Bekenntnisse eines Häretikers

Bekenntnisse eines Häretikers
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Während der Zeitgeist einmal mehr nach Utopia entwischt, betrachtet Roger Scruton die sitzengelassene Gegenwart: in zwölf Essays denkt er nach übers Regieren, Bauen und Tanzen, über das Sprechen vom Unsagbaren, über Trauern und Sterben, darüber, wie so getan wird, als ob, wie Leute sich hinterm Bildschirm verstecken, wie Tiere geliebt und Etiketten geklebt werden, über das Bewahren der Natur und die Verteidigung des Westens.
Bei seinen Streifzügen ist der Blick zurück erlaubt, nicht als Flucht in die andere Richtung, sondern um an das alte Maß einer handlungsfähigen Gemeinschaft verantwortlicher Individuen zu erinnern. Statt im globalen Überall-und-Nirgends agiert diese Gemeinschaft in einem überschaubaren, kohärenten Territorium, dem sie sich existentiell verbunden fühlt. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bilden einen organischen Zusammenhang, Vorfahren, Zeitgenossen und kommende Generationen stehen in Kontakt miteinander. Scruton untersucht, wie dieser lebenswichtige Zusammenhalt eines Gemeinwesens gefördert oder behindert, geschützt oder zerstört wird. Und lebenswichtig bleibt ihr Zusammenhalt auch in Hinsicht auf die Freiheitlichkeit einer Gesellschaft: «Denn er stellt ganz einfach die andere Seite der Freiheit dar, das, was da sein muss, damit Freiheit überhaupt möglich wird».
Dass mittlerweile prompt mit Anklage wegen Ketzerei und eiliger Exkommunikation zu rechnen hat, wer die gern zitierte Freiheit des Andersdenkenden beansprucht, lässt den Titel des Buches weniger dramatisch als realistisch klingen.
"Freude entsteht, wenn wir etwas tun, was nicht einfach Mittel zu einem Zweck ist, sondern einen Zweck in sich selbst hat, und wir uns um diesen Selbstzweck herum mit anderen zusammenfinden, die sich ihm in gleicher Weise verbunden fühlen wie wir selbst. In diesem miteinander geteilten Gefühl von Verbundenheit kommt die Achtung gegenüber unserer vernünftigen Natur zum Ausdruck und es bestärkt uns im Wissen um unsere Freiheit". (Roger Scruton)

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Roger Scruton. Bekenntnisse eines Häretikers

BEKENNTNISSE EINES HÄRETIKERS

INHALT

Vorwort

1. So tun, als ob

2. Tiere lieben

3. Vernünftig regieren

4. Richtig tanzen

5. Bauen, was bleibt

6. Vom Unsagbaren sprechen

7. Hinterm Bildschirm verstecken

8. Trauern um das, was wir verloren haben Überlegungen zu Richard Strauss’ »Metamorphosen«

9. Etiketten kleben

10. Rechtzeitig sterben

11. Natur bewahren

12. Den Westen verteidigen

Anmerkungen. Tiere lieben

Vernünftig regieren

Richtig tanzen

Etiketten kleben

Rechtzeitig sterben

Den Westen verteidigen

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Roger Scruton

Aus dem Englischen von Julia Bantzer

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Der tschechische Romancier Milan Kundera hat eine berühmte Bemerkung gemacht: »Kitsch«, so schrieb er, »lässt in rascher Folge zwei Tränen fließen. Die erste Träne besagt: ‚So entzückend, wie die Kinder durchs Gras tollen!‘ Die zweite Träne ergänzt: ‚So wunderbar, in Einklang mit der gesamten Menschheit diese Rührung zu empfinden, wenn die Kinder durchs Gras tollen!‘« Beim Kitsch geht es, anders gesagt, nicht um den jeweiligen Gegenstand der Betrachtung, sondern um den Betrachter. Im Umgang mit Kitsch stellt sich Rührung nicht angesichts des Püppchens ein, das wir so liebevoll einkleiden, sondern angesichts unserer selbst, die wir das Püppchen so liebevoll ausstaffieren. Auf diese Weise funktioniert jegliche Sentimentalität: sie lenkt die Gefühle vom Objekt zurück auf das Subjekt, wobei die Illusion eines echten Gefühls geschaffen wird, ohne dass irgendjemand sich die Mühe machen müsste, das Gefühl tatsächlich zu empfinden. Das Kitsch-Objekt ermutigt einen, sich in seinem Gefühlsschwang für einen besonders reizenden und liebenswerten Menschen zu halten. Eben das hat Oscar Wilde angesichts einer von Dickens‘ schwülstigsten Sterbeszenen zu der Bemerkung veranlasst: »Ein Mensch muss ein Herz aus Stein haben, um bei Little Nells Tod nicht in Gelächter auszubrechen.«

Das ist, kurz gesagt, der Grund, weshalb die Modernisten einen derartigen Horror vor Kitsch hatten. Sie glaubten, dass die Kunst im Verlauf des 19. Jahrhunderts die Fähigkeit eingebüßt habe, ein klares, echtes Gefühl von seinem vagen, die Selbstzufriedenheit nährenden Surrogat zu unterscheiden. In der figurativen Malerei, der tonalen Musik, in Klischee-durchtränkten Gedichten von heroischer Liebe und mythischer Glorie entdecken wir das gleiche Übel – der Künstler bemüht sich nicht mehr um die Erforschung des menschlichen Herzens, er legt Windeier und trägt sie zu Markte.

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