Künstliche Aussichten
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Roger Diehl. Künstliche Aussichten
Kapitel 1: Schuljahre
Kapitel 2: Ausflug in die Bourgeoisie
Kapitel 3: Viel Glück
Kapitel 4: Retardierende Momente
Kapitel 5: Satisfaktion
Impressum
Отрывок из книги
Titel
Kapitel 1: Schuljahre
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So überwindet sich Daniel und fordert Viola zum Tanz auf; man sollte wohl eher sagen: Er begibt sich in ihre Hände. Und sie nimmt ihn mit - was gar nicht mehr nötig gewesen wäre, schließlich hat sie ihn zu diesem Zeitpunkt doch schon längst. Sie wirken beide seltsam deplatziert hier in diesen Räumen. Viola eigentlich nicht so sehr durch ihr Äußeres - sie trägt eine dünne, von seriöser Geschmackssicherheit zeugende, dezente Bluse, welche jedoch in Kombination mit dem eine Spur zu lasziv arrangierten BH, der von hautfarbenen Plastikträgern zusammengehalten wird, offensichtlich mehr erahnen lassen soll, als zu ihr passen würde, und somit ihre Gesamterscheinung eher konterkariert, geradezu so, als ob sie ihrer äußeren Wirkung nicht trauen würde, und eine enge, abgetragene Jeanshose, die oben sorgfältig in den Schritt gezogen ist - als vielmehr durch ihre Aura. Sie strahlt auf ihn etwas aus, was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht entziffern kann, etwas, was ihn gleichwohl reizt bis zum Äußersten. Viola ist nicht viel kleiner als er, und zusammen mit ihren daher unnötig hohen, etwas altmodisch anmutenden Stöckelschuhen, die wie emailliert aussehen, überragt sie ihn sogar leicht, muss das Ganze auf Außenstehende so wirken, als ob sie ihn, den Verzagten, mittels raumgreifender Schritte an sicherer Hand über das Parkett ziehen würde. Das zähnebleckende Lächeln, das sie ihm dabei gelegentlich zukommen lässt, kann dabei nur heißen: Du bist zwar der schlechteste Tänzer, der mir je untergekommen ist, aber, vorausgesetzt, du begibst dich ab sofort in meine Hände, so könnte selbstverständlich auch in diesem Punkt Abhilfe geschaffen werden.
Doch jenseits ihres saloppen Gehabes wird auch noch etwas anderes für ihn spürbar, schimmert - für Bruchteile von Sekunden zwar nur, aber dennoch sichtbar - eine wohl leicht zu verletzende und wahrscheinlich auch schon verletzte Note durch ihren Blick, die aus ihrem Innersten zu kommen scheint, die dann in eine Form von Ernsthaftigkeit mündet, die von nichts anderem mehr als Vollkommenheit künden kann, die ihn so sehr anspricht und für sie einnimmt, dass sie ihm sämtliche Auswege versperrt - gut überspielt immerhin mittels einer eisernen Maskerade, aber nicht gut genug für ihn; denn, wenn er wirklich etwas gelernt hat in diesem Leben, dann besteht es wohl mit Sicherheit darin, die entscheidenden Informationen stets zwischen den Zeilen zu suchen, das Ungesagte, das durch die Tonlage mitschwingt, zu deuten. Der Gestus sowie die Körpersprache in als unbeobachtet angenommenen Momenten sagen ihm meist mehr oder etwas anderes über jemanden, als dieser darzustellen beabsichtigt. Ebenso charakterisiert für ihn die Art der Sprache, weniger, was konkret gesagt wird, oftmals sein Gegenüber, wobei er gerade in diesem Punkt immer häufiger eine sich verstetigende Unmäßigkeit, die sich darin ergeht, aus wirklich allem etwas herauslesen zu wollen, an sich festzustellen glaubt, die von seiner Umgebung zuweilen als Impertinenz oder gar einen Hang zur Indiskretion wahrgenommen zu werden scheint, und die nicht selten auch ihn selbst zu Fehlannahmen verleitet, die er dann oftmals nur mit viel Mühe und gemessener zeitlicher Distanz an sich heranlässt. Das liest er jedenfalls gelegentlich aus ihm gegenüber verstört wirkenden Gesichtern ab.
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