Eis. Abenteuer. Einsamkeit
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Richard Löwenherz. Eis. Abenteuer. Einsamkeit
PROLOG
1. VORBEREITUNGEN IN JAKUTSK
AUFBRUCH ZUM STARTPUNKT
2. ABZWEIG INS UNGEWISSE. TAG 1, KILOMETER 0
VON HÜTTE ZU HÜTTE
INS WERCHOJANSKER GEBIRGE
3. EISGEBADET NACH TOPOLINOE. TAG 5, KILOMETER 159
BEGINN DES ZIMNIKS
4. OFFROAD DURCHS GEBIRGE. TAG 7, KILOMETER 204
BISSIGER FROST
WETTERSTATION IEMA
5. MIT WODKA IM BLUT. TAG 11, KILOMETER 386
TRINKFREUDIGE TRUCKER
6. BATAGAJ – DER SPION, DER IN DIE KÄLTE GING. TAG 15, KILOMETER 550
IM VISIER DER BEHÖRDEN
7. UNTER NORDLICHTERN NACH UST’-KUJGA. TAG 21, KILOMETER 803
UMWEG DURCH DIE SÜMPFE
WEITER AUF DER JANA
LETZTER VERSORGUNGSPOSTEN
8. SCHNEEVERWEHT INS NIRGENDWO. TAG 27, KILOMETER 1.195
BEGEGNUNG MIT EINEM FILMTEAM
BULUN-ZIMNIK
9. ÜBER DEN ARKTISCHEN OZEAN. TAG 32, KILOMETER 1.437
AUF DEM MEEREIS
10. FINALE IN TIKSI. TAG 43, KILOMETER 1.762
RÜCKFLUG
DANKSAGUNG
ANHANG
Отрывок из книги
Es ist der 8. April 2017, Tag 35, bisher zurückgelegte Kilometer: 1.550. Mit zusammengekniffenen Augen starre ich in eine blendende Leere. Nichts lenkt ab, nichts scheint bedeutsam. Selten im Leben war ich so konzentriert, so fokussiert. Ich fühle meinen Herzschlag, meinen Puls, wie mir das warme Blut die kalten Wangen hinaufsteigt. Ein frostiger Lufthauch überstreicht sie. Ich ziehe meine Gesichtsmaske ein Stück höher. Es ist zwar schon April, doch der Winter ist noch längst nicht vorbei. Ich bin in Sibirien, draußen in den menschenleeren Weiten der arktischen Tundra, weit nördlich des Polarkreises. Das letzte Dorf liegt vier Tagesetappen hinter mir. Wann werde ich das nächste erreichen? Ich weiß es nicht. Zu groß sind die Unwägbarkeiten, ich muss sie nehmen, wie sie kommen. Klagen bringt nichts. Die Einsamkeit schenkt mir Klarheit. Hier draußen zählt nur die Tat. Und so trete ich wieder in die Pedale, setze mein schwer bepacktes Rad in Bewegung, hinter mir einen Schlitten ziehend, und fahre mit nüchternem Blick der tiefstehenden Sonne entgegen. Es gibt nur einen Weg, und der führt nach vorn. Meine Sehnsüchte haben mich hierhergeführt, und sie werden mich auch weiter tragen.
Fahrspur über den gefrorenen Arktischen Ozean.
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Am nächsten Tag gehe ich unangemeldet in das Büro der Tourfirma Nordstream[1]. Michail erkennt mich sofort wieder und lässt seine Arbeit spontan ruhen. Es ist ein herzliches Wiedersehen, das von großem gegenseitigen Interesse geprägt ist. Michail organisiert teils anspruchsvolle Wildnis- und Raftingtouren durch die schönsten Regionen Jakutiens, die er auch regelmäßig begleitet, und kennt sich gut aus mit den Gepflogenheiten abseits der Zivilisation. Klar, dass er vor zwei Jahren auch den Verlauf unserer Wildnistour durch das Suntar-Chajata-Gebirge mitverfolgt und einige unserer Abenteuergeschichten mitbekommen hat – die Begegnungen mit hungrigen Bären, unsere Trennung mitten im Nirgendwo, die entkräftete Rückkehr … Wir waren früh in der Saison gestartet, eigentlich zu früh, um problemlos über den bis zu 3.000 Meter hohen, noch im Schnee liegenden Gebirgszug zu gelangen, denn erst dahinter lag der Fluss, auf dem ein 500 Kilometer langes Rafting zum Ochotskischen Meer folgen sollte. Alle erfahrenen Wildnisgänger, die wir um eine Einschätzung zur Durchführbarkeit baten, machten uns wenig Hoffnung. Wir sind trotzdem losgezogen, allerdings kamen wir nur mit deutlicher Verzögerung voran, sodass wir am Ende unseren Proviant strecken mussten, um wieder heil aus der Sache rauszukommen. Und nun erzähle ich Michail von meinem neuen Vorhaben, das für einen Moment auch seine Vorstellungskraft sprengt. Mit dem Fahrrad bis Tiksi!? Im Winter!? Allein!? Er werde mir auf jeden Fall helfen und mich informieren, sobald er einen Fahrer findet, der mich in einem Sammeltaxi zum Startpunkt der geplanten Radtour bringen würde.
Inzwischen ist auch mein Fahrrad eingetrudelt, das mir vom Flughafen direkt zur Unterkunft gebracht wurde. Ich bin sichtlich erleichtert und checke den Zustand: alles da, alles ganz. Nur an der Lenkertaschenhalterung ist eine Ecke abgebrochen, mit dem darunter montierten Gepäck sollte sie aber genug gestützt sein. Jetzt kann ich auch endlich einen Termin nennen, an dem es losgehen soll. Ich gebe Maria Bescheid, dass ich nur noch zwei Nächte in der Unterkunft bleibe. Dann fahre ich mit einem der vielen Linienbusse zu einem riesigen Supermarkt am Stadtrand und besorge mir den Proviant für die erste 900 Kilometer lange Radetappe. Ich rechne mit drei, maximal vier Wochen, ehe ich wieder eine größere Siedlung mit Einkaufsmöglichkeit erreiche. Für die Hauptmahlzeiten plane ich Nudeln, Hafer, Grieß, Rosinen, Zucker und Butter ein, als Snacks Räucherkäse, Salami, Speck, Knäckebrot, Zwieback, Kekse, Lebkuchen, Halva und ein paar Müsliriegel – 13 Kilogramm kommen zusammen. Aus Berlin hatte ich zudem schon mitgebracht: Ei- und Milchpulver, Trockengemüse, Tütensuppen, Salz, Gewürze, Knoblauch, Trockenobst, Nüsse, etwas Schokolade und ein Fläschchen Honiglikör, was für die gesamten sechs Wochen reichen muss, da sich derlei »Luxus« unterwegs nur schwer oder gar nicht auftreiben lässt. Und wenn doch, dann nicht unbedingt in der gewünschten Qualität oder Portionierung. Am nächsten Tag hole ich mir noch drei Liter Benzin von einer Tankstelle, um jederzeit autark kochen zu können. Und Signalpatronen für den Fall, dass ich am Ende der Tour noch auf Eisbären treffen sollte.
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