Jetzt wird es spannend
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Renate Haußmann (Hg). Jetzt wird es spannend
Отрывок из книги
Prosa im Trialog
Jetzt wird es spannend, denn die elf Autorinnen dieses Erzählbandes haben sich auf das Experiment des kollektiven Schreibens eingelassen. Zu dritt eine Geschichte in aufeinanderfolgenden Kapiteln zu schreiben, die schlüssig und plausibel erzählt wird, ist eine Herausforderung. Welchen Namen gibt man dem gemeinsamen Kind, welche Merkmale bestimmen die Handlung und wessen Werte geben den Protagonist*innen eine Seele und eine unverwechselbare Haltung? Und wie baut man die Brücke von Kapitel zu Kapitel, damit die trialogisch verstrickte Handlung zu einem gemeinsamen Werk wird? Das literarische Werkzeug ist der ‚Cliffhänger‘, der den Spannungsbogen von Kapitel zu Kapitel treibt und der die drei Autorinnen einer Geschichte miteinander verbindet.
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Der Gärtner war es, der die Leiter am Kirschbaum stehen ließ. Er machte Mittagspause, als Mira aus der Schule kam. Wie sollte sie da widerstehen? Die Sprossen konnte sie leicht überwinden, sie reichten aber nicht ganz zu den ersten Ästen. Mit leichtem Schwung stieß sie sich von der letzten Stufe ab und erreichte den nächsten Ast, der sich so lange gegen die ungewohnte Last wehrte, bis er brach. Mit einer Schubkarre brachte Inge sie in die Krankenstation der englischen Besatzer, die von der Milchstraße aus zu erreichen war. Ohne darüber nachzudenken, nahm sie einen ganzen Satz Zettel vom Nachttisch ihres stummen kleinen Mädchens. NEIN, schrieb Mira, auf die Frage, ob sie Schmerzen hätte. JAA, gleich darauf, als der Arzt ihren Arm anfasste, und TUT MIR LEID, als sie mit dem eingegipsten linken Arm die aufgeregte Inge umarmte. Das Haus der Engländer verließen sie mit zwei Eintrittskarten für die Hamburger Musikhalle. „Sie spielen wieder“, sagte der junge Soldat. „Gehen sie mit der Kleinen hin. Musik heilt alle Wunden.“ Von dem Moment hatte ihr Leben eine Wende genommen.
Alle Kirschen sind weggeträumt. Sie ist wieder angekommen im Leben und in der Realität. Schon die ganze Woche rückten Nachrichten sie gedanklich nahe an die Ereignisse, die tief im Speicher ihrer Erinnerungen lagen. In Hamburg werden wieder Flüchtlingsheime gebaut. Menschen aus Kriegsgebieten stehen vor der Tür und hoffen darauf, dass auch ihr Leben eine Wende nimmt. In der Morgenpost sah sie den Bauplan für Wohneinheiten im Park an der Alster. Der Kirschbaum sollte verschwinden.
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