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Ron Matchik


Pugna Pugnarum


(Die Schlacht der Schlachten)


Die Schriften der alten Legende

Impressum:


Pugna Pugnarum

Ron Matchik

Copyright 2012 Martin Koch

published at epubli GmbH,

Berlin www.epubli.de

ISBN 978-3-8442-2426-9

Inhalt


Die Schöpfung


Reise nach Primus


Edenia


Sapientes


Die Exkursion


Die Verschwörung


In den Katakomben


Die Friedensverhandlung


In den Katakomben


Letzte Vorbereitungen


Die heiligen Rituale


Dem Ende so nahe


Finale Grande


Anhang

Die Schöpfung

Am Anfang war das Nichts, die große Leere. Und in dieser großen Leere existierten nur drei Urmächte: das "Gute", das "Böse" und die "Weisheit". Das "Gute" ist die kreative, schöpfende und erschaffende Macht, das "Böse" die vernichtende, verwüstende. Die Weisheit" ist eine neutrale und passive Macht. Sie ist entgegen den beiden anderen Mächten nicht an ein Wesen gebunden und somit völlig frei. Sie ist die Macht, deren Kräfte es sich zu Nutze zu machen gilt, um im Einklang beider Mächte, also der eigenen sowie jener der Weisheit, sein Wesen zu verwirklichen. Abhängig von ihrem Gebrauch mag sie unendlich groß oder aber verschwindend gering erscheinen, jedoch ist und bleibt ihre potentielle Macht permanent, gleich und unveränderlich.

Um sich das Ganze besser vorstellen zu können, denke man sich, so sagt es die alte Legende, zwei Wesen: das "Gute" ein hell weiß leuchtendes Wesen, das die Umrisse einer menschlichen Kreatur zeichnet, jedoch weder Mann noch Frau sein mag. In seiner Brust pocht ein riesiges Herz voller unendlicher Liebe und Güte. Das "Böse" sei ein Wesen vollkommener Dunkelheit. Von der Größe her gleich und ebenso ohne erkennbares Geschlecht, zeichnet diese Gestalt eine Kreatur, die in ein tief schwarzes Gewand gehüllt ist. Eine Kapuze verhüllt das Haupt derart, dass einzig noch die rot funkelnden Augen von vorne zu erkennen sind. An der Stelle, an der das Herz gehörte, befindet sich bei diesem Wesen nur ein schwarzes Loch voller hasserfüllter Zerstörungswut. Das Wissen möge man sich in der Gestalt eines Buches vorstellen mit unzählig vielen Seiten.

Die beiden aktiven Mächte existierten also neben der "Weisheit" vollkommen allein in den unendlichen Weiten des Universums. Ohne eigenes Wesen besitzt die Weisheit natürlich auch keinerlei Ansprüche, welches gar völlig sinnlos wäre, da ihre Macht ohnehin auf einem Niveau verbleibt. Bei den beiden Wesen jedoch gibt es sehr wohl den Anspruch, sich selbst zu verwirklichen und eine Machtverlagerung ist durchaus möglich. Gleichwohl kann keine Macht einfach so hinzukommen oder irgendwie verschwinden. Einzig das Verhältnis kann sich zu Gunsten des einen oder anderen ändern. Wodurch kann es nun zu einer Änderung des Kräfteverhältnisses kommen? Durch einen Kampf der beiden gegensätzlichen Mächte und der Sieger erhält im Prinzip je nach Härte der Niederlage die entsprechende Kraft der unterlegenen Macht. Dass eine der beiden Mächte völlig ausgelöscht werden kann, das solle nicht möglich sein, doch eine Niederlage, die dem sehr nahe kommt, ist durchaus vorstellbar.

Nun, da es nicht im Wesen der "Bösen" Macht liegt, sich die Herrschaft über das Universum zu teilen, musste es nach nur kurzer gleichberechtigter Existenz zu einem Kampf kommen. Das Böse gegen das Gute, der Kampf der Urgewalten, was für ein Gefecht. Und wie es nicht anders zu erwarten war, blieb die Schlacht der beiden gleich starken Mächte lange unentschieden, bis schließlich, in Anbetracht der scheinbar ewig andauernden Schlacht, durch Ungeduld geplagt, das Böse zu einem riskanten, aus blindem Hass resultierenden, unüberlegten Angriff überging, den das Gute in geduldiger Weisheit nahezu mühelos abwehren konnte und der im nächsten Augenblick gegen den Angreifer selbst gerichtet wurde. Durch die enorme Wucht des Schlages, den es nun selbst zu spüren bekam, ward der Kampf für das Böse durch das gewaltige Potential, das es für den Angriff eingesetzt hat, auf einen Schlag verloren.

Das Böse zog sich niedergeschlagen und durch die Schande der eigenen Dummheit gekränkt in die letzte Nische zurück, um sich von der Niederlage zu erholen. Von nun an war das Gute also deutlich mächtiger und eine Entfaltung daher überhaupt erst richtig möglich. Denn vorher hat das Böse alles, das vom Guten erschaffen wurde, sogleich wieder zerstört. Das Verhältnis der Mächte blieb bis dahin jeweils gleich, denn es bedarf der gleichen Menge an Energie, etwas zu zerstören, wie dasselbe zu erschaffen. So beschreibt die alte Legende, wie sich einst das Gute eine Skulptur erschuf, um seinem natürlichen Antrieb an Kreativität nachzukommen. Um diese zu erschaffen, brauchte es ein gewisses Potential an Macht, welche sodann an die Skulptur überging. Das Gute ward dadurch für sich genommen etwas schwächer geworden und dem Bösen somit im direkten Vergleich unterlegen. Jedoch gab es die Möglichkeit für das Gute, sich hinter seinem Kunstwerk zu verbergen. Dem Bösen war es nun also trotz leichter Überlegenheit der Macht nicht möglich, das Gute vernichtend zu schlagen, solange die besagte Skulptur zwischen ihnen bestand. So kam es schließlich wie es kommen musste und das Böse vernichtete die Säule, welches wiederum das Gute aufgrund des Machtverhältnisses derzeit nicht verhindern konnte. Die dabei umgesetzte Energie holten sich die Urheber mittels einer aufwändigen Prozedur zu gleichen Anteilen nach und nach wieder zurück. So ward es letzten Endes, wie es vorher auch schon war.

Doch wie konnte das Gute demnach gesiegt haben, wenn doch beide Mächte gleich stark waren? Es war die dritte Macht im Bunde, die Weisheit, die dem Bösen in jenem Augenblick verzweifelter Ungeduld und blinden Hasses fehlte und die somit dem Guten zum Sieg verhalf.

Dies war sodann der Anfang für das Gute, seinem kreativen Wesen freien Lauf zu lassen: Es fing an, Sterne zu erschaffen, die als energetische Grundlage für die Planeten, die es später schuf, dienten.

Die Planeten und die Sterne bildeten dann die Grundlage für weitere Existenzen. Die Sterne oder auch Sonnen versorgen die Planeten mit Energie in Form von Licht und Wärme. Nun war es dann also an der Zeit, noch etwas Neues zu schaffen, das sich auf den Planeten befinden sollte. Neben den vielen unterschiedlichen Arten von Gesteinen, Kristallen und anderen materiellen Stoffen, bedurfte es noch einer gänzlich anderen Art der Existenz. Für diese wurde in sorgfältiger Art und Weise vorerst noch das Wasser und zuvor die Luft geschaffen. Dieses jene Etwas, das da noch fehlte, mochte etwas ganz besonderes sein. Es sollte im Gegensatz zu der Materie der bisherigen Arten etwas lebendiges sein, das zudem noch ein eigenes Wesen besitzen möge und so nennt man es schließlich auch Lebewesen. Es sollte viele verschiedene Lebewesen geben, denn in der Vielfalt liegt auch das Geheimnis der Einzigartigkeit. Die ersten Bewohner eines Planeten waren dann schließlich die Pflanzen und alsbald nach ihnen kamen die Kreaturen, also Tiere.

Es wurden unzählige Arten dieser Lebewesen geschaffen, die jeweils ihre ganz eigenen Gestalten, Fähigkeiten und Gewohnheiten hatten. Das Leben der erschaffenen Wesen ist jedoch kein selbstverständliches Existieren, wie das der Urmächte und zudem auch nicht ewig, sondern endet früher oder später mit dem Tot. Und die Lebewesen befinden sich auch nicht zeitlebens im selben Zustand: sie kommen als relativ kleines Wesen auf die Welt, entwickeln sich mehr oder weniger und gehen dann wieder mit ausgewachsenem Körper und Geist, wenn sie denn ihr natürliches alter erreicht haben sollten. Was passiert dann mit den Wesen, wenn sie ihr Leben beendet haben?

Es gibt eine beruhigende Theorie in der alten Legende, die besagt, dass sich alles im gewissen Sinne im Tao des Kreises befindet. Es gibt kein Anfang und kein Ende, alles wiederholt sich nach einer bestimmten Periode. Die Planeten drehen sich in sich selbst und um ihren Stern: Tao des Kreises; Durch die Eigenrotation des Planeten, gibt es Tag und Nacht auf dem Planeten: Tao des Kreises; durch die Drehung des Planeten um den Stern, kommt es durch die elypsenförmige Umlaufbahn zu den unterschiedlichen Jahreszeiten auf dem Planeten, die sich nach einer Periode immer wiederholen: Tao des Kreises; Leben und Sterben: Tao des Kreises!

Nun aber zurück zur Schöpfungsgeschichte: Diese Lebewesen sind noch von recht simpler Natur, was ihr Wesen betrifft. Ihre Gestalten, Fähigkeiten und Gewohnheiten sind dagegen keineswegs simpel. Im Gegenteil, hierbei hat sich die schöpfende Macht keine Mühe erspart, um äußerst beeindruckende Lebewesen zu schaffen, sowohl Pflanzen als auch Tiere. Doch das war offensichtlich noch nicht genug des Guten. Es musste etwas her, das vom Wesen her besonders beeindruckend sein sollte.

Eine Kreatur, vom Wesenskern her gut, ansonsten jedoch frei empfänglich für alle drei Mächte, insbesondere für die Macht der Weisheit. Nach ihr soll sie streben, durch sie wird sie strahlen. Auf die Pflanzen, die als Gewächse relativ unbeweglich sind, folgten die Tiere, die durch ihre Mobilität und ihrem Drang nach Nahrung und einem mehr oder weniger geeigneten Partner für die Vermehrung für sehr viel mehr reges Leben auf dem Planeten gesorgt hatten. Sodann kommt ein Lebewesen, auch eine Kreatur, zum Vorschein, die wir Mensch nennen. Dieser Mensch ist wiederum in der Gestalt im Gegensatz zu den anderen Lebewesen recht einfach gestrickt. Zwei Arme und zwei Beine an einem Rumpf befestigt. Ein Kopf mit zwei Augen sowie zwei Ohren, einer Nase und einem Mund. Die ganze Kreatur ist weder besonders groß und schwer noch außergewöhnlich klein und leicht, Sie ist weder besonders stark noch auffallend schnell, hat weder Gift noch Feuer oder irgendwelche anderen Waffen am oder im Körper; Die Haut ist recht empfindlich und leicht zu durchdringen, die Knochen sind leicht zerbrechlich und keiner seiner Sinne ist besonders scharf. Auch die Vermehrung geht nur sehr langsam voran, denn es dauert sehr lange, bis sie überhaupt in der Lage sind, sich zu vermehren und die Anzahl der Nachkommen ist im Verhältnis zu den anderen Lebewesen auch verschwindend gering. Dafür ist sein Fleisch eine willkommene Speise für alle Fleischfresser! Eine Opferkreatur? Kanonenfutter für alle Raubtiere und sogar für jene, die nicht stark genug sind, die gesunden Beutetiere zu reißen? Man sollte es wohl denken, bei den miserablen äußeren Bedingungen, die dieser Kreatur obliegen, wenn da nicht diese eine über alles hinausragende Fähigkeit wäre: Die im Geist verankerte Fähigkeit, sich frei und nahezu unbegrenzt weiter entwickeln zu können. Die durch die Macht der Weisheit und seiner Kreativität ermöglichten Fortschritte an Intelligenz ersetzen all die Mankos nicht nur, die ihr vermeintlich ungünstiger Körper mit sich bringt, nein sie führen ihn an die Spitze der Nahrungskette. Schließlich erweist sich sein Körper doch als sehr brauchbar, denn er scheint genau so geschaffen, dass er seinem Geist entsprechend seine Fähigkeiten recht gut, durchaus vielseitig und relativ frei zu entfalten vermag. So wird der Mensch zum Stolz der Schöpfung, weil er ihr am ähnlichsten ist. Er ist ihr in einem Punkt durch die Empfänglichkeit für alle Drei Mächte sogar voraus. Diese Fähigkeit macht ihn allerdings nicht nur zum Stolz sondern auch zum Kummer und zum Risiko für die Schöpfung, da sich der Mensch im ungünstigen Fall auch zu einem mächtigen Verbündeten des Bösen entwickeln könnte und diesen am Ende noch zum Sieg führen möge.

Sollte sich die "Gute" Macht mit dieser Schöpfung ihr sprichwörtlich eigenes Grab gegraben haben? Und warum geht sie überhaupt ein solches Risiko ein, nach so einem Sieg über das Böse?

Nun gut, so wie es im Wesen des Bösen lag, das Gute anzugreifen und mit allen erdenklichen Mitteln in die Knie zu zwingen und dabei auch ein nahezu selbst vernichtendes Risiko einzugehen, so liegt es eben auch im Wesen des Guten, immer Neues zu Schaffen, immer Höheres, immer Stärkeres, immer Schnelleres, immer Mächtigeres. Und so musste irgendwann wahrscheinlich einfach ein Wesen wie der Mensch entstehen.

Ein Wesen, das durch seine eigene Macht ein Ebenbild der „Guten“ Macht darstellen sollte, so wie ein Partner, natürlich nicht gleichberechtigt, wenngleich durchaus mit gewissen Privilegien und Kompetenzen ausgestattet. Dieses Wesen diente nicht nur dazu, um sich darüber erfreuen zu können, sondern möge vielmehr ein guter Gehilfe gegen das Böse oder im besten Fall gar ein Vermittler sein, der eine Harmonie zwischen den beiden gegensätzlichen Mächten hervorbringen könnte.

Dieses ist ein kleiner Exkurs über die Schöpfungsgeschichte, wie sie in den Schriften der alten Legende beschrieben steht. Was ist das für eine „alte Legende“? Nun, die alte Legende ist der Grundstein des Glaubens eines jenen Stammes, aus dessen Perspektive die nun folgende fantastische Geschichte erzählt wird. Da dieses Märchen in einer fernen, fremden Welt spielt, möge eine im Gedanken vollzogene Reise durch die unbekannten Weiten bis hin zu jenem Ort, von dem die alte Legende stammt, einen kleinen Überblick über die Umstände und Gegebenheiten dieses Märchens schaffen.

Die Reise nach Primus

Wir beginnen die Reise am so genannten „Rande“ des Universums. Hier finden wir noch die urtümliche Leere vor, wie sie seit jeher existierte. Es ist eine sehr weite Leere. Um des besseren Verständnisses wegen, definieren wir das Universum als eine Kugel. Betrachten wir diese Kugel des Universums etwas näher, sehen wir, dass sich in ihrer gedachten Mitte mehrere Sonnensysteme befinden, die in ihrer Erstreckung im Verhältnis zum Ganzen relativ klein erscheinen. Geschätzt sei es etwa ein siebentel des gesamten Raumes, der zur Verfügung stünde. Aus der Ferne betrachtet, sieht es aus wie eine weitere Kugel von Sternensystemen, die recht dicht bei einander in der Mitte des Universums liegen.

