Freud und das Vermächtnis des Moses

Freud und das Vermächtnis des Moses
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Richard Bernsteins «Freud und das Vermächtnis des Moses» ist nicht nur ein fundierter Kommentar zu Freuds Engführung von Religionsgeschichte und Psychohistorie, sondern stellt auch den vorläufig letzten Höhepunkt im Rahmen der (post-)modernen Neubewertung des Freud'schen Œuvres dar.

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Richard J. Bernstein. Freud und das Vermächtnis des Moses

Freud und das Vermächtnis. des Moses

Inhalt

Vorwort

Kapitel 1. Der ägyptische Ursprung des Monotheismus und die Ermordung Moses’ Prolog

Die Erzählhandlung

Die These: Moses war ein Ägypter

Die Ellipse: Wenn Moses ein Ägypter war…

Moses’ Monotheismus: Erste Hinweise

Historisches Zwischenspiel: Von Wien nach London

Kapitel 2. Tradition, Trauma und die Wiederkehr des Verdrängten. „Das wichtigste Stück des Ganzen“

Tradition: Das Problem der „Lücke“

Vom Totemismus zum Monotheismus

Mündliche Tradition

Freuds Lamarckismus?

Schwierigkeiten

Tradition: Das Zusammenspiel bewußter und unbewußter Erinnerungsspuren

Historische Wahrheit

Kapitel 3. Antisemitismus, Christentum und Judentum. Antisemitismus und Christentum

Der Vorwurf: „Was ist an dir noch jüdisch?“

Kapitel 4 „Dialog“ mit Yerushalmi1

Ein Briefwechsel zwischen Sigmund Freud und Lou Andreas-Salomé1

Anmerkungen. Vorwort

Kapitel 1. Der ägyptische Ursprung des Monotheismus und die Ermordung Moses’

Kapitel 2. Tradition, Trauma und die Wiederkehr des Verdrängten

Kapitel 3. Antisemitismus, Christentum und Judentum

Kapitel 4 „Dialog“ mit Yerushalmi

Ein Briefwechsel zwischen Sigmund Freud und Lou Andreas-Salomé

Literaturverzeichnis. A. Werke von Sigmund Freud

B. Sekundärliteratur

Sach- und Titelregister

Personenregister

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Richard J. Bernstein, 1932 geboren, ist Professor für Philosophie und lehrte unter anderem an der Yale University und der Hebrew University. Derzeit unterrichtet er an der New School in New York. Neben Arbeiten über John Dewey und den amerikanischen Pragmatismus publizierte er Schriften zu Habermas und Hannah Arendt.

Aus dem Englischen von Dirk Westerkamp

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„Herodot, der ‚Vater der Geschichte‘ teilt uns mit, daß die Sitte der Beschneidung in Ägypten seit langen Zeiten heimisch war, und seine Angaben sind durch die Befunde an Mumien, ja durch Darstellungen an den Wänden von Gräbern bestätigt worden. Kein anderes Volk des östlichen Mittelmeeres hat, soviel wir wissen, diese Sitte geübt; von den Semiten, Babyloniern, Sumerern ist es sicher anzunehmen, daß sie unbeschnitten waren. Von den Einwohnern Kanaans sagt es die biblische Geschichte selbst; es ist die Voraussetzung für den Ausgang des Abenteuers der Tochter Jakobs mit dem Prinzen von Sichem. Die Möglichkeit, daß die in Ägypten weilenden Juden die Sitte der Beschneidung auf anderem Wege angenommen haben als im Zusammenhange mit der Religionsstiftung Moses’, dürfen wir als völlig haltlos abweisen. Nun halten wir fest, daß die Beschneidung als allgemeine Volkssitte in Ägypten geübt wurde, und nehmen für einen Augenblick die gebräuchliche Annahme hinzu, daß Moses ein Jude war, der seine Volksgenossen vom ägyptischen Frondienst befreien, sie zur Entwicklung einer selbständigen und selbstbewußten nationalen Existenz außer Landes führen wollte – wie es ja wirklich geschah –, welchen Sinn konnte es haben, daß er ihnen zur gleichen Zeit eine beschwerliche Sitte aufdrängte, die sie gewissermaßen selbst zu Ägyptern machte, die ihre Erinnerung an Ägypten immer wachhalten mußte, während sein Streben doch nur aufs Gegenteil gerichtet sein konnte, daß sein Volke sich dem Lande der Knechtschaft entfremden und die Sehnsucht nach den ‚Fleischtöpfen Ägyptens‘ überwinden sollte? Nein, die Tatsache, von der wir ausgingen, und die Annahme, die wir an sie anfügten, sind so unvereinbar miteinander, daß man den Mut zu einer Schlußfolge findet: Wenn Moses den Juden nicht nur eine neue Religion, sondern auch das Gebot der Beschneidung gab, so war er kein Jude, sondern ein Ägypter, und dann war die mosaische Religion wahrscheinlich eine ägyptische, und zwar wegen des Gegensatzes zur Volksreligion die Religion des Aton, mit der die spätere jüdische Religion auch in einigen bemerkenswerten Punkten übereinstimmt.“46

Wir mögen ein Unbehagen an der laxen Art und Weise spüren, mit der Freud sich der hebräischen Bibel dort bedient, wo sie seine Argumentation stützt, aber als störend beiseite schiebt, wo sie seine Annahmen durchkreuzt. Und in der Tat setzt sich Freud ernsthaften methodologischen Einwänden aus, wenn er, nicht ohne Selbstbewußtsein, behauptet: „Den biblischen Bericht über Moses und den Auszug kann kein Historiker für anderes halten als für fromme Dichtung, die eine entlegene Tradition im Dienste ihrer eigenen Tendenzen umgearbeitet hat.“47 Freud legt die Kriterien für seinen selektiven Blick auf die biblische Erzählung und die Auswahl der Stellen, die er als Zeugen der historischen Wahrheit erachtet, und solcher, die er für Entstellungen hält, nirgendwo wirklich offen. Man kann sich daher auch des Eindrucks nicht erwehren, Freud habe, überzeugt von der Richtigkeit seiner Deutung, die Bibel noch einmal selektiv auf die Passagen durchgesehen, die seinen Ansatz stützen. Mehrfach behauptet er in der zweiten Abhandlung, daß der fromme Schriftsteller in seiner Überlieferung und Redaktionierung der biblischen Erzählung „eigenen Tendenzen“ folge. Daß er selbst sich diesem Verdacht aussetzt, scheint Freud, seiner Pose des interesselosen, allein die historischen Fakten ermittelnden Historikers zum Trotz, offenbar nicht einzuleuchten.

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