein europäisches Volk auf soziologisch-ethnologischer Basis Ob es ein europäisches Volk gibt, ist umstritten. Das Meinungsspektrum lässt sich in drei Strömungen untergliedern: zum einen diejenigen, die eine Formierung eines europäischen Gesamtvolkes als mögliche Grundlage eines neuen Staates gänzlich ausschließen 766 ; zum an-deren diejenigen, die zwar die Existenz eines solchen Volkes noch nicht anerkennen, eine Entwicklung hierzu aber nicht ausschließen 767 ; und schließlich diejenigen, die schon heute in den Völkern Europas ein europäisches Volk sehen. 768

2. Es könnte ein europäisches Volk geben

3. Es gibt bereits ein europäisches Volk

4. Ein europäisches Volk auf staatsrechtlicher Basis Fraglich ist, ob man bei der Untersuchung der Möglichkeit des europäischen Bundesstaates und seiner demokratischen Grundlage, des Volkes, überhaupt andere Wissenschaften heran-ziehen muss. Die Beantwortung dieser Frage hat maßgeblich Einfluss auf das Verständnis der Volkssouveränität. 828 Diese muss, wie dargelegt, einem europäischen Staat gegenüber offe-ner ausgelegt werden. Wenn das für die Interpretation des Demokratie- und Souveränitäts-prinzips entscheidende Konzept der Volkssouveränität aufgrund eines – bisher – verfehlten Verständnisses von Volk neu verstanden werden muss, hat dies auch Auswirkungen auf die Ergebnisse der integrationsoffenen Auslegung. Deshalb ist es nun entscheidend, ob diese Untersuchung zu dem Ergebnis kommt, dass der Volksbegriff anders aufzufassen ist. Wo-möglich könnte auf die Bezugnahme anderer Disziplinen zur Untergliederung der Weltbevöl-kerung verzichtet werden. Der Ansatz, die Begrifflichkeiten Nation/Volk und Staatsangehö-rigkeit/Staatsbürgerschaft voneinander zu trennen, soll dabei aufgegriffen werden. Grundlegend kann festgestellt werden, dass die zuvor dargestellten Ansichten davon ausge-hen, dass die Entstehung eines europäischen Volkes und auch des europäischen Staates nur auf eine Art und Weise möglich sei: dass ein europäisches Volk mit einer eigenen Volkssou-veränität die demokratische Grundlage für den Staat schafft. Wie bereits dargestellt 829 wäre demnach das Volk die Legitimationsgrundlage für den demokratischen Staat, womit sich die Nation zum Staat mit einer eigenen Staatlichkeit und Souveränität entwickeln und erst dar-über die Staatsangehörigkeit/Staatsbürgerschaft vermitteln könnte. Demnach wäre das Staatsvolk mit seinen Staatsbürgern erst das Produkt des Volkes und seiner Verfassungsge-bung. 830 Dieser logische Schluss entspricht aber nicht der Wirklichkeit. Nur in wenigen Fällen hat sich wie zuletzt im Kosovo 2008 ein Volk / eine Nation und im Folgenden erst der Staat gebildet. Folgt man den Beispielen der letzten Jahrhunderte, kann die Schöpfung eines euro-päischen Gesamtbundesstaates auch vom Staat aus bewerkstelligt werden. 831 Manche Staatsrechtler gehen sogar davon aus, dass nicht nur ein Identitätsgefühl durch den Staat ge-schaffen werden kann, sondern auch die Frage der Ethnizität darüber entschieden wird. Es wird davon ausgegangen, dass die in einem Staatsgebiet von einer Staatsgewalt umfasste Bevölkerung auch nach einiger Zeit eine ethnische Identität entwickelt. 832 So stellte schon Heller fest, dass sowohl das Volk als auch die Nation nicht als die natürliche Einheit betrach-tet werden dürften, die der staatlichen Einheit vorgegeben wäre und sie selbsttätig konstitu-iere. 833

a) Das Staatsvolk – Konzept der Staatsangehörigkeit Wie schon zuvor bei der Untersuchung der Begriffe Volk und Nation festgestellt werden konnte 837 , sind die in diesem Bereich verwendeten Begriffe unscharf. So wird zum Teil der Begriff des Volkes auch mit dem Staatsvolk oder der Nation gleichgesetzt. Während aber Na-tion und Volk heutzutage mit denselben Konzepten umschrieben werden, knüpft der Begriff des Staatsvolkes an eine Institution an: den Staat. Eine weiterführende Definition lautet: Staatsvolk sind die mit dem Staat in spezifischer Weise verbundenen Menschen, die ihm zugehörig sind. 838 , sondern vielmehr sollen die Bevölkerungsbestandteile Europas, die sich eine eigene Verfas-sung geben wollen, als (Staats-)Volk begriffen werden, was nicht deckungsgleich sein muss. Was der Begriff der Staatsangehörigkeit zum Inhalt hat, ist umstritten: Vertreten wird zum einen, dass es sich bei der Staatsangehörigkeit um ein Rechtsverhältnis der Zugehörigkeit einer natürlichen Person zu einem bestimmten Staat handelt, aus dem die an diese Staatsangehörigkeit anknüpfenden gegenseitigen Rechte und Pflichten folgen. 840. b) Folgen

c) Problem der Letztbegründung

d) Staatsvolk gespeist aus politischem Willen

G. Konsequenz: 4. Variante: Europäische Staats-Volkssouveränität

H. Auswirkungen auf das Staatlichkeitsverständnis

I. Auswirkungen auf das Demokratieverständnis

J. Zusammenfassung

Rechtsprechungsverzeichnis. Deutsche Gerichte. Bundesverfassungsgericht

Europäischer Gerichtshof

Internationaler Gerichtshof

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Die Lissabon-Entscheidung und die Notwendigkeit, Volkssouveränität neu zu verstehen

vorgelegt von

.....

GG Grundgesetz

h. M. herrschende Meinung

.....

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