Wir bewegen uns also vom Rand aus in Richtung Mitte und zwar spindelförmig um das „Knäuel“ von Sonnensystemen herum. Am Rande der äußeren Sonnensysteme angekommen, tauchen wir ein in die Welt der Sonnen und Planeten. Es gibt unzählig viele Planeten, ja sogar unzählig viele Sonnen, also schlängeln wir uns so weit durch, bis wir letztendlich zum zentralen Sonnensystem gelangen, das wir uns schon einmal etwas genauer anschauen wollen. Das zentrale Sonnensystem war das zuerst Erschaffene und danach wurden rundherum die anderen Sonnensysteme erschaffen, die wie ein Schutzschild um das Zentrum herum liegen, beziehungsweise, die das Zentrum umkreisen. Das heißt, die äußeren Sonnensysteme wirken wie eine Art Alarmanlage für das Zentralsystem. Denn wenn dort ein Planet durch das Böse zerstört würde, wäre das Gute gleich in Alarmbereitschaft und könnte sich um die Angelegenheit kümmern, bevor schlimmeres passieren würde. Auch die Sonnensysteme in sich sind nach diesem Schema aufgebaut: die eher unwichtigen und simplen Planeten liegen außen und jene mit Lebensformen auf ihnen, liegen ihrer Sonne meistens deutlich näher.

Das zentrale Sonnensystem besteht aus einer Sonne im Zentrum des Systems und aus nur sieben Planeten und ihren dazugehörenden Monden. Unsere Reise führt uns nun erst einmal an dem Planeten Heptus vorbei. Dieser Planet besteht einzig und allein aus blauen Gesteinsschichten mit vielen Gebirgen, Schluchten und Tälern. Der Planet wird von sieben Monden umrundet, die ihn durch die Reflektionen der Sonnenstrahlen zu bestimmten Zeiten, mal heller, mal dunkler, schimmern lassen. Ein unglaublich faszinierender Anblick aus der ferne, von Nahem aber eher trist, wenn man nicht gerade auf blaue Gesteinsarten steht, denn das ist auch leider schon das Einzige, was der Planet Heptus zu bieten hat. Durch die weite Entfernung zur Sonne ist es auf diesem Planeten mit seinen –235 Grad Celsius auf der Wärmeskala auch recht kühl und undenkbar für jegliche Lebensformen. Doch der Planet Heptus erfüllt durchaus seinen Zweck: durch das in die ferne schimmernde Blau, wirkt er zunächst einmal sehr anziehend und das Blau sieht dem des Wassers auch noch zum verwechseln ähnlich. Wenn das Böse bis hierher vorgedrungen sein sollte und diesen einen in der Optik herausragenden Planeten sieht, könnte es ihn als erstes Ziel anvisieren und somit das Gute, durch seine Zerstörung ungewollt alarmieren.

Weiter des Wegs auf unserer Reise in Richtung Zentrum, kommen wir zu Hexus, dem Höhlenplaneten. Dieser Planet besteht ebenfalls nur aus Gesteinsschichten, allerdings schon in verschiedenen Farben: überwiegend bräunliche gleichwohl auch rote und beige farbige Felsen ragen über die mit Löchern übersäte Oberfläche. Diese Löcher sollen die Eingänge von Höhlen darstellen, die unzähligen Lebewesen als Lebensraum dienen könnten, jedoch auch das ist nur eine Finte der Natur, um das Böse aus der Reserve zu locken, bevor es zu jenen Planeten gelangte, auf denen wirklich Lebewesen, welcher Art auch immer, leben. Hexus hat im Übrigen überhaupt keinen Mond, der ihn umkreist. Der Planet Quintus, den wir als nächsten ansteuern, ist der Eisplanet. Dieser Planet besteht bis auf seinen Granitkern komplett aus Eis, also aus gefrorenem Wasser. Auch hier soll es kein Leben, da es viel zu kalt ist. Das liegt in diesem Fall jedoch nicht an der Entfernung zur Sonne, sondern an der besonderen Atmosphäre, die nahezu jegliche Wärmestrahlen reflektiert. Quintus wird von zwei Monden umrundet. Als nächstes umrunden wir Quartus, ein Planet, der durch sein Klima für Lebewesen durchaus geeignet wäre, nur leider gibt es hier kein Wasser und ohne dieses ist auch kein Leben möglich. Im Großen und Ganzen besteht der ganze Planet aus zuckerweichem Sand, also eine reine Sandwüste. Warum das Klima hier trotzdem so gut geeignet wäre, liegt auch hier wieder an der Atmosphäre, die in diesem Falle sehr viel Wärme speichert. Auch Quartus wird von zwei Monden umkreist. Nun kommen wir zu Tertius, den Waldplaneten. Dieser Planet ist bewachsen von Wäldern, wie man sie noch nie gesehen hat. Im Prinzip ist der ganze Planet ein einziger Wald. Jedoch ist die Vielfalt der Arten der Wälder überwältigend. Es gibt dort Wälder, die nur aus einer einzigen Art von Bäumen bestehen und andere, die aus jeweils nur einem Baum seiner Art bestehen, dafür aber unzählige verschiedene Arten aufweisen. In diesen Wäldern sieht auch tatsächlich kein Baum so aus, wie ein anderer. Dieser Planet besitzt keinerlei großer Berge, doch wirklich eben ist es dennoch nicht. Die vielen kleinen Hügel verhindern, dass sich irgendwo auf dem Planeten großflächige Ebenen aufweisen lassen. Außer Wald gibt es auf diesem Planeten natürlich Wasser, denn dieses brauchen die Bäume schließlich zum Leben, in Form von Bächen, die zu kleinen Flüssen zusammenfließen, oft über kleine Wasserfälle. Die kleinen Flüsse fließen dann wiederum in kleine bis mittelgroße Waldseen, von denen es allerdings so viele gibt, dass Wasser im Überfluss für alle Bäume vorhanden ist. Diese Seen sind meist sehr flach, so dass dort ebenfalls Bäume stehen und aus dem Wasser empor ragen. Doch ist das alles, was dieser Planet zu bieten hat, Bäume, Bäume und nochmals Bäume und Wasser? Ja, tatsächlich, dieser Planet ist ein reiner Waldplanet, der an jeder Stelle ein Ort absoluten Friedens darstellt. Die Bäume saugen die Nährstoffe aus dem Boden und geben sie wieder ab, wenn sie in Frieden dahingehen. Man hört auch nicht viel, nur das leise Rauschen der Bäche und Flüsse, sowie das Säuseln der Blätter im seichten Wind. Es gibt viele Erzählungen über diesen Planeten und über seine mystischen Wälder. Manche sagen, der Planet wäre der Friedhof der Weisen, die auf diesem Planeten ihren wohl verdienten Frieden gefunden haben würden. In der alten Legende wird dieser Planet als Erholungsort für das „Gute“ beschrieben. Dort möge es Kraft schöpfen und sich an der friedlichen Schönheit erfreuen, bis es wieder fit sei, für weitere tatkräftige Aufgaben. Wie dem auch sei, als nächstes nähern wir uns Secundarius, dem Vulkanplaneten, weshalb er auch Vulkanius genannt wird. Dieser Planet ist voller aktiver Vulkane, welches schon grundsätzlich gegen Lebewesen eigentlich jeder Art spricht. Die enorme Hitze der Lava, die giftigen Dämpfe und der nahezu allgegenwärtige schwarze Staub verhindern tatsächlich jegliches Leben oder doch nicht? Es gibt hier ein unterirdisches Tunnelsystem, in dem nicht nur Leben möglich wäre, sondern tatsächlich existiert. Pflanzen und Tiere. Doch wie ist das möglich? Der Planet besitzt im Erdinneren riesige Wasserspeicher. An der Oberfläche würde jegliches Wasser innerhalb kürzester Zeit verdampfen, doch unter der Oberfläche gibt es einen Ständigen Kreislauf von verdunsten und regnen. Die Luft wird durch die Pflanzen gefiltert und zu lebensfreundlichem Sauerstoff produziert. Diesen benötigen die Tiere, die wiederum sich gegenseitig und den Pflanzen als Nahrung dienen. Also ein komplettes System des Lebens von Pflanzen und Tieren unter der Oberfläche der alles vernichtenden Vulkanlandschaften, die trotz dieses Umstands, einen sehr schönen, durch das kräftig leuchtende Rot der Lava, geradezu sinnlich romantischen Anblick bieten, sofern ein der schon erwähnte schwarze Staub nicht die Sicht versperrt. Im Erdinneren ist der Anblick für unser Eins ziemlich einseitig schwarz, nicht jedoch für die Tiere. Es gibt dort riesige Vorkommen von Bernsteinen, die wie Fenster wirken und das Licht der Vulkanausbrüche in die Katakomben durchlassen. Für uns Menschen reichte das hindurch schimmernde Licht bei weitem nicht aus. Einige Tiere besitzen jedoch so empfindliche Augen, dass es für sie in der Nähe der Bernstein Fenster wie hell erleuchtet erscheint. Die Wasserspeicher treten als Seen und Flüsse auf, in denen auch Lebewesen existieren. Zahlreiche Spezies bieten weitere Lichtquellen. Viele dieser Lebewesen besitzen eine Art Laterne an ihrem Körper, bei manchen leuchten die Augen oder die Zähne. Bei anderen wieder leuchten die Schwimmflossen oder gar der ganze Körper. Von der Oberfläche des Wassers sieht es aus, wie das Weltall mit unzähligen Sternen, die aus dem Wasser heraus glitzern. Das Licht der Unterwasserlebewesen ist zum Teil so stark, dass sogar wir Menschen es mit unseren Augen wahrnehmen könnten. Dieses unterirdische System des Lebens findet in den zahlreichen Höhlen statt, die sich in Größe und Beschaffenheit stark unterscheiden. Bei den Höhlen unterscheidet man noch zwischen landschaftlichen und röhrenartigen Höhlen, letztere auch Röhren genannt. So hat Secundarius am Ende zwei Gesichter dessen eines durch das andere gut verborgen bleibt und unter Umständen zu gegebener Zeit zu einem Zufluchtsort für das Gute werden könnte. Wir verlassen nun den mysteriösen und ebenso interessanten Planeten und bewegen uns zielstrebig auf Primus zu. Dieser Planet sieht von weitem recht unscheinbar aus, da er von einer sehr feinen Staubschicht umgeben ist, die zwar sowohl das Licht als auch die Wärme auf den Planeten hin zulässt, zugleich aber verhindert, dass allzu viel Licht und damit auch Wärme von ihm abstrahlt. Primus wird von drei Monden umrundet, von denen man jedoch nur einen erkennen kann. Dieser leuchtet in der Nacht in unterschiedlichen Farben, teils rot teils grün, meistens jedoch gelb, wenn er denn überhaupt leuchtet. Die unterschiedlichen Farben kommen durch die Beschaffenheit des Mondes zustande. An manchen Stellen sind die Gesteine des Mondes eben rot oder grün, an den meisten Stellen gelb. Große Teile des Mondes sind mit einer fluoreszierenden Schicht überzogen, die den Mond von der Sonne angestrahlt zum Leuchten bringt. Die Frage, ob der Mond leuchtet und in welcher Farbe, hängt von der Stellung des Mondes in Bezug auf Primus ab. Wieso kann man nur den einen Mond sehen? Der eine der beiden übrigen Monde ist völlig schwarz und scheint das Licht, das auf ihn trifft, komplett zu verschlingen und der andere ist von so einer dicken Staubschicht umgeben, so dass auch er kein Licht zurückwirft. Die alte Legende sagt, die drei Monde stellen die drei Urmächte dar: der vielseitig und Farbenfrohe stellt die Gute, der Schwarze die Böse und der durch den Staub grau wirkende Mond, stellt die Macht des Wissens dar, wie sollte es auch anders sein. Das Interessante dabei ist, das sich der leuchtende und der schwarze Mond nie auf einer Geraden mit Primus befinden, jedoch der graue Mond sich sowohl mit dem leuchtenden und Primus, als auch mit dem schwarzen Mond und Primus auf einer Geraden befinden können. Das symbolisiert, der alten Legende nach, die Unvereinbarkeit der beiden gegensätzlichen Mächte, die zudem trotzdem allgegenwärtig nebeneinander existieren. Das Wissen ist als neutrale Macht diplomatisch beiden anderen Mächten zugewandt. Von dem hellen Mond aus, kommen wir Primus nun langsam aber sicher immer näher. Bis zum durchdringen durch die Staubschicht des Planeten, wirkt Primus immer noch wie ein nur leicht schimmernder öder sowie trister Planet, auf dem nicht viel los sein mag. Das ändert sich blitzartig, nachdem man die Staubschicht passiert hat. Von hier aus bietet sich ein farbenfrohes und faszinierendes Bild von herrlichen und vor allem auch sehr unterschiedlichen Landschaften dar. Zunächst sei erwähnt, dass Primus im Prinzip in zwei Hälften geteilt ist. Die eine, man nenne sie Vorderseite, besteht im Wesentlichen aus einer einzigen Landmasse und wird noch einmal durch einen gewaltigen Strom in sich in Nord und Südhälfte unterteilt. Abgesehen von dem Strom, befinden sich diverse Seen und Flüsse auf dieser Seite. Die andere Hälfte ist ein einziges großes Weltmeer mit etlichen kleineren Inseln, die wild verstreut erscheinen. Die Vorderseite ist dann weiterhin noch in Landschaftsstriche unterteilt, die sich jeweils vom Westen bis nach Osten hinziehen, also praktisch von Küste zu Küste. Die Reise erlaubt uns zunächst einen Ausblick auf die Nordspitze des Planeten. Sie wird so genannt, weil sich dort der Gipfel des Magnusgebirges befindet. Jenes ist das größte Gebirge auf Primus, sowohl in der Ausdehnung, als auch in der Höhe der Berge. Aus naher Ferne betrachtet, bietet dieses Gebirge einen Anblick, der auf einen Traum schließen ließe, aber nein, es existiert tatsächlich. Ein Panoramablick wie aus einem Märchen. Die Gipfel der einzelnen Berge sind allesamt mit Schnee bedeckt. Es gibt eine Vielzahl von Bergen, Schluchten und Canyons, wobei die Formen der Gesteinsgebilde so zauberhaft wie auch unterschiedlich sind, teils traumhaft romantisch, teils mystisch verwegen, dass man es kaum für möglich halten mag. Unzählige kleine sowie große Wasserfälle schmücken die Landschaft mit herrlichem Glanz, die durch die Art der umliegenden Bewachsung teils lieblich, teils kräftig markant schimmern oder gar strahlen. Die Vegetation ist, obgleich sie aufgrund der Witterungsbedingungen eher spärlich ausfällt, ebenso beeindruckend wie anmutend und ergänzt damit die Landschaft zu einem paradiesischen Ort des Friedens. Die Aura, die von diesem Ort ausgeht, erinnert ein wenig an Tertius, den Waldplaneten. Es ist diese unglaubliche, geradezu heilige Stille, bei der man nur das heimliche und leise Wispern seichter Winde so wie das Säuseln der Blätter vernehmen mag, durch die man auf solche Gedanken zu kommen vermag. Südlich des Gebirges beginnt die mächtige Nordsteppe, die anfänglich stark einer Tundra und dann im Süden einer Savanne gleicht. Die größtenteils karge Gras- und Buschlandschaft beheimatet den einen oder anderen Wald einschließlich kleiner Flüsschen sowie Seen oder Teiche und sie ist überwiegend flach beziehungsweise mehr oder weniger hügelig. Im Anschluss an die Nordsteppe erreicht man den gewaltigen Urwald. Abgesehen von den vielen unterschiedlichen Wäldern, befinden sich so etliche Moore und Sumpflandschaften, die man teilweise nicht ohne weiteres von ihrer Umgebung zu unterscheiden vermag. Dieser Umstand verleiht dem Ganzen ein gewisses gruseliges zugleich aber auch romantisches Ambiente. Am Ende des Urwaldes zum Süden hin folgt dann die Südsteppe, die eigentlich eher eine Savanne ist. Auch hier gibt es diverse Oasen mit üppigen Wäldern an Flüssen und Seen. Die Südsteppe endet an dem schon erwähnten Strom, der Primus in Nord- und Südhälfte trennt. Die beiden Landmassen waren in der Frühzeit durch das Mittelgebirge verbunden, durch das sich der mächtige Strom in vielen kleinen Ritzen und Spalten hindurch zwängte. Was einst ein Gebirge war, ist durch Plattenverschiebungen im Erdreich entzweit und nun durch eine von Menschenhand gebaute Hängebrücke wieder verbunden. Die Südhälfte sieht etwas anders aus, als die Nordhälfte: Hier gibt es anstelle der Steppen und dem Urwald, zwei Wüsten getrennt durch die Gebirgskette Langbergen. Die Nordwüste enthält noch, im Gegensatz zur Südwüste, etliche Oasen und Waldinseln, immer um Seen herum oder an großen Flüssen entlang, wobei die Dichte dieser lebensfreundlichen Territorien nach Süden hin langsam aber stetig abnimmt. Die Südspitze Vulkanius ist wieder ein Gebirge mit vulkanischen Lavagestein und einigen recht aktiven Vulkanen. Dieser sorgt für die schon erwähnte Staubschicht um den Planeten, die absolut wichtig für die Wärme des Planeten ist.

