Für Charles Fourier gab es keine Utopie ohne Musik. Der französische Dramatiker und Saint-Simonist Charles Duveyrier träumte von einer Stadt als Klangkörper, einem im Zentrum gelegenen Soundtempel. Hugo Gernsback ersann eine telematische Oper. Bertold Brecht wollte das Publikum singen lassen, die Futuristen eine neue Geräuschkunst erfinden und John Cage den Klang befreien. Doch was ist heute die Musik der Zukunft? Die Streamingdienste sorgen dafür, dass der Einzelne immer von Musik umgeben ist, und versuchen, sich auf technischem Wege an das Individuum zu assimilieren. Begonnen hat diese Art des Generierens von Playlisten 1994 mit einem Programm namens «Ringo»: die erste Software, um Musik dem Geschmack des Hörers anzupassen, zu filtern, zu steuern. Das funktionierte zunächst simpel mit Bewertungen, die der Nutzer abgibt. Der Weg bis zur heutigen Nutzung von Spotify, Deezer, Tidal & Co war aber noch weit: Heute sollen Algorithmen sich der körperlichen Aktivität, der Psyche des Hörers anpassen.
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Robert Barry. Die Musik der Zukunft
Präludium: 2016
Erster Akt: 1913. 1.1 Ballast
1.2 Tropenfisch-Oper
1.3 Jeder Strich, Fleck und Klecks
1.4 Tele-Theater
1.5 Ätherophon
1.6 Geräuschklänge
1.7 Der Klang selbst
1.8 Kosmosdramen
1.9 Netzwerk-Realismus
Intervall: 2014
Zweiter Akt: 1852. 2.1. Musica Ricercata
2.2 Accelerationen-Walzer
2.3 Zukunftsmusik
2.4 Ein Traum aller Träume
2.5 Die Klassiker
2.6 Die Brandstifter
2.7 Das Zeitalter der Kritik
2.8 Geruchsklavier
2.9 Die Bedeutung der Nachricht
Intervall: 2015
Dritter Akt: 2079. 3.1 Wie Wasser
3.2 Himmlische Jukebox
3.3 Das goldene Zeitalter
3.4 Telharmonium
3.5 Stimulus Progression
3.6 Auch das Piepen
3.7 Musikstaffelei
3.8 Liebe in einem Ufo
3.9 Was möchte Spotify?
Coda: 2016
Bibliographie
Danksagung
Отрывок из книги
Robert Barry
Die Musik der Zukunft
.....
Ich habe mich oft gefragt, wie sich Bradbury die angeblich aus der Zukunft stammenden »Tonbänder und Schallplatten« seines Zeitreisenden eigentlich vorgestellt hat. Womit wären sie bespielt gewesen? Welche Materialien aus seiner Gegenwart oder Vergangenheit hätte er nutzen können, um sie irgendwie wie ein Produkt der Zukunft klingen zu lassen? Bilder oder sogar Filme zu fälschen, das konnte er sich sicherlich vorstellen. Bradbury kannte Hollywood. Als Teenager besuchte er Mitte der 1930er Jahre die Los Angeles High School; in der Hoffnung, einen Star zu treffen, fuhr er auf Rollschuhen in der Gegend um Melrose Place, Figueroa Street oder North La Brea Avenue herum, in der Nähe der Filmstudios.
Als Bradbury Anfang der 1980er an seinem Schreibtisch in den Cheviot Hills saß, vielleicht mit dem Gefühl seines Zeitreisenden, dass überall »professionelle Verzweiflung, intellektuelle Langeweile« und »politischer Zynismus herrschten«, was hat er da gehört, das ihn denken ließ, jemand könne die Musik der Zukunft fälschen?