Zu der Welt der Tiere ist zu sagen, dass auf Primus grundsätzlich alle Arten vorkommen, die man auf der Erde auch so kennt, sowohl im Wasser als auch auf dem Land. Darüber hinaus sei ein Wesen besonders erwähnenswert, das man auf unserer Welt nicht antreffen würde. Der Drachenhund ist in der Tat eine Mischung aus einem Drachen, wie er in Sagen beschrieben wird, allerdings ohne Flügel, und einem Hund. Das Ganze in der Größe eines Nilpferdes. Ihr Körper ist ein reines Schlachtschiff: sie besitzen je vier scharfe Klauen an ihren Vorder- und Hinterbeinen, ein für Drachen typisches sowie scharfes Gebiss, mit unterschiedlich langen und dicken Zähnen und einen gewaltigen schuppigen Drachenschwanz, der mit unglaublicher Kraft seinem Ziel entgegen geschleudert werden und verheerenden Schaden anrichten kann, was oder wen auch immer er trifft. Dazu ist er tatsächlich in der Lage, Feuerstöße sowie Feuerbälle aus seinem Rachen hervor zustoßen. Das kann er durch die in seinem Magen entstehenden leicht brennbaren Gase, die er mit Hilfe eines durch die gewaltige Halsmuskulatur entstehenden Überdrucks entzündet und nach vorne aus dem Maul aus stößt. Er selbst ist gegen das Feuer in seinem Inneren immun. Der Hund als Teil seiner Mischform beschreibt wohl eher die Art seiner Bewegung und seine Hartnäckigkeit während der Jagd sowie beim Kampf als sein Äußeres. Diese erinnert nämlich stark an einen Pitbull Terrier. Denn sie sind wahre Kampfmaschinen und nicht nur auf Grund ihrer Bewaffnung, sondern auch wegen ihrer enormen Kräfte und der gar unglaublichen Agilität. Sie sind die Könige der Steppe in jeder Hinsicht und so dulden sie auch absolut keine Konkurrenz. Die größten wenngleich auch einzigen natürlichen Feinde sind die eigenen Artgenossen. Nicht als Fressfeind, die üblen Faulgase in seinem Magen machen ihn für die meisten Lebewesen ungenießbar oder gar tödlich giftig, sondern als Konkurrent für Nahrung und die Paarung. Wenn sie noch klein sind, leben sie mit den Eltern beisammen und das solange bis sie Geschlechtsreif sind und ihre eigenen Wege gehen, die Männchen wie auch die Weibchen. Die Männchen suchen ein geeignetes Revier und versuchen dieses mit allen Mitteln zu behaupten. Aufgrund der unterschiedlichen Routen der Beutetiere werden diese Territorien bei Bedarf natürlich erweitert. So sind dann Revierkämpfe unter den Männchen Vorprogrammiert. Die Weibchen sind recht wählerisch und auch sie kämpfen erbittert um die ersehnten männlichen Exemplare.

Die Menschen bevölkern jeweils die für sie geeigneten Plätze und Stellen, die sich nahezu auf dem gesamten Planeten verteilt befinden. Insbesondere die Südsteppe sowie der Urwald bieten diverse Orte, abgesehen von den Sümpfen und Mooren, welche zum Besiedeln als prädestiniert erscheinen. Doch selbst die Wüsten bieten gar etliche günstige Lokalitäten für menschliche Zivilisationen. Diese befinden sich dann an oder in den Oasen, die jedoch zum Süden hin immer seltener werden und zudem auch immer weiter voneinander entfernt sind.

Edenia

Die Gegend, in der sich ein wesentlicher Teil der zauberhaften Geschichte abspielen soll, nennt sich Edenia. Geographisch gesehen, befindet sich dieses Edenia genau zweitausendfünfhundert Kilometer nördlich des Mittelgebirges. Das Terrain wird von zwei Flussarmen von mittlerer Größe und einem kleinem Waldsee, der schon zum Regenwald gehört, umgeben, beziehungsweise eingeschlossen. Der Hauptarm des Flusses stellt die Westgrenze dar und fließt in Richtung Süden zum Waldsee hin. Die Nord- sowie Ostgrenze stellt der sich nach Osten abzweigende Flussarm dar, der in seinem Verlauf schließlich eine Kurve nach Süden hin beschreibt. Die Tatsache, dass man hier eingeschlossen ist, soll sicherlich nicht von Nachteil sein. Dieser Platz wurde ganz gezielt von menschlichen Wesen zum Siedeln ausgewählt, denn dort ist man definitiv sicher vor den Drachenhunden, da diese nicht schwimmen können und somit Flüsse meiden. Landschaftlich gesehen ist Edenia eine richtige Übergangslandschaft von der Steppe zum Regenwald hin. Der Norden zeigt noch ein Bild, wie man es von einer Steppenlandschaft nicht anders erwarten würde. Den mittleren Teil möge man am besten als typische Savanne beschreiben. Diese wird dann langsam aber sicher Meter für Meter immer dichter, umfangreicher und artenreicher, in südlicher Richtung zum Regenwald hin. Am nördlichen Ufer des Waldsees beherrscht eine typisch tropische Vegetation den Landstrich. Etwas östlich des gedachten Mittelpunktes erhebt sich ein kleiner Hügel von etwa 17 Metern, der damit die vielen hohen Bäume, die teilweise das Dreifache an Höhe messen, bei weitem nicht überragt. Von diesem Hügel fließt immer dann ein kleines Rinnsal hinunter bis zum Waldsee, wenn es viel geregnet hat oder wenn im Frühjahr das Eis sowie der Schnee zu schmelzen beginnen. Dieses Gebiet ist somit also geradezu perfekt, um sich dort anzusiedeln, denn abgesehen vom Schutz vor den Drachenhunden, bietet es durch die vielseitige Vegetation eine optimale Grundlage für eine Siedlung. Hier wachsen alle Pflanzen, welche die Menschen zur Ernährung benötigen und für die Jagt und die Zucht pirschen auch die geeigneten Tiere durch die Gegend.

Nun hat es sich also ergeben, dass sich schließlich fünf verschiedene Stämme dort in friedlicher Multiexistenz angesiedelt haben. Doch das war nicht immer so. Seit der Entdeckung dieses nahezu genialen Platzes, bis hin zu der Einigung der Stammesführer, dass der Platz für alle fünf Stämme reiche, gab es über Jahre hinweg verbitterte Schlachten mit sehr viel Blutvergießen, so dass das eigentlich sichere und friedliche Stückchen Land, zu einem sehr viel gefährlicheren Ort wurde als es irgend ein Platz in der offenen Steppe hätte sein können. Drachenhunde töten immerhin nur zur Nahrungsaufnahme und trotz ihres gigantischen Appetits, richteten sie niemals so viel Schaden und Kummer an, wie fünf sich gegenseitig bekämpfende Stämme. Die Grausamkeiten, die sich Menschen gegenseitig antun, stellen wirklich alles in den Schatten, was man aus der gesamten Welt der Tiere kennt und das nicht nur im Fall von Edenia. Fast von Beginn an, da der Mensch dank seiner mächtigen Fortschritte die Spitze der Nahrungskette erklommen hat, kämpft, meuchelt und mordet er, um sich zu behaupten und um seine Stärke zu präsentieren. Er erfindet für sich Ansprüche auf Besitz, Boden sowie Macht und ist bereit, jede Schandtat aber auch jedes Risiko in Kauf zu nehmen, um sich durchzusetzen. Ohne Rücksicht auf Verluste verfolgt er seine Ziele und mit allem Nachdruck zerstört er willkürlich alles, das ihm dabei im Wege steht oder auch nur zu stehen scheint.

Der Stamm, der die Mitte Edenias damals schon und heute noch bewohnt, war tatsächlich der erste, der diesen Platz für sich entdeckt hat und zu besiedeln versuchte. Doch nur unmittelbar kurz danach, es wird erzählt, dass es sich um nur einige wenige Tage handelte, kamen sie aus allen Richtungen, also vom Norden, vom Süden, vom Osten sowie vom Westen daher. Vier verschiedene Stämme, die allesamt nur das eine wollten, dieses geniale Fleckchen Mutternatur für sich und zwar nur für sich. Zum Glück für jenen Stamm, dass sich die vier rivalisierenden Stämme untereinander ebenfalls nicht grün waren, denn hätten diese sich zunächst zusammengeschlossen, um sich dann erst später untereinander auszustechen, wäre es für diesen wahrlich böse ausgegangen und sie wären wohl wahrscheinlich ausgelöscht worden. Denn, da sie aus allen Richtungen kamen, hätte es auch keine Fluchtmöglichkeit gegeben. Die Tatsache, dass der Stamm der Sapientes, so nennen sie sich, noch keine schützende Festung hatte, unterstreicht jene Erzählungen, nach denen die Siedlung nur wenige Tage vor dem einschlagendem Eintreffen der anderen Vier gegründet wurde. Nun war es eben so, dass sich die vier anderen Stämme gegenseitig nicht über den weg getraut haben und es dadurch vorerst keine Bündnisse gegeben hatte. Es gab also jahrelang erbitterte Kämpfe und zwar jeder gegen jeden und wirklich niemand wurde oder hatte jemanden geschont. Die erste Schlacht ging ununterbrochen drei Tage Lang. Danach zogen sich die Stämme in kurzfristig erbaute Lager zurück, welche nach und nach ausgebaut sowie befestigt wurden. Von dort aus wurden immer wieder Überfälle sowie Angriffe geplant und durchgeführt. Bis sich eines Tages einer der Ältesten der Sapientes ein Kind der Roburen, dass sich verirrt hatte, an die Hand nahm und ihn zu seinem Lager brachte, anstatt ihn zu töten und durch seinen Leichnam ein Exempel zu statuieren, wie es bis dato üblich gewesen wäre. Die Roburen waren überrascht und vor allem sehr erfreut, denn es war der Sohn des Stammesherren Robur, so heißt das Oberhaupt dieses Stammes jeweils. Auf diese Weise ist man dann wohl ins Gespräch gekommen und es wurde schließlich auch sehr zügig ein Friedensabkommen geschlossen. Alsbald waren beide Stämme sich einig, dass man auch die anderen drei Stämme in den Friedenspakt mit einbeziehen möge. Und das sollte gar nicht so schwer sein, wie man es vorher gedacht hätte. Man schickte einfach jeweils eine ältere Frau mit zwei Kindern in das nächste Lager, es war jenes der Oceanos, schaffte mit seinem Auftritt ebenfalls Verwirrung und nutzte diese, um über den Friedenspakt zu reden. Denen war das wahrlich sinnlose Morden offenbar auch zuwider und gegen das Argument, dass man doch friedlich und dennoch separat nebeneinander Leben könne, hatten sie wohl auch nichts einzuwenden. Und so ließen sich schließlich auch die anderen beiden noch überzeugen. Es war doch auch wirklich genügend Platz für alle da. Edenia misst eine Fläche von nahezu 400 Quadratkilometer. Die Lager, die zu Städten wurden, erschließen eine Fläche von jeweils knapp fünfzig Quadratkilometer, also zirka sieben mal sieben Kilometer und die Abstände zwischen den Stämmen betragen noch einmal mindestens fünf Kilometer. Jenes Gebiet, das keinem Stamm zugeordnet ist, nennt sich neutrale Zone. Man einigte sich nun also auf ein friedliches Nebeneinander ohne weitere Kontakte zu schließen, würde sich im Falle eines Angriffs von außen jedoch gegenseitig unterstützen, so der Friedensvertrag. Es wurden dann auch die Territorien festgelegt: im Nordosten wohnen die Roburen, im Südosten die Oceanos, im Südwesten die Tropanos und im Nordwesten die Steppanos. Im Mitteldorf leben die Sapientes. Ihnen wurde zusätzlich noch ein Kilometer Uferstreifen vom Waldsee zugesprochen, da sie die einzigen waren, die ansonsten keinen Zugang zu einer Wasserquelle hatten. Der Weg dorthin blieb trotzdem neutrale Zone, nur der Uferstreifen mit einer Tiefe von 250 Metern gehört noch zu dem Territorium der Sapientes. In der neutralen Zone darf sich jeder aufhalten, doch das Jagen ist dort strengstens verboten.

Die fünf Stämme

Die Namensgebung der Stämme hat zwei verschiedene Quellen, die Steppanos, die Tropanos und auch die Oceanos verdanken ihre Namen ihrer ursprünglichen Herkunft und so ist es beinahe nahe liegend, dass die Steppanos aus der Steppe stammen und zwar aus der Nordsteppe, welche ein wahrhaftig hartes Pflaster war und nach wie vor ist. Denn dort waren sie Tag ein Tag aus mit der Gefahr der Drachenhunde konfrontiert. Vor diesen müssen sich die Menschen trotz ihres technischen Fortschritts durchaus in Acht nehmen und schützen. Ein befestigtes Lager wäre grundsätzlich nicht verkehrt, jedoch müsste dies aus festem Gestein sein, denn eine Mauer aus Holz brächte wohl nichts, wegen der Fähigkeit des Feuerspeiens der Drachenhunde. Da wäre man dann schon gegrillt, wenn man den Jägern zum Fraße viele. Jenes geforderte Gestein sollte sich jedoch in der Nordsteppe nicht so ohne weiteres heranschaffen lassen und selbst wenn, es würde auch zu lange dauern, daraus eine Festung zu erbauen. Viele Höhlen gibt es auch nicht in der Nordsteppe und genau solche Höhlen würden dann aber auch die Drachenhunde als Unterschlupf nicht abschlagen. Ein Lager in einer der Waldinseln, welche die Drachenhunde meiden, aufzuschlagen, könnte zu einer tödlichen Feuerfalle werden, wenn einer der Drachenhunde seine Feuerkraft in Richtung des Waldes demonstriert, in dem man sich verschanzt hat. Wenngleich dieses nicht die Regel sein soll, denn die Drachenhunde würden den Lebensraum vieler ihrer Beutetiere zerstören, kann man es wohl nicht mit Sicherheit ausschließen. Den Steppanos ist zum Trotze aller widrigen Umstände etwas nahezu Geniales eingefallen, das tatsächlich gut funktionierte. Sie haben sich nach dem Vorbild einer besonders raffinierten Spinnenart gerichtet: nämlich der Falltürpinne. Die Falltür erfüllt bei den Spinnen den gleichen Zweck, wie bei den Steppanos. Sie schützt vor den Feinden besser als jede Festung, da man von jenen überhaupt nicht wahrgenommen wird. Wenn sich ein Drachenhund oder ein anderes gefährliches Raubtier näherte, würde eine Art stiller Alarm ausgelöst und das genauso, wie bei der Spinne auch, mit Schnüren und Seilen, welche durch Vibrationen den besagten Alarm auslösten. Darauf hin gäbe ein Wächter, der den Alarm vernommen hätte, ein Zeichen, woraufhin alle Bewohner ihre Falltürenbehausungen aufsuchten und sich absolut ruhig verhielten. Genauso gut lässt sich die Falltür natürlich auch für die Jagd verwenden. Aus einem Versteck angegriffen, hat das Opfer praktisch keine Chance, wenn es erst einmal da ist. Die Falltürdeckel wurden dazu auch noch mit einem entsprechenden Pflanzenöl benetzt, dessen Geruch entweder dem Feind die Spuren ihrer Anwesenheit verwischte oder das Opfer anlocken sollte. Doch besteht unabhängig von dieser genialen Art ihren Standort zu sichern, weiterhin die Problematik der Nahrungssuche. Die Beutetiere, welche für die Menschen in Frage kommen, durchstreifen die Nordsteppe immer und immer wieder auf verschiedenen Routen und das abhängig von den für sie zu befürchtenden Gefahren. Sie meiden also Gegenden, die den Tod versprechen und weichen auf sichere Wege aus. Insbesondere Herdentiere verfügen über ein sehr gutes Gedächtnis in Bezug auf Landschaftsbereiche, die einmal vielen ihrer Artgenossen das Leben gekostet haben. Abgesehen von den Menschen sowie den Drachenhunden ohnehin, sind noch diverse andere Raubtiere unterwegs, um ihren gigantischen Hunger zu stillen. Verschieden Raubkatzen, wie Löwen und Tiger aber auch Bären und Wölfe besiedeln die Nordsteppe und machen die Nahrung entsprechend rar. Für Vegetarier muss doch dann aber genügend Nahrung vorhanden sein, besonders wenn die Tiere, die man als Beute gerne jagen würde, ausbleiben und entsprechend als vegetarische Konkurrenz ausfallen. Das stimmt grundsätzlich, doch hält sich auch hier das Angebot in Grenzen, da sich nicht jede Pflanze, die sich auf dem Boden der Nordsteppe breitgemacht hat, als genießbar oder überhaupt als essbar erweist. Die Steppanos haben sich, man nenne es ruhig perfekt, an die Gegebenheiten angepasst. Sie werden von früher Kindheit an, auf ein entbehrungsreiches Leben hin gewöhnt, genießen ein hartes körperliches Training und sind letztlich untereinander so organisiert, dass sie auf verschiedenste Situationen entsprechend reagieren können. So gibt es bei den Steppanos auserwählte und besonders ausgebildete Spezialisten, die in der Lage sind, den Stamm aus eigener Kraft erneut aufzubauen. Diese Gruppe von Spezialisten besteht aus zwei Einheiten: aus Spähern und Verbindungsläufern. Die Späher bestehen aus jugendlichen Männern und Frauen, die sich als die absolut Besten in allgemeinen Fähigkeiten erwiesen haben, wobei man unter den Frauen zusätzlich nach jenen sucht, die als die reifsten gelten, auf dass sie im Falle des Falles möglichst früh und viele Nachkommen bekommen könnten. Die Verbindungsläufer sind die Spezialtruppe im Kampf und auf der Jagd. Sie würden dann den Spähern die nötige Sicherheit bieten, falls es notwendig sein sollte. Es gibt dann noch eine zweite Elite, die nach den gleichen Kriterien ausgesucht wird. Der Grund für diese Verfahrensweise ist folgender. In der Nordsteppe herrscht ein gewisses „survival of the fittest“, ein Überleben der oder des Stärksten. Die vorhandene Nahrung limitiert die Anzahl jener, die dort leben können, folglich auch die Größe des Stammes. In guten Zeiten mit viel Nahrung, könnte man den Stamm entsprechend vergrößern und würde ihm dadurch eine gewisse Stärke und Präsenz verleihen, was wichtig in Bezug auf fremde feindliche Stämme sein kann. In schlechten Zeiten würden jedoch viele dabei auf der Strecke bleiben. Aus diesem Grund haben die Steppanos immer sehr großen Wert darauf gelegt, die Anzahl an Steppanos möglichst stabil und eher gering zu halten. Auf genau diese Weise haben sich die Steppanos als einziger übrig gebliebener Stamm in der Nordsteppe behaupten können und zu ihrem Glück sind sie nie in die missliche Lage geraten, dass sich die erste Elite aus Spähern und Verbindungsläufern vom Rest des Stammes trennen und eigene Wege gehen musste. Und das sie schließlich die letzten waren, welche die Nordsteppe bewohnten, dafür haben sie auch nicht allzu viel beitragen müssen, wenngleich sie durchaus dazu in der Lage gewesen wären. Die meisten Stämme haben ihr Dasein in der Nordsteppe schließlich aufgegeben und sind in Richtung Regenwald gezogen, doch kaum jemand soll sein Ziel dabei erreicht haben oder sie sind verblieben und dort zugrunde gegangen. Einige haben sich bekriegt und niedergemetzelt andere sind elendig verhungert, überlebt haben zumindest die wenigsten, abgesehen von den Steppanos. Doch was hat die Steppanos überhaupt dazu bewegt, dieses heiße Pflaster zu betreten und allen Widrigkeiten zu trotzen. Es ist die Freiheit der weiten und nahezu unberührten Natur, die sie dort hinlockte. Der Stolz, die Herausforderung gemeistert zu haben hielt sie, doch die Weisheit siegte und sie zogen schließlich los auf der Suche nach einem Ort, der den Stamm mit etwas mehr Sicherheit gedeihen lassen möge. So sind sie letztlich in Edenia gelandet. Es war vielleicht ein großes Glück für die anderen, dass die Steppanos von der Anzahl her eher gering und durch die lange und beschwerliche Reise schon recht ordentlich geschwächt waren, denn sie muss man wohl zweifelsohne als die besten und härtesten Kämpfer bezeichnen. Und bei der offenen Schlacht wie sie sich in den Anfängen der Zusammenkunft der Stämme darstellte, wären die Steppanos mit einem großen Stamm und voller Schlagkraft am Ende vielleicht als die alleinigen Sieger hervorgegangen. Der Umgang mit fremden Stämmen war ihm in der Nordsteppe ohnehin weitestgehend und dann als die Einzigen komplett verwehrt geblieben, so dass sie es auch nicht gewohnt waren, sich irgendetwas und sei es nur ein Territorium, mit einem fremden Stamm teilen zu müssen.

Zum Aussehen sei noch erwähnt, dass die Steppanos einige besonderen Merkmale aufweisen, die Hautfarbe entspricht einer mitteleuropäischen mehrwöchigen Urlaubsbräune und sie sind durch ihr ständiges Training und der doch recht knapp bemessenen Nahrung sehr mager und extrem durchtrainiert. Alles in Allem recht drahtige Kerle und amazonenhafte Frauen. Die Haarfarbe der Steppanos ist durchgehend blond.

Die Tropanos stammen aus den Tropen, also aus dem Regenwald, allerdings etwas südlicher und deutlich westlicher als der jetzige Standort. Man erinnere sich, die Tropanos haben sich schließlich im Südwesten von Edenia angesiedelt, an der Stelle, wo der tropische Regenwald beginnt. Als natürliche Westgrenze dient der Fluss Fructus und als Südgrenze der Waldsee, den auch die Oceanos als solche haben. Wie gesagt, die Tropanos sind also schon von der Herkunft her ein Tropenstamm. Der Grund ihres Standortwechsels war sozialer Natur. Sie waren einst Teil eines großen Tropenstammes, der sich Valdino nennt. Doch sie fühlten sich bei denen offensichtlich nicht mehr so wohl und grenzten sich zunächst eine weile von den übrigen Stammesmitgliedern ab, bis sie sich schließlich entschieden, einen eigenen Stamm an einem eigenen Standort zu gründen. Sie wollten einfach unabhängig von den anderen sein, denn so lange sie mit zu den Valdinos gehörten, mussten sie natürlich auch deren Gesetze beachten und es gab zudem ständig Streit wegen der unterschiedlichen Philosophien, nach denen sie lebten. Um sich von den Anderen abzugrenzen, änderten sie schließlich sogar ihre Hautfarbe. Im Gegensatz zu den Valdinos, die ihr natürliches rötliches braun erhielten, fanden die Tropanos eine Pflanzenart, die bei bestimmter Zubereitung eine dunkelgrüne Hautfarbe verlieh. Das prangerte der ursprüngliche Stamm ganz besonders an, denn diese meinten, man dürfe nichts gegen seine eigene Natur unternehmen und sie warfen den Tropanos somit Verrat an sich selbst und an dem gesamten Stamm vor. Auch schienen die Interessen sich stark voneinander zu unterscheiden. Der Urstamm pflegte einem geregeltem Tagesschema zu folgen doch die Tropanos hingegen, die ließen sich eher spontan in den Sinn kommen, was sie als nächstes erledigen sollten oder eher lieber nicht. Sie wurden häufig als ungehobelte Chaoten beschimpft, was sie selbst allerdings nicht im Geringsten tangierte. Sie wollten an sich nur ihren eigenen Lebensstil so gestalten, wie sie es für richtig hielten. Und das konnten die anderen auch sicher nicht verhindern, denn sie waren zwar in der deutlichen Überzahl, doch körperlich, strategisch und insgesamt auch kämpferisch hoffnungslos unterlegen. Das lag wiederum daran, dass die Tropanos ursprünglich die Soldaten des Stammes waren. Sie waren als einzige ausgebildet in allen Belangen der kriegerischen Auseinandersetzung. Man hatte ihnen die Verantwortung übertragen, sich um die Sicherheit des Stammes zu kümmern und dazu gehörte eben auch das entsprechende Training. Anfangs genossen sie auch noch einen recht guten Ruf, als sie mehr als nur einmal den Stamm sehr effektiv verteidigt und behütet hatten. Als sich dann jedoch herumgesprochen haben muss, dass dieser Stamm sich hervorragend verteidigen könne, blieben die Angriffe von fremden Stämmen aus und die Soldaten hatten fast nichts mehr zu tun. Sie haben sich ihrerseits jedoch diesen Lebensstiel angewöhnt und waren auch nicht mehr gewollt, sich jenen nun wieder abzugewöhnen. Als man sie häufig und dringendst gebraucht hatte, akzeptierte man diesen auch ohne weitere Bedenken. Doch als dann nun schließlich der Friede sozusagen einkehrte, erwartete man von den Soldaten, dass sie sich umstellen sollten und wenn es für sie nichts zu tun gäbe, genauso zu arbeiten hätten, wie jeder Andere auch. Das aber kam für diese überhaupt nicht in Frage, sie riskierten ihr Leben für den Stamm und hätten sich schließlich dann auch gewisse Privilegien verdient. Jene Privilegien, die sie sich da vorstellten, waren eben, dass sie nicht, wie die Anderen, arbeiten müssten, denn ihre Arbeit war ja die Verteidigung des Stammes und auch wenn dies nicht dem zeitlichen Rahmen der Arbeiten der Anderen entspräche, ist diese Arbeit jedoch deutlich gefährlicher und bedarf eines ständigen Trainings mit vielen ausgiebigen Pausen und einer auf Kraft ausgerichteten Nahrung, die deutlich umfangreicher war, als die der Anderen. Und so kam es eben, dass sie, während die Anderen sich mit irgendwelchen notwendigen Tätigkeiten abmühten, sich eher genüsslichen Dingen widmeten, sei es ein ausgiebiges Bad in einem nahe liegenden Tümpel zu nehmen oder das Spielen eines Brettspiels oder was auch immer ihnen gerade einfiel. Und wenn sie keine Lust hatten, irgendetwas zu tun, dann legten sie sich einfach gemütlich ins Gras und lauschten den lieblichen Klängen der Natur oder eines Instrumentes, wenn eines gespielt wurde. Der Ärger über diese Lebensweise wurde von Tag zu Tag größer und aus der Verzweiflung über die Uneinsichtigkeit der Soldaten und der Tatsache, dass man dagegen auch nichts unternehmen konnte, wurde Zorn. Man fing an, sie zu verachten und sie zu beleidigen. Dass die sich dagegen nicht einmal zur Wehr setzten als würde es sie überhaupt nicht interessieren, schien die Leute nur noch mehr zu verärgern. Als schließlich noch der Streit wegen der Änderung der Hautfarbe ins Haus kam und die Valdinos anfingen, sich ein eigenes kleines Heer aufzubauen, zögerten die Tropanos nicht lange und verließen den Stamm ohne ein Wort zu sagen oder irgendein Zeichen zu hinterlassen, um sich einen eigenen Stamm aufzubauen. Nicht, das sie Angst gehabt hätten, aber sie waren einfach zu tolerant und wollten keinen Krieg gegen ihren eigenen Stamm führen. Übrigens war die Änderung der Hautfarbe nicht nur zur Abgrenzung ihres Stammes, sondern in den Tropen auch recht effektiv in Bezug auf die Tarnung. Denn in dem grünen Buschwerk sind sie dadurch nur sehr schwer zu sehen, was sie bei der Verteidigung des Lagers auch so erfolgreich gemacht hatte. Neben der guten Tarnung sind sie als hauptberufliche Soldaten auch in der Tat große Krieger. Sie sind wohl etwa eben so gut durchtrainiert wie die Steppanos, haben jedoch durch die üppigen und auserwählten Mahlzeiten deutlich mehr Muskelmasse als diese. Dennoch bleibe ich der Meinung, dass die Steppanos die besten Kämpfer waren. Im Gegensatz zu den Steppanos sind die Tropanos schon fast verweichlicht, durch ihren gerade in Friedenszeiten geführten „luxuriösen“ Lebensstil. Kämpferisch und im Umgang mit Waffen sind sich wohl beide Stämme ebenbürtig, nur das extrem raue Pflaster ist es, was die Steppanos wohl zu den gefürchtetsten Kriegern machte. Ihre Haare wurden in Frisur und Haarfarbe der Tarnung und auch der Umgebung angepasst, meistens dunkel braun oder aber auch schwarz. Nun mag man sich natürlich auch fragen, wie sie sich denn ein Leben in einem eigenen Stamm vorgestellt haben, wo sie doch alle an diesen gemütlichen Lebensalltag gewohnt waren. Doch das stellte sich als unproblematischer heraus, als man es sich vorstellen mag. Denn sie waren schließlich auch zu Kriegszeiten zu allem bereit, das notwendig war, um die Gefahr abzuwenden. Und wenn es nun ohne die anderen Stammesmitglieder nötig war, ein neues Lager zu errichten und dann auch die anderen Arbeiten zu erledigen, dann sollten sie auch dieses meistern. Sie arbeiten eben immer so lange es nötig ist, mit vollem Einsatz und genießen dann erst einmal ihr Leben, so wie sie meinen, es verdient zu haben. Das ist ihre Philosophie.

Der nächste und letzte Stamm, der seinen Namen seiner Herkunft verdankt, ist der Stamm der Oceanos. Sie kommen ursprünglich unweit östlich des Mittelgebirges vom Südufer des mächtigen Stromes, der die beiden Landhälften in Nord- und Südhälfte teilt und ganz im Osten in den einen riesigen Ozean strömt. Sie sind der einzige Stamm, der von der Südhälfte des Planeten herkommt und haben dementsprechend einen langen Weg hinter sich. Etwa hundert schwere und entbehrliche Tage soll es gedauert haben, bis sie Edenia schließlich erreicht haben Doch was hat sie dazu bewogen in derart ferne Gefilde vorzudringen? Die Oceanos sind ein Stamm, der sich seinerseits aufgrund seiner Überlegenheit anderer Stämme gegenüber an der Südküste sein Plätzchen und es war gewiss kein schlechtes, gesichert hatte. Aus welchem Grund entschieden sie sich dann also, ihr zwar nicht besonders schwer, doch immerhin umkämpftes Gebiet zu verlassen, um sich in Ungewissheit in weiter Ferne ein neues suchen zu müssen. Auf eine einfache Rückkehr sollte man sich nicht unbedingt verlassen, denn die verlassene Stelle ist derart günstig, dass sie nur allzu beliebt sein möge und alsbald einen neuen Hausherrn gefunden haben dürfte. Nun, es soll wiederum mit ihrer Philosophie zusammenhängen und mit der Tatsache, dass sie vom Südufer des Stroms auf die andere für sie mysteriöse Seite blickten. Die Neugier gegenüber dem, was sich jenseits des Stroms verbarg, ließ nach neuem Wissen dürsten. Desweiteren erblickten Jäger das in den Jahren gespaltene Mittelgebirge und witterten von da an ihre Chance, über jenes Gebirge die andere Seite dieser fantastischen Welt betreten und erforschen zu können. Über den Strom hinweg auf die andere Seite zu gelangen, wäre reiner Selbstmord. Die Ufer sind auf beiden Seiten zu unwegsam und viel zu steil, um sie vom Wasser aus zu erklimmen. Zudem gibt es unberechenbare Strömungen sowie Strudel, die einer vermeintlichen Reise schon vor dem Erreichen des einen oder anderen Ufers ein Ende bereiten mögen. Wie aber hatten es die Menschen überhaupt geschafft, den Süden zu besiedeln? Gerüchten zufolge sollen die ersten Menschen aus dem nördlichen Teil von Primus stammen. Nun, abgesehen davon, dass es sich berechtigter Weise um Gerüchte handelt, denn keiner Weiß wirklich Genaues diesbezüglich, waren sich die Gebirgsgipfel auf den gegenüberliegenden Seiten zu jenen Zeiten noch deutlich näher. Zirka fünf Meter, trennten diese, so dass es keinerlei größere Probleme gab, mithilfe einer mobilen Holzbrücke etwa oder auch nur einem Baumstamm, die jeweils andere Seite zu erreichen. Im Laufe der Zeit entfernten sich die Uferspitzen jedoch durch Plattenverschiebungen im Erdreich. Siebzig Meter waren es dann schließlich, die es zu überwinden galt. Man wollte unbedingt hinüber und versuchte es mit selbst gebauten Flügeln, die denen der Vögel nach bestem Gewissen nachempfunden wurden. Schade um den Oceano, er hinterließ einen dicken roten Fleck an der anderen Felswand etwa dreißig Meter unterhalb der Uferspitze. Ein guter bis dahin fähiger Mann, der sein Leben der Wissenschaft widmete und letztendlich auch auf tragische Weise opferte. Der Luftweg war also offensichtlich auch, zumindest vorerst, nicht geeignet, um das ersehnte Nordland zu erreichen. Was blieb übrig? Der Landweg. Es musste eine Brücke gebaut werden. Und es geschah, dass auf eine spektakuläre Weise eine Hängebrücke erbaut wurde. Das Schwerste war der Anfang. Auf der anderen Seite befanden sich mehrere kleine und relativ spitze Gipfel, also nahm man sich ein Speer mit einer Öse, durch die ein leichtes Seil durchgezogen war. Leicht musste es sein, damit es nicht beim werfen störte. Seilanfang und Ende waren soweit auseinander, dass sich das Seil über den Gipfel stülpen würde, wenn der Speer präzise genug geworfen wurde. Nach einiger Übung war es dann soweit und mit dem kleinen Seil wurde dann ein großes durch die Öse um den Gipfel gezogen und der Rest ging Schlag auf Schlag bis letztendlich eine komplette und recht stabile Hängebrücke die beiden Gipfel verband. Kaum war die Brücke vollendet, wurde auch schon der Aufbruch geplant und für den nächsten Tag angekündigt. Doch nun noch einmal zurück zu der Frage, warum das traute Heim verlassen und dadurch im Prinzip alles aufgegeben wurde, was man bis dahin geschaffen hatte und warum man seine gesamte Existenz aufs Spiel setzte. Die Antwort liegt, so witzig es klingen mag, in der hoffnungslosen Überlegenheit, mit der sie sich bei ihrer Stammesgründung und Erweiterung gegen die anderen Stämme durchgesetzt hatten. Die Überlegenheit resultierte nämlich aus den technischen Fortschritten, die sie errungen hatten und welche andere noch nicht kannten. Dadurch waren sie ins besondere in der Waffentechnik den Anderen so weit voraus, dass keiner auch nur annähernd eine Chance gegen sie gehabt hätte. Was waren das für Waffen? Nun ihre größten technischen Errungenschaften hatten sie in Seiltechniken. Das klingt zunächst recht harmlos, doch mit Hilfe der richtigen und geeigneten Seile, lassen sich nicht nur Hängebrücken bauen, sondern zum Beispiel auch hervorragende Schusswaffen der verschiedensten Arten herstellen. Ebenso gut lassen sich Seile im Nahkampf für Hieb- und Schleuderwaffen sowie für Fangnetze und Fallen verwenden. Doch wo liegt denn da jetzt der Hund begraben, warum genossen sie nicht einfach ihren Ruhm, den sie sich durch ihren Eifer erarbeitet haben? Es war der Fortschritt, der sie auf einen Schlag den anderen gegenüber ziemlich übermächtig gemacht hatte, ergo könnte ein anderer Stamm kommen und seinerseits einen Fortschritt erringen, der ihn wiederum übermächtig machen ließe. So müsse man schließlich alles daran tun, um immer auf dem neusten und möglichst auf dem höchsten Stand des Fortschritts zu sein. Und auf dem Küstenstreifen der Südhälfte, wo sie letztlich die Führenden waren, von wem sollten sie dort noch lernen? Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis jemand käme, der sie aufgeholt oder vielleicht sogar überholt hätte. Sie waren also unbedingt davon überzeugt, dass sie sich weiterentwickeln müssten und zwar aktiv, um weiterhin bestehen zu können und da blieb ihnen die Hoffnung, dass der Norden ihre Erwartungen erfüllen würde. Was ihre Waffenüberlegenheit anging, waren sie auch fortschrittlicher als die Nordstämme. Natürlich konnten sie die meisten ihrer schweren Geschütze nicht mitnehmen, da zum einen der Transport zu umständlich gewesen wäre und der Nutzen im dichten Urwald auch eher zu vernachlässigen wäre. Was ihnen übrig blieb, reichte gerade gut aus, um nicht gnadenlos unterlegen gewesen zu sein. Denn vom Kampfgeist und der Kampfkraft waren sie insbesondere den Steppanos sowie auch den Tropanos deutlich unterlegen, weswegen sie bei der ersten Schlacht um den ersehnten Platz die jenen waren, die sich zuerst zurückzogen, um sich ein relativ sicheres Lager zu bauen, von dem aus man seinen Waffenvorteil besser ausspielen könne. Ihr Aussehen ist von der Statur her recht unspektakulär, denn sie sind lange nicht so durchtrainiert wie die anderen beiden Stämme, die schon vorgestellt wurden. Sie sind aber auch nicht besonders dick oder dünn oder durch irgendetwas besonders auffällig. Dafür sind ihre Körper blau gefärbt. Dies erreichten sie mit Hilfe von Tintenfischen aus dem Meer, deren Tinte sie nach einem bestimmten Rezept zubereitet, ihre Haut dauerhaft blau werden ließ. Dieses taten sie nicht der Tarnung wegen, sondern als Danksagung und Huldigung gegenüber dem Gott des Fortschritts, der in ihrem Glauben einen blauen Umhang trägt, der wiederum einen weißen Körper umhüllt. Da sie sich nicht anmaßen wollten, sich mit ihm auf die gleiche Ebene zu Stellen, drehte man die Farbkombination einfach um. Der Körper solle blau schimmern und die Kleider in weiß den Körper verhüllen. Durch diese Farbenpracht, waren sie in der Gegend, die sie zu besiedeln anstrebten, für jeden gut sichtbar, was bei den Auseinandersetzungen mit Nichten von Vorteil war. Aber der Glaube an ihren Gott des Fortschritts war und ist ihnen sehr wichtig, da man davon überzeugt war und weiterhin ist, dass dieser Gott ihnen jene Gabe gegeben hat und dafür müsse man dankbar sein und das auch zeigen.

Anders, als bei diesen drei Stämmen, kommt der Name bei den nächsten beiden Stämmen nicht von ihrer Herkunft, sondern von dem beziehungsweise den Stammesführern. Bei den Roburen, die im Übrigen von einer Waldinsel weit östlich und deutlich südlich von Edenia aus der Südsteppe stammen, ist der Robur der Stammesführer. Der Robur ist der Stärkste des Stammes und wird nach dem Göttersohn des Calhandran als Robur bezeichnet. Dieser ist nach deren Glauben der Göttervater aller Götter. Er schuf sie alle und doch war nur einer sein echter und wahrer Sohn, den er mit seiner Frau Bambulika gezeugt hatte. Sie war keine Göttin, sie war dennoch ein himmlisches Wesen, eine Fee, vom Rang allerdings deutlich niedriger als jener der Götter. Deshalb wurde Robur von den Göttern verachtet, von den Menschen dafür umso mehr verehrt, denn er war ihnen viel näher, als die anderen Götter, die in ihrer Überheblichkeit übersahen, dass es ihr Bruder war, den sie so sehr verachteten und auf die Erde verbannten, um ihn zu einem Sterblichen machten. Als Halbgott, der nur seine göttliche Unsterblichkeit verlor, auf ziemlich hinterhältige Weise, war er natürlich übermäßig stark und tapfer und hatte auch sonst alle Tugenden, die man als Held so haben musste. Die Unsterblichkeit verlor er, weil er einen Deal mit den anderen Göttern einging, durch den diese ihn kräftigst übers Ohr gehauen haben. Er war wieder einmal am Trainieren, als ihn die Götter fragten, für wen er sich denn solche Mühe machte, worauf er antwortete, dass er wie sein Vater einmal eine Fee freien wolle, um für seinen Nachwuchs zu sorgen. Die Götter zeigten ihm ein Trugbild von einer wunderhübschen Fee, die sich derzeit gerade auf Primus aufhalten sollte. Er müsse schnell hinterher, sonst könnte sie verschwinden und er würde sie nie wieder sehen. Daraufhin eilte er los, was er jedoch nicht wusste, war, dass er als Halbgott seine Unsterblichkeit Verlieren würde, sobald er die Erde eines Planeten berührte. Calhandran hatte ihn zwar eindringlich und mehrfach darauf hingewiesen, doch behaupteten seine bösartigen Götterbrüder und Schwestern einfach, dass dies selbstverständlich nicht gelte, wenn es um die Liebe ginge, die würde derartige Naturgesetze außer Kraft setzen. Und obwohl sich Robur sehr beeilte, war die Fee bereits fort, so dachte er, als er denn angekommen war. Darüber war er natürlich sehr traurig und die Götter hofften insgeheim, er würde sich etwas antun und in Unwissenheit der Sterblichkeit das Leben nehmen. Doch das war dem Robur fern, er vergoss nicht einmal eine Träne. Als Calhandran Wind von dem niederträchtigen Plan bekam, war es bereits zu spät und er tobte vor Wut. Er überlegte, was er tun sollte, ob er die Verräter allesamt vernichten solle, beschloss jedoch zunächst einmal seinen Sohn darüber um Rat zu fragen und schickte ihm eine Fee als Götterboten. Als sie ihm über sein neues Schicksal berichtete und er erfuhr, wem er dieses zu verdanken hatte, war er zwar geschockt, aber eher irritiert als erzürnt. Er nahm es mit Fassung und bat sie seinem Vater auszurichten, dass er unendlich stolz auf seinen Vater wäre, da er ihn um Rat gebeten hatte und das wäre auch die einzig vernünftige Strafe, die seine Brüder und Schwestern verdient hätten. Denn sie mussten bereits vorher so von Neid zerfressen gewesen sein, dass sie ihm diese Falle stellten, so dass sie nun als Unsterbliche für alle Zeiten ertragen mussten, dass ihr Vater, der Vater aller Götter, ausgerechnet einen sterblichen um Rat fragte. Was für eine Ironie des Schicksals. Als sie in den Wolken verschwand, ward ihm das nächste Mal das Herz zerrissen, denn auch sie war von bezaubernder Schönheit, wie es Feen nun einmal sind. Doch auch das ließ ihn nicht entmutigen. Er glaubte immer an die Worte seine Vaters: Was auch immer passieren würde, es müsse fortan weitergehen! So schlug er sich durch den Rest seines Lebens und er sollte noch einige harte Schicksalsschläge haben hinnehmen müssen. Dennoch sagte er am Sterbebett nur, wie glücklich er doch war und dass er doch ein wenig traurig wäre, diese Welt nun verlassen zu müssen, schloss die Augen und versank in den ewigen Schlaf, den die Menschen Tod nennen. Diesen tragischen Helden verehrten die Roburen über alles, so dass sie ihn in ihrem Stamm weiterleben lassen wollten. Er war, ist und muss das absolute Vorbild für jeden Menschen sein und dementsprechend wird auch der Stammesführer ausgesucht, sowie ausgebildet und ständig geprüft. Er hat zwar auch einige Privilegien als Stammesoberhaupt, doch vor allem die Pflichten zeichnen seinen Lebensweg. Das Training, das er immer wieder über sich ergehen lassen muss, ist um ein vielfaches härter, als das der Elitesoldaten seines Stammes. Als Stammesstärkster muss er zusätzlich auch einen großen Verstand aufweisen und auch diesen immer auf Trab halten, sowie allen Tugenden nacheifern, die eines Helden würdig sind. Dafür muss er, um in wirklich jeder Hinsicht auch als Vorbild zu gelten, mehrere harte Tests bestehen, die seine Reaktion auf Schicksalsschläge auf die Probe stellen. Da kann man sich schon ein leichteres leben vorstellen, doch bei den Roburen scheint es an Kandidaten nicht zu mangeln. Sie sind so fest in ihrem Glauben, dass sie all die Schinderei, all die Pflichten und all die Leiden mit Freuden auf sich nehmen, um ihren Angebeteten seine Ehre erweisen zu können. Dass der Robur zeitlebens und auch nach seinem Leben allerhöchstes Ansehen genießt, versteht sich von selbst, bei den Roburen zumindest. Ebenso wie die Oceanos auch, gibt es bei den Roburen Soldaten und Zivilisten im Gegensatz zu den beiden erst genannten Stämmen, bei denen im Prinzip jeder ein Kämpfer ist. Zum Aussehen bleibt noch zu sagen, dass die Roburen von den Staturen her ein sehr gemischtes Völkchen sind. Die Hautfarbe ist Weiß und ihre Haarfarbe geht von Rot über Brünett bis hin zu Pechschwarz. Die Soldaten tragen einen kurzen und schwarzen Irokesenhaarschnitt, der in der Mitte einen schmalen roten Streifen hat. Der Robur trägt knallig, leuchtend blondes Haar, um sich von den anderen schon von weitem zu unterscheiden. Aus welchem Grund die Roburen ihre Heimat verlassen haben, möchten Sie wissen? Vielleicht sind es nur Gerüchte, doch man munkelt, dass der Robur eine Herausforderung gesucht habe, um sich seiner als würdig zu erweisen. Die Stelle, die sie bewohnten, soll an sich ganz passabel sowie Flächenmäßig ausreichend gewesen sein. Was fehlte, war offenbar die Konkurrenz, mit der man sich messen konnte, denn auch sie waren ziemlich allein auf weiter Flur, nachdem sie so etliche Widersacher in die Flucht oder gar niedergeschlagen haben.

So und nun zum letzten der fünf Stämme, die sich in Edenia angesiedelt haben, diesem paradiesischen Ort. Es handelt sich hierbei um die im Mitteldorf lebenden Sapientes. Sie haben ihren Namen, genau wie die Roburen, von der Stammesführung her. Er ist leicht abgewandelt von „sapiens: weise“, da man nicht derart anmaßend sein wollte, sich als wahrhaft weise zu bezeichnen. Bei ihnen ist es nur kein einzelner, sondern vielmehr eine Gruppe der weisesten Frauen und Männer des Stammes. Da es offensichtlich in der Natur der Dinge liegt, dass ältere Wesen, den jüngeren an Weisheit meist überlegen sind, dies vor allen Dingen auf Grund Ihres Vorsprunges an Lebenserfahrung, besteht die Gruppe überwiegend aus älteren Leuten. Mann nennt diese Gruppe auch den Rat der Weisen oder kurz und bündig einfach Senat. Desweiteren mache es auch Sinn, so die Sapientes, die Aufgaben ihren entsprechenden Anforderungen an diejenigen zu verteilen, die ihnen gewachsen sind. Die Kinder sowie die Jugend sollen mit dem Erlernen jener Fähigkeiten beschäftigt sein, die sie dann als junge Erwachsene benötigen, um wiederum ihren Anforderungen gewachsen zu sein. Die Älteren wären mit etlichen der Aufgaben der jüngeren Erwachsenen überfordert und andersherum. Also Schuster bleib bei deinen Leisten! Und solange die Älteren nicht vergessen, dass sie auch einmal jung waren, und die Jungen daran denken, dass sie auch einmal alt werden, zumindest wollen, und alle beteiligten den nötigen Respekt wahren, spreche an sich auch nichts dagegen, dass dieses System funktionieren kann. Bei den Sapientes funktioniert es offenbar seit je her sehr gut. Sie sind übrigens die einzigen, die tatsächlich aus der unmittelbaren Umgebung von Edenia stammen. Sie kommen von der Südseite des tropischen Waldsees. Ursprünglich war der Stamm sehr viel kleinerer. Abgesehen davon, dass sie ihren Stamm aus eigener Kraft vergrößerten, wurden auch gerne Fremde in ihren Stamm aufgenommen, was sie wiederum wachsen ließ. Irgendwann wurde der Platz ein wenig zu eng und so suchten sie nach etwas Größeren, das sie dann wenige Tage später auch fanden, allerdings auch nur wenige Tage in Ruhe und Frieden genießen konnten. Die Sapientes sind ein recht tolerantes und diplomatisches Volk, das grundsätzlich nach friedlichen Lösungen sucht. Den verschiedenen Kulturen verdankt der Stamm sein buntes Aussehen. Es gibt keine Uniformen für die Soldaten. Natürlich nicht, es gibt auch keine Soldaten, denn jeder Ankommende soll friedlich willkommen sein. Wehrlos sind sie dennoch keineswegs. Im Krieg, der sich bekannter Weise auch zunächst nicht vermeiden ließ, war und sei jeder einsatzbereit, der seine Waffe noch oder schon halten kann, denn, wenn es nicht anders geht, müsse man alles tun, um den Krieg oder eine andere kämpferische Auseinandersetzung, so schnell wie möglich zu beenden. Auch wenn sie keine spezialisierten Kampftruppen haben, ausgebildet in Verteidigung und Angriff sind sie nahezu alle und der Überraschungseffekt ist auf ihrer Seite. Es ist eine Tradition, dass die körperliche Ausbildung in der frühen Jugend mit den Kampfkünsten und gleichzeitig von der erforderlichen Moralschulung begleitet, begonnen wird. Abgesehen von den Fähigkeiten in Angriff und Verteidigung, dient es der Gesundheit des Körpers und der Seele. Und genau deswegen üben sich auch die ältesten der Sapientes noch in den Kampfkünsten, allerdings in einer etwas anderen Form und Intensität. Nun aber noch einmal zurück zum Aussehen der Sapientes: Ähnlich, wie bei den Roburen, sind auch sie von den Staturen her sehr gemischt. Die Frisuren scheinen mitunter keine Kunstform auszulassen und die Kleidung ebenso. Nur der Senat trägt uniforme Kleidung: weiße Gewänder mit schwarzem Umhang. Diese Farbkombination soll die in der alten Legende beschriebenen Urmächte der Schöpfungsgeschichte symbolisieren. Das Weiß des Gewandes, das den Körper nachformt und somit das Gute im Wesen darstellen soll und das Schwarz des Umhangs, welches das allgegenwärtige Böse darstellen soll. Der Senat hat außer der gesetzgebenden Funktion, noch die Aufgabe sich als Tutor in Moral und Philosophie zu verdingen und über die alte Legende zu berichten. Auch das ist eine alte Tradition bei den Sapientes.

Die Sapientes

Wir befinden uns im Jahre 5000 seit der Schöpfung des Menschen, wie es in der alten Legende überliefert ist. Die Menschen selbst zählen die Tage allerdings von Beginn ihrer Stammesgeschichte an und damit befinden wir uns, vom Kalender der Sapientes ausgehend, im Jahre 305. Die Besiedelung von Edenia begann im Jahre 272 und der Friedensvertrag mit den anderen Stämmen wurde im Jahre 276 unterzeichnet. Es herrscht nun also seit 29 Jahren Frieden und somit ist Edenia zu einem wahrhaftig paradiesischen Ort gediehen. Es ist Frühling mit sommerlichen Nuancen. Aus den Wiesen sprießen die verschiedensten Blumen in herrlicher Farbenpracht, die Bäume bekommen ihre ersten Blätter und der letzte Schnee tropft schmelzend von den höheren Baumwipfeln herab. Die Vögel scheinen vor Freude ein Frühlingslied zu trillern und die Grillen reihen sich doch gerne gleich mit ein, so dass es für einen Liebhaber der Natur, wie ein Konzert mit Starbesetzung erscheinen mag. Und dieses Konzert scheint auch die anderen animalischen Bewohner in Edenia zu beflügeln, aus allen Ecken und Winkeln raschelt es und wackelt es, als sei die gesamte Umgebung aus einem tiefen Winterschlaf wieder erwacht. Gruppen von Armeisen durchstöbern die Landschaft, um etwas Brauchbares zu finden für die Wiederherstellung des durch den Winter in Mitleidenschaft gezogenen Baus. Denn dieser Winter war in der Tat ein recht harter und langer Winter und für viele ihrer Leidensgenossen und nicht nur ihrer, auch der letzte. Doch nun ist er endlich vorbei, der Winter, und es muss ja weitergehen. Auch die Spinnen fangen an, große Netze zu bauen. Bei so einem Frühlingsbeginn sollte sich früher Fleiß glatt doppelt lohnen. Und bei den Sapientes im Mitteldorf erfreut man sich ebenso des guten Wetters und fängt an, die Vorbereitungen für das kommende Frühlingsfest zu treffen. Bei den Sapientes ist es Tradition, anlässlich des Frühlingsbeginns ein großes Fest zu veranstalten, um somit den Frühling und den darauf folgenden Sommer willkommen zu heißen. Dies tun sie mit einem großen Festmahl. Es ist jeweils das erste nach einer eher dünnen Herbst- und Winterperiode, jedoch mit Sicherheit nicht das letzte während der warmen Jahreszeiten. Im Anschluss an den Festschmaus gibt es heitere Musik am Lagerfeuer, zu der üblicherweise gesungen und getanzt wird. Die Festlichkeiten beginnen mit dem Sonnenuntergang und zur Eröffnung wird eine Rede gehalten. Es werden Komödien gespielt und Ehrungen vorgenommen oder beispielsweise Eheschließungen angekündigt. Tagsüber sollen sich die Einwohner an dem schönen Spiel der Natur erfreuen, so dass dieser Tag frei von den üblichen Arbeiten bleibt. Die Vorbereitungen sind auch nicht so wild, denn das Mahl wird deshalb Festmahl genannt, weil es mal so richtig feste was zu beißen gibt. Dieses Jahr steht ein sehr großes Fest an, eben wegen des langen und harten Winters. Desweiteren soll eine Hochzeit angekündigt werden. Es handelt sich dabei um die Hochzeit zwischen dem jungen Paxicus und der liebevollen sowie sehr hübschen Luna La Pulcherrima. Sie haben sich im Herbst vor sechs Jahren lieben gelernt, als man sich eher zufällig über den Weg lief, direkt nach dem Unterricht bei deren Tutoren, wobei Paxicus voller Faszination ihres Anblicks gegen einen Baum lief und beim Rückprall auf den Boden fiel. Sie musste daraufhin so lachen, da diese Aktion für sie sehr komisch ausgesehen hatte, dass auch sie kurzer Hand darauf gegen einen Baum lief und ihr das gleiche Schicksal zuteil wurde, wie ihm. Das wiederum ließ seinen vorübergehenden Schmerz auf der Stelle verschwinden und auch er konnte sich kaum halten vor lachen. Daraufhin lagen beide auf dem Boden. Die Bäuche vor Lachen gekrümmt und sich gegenseitig immer wieder zum Lachen bringend, eroberten sie jeweils das Herz des anderen. Sie erkannten beide sofort, dass der Humor stimmte und sie passten einfach auch gut zusammen. So lustig begann diese nunmehr großartige Liebe zwischen zwei jungen Seelen, die einander gefunden haben. Er ist 23 Jahre und sie 19 Jahre alt und sie bestreiten nun bereits seit sechs Jahren gemeinsam ihr Leben und gehen gemeinsam zur Universität. Ja wohl, zur Universität. Das ist der Ort, an dem die Sapientes lernen, unter Umständen ihr gesamtes Leben lang. Doch nicht jeder und auch nicht permanent. Es wird auch gearbeitet, ob nebenbei oder auch hauptsächlich. Grundsätzlich basiert die Wirtschaft der Sapientes auf zwei Säulen. Die erste ist eine gut geplante sowie durchstrukturierte Wirtschaft, die dem Einwohner im Stamm eine Unterkunft sowie zum Überleben ausreichende Nahrung zur Verfügung stellen ersucht und dies auch schafft. Hierfür gibt es speziell angestellte Organisatoren, welche die entsprechenden Pläne erstellen und diese auch umsetzen lassen sowie überprüfen. Die zweite Säule ist eine gänzlich freie Wirtschaft, der kaum grenzen gesetzt sind und die für all jene Dinge steht, die über den Anspruch der vom Stamm organisierten Wirtschaft hinausgehen. Am Ende folgt für die Einwohner daraus, das grundsätzlich niemand verhungern muss und jeder vom Stamm beschäftigt werden kann. Zusätzlich möge sich jeder seinen Luxus nach den jeweiligen Wünschen sowie seinen Fähigkeiten entsprechend erarbeiten. Doch nun ist nicht der Zeitpunkt, um über Arbeit oder andere lästige Dinge nachzudenken, nicht für die Sapientes.

Die meisten Erwachsenen befinden sich in diesem Moment draußen, sitzen oder liegen faul auf einem Tuch auf der Wiese und erfreuen sich des wahrlich grandiosen Wetters. Die Kinder dagegen spielen mit einem Ball oder auch ohne diverse Spiele, die man als Kind so eben spielt. Der eine oder andere nutzt auch das schöne Wetter für seine Tai Chi Übungen. Die beiden Liebenden hingegen haben sich zu einem kleinen Spaziergang zum nahe gelegenen Waldsee aufgemacht, um die frische Seeluft zu schnuppern und vielleicht ein kleines Bad zu nehmen. Ein wahrlich beschauliches und unglaublich romantisches Plätzchen ist diese kleine Bucht, in die sie gegangen sind. Sie liegt im östlichen Teil ihres Uferbereichs nahe ihrer gedachten Grundstücksgrenze. Die Bucht ist ziemlich rund und fast abgeschlossen, so dass man sie fast als einen eigenen kleinen Waldsee bezeichnen könnte, wäre da nicht dieser kleine Spalt, der an der Wasseroberfläche kaum zwei Hände breit ist und somit diese Bucht zu einer Bucht macht. Dieser kleine Spalt tut der Schönheit jedoch keinen Abbruch, ganz im Gegenteil, er gibt diesem Platz noch etwas Geheimnisvolles mit sich, ein gewisses Etwas. In der Mitte der Bucht fließt der Wasserfall mit dem Wasser von dem Hügel, der zuvor erwähnt ward, wenn denn Wasser fließt, durch Regen oder tauenden Schnee, so wie am heutigen Vormittag. Der Zugang zum Wasser, den man vom Land aus mit einiger Mühe erreichen kann, da der Weg dorthin recht dicht bewachsen ist, liegt dort etwa vier Meter über dem Wasserspiegel des Sees. Vom Wasser aus kommt man am Ufer an eine Art kleinen Strand, der teils aus Gestein teils aus Waldboden besteht. Um dahin zu gelangen, gibt es drei Möglichkeiten: Die erste wäre, einfach hinein zuspringen, am besten von einem der drei Vorsprünge, die über die normale Uferlinie hinausragen. Die zweite wäre, an einem der Bäume herunter zu klettern, die vom Strand hinauf ragen und die dritte wäre, vom See außerhalb in die Bucht hinein zu tauchen. Der Spalt wird nämlich ab drei Meter unter der Wasseroberfläche deutlich breiter, so dass ein Mensch und sei er ausgewachsen, mühelos hindurch passt. Die beiden letzteren Möglichkeiten sind auch für den Rückweg geeignet. Die ganze Bucht hat ein Durchmesser von ziemlich genau 17 Metern. Auch vom Strand aus geht es gleich tief ins kühle Nass, daher ist es auch an sich kein Problem, von oben zu springen. Der Strand ist recht schmal, so dass die Überhänge am oberen Uferrand sogar noch den Strand überragen. An manchen Stellen misst er knapp vier Meter, an den breitesten etwa sechs Meter und an den schmalsten jedoch nur gut zwei Meter. Die Überhänge befinden sich jeweils über den schmalen Stellen. Paxicus hat den Überhang links des Wasserfalls, von der gegenüberliegenden Seite aus gesehen, als erstes erreicht und nimmt ein ihm alt bekanntes Geräusch stammend von einer ihm ebenso bekannten Person wahr. Unten am Stand spielt eine Waldnymphe auf einer Geige ihr Lieblingslied. Sie nennt sich Serina und spielt die Hymne der Waldnymphen: „Komm zu mir und hab mich lieb“. Es hat keinen Text, ist aber, gespielt von so einer Virtuosin der lieblichen Klänge, ebenso verführerisch wie jene, die es spielt. Und das ist auch das Ziel der Waldnymphen, starke, junge und vor allem schöne Männer zu verführen. Sie haben nämlich selbst keine Männer und sie kriegen auch keine, ihre Nachfahren sind immer weiblich. Dieser Umstand ist genauso mysteriös wie ihre Herkunft. Keiner weiß wirklich genau, wo und wie sie herkamen, nicht einmal wann. Und weil es unter ihnen keine Männer gibt, womit sie soweit auch recht zufrieden zu sein scheinen, müssen sie sich eben ihre Männer verführen, um sich vor dem aussterben zu bewahren. Für gewöhnlich stellt das auch kein Problem dar, denn wer diese Geschöpfe zu Gesicht bekommt, leicht bekleidet oder eher besser fast gar nicht, ist schon so gut wie vernascht und wenn dann noch der liebliche Klang eines ihrer Instrumente, sie spielen sowohl die Geige als auch die Flöte in Perfektion, oder ihrer Stimme erklingt, reist es auch den Standhaftesten schon mal die Nähte aus der Buchse. Wer sich dann allerdings erwischen ließ, von seiner Frau, musste mit einer ordentlichen Tracht Prügel rechnen und zwar zurecht, denn bei der Eheschließung hatte man sich doch schließlich ewige Treue geschworen und solange die Ehe nicht aufgehoben würde, was an sich bei den Sapientes auch nie passiert, hat man sich an den Schwur gefälligst auch zu halten. Das gilt natürlich auch für die, die sich nicht erwischen ließen, nicht das hier ein falscher Eindruck entsteht. Nun, hin und wieder sieht man einen Mann mit Beulen und blauen Flecken überseht zur Arbeit humpeln und dann ist allen klar, was geschehen ist: er wurde erwischt oder hatte gebeichtet, seine Frau hat ihn betrunken gemacht und kräftig etliche duzend male mit der Pfanne eins übergebraten. Damit ist dann aber auch meistens alles beim alten, er hat seine Lektion gelernt, hoffentlich, und sie hat ihm, in der Hoffnung, dass sich so etwas nie wiederholen würde, verziehen. Es heißt auch, dass von den Waldnymphen eine magische Aura ausgehe, der nur die wenigsten gewachsen seien. Das die Frauen der Sapientes bezüglich der Treue über jeden Zweifel erhaben sind, mag auch daran liegen, dass es kein männliche Waldnymphen gibt oder sie bisher nur noch nicht entdeckt wurden. Im Stamm selbst sind auch die Männer bedingungslos treu. Nun gut, sei es drum. Paxicus sieht also die Nymphe und lauscht ihren Klängen, so lange bis Luna durch ihr Auftauchen die selige und berauschende Atmosphäre unterbricht.

Luna: Wer ist das?

Sie scheint etwas entsetzt und selbst verblüfft über die Schönheit jener, sowie die der liebevollen Musik von ihr zu sein

Paxicus: Das ist Serina, eine Waldnymphe.

Luna: Ja, das sehe ich auch, aber woher weißt Du Ihren Namen? Hast Du sie schon mal gesehen? Los sag schon, rück' raus mit der Sprache!

Ihr Tonfall nimmt an Aggressivität etwas zu. Er bleibt hingegen völlig gelassen

Paxicus: Ja, sogar mehrmals und ich habe sie nicht nur gesehen, ich war auch schon bei ihr.

Luna: Was soll das heißen, hat sie Dich verführt, wann war das?

Sie wird direkt aufbrausend, doch er lässt sich dadurch nicht im Geringsten aus der Ruhe bringen.

Paxicus: Nun lass mich doch mal ausreden! Das erste Mal, als ich sie gesehen habe, waren wir beide noch zu jung für das, was Du befürchtest. Ich sah sie und lauschte Ihrem lieblichen Gesang, der wahrlich herzerwärmend war, damals schon. Als sie mich erblickte, bat sie mich, zu ihr in das Wasser zu springen und ich tat es. Wir waren beide verblüfft, sie über meinen Mut und ich über ihre Schönheit und ihren Anmut. Ich fragte sie nach ihrem Namen und sie sagte, sie würde ihn mir nennen, wenn ich verspräche, sie wieder zu sehen. Seinerzeit sprach ja auch absolut nichts dagegen, also warum nicht, dachte ich und gab es ihr, woraufhin sie mir verriet, dass ihr Name Serina sei. Das war vor zehn Jahren. Ich ging gleich in der nächsten Woche wieder hin und am gleichen Tag des nächsten Monats und ein Jahr Später und dann jedes Jahr wieder, doch sie war nie da, bis fünf Jahre vergangen waren. Da sah ich sie dann wieder, dieses Mal spielte sie auf einer Flöte, nicht minder schön als Ihr Gesang. Als sie mich ihrerseits erblickte, bat sie mich wieder, zu ihr zu kommen, was ich auch tat. Sie forderte mich auf, ganz nah an sie heranzukommen, so nah, dass sich unsere Körper ganz sanft berühren würden. Ich kam dem zunächst nach, hielt aber kurz bevor sich unsere Körper berührt hätten inne und flüsterte ihr ins Ohr, dass es mir für sie sehr Leid täte, dass ich ihre lang ersehnte Sehnsucht nicht erfüllen könne, weil ich eine über alles geliebte Freundin hätte. Sie sah mir mit ihren leuchtenden Augen in die Meinigen und sagte dann etwas traurig hereinschauend, dass sie es sehr anständig fände, dass ich trotz meiner Freundin das versprechen eingehalten habe und natürlich auch, meiner Freundin gegenüber, das ich ihr treu bleiben wolle. Im Wegschwimmen sagte sie dann noch, dass sie es sehr schön fände, wenn wir uns wenigstens noch ein letztes Mal sehen könnten, worauf sie ohne meine Antwort abzuwarten tauchend verschwand. Nun, heute sehe ich sie wieder, dieses Mal mit einer Geige und ich muss sagen, die beherrscht sie von allen gar am besten. Und siehst Du, sie hat ein lächeln im Gesicht, obwohl sie weiß, da sie Dich gesehen hat, dass sie mich auch heute nicht verführen wird. Sie freut sich einfach mich zu sehen, auch aus der Ferne, gönnen wir ihr doch diese Freude.

Luna: Du wärst sicher jetzt gern unten bei ihr oder, sie ist wirklich unglaublich hübsch. Sei ehrlich, bereust Du es, dass Du sie Dich nicht hast verführen lassen?

Paxicus: Keineswegs, ich liebe doch Dich über alles. Deine Liebe verzaubert mich nicht nur, sie verhindert auch, dass ich von einer anderen Frau verzaubert werden kann und das ist wahrhaftig so!

Luna: Aber Du findest doch, dass sie sehr schön ist, das hast Du selbst gesagt.

Paxicus: Das ist wohl war, das habe ich gesagt, doch das war, bevor ich Dich kannte. Sie ist zwar zweifelsohne immer noch ein faszinierend hübsches Geschöpf, die allerliebste Schönheit kann ich aber nur in Dir erkennen.

Luna: Beweise es, sag mir, wie schön Du mich findest!

(kurze Pause)

Paxicus: Also gut!: Definierte man die Schönheit als das Licht, und so sei es, dass der Schein der Kerze etwas schönes ist und ein großes Lagerfeuer dementsprechend noch viel schöner, dann wärst Du, meine Zauber Fee, heller als das Licht aller Sonnen und Sterne im Universum!

Kaum ist der Klang seiner Worte verhallt, da packt sie ihn, küsst ihn und reißt ihn mit sich ins Wasser. Eng umschlungen und küssend tauchen sie wieder auf. Serina bemerkt das Spektakel und reagiert prompt. Obwohl man glauben mochte, dass auch sie sich ein wenig in Paxicus verguckt hatte oder zumindest gekränkt sein könnte, da sie abgelehnt wurde, schien sie sich mit ihnen zu freuen und spielt das alte Lied der ewig Liebenden und wünscht ihnen noch viel Glück fürs weitere Leben. Diese Geste findet wiederum Luna so selbstlos und beeindruckend, dass sie sich für das Lied gar unzählige Male bedankt. Als sie sich dann schließlich verabschieden, ist es Luna die fragt, ob man sich wieder sehen würde und Serina antwortet mit zarter Stimme.

Serina: Ich werde Euch ein persönliches Konzert spielen, wenn Ihr verheiratet seid, aber nur für Euch. Eigentlich müsste ich ja enttäuscht sein, dass ich diesen Traum von einem Mann nicht habe in meinen Bann ziehen können, doch Ihr beide seid so ein hübsches und liebes Paar, dass ich gerade noch einmal Gnade vor Recht ergehen lassen kann und Euch Eure Liebe gönne, Ihr habt Euch schließlich voll und ganz verdient.

Nach diesen Worten verschwindet sie mit Ihrer Geige in einem Tuch eingewickelt im Wasser. Luna und Paxicus schauen ihr noch kurz nach, bis sie sich dann beeilen, den Baum hochzuklettern, um sich auf den Rückweg zu machen, denn das Wasser in der Bucht ist trotz des schönen Frühlingswetters noch ziemlich kalt, eisig trifft es wohl besser und der Weg zum Stamm ist schon noch ein Stückchen. Doch durch die Freude und das Glück der Beiden, scheint ihnen die Kälte im Moment überhaupt nichts auszumachen. Als sie dann schließlich zu Hause ankommen, fragt man sie, ob sie verrückt wären, ins Wasser zu springen, nach diesem langen Winter, und dass sie sich bestimmt den Tod holen würden. Das aber kümmert sie nicht im Geringsten, sie sind einfach nur glücklich über dieses schöne Erlebnis.

Nun, da der frühe Nachmittag angebrochen ist, fängt ein Jeder an, die letzten Vorbereitungen zu treffen. Man baut Tische und Bänke auf, die Metzger beginnen, die Fleischplatten zu bestücken und eine unüberschaubare Menge an berauschenden Getränken wird zu einer Schenke gebracht. Einzig allein die Kinder tummeln sich weiterhin unbekümmert auf den mehr oder weniger zum spielen geeigneten Plätzen herum. Nachdem Trubel um den Aufbau, der eigentlich gar keiner sein müsste, doch es gibt eben immer ein paar Spezialisten, die alles besser wissen, geht der nächste Stress los: was zieht man an. Es soll dieses Jahr ein ganz besonderes Fest werden, da der Winter sehr lang und ziemlich hart und kalt war. Daher überlegen sich so etliche, ob sie sich nicht ein wenig schick machen sollten. Andererseits müsse man dann wieder besonders Acht auf die schicke Kleidung geben und es mache doch mehr Spaß, völlig unbekümmert zu schlemmen, denken diese so für sich. Am Ende sieht es so aus, wie immer: die Frauen sind ordentlich hübsch gemacht und die Männer, nun die konzentrieren sich dann mehr aufs Essen. Wie hätte es auch anders kommen können. Und da man von den Männern, die seit langen auf dieses „Festfressen“ gewartet haben, auch nicht allzu viel Tischmanieren erwarten sollte, sind die Tische nicht nach Familien geordnet, sondern nach Frauen, Kindern und Männern. Hier und dort mischen sich die Geschlechter auch, denn es gibt schließlich auch die „Feinen Herren“ und auch bei den Frauen gibt es Abtrünnige, die sich sowohl im Benehmen als auch im Appetit mit den Männern nichts nehmen, wenngleich sie rein äußerlich überhaupt nicht den Eindruck machen würden. Ein weiterer Tisch ist für die fünf Senatoren reserviert. Der Älteste wird dann auch das Buffet eröffnen und einer der Künstler, der sich als guter Entertainer erweist und im Vorfeld dazu auserkoren wurde, wird durch den Abend und durch die Nacht führen. Paxicus sitzt mittenmang der Männer und freut sich wie ein Schneekönig auf den gewaltigen Festschmaus. Die Frauen, unter ihnen auch Luna, scheinen auch schon etwas ungeduldig auf ihren Bänken zu sitzen, nicht jedoch, weil sie die Eröffnung des Buffets nicht mehr abwarten können, sondern, weil sie ins geheim hoffen, dass die Männer nicht wieder ein Wettessen veranstalten, welches dann meistens mit einem Wetttrinken, Wettsaufen ist wohl das treffendere Wort, fortgeführt wird. Denn jene, die schließlich die Besinnung verlieren sollten, die sind am nächsten Tag fürs Aufräumen verantwortlich. Und diejenigen, die sich derartig beim Trinken verlieren, werden wohl mit großer Wahrscheinlichkeit am nächsten Tag überhaupt nicht in der Lage sein, sich um das Aufräumen zu kümmern. Das bedeutet wiederum, dass die Arbeit dann an deren Frauen hängen bliebe, wollten diese nicht, dass ihre Männer eine ordentliche Strafe zahlen müssten. Umgerechnet könnte man für diese Strafe zweimal mit der gesamten Familie, geht man davon aus, dass die Familie aus zwei Eltern, zwei Großeltern und zwei Kindern besteht, gemütlich ins Restaurant zum Essen gehen.

Nun endlich scheint es so weit zu sein. Halam, der vorsitzende der fünf Senatoren bimmelt die Glocke, die etwa faustgroß auf seinem Platz an seinem Tisch schon seit einiger Zeit für ihren Einsatz bereit liegt und durch die damit das Buffet eröffnet wird. Halam, der seinerseits aus dem Südosten kam und sich bei den Sapientes so gut aufgenommen fühlte, dass er sich gegen sein eigentliches Vorhaben, ein ewiger Wanderer zu sein, entschied, bei ihnen zu bleiben, ist seit dem Anfang des letzten Winters, als Augusius seine letzte und wohlverdiente Reise zu den Ahnen antrat, der Älteste mit nun mehr 103 Jahren und dabei fit wie eh und je. Er war gerade 14 Jahre alt, als sein Stamm, die Altanachen, überfallen und vorerst vertrieben wurde. Viele seines Stammes wurden bei dem besagten Überfall getötet oder so verletzt, dass sie im Leben nicht mehr viele Freuden finden konnten. Die Augen ausgebrannt, die Ohren abgerissen, Arme und Beine völlig zerhackt und die Seelen durch die Gräueltaten nahezu vernichtet. Jenen, die relativ unversehrt blieben, schienen die Seelen vollkommen zerstört. Sie dachten nur noch an eines, an Rache. Es sollte ihre einzige und letzte Aufgabe sein, Rache zu üben, reine Vergeltung. Kurz nachdem man einen Unterschlupf bringendes Lager gefunden hatte, ging das große Jammern und Fluchen los. Das Jammern dauerte nur einige wenige Tage, das Fluchen blieb Tag ein Tag aus. Es wurde auch kein normales unverfluchtes Wort mehr ausgesprochen, es war sogar verboten worden vom Stammesfürsten, der eine Narbe im Gesicht aufgrund einer klaffenden Platzwunde hatte, die vom Aufschlag seines Vaters Schädels stammte. Da er nun das Sagen hatte, er war wie gesagt der Sohn des Stammesfürsten, sollte das ganze Leben eines jeden Altanachen darauf ausgerichtet sein, auf ein Racheplan hinzuarbeiten. Das irrsinnige und paradoxe daran war, dass diejenigen, die überfallen wurden, sich gar nicht mehr selbst rechen würden können. Es waren viel zu wenige. Höchst wahrscheinlich würde erst die übernächste Generation in der Lage sein, mit einer angemessen Anzahl an ausgebildeten Kriegern, den Racheplan in Angriff zu nehmen. Dann aber würden viele der Feinde, die man dann bekämpfte und nach eigenem Wunsch auf vermutlich noch grausamere Weise nieder metzelte, gar nichts mehr mit dem damaligen und wahrlich abscheulichen Überfall zu tun gehabt haben. Wenn dann wiederum auch nur einige Wenige von denen überleben würden, würde dieser Rachefeldzug dann früher oder später wie ein Bumerang zurückkommen. Diese Prozedur könnte sich dann unentwegt fortsetzen. Halam war damals erst 14, erkannte dennoch schon, leider als einer der wenigen, wie Nutzlos dieser ganze Racheplan war. Er wusste allerdings auch, dass es absolut sinnlos wäre, zu versuchen, den Sohn des geköpften Stammesfürsten von seinen Racheplänen abzubringen. Das würde ihn direkt seine Zunge und wahrscheinlich auch sein Leben gekostet haben. Es gab sicherlich noch andere, die ein solches Gemetzel nicht guthießen, jedoch waren diese vor Erfurcht vor dem alten sowie dem neuen Stammesfürsten so hörig, dass sie ihnen zu allen Schandtaten gefolgt wären. Halam dachte sich seinerseits schon in seinem jungen Alter: Loyalität ist sehr wichtig, sie ist eine der höchsten Tugenden, doch wem gegenüber, das sei das entscheidende. Er beschloss für sich damals, dass sein einziger und wahrer Meister die Vernunft sein sollte und nur Ihr gegenüber wollte er ewige Treue schwören. So machte er sich alsbald auf, die Welt zu erkunden, in der Hoffnung, mehr als nur Krieg, Elend und Hass zu begegnen. Er hatte das Glück, dass er sich als Kind schon anders vergnügte, als die meisten anderen seines Alters. Während viele sich im Ringen oder Prügeln übten, trainierte er schnelles und möglichst lautloses Laufen sowie das Verstecken und Verkriechen. Er schulte seine Aufmerksamkeit und lernte so frühzeitig Gefahren zu erkennen und ihnen nach Möglichkeit aus dem Weg zu gehen. Wenn es sich dann gar nicht vermeiden ließe, hatte er immer noch ein paar Tricks auf Lager, die ihm dann aus der Klemme helfen konnten. Denn, da er für gewöhnlich immer auswich und die meisten das mit Feigheit verwechselten, war der Überraschungsmoment auf seiner Seite, wenn es hart auf hart kam. Diese Überlebensstrategie hat ihm letztendlich nun schon 103 Jahre beschert und es ist noch kein Ende in Sicht. Auf dem Weg nach Irgendwo fasste er den Entschluss, ein ewig Reisender zu werden, um möglichst alles von der weiten Welt zu sehen zu bekommen. Nach elf Jahren traf er dann auf den Stamm der Sapientes, welcher der erste Stamm war, der ihn wirklich herzlich willkommen hieß und ihn einlud, bei ihnen zu bleiben. Sein Wunsch war es zwar eigentlich, immer weiter zu wandern, doch am Ende war es sein Verständnis von Vernunft, abgesehen von etlichen anderen Zugewanderten aus den verschiedensten Richtungen, die sein Wissensdurst durch Erzählungen löschen konnten, das ihn dazu brachte, bei den Sapientes zu bleiben. Er war nun schließlich auch schon ein wenig reifer geworden und hatte sich wohl überlegt, dass es doch sehr vernünftig sei, eine Heimat zu haben, in der man Freunde sowie einen Partner fürs Leben findet. Sein Partner sollte eine sehr liebenswürdige Frau werden, die gar älter war als er selbst. Er sollte sie noch im selben Jahr seiner Ankunft kennen und lieben gelernt so wie geheiratet haben. Nach glücklichen 76 Jahren ist sie im vorletzten Jahr mit 105 Jahren zu ihren Ahnen hinfort gegangen. Die Liebe zu ihr war unbeschreiblich groß und der Glaube an die Liebe nach dem Tod hielt wiederum ihn am Leben. Heute steht er nun da, hat gerade die Glocke gebimmelt und beginnt nun seine Rede:

Halam: Seid gegrüßt, meine seit langem lieb gewonnenen Lebensgenossen! Aber auch die, die seit Kurzem ich erst kenne. Zu guter Letzt auch Jene, die ich lange geliebt, geschätzt und geehrt habe und es weiterhin tun werde und die heute mit ihren Geistern hier anwesend sind. Guten Abend, Amalie, mein Schatz, Du kannst Dir nicht vorstellen, wie stolz ich heute Abend bin, dass ich als Vorsitzender des Ältestenrats dieses Fest eröffnen darf. Obwohl, ich glaube, Du kannst es Dir vorstellen, Du kennst mich ja nun schon seit 78 Jahren, eine recht lange Zeit, die durch Dich so unglaublich schön und wertvoll für mich wurde und weiterhin sein wird. Nie wird diese Zeit mit Dir in Vergessenheit geraten werden, wenn gleich auch die Zeit, bevor ich Dich, jene unglaublich Zauberhafte kennen gelernt habe, mir immer in Erinnerung bleiben wird. Die tiefen Wunden von damals kann ich einfach nicht aus meinem Gedächtnis löschen und das soll wohl auch so sein. So viel Elend, Hass und menschliches Übel, wie ich es in meinen ersten 25 Jahren erlebt habe, hinterlässt unweigerlich Spuren. Aber Spuren sind da, um gelesen zu werden und lesen sollen wir, um zu lernen. Um zu lernen aus unseren Fehlern, aus unseren und von jenen, die vor uns waren, denn das ist wichtig, unglaublich wichtig. Die „ Alte Legende der Schöpfung“ besagt ja, dass der Mensch ein Wesen sei, das von der Entstehung her gut sei. Zusätzlich sei er empfänglich auch für die anderen beiden Mächte. Dieses Schicksal, diese Bürde ist es, die uns Menschen zu Gottes ähnlichen Geschöpfen macht. In einem Punkt sind wir unserem Schöpfer sogar voraus, aber genau darin scheint die Gefahr zu liegen. Haben wir zu viel Freiheit mit auf unserem Weg bekommen? Überfordert uns die in die Wiege gelegte Freiheit? Fürchten wir uns so vor dieser geschenkten Gabe der Freiheit, dass wir sie bekämpfen, zwanghaft, mit ihr selbst? Sind wir Paradox!? Aber wie könnte dem Schöpfer so ein selbstzerstörerischer Fehler unterlaufen? Himmel und Hölle, ist er, der Schöpfer, etwa auch nur so etwas wie ein ...? Entschuldigt bitte, das geht wohl zu weit! Doch wie kann es sein, dass menschliche Wesen untereinander mehr Unheil anrichten können, als man sich das bei irgendeiner anderen Lebensform auch nur im Entferntesten vorzustellen vermag. Nicht einmal die berüchtigten, häufig als blutrünstige Bestien bezeichneten Drachenhunde vermögen auch nur den Bruchteil an Unheil anzurichten, wie wir Menschen es tun. Diese Bestien töten für Nahrung und sie töten im Konkurrenzkampf um die Fortpflanzung, also im Prinzip nur im und um den Überlebenskampf. Die Gründe oder besser auch Abgründe aufzuzählen, die wir Menschen als Vorwand haben, um zu töten und zwar ausgenommen unserer Nahrungssuche und der Selbstverteidigung gegen wildes Getier, würde den Rahmen dieser Rede geradezu maßlos sprengen. Wer oder was sind wir eigentlich? Was ist schief gegangen und wieso verdammt noch mal? Ich weiß, ich sollte an so einem Tag nicht fluchen, aber es gibt Fragen, denen sich man früher oder später einmal stellen sollte. Vermutlich liegt da auch der Hund begraben. Uns Fragen zu stellen und natürlich nach den Antworten zu suchen, denn wer suchet der findet, so heißt es jedenfalls. Auf jeden Fall muss die Macht der Weisheit und des Wissens eine Schlüsselfunktion haben: Das Gute in uns, macht uns zu etwas göttlichem, die Sterblichkeit weist uns in unsere Schranken und die Freiheit für die Empfänglichkeit der anderen beiden Mächte, lässt uns dem Schöpfer gar einen kleinen Schritt voraus sein. Der Schlüssel ist letztendlich die Weisheit, mit der wir die Freiheit nutzen können, kontrolliert und bedacht zwischen den beiden gegensätzlichen Mächten zu wählen. Denn genau das ist das Entscheidende: die Kontrolle! Aber wer kontrolliert wen? Schaffst Du es nicht, die Mächte in Dir zu beherrschen, werden sie Dich kontrollieren und Du bist nicht länger ein freies Wesen. Und obwohl das Gute in Dir angeboren ist, ist das Böse schnell, verführerisch und leicht zugänglich. Allzu rasch wird es das Gute in Dir verdrängen, wenn auch nicht komplett vernichten, aber es wird die Kontrolle über Dich übernehmen und Dich als Werkzeug für seine Zwecke missbrauchen. Bist Du durch Deine erworbene Weisheit Dein eigener Herr über die Mächte in Dir und um Dich, so brauchst Du Dich vor dem Bösen auch nicht zu fürchten. Im Gegenteil, es wird zu Deinem Werkzeug, jedoch fürs Gute. Also meine Lieben und dass gilt für einen Jeden hier, lernt fleißig, schult Euch in der Philosophie sowie Eure Vernunft, um somit ein Dank sowie einen Beweis der Berechtigung für unser Dasein abzuliefern. Das sei Euch mitgegeben auf Euren Wegen, mögen sie so erlebnisreich werden, wie Ihr sie Euch erwünschet. Ich für meinen Teil habe viel mehr erlebt, als ich es zu träumen gewagt hätte, besonders, auch wenn das ein wenig ulkig klingen mag, nachdem ich nach langer Wanderung bei Euch eingetroffen bin. Die Verbundenheit, die Toleranz und die Geborgenheit, die ich bei Euch gefunden habe und das, obwohl ich sie nach meinen vorigen Erlebnissen nicht zu suchen gewagt hätte, ließen meine Hoffnungen und die Liebe in mir neu aufkeimen. Mit Euch habe ich meinen zweiten Krieg erlebt. Leider Krieg, zum Glück mit Euch, denn wir haben ihn gemeinsam überstanden und zum Frieden geführt und das durch die Macht der Weisheit und durch die Vernunft. Auch wenn dieser Krieg deutlich länger dauerte als der erste, das ganze Leben, bevor ich Euch kannte, war ein einziger langer Krieg mit kurzen Unterbrechungen und das Leben mit Euch, ein schöner paradiesischer Frieden, mit einer relativ kurzen Unterbrechung. Und dafür möchte ich Euch noch einmal aufs Herzlichste danken. Besonders auch Dir, meine über alles geliebte Amalie, ich bin mir sicher, dass Du uns jetzt zusiehst, zu Tränen gerührt bist und Dich mit uns freuen wirst. Am Schluss möchte ich noch etwas sehr erfreuliches Verkünden: Luna und Paxicus werden demnächst in den Bund der Ehe eintreten und ich möchte ihnen im Namen aller dafür vorab schon mal alles Gute wünschen. Also dann, möge das große Fressen beginnen, haut rein und lasst die Sau raus, jetzt wird gefeiert!

Das Glöckchen ertönt zu einem: Bimmel, Bimmel, Bimmel.

Kurze Stille, dann ein tosender Applaus. Das Abklingen des Applauses und der Beginn ungezügelter Essgeräusche gehen ineinander über und mit dem endgültigen Ende des Applauses setzt eine kleine Musikkapelle ein, bestehend aus drei Geigern, drei Flötisten, einem Schlagzeuger sowie zwei Sängern, um die Festlichkeiten durch leichte musikalische Unterhaltung zu untermalen. Das erste Lied, welches sie am heutigen Abend spielen, lautet: „Freunde, lasst uns heute kräftig feiern“. Dieses ist das Eröffnungslied bei fast jeder Feier bei den Sapientes und eignet sich besonders auch zum Essen, da es rein instrumental ist und daher nicht zum mitsingen provoziert. Besonders der Kindertisch wäre sehr schnell bunt, wenn man an dieser Stelle stattdessen das bekannte Kinderlied: „Liebe kleine Pusteblume“ anstimmte, doch das nur nebenbei. Die Sänger haben derzeit keine Pause, nein sie spielen oder besser singen mit, aber eben keinen Text. Sie benutzen ihre Stimmen bei diesem Lied, wie ein Instrument. Damit die Musiker auch zum Essen und zum Feiern kommen, werden sie natürlich nach kurzer Zeit abgelöst. Abgesehen von den drei verschiedenen Musikkapellen treten heute noch einige Komiker auf, darunter auch eine Art Clown für die Kinder, desweiteren etliche Dichter sowie eine Theatergruppe, die witzige Sketsche präsentieren. Auch der Moderator des heutigen Abends kommt aus der humorigen Ecke der Kunst. Er verbindet gekonnt Slapstick und Akrobatik und bringt dann hin und wieder, meist unerwartet, ein guten Spruch zu Tage, wodurch er die Feiernden sehr zu belustigen scheint, denn einige von ihnen haut es direkt von den Bänken. Sein Name ist Lutze, er hat Schmied gelernt, ist sogar Meister Schmied und lässt keine Gelegenheit aus, sein Umfeld zu belustigen. Er kann fast jeder Situation etwas Witziges entnehmen und dieses dann durch seine spontane Art auch ziemlich gut darstellen. Körperlich steht er da wie ein Fels in der Brandung, also er sieht im Prinzip aus wie ein Wikinger oder besser so, wie ein Wikinger meistens dargestellt wird. Er ist recht groß, kräftig und stämmig gebaut, hat lange goldblonde Haare, häufig zum Zopf geflochten und leuchtend blaue Augen. Obwohl er eine so durchtrainierte und bullige Statur hat, ist er in der Lage, durch seine sehr gute Körperbeherrschung, den Leuten glauben zu machen, er sei ein schlaksiger Körperklops. Allein dieses Talent geschickt genutzt, bringt die Leute schon zum Lachen. Dazu kommt dann aber noch, dass er auch mit Worten umzugehen weiß und nutzt dieses, um seine ihm ständig einfallenden Blödeleien kundzutun. Paxicus zählt zu seinen besten Freunden, obgleich dieser etwa 20 Jahre Jünger ist. Seine Frau ist ebenfalls knapp 15 Jahre jünger als er, gleichwohl sind sie absolut glücklich miteinander. Auch Luna ist begeistert von Lutze und seiner Frau, die eine von denen ist, die ich vorhin in Bezug auf die Tischsitten und den Appetit der sonst eher männlichen Schöpfung erwähnte. Man mag es nicht für möglich halten, wenn man sie so sieht. Sie ist eher zierlich gebaut, bildhübsch und trägt schwarze etwa schulterlange Haare. Im Prinzip sieht sie aus, wie man sich Schneewittchen vorstellen möge, nur ist sie in der Lage, einen Großteil der Männer unter den Tisch zu trinken. Wie sie das schafft, bei ihren Ess- und Trinkgewohnheiten so auszusehen, ist allen ein Rätsel. Wobei ich hinzufügen sollte, dass sie keineswegs eine Säuferin ist. Sie ist ihres Zeichens eine Meisterin im Tai Chi sowie im Wing Tzun und somit mit der Aufgabe der körperlichen und kämpferischen Ausbildung verantwortlich. Sie ist unglaublich geschickt, beweglich und schnell, eben eine Meisterin. Alle akrobatischen Kunststückchen, die Lutze am heutigen Abend zum Besten geben wird, hat er von ihr gelernt. Auch als Kämpfer wäre er ihr hoffnungslos unterlegen, wenn sie ihn nicht in der Kampfkunst unterrichtet hätte. Die kleine Süße Carmina, wie sie genannt wird, ist eine wahre Kampfmaschine. Normalerweise ist sie eine sehr friedliebende Persönlichkeit und weiß sich auch zu benehmen. Allerdings zieht sie es vor, an solchen Feiertagen, wenn sie am Tisch der Männer sitzt, sich deren Sitten anzupassen und das mit voller Konsequenz. Auch heute ist sie sehr gut aufgelegt, erfreut sich der guten Stimmung und tut ihr bestes, um ihren Teil dazu beizutragen. So richtig aufdrehen wird sie jedoch erst zu späterer Stunde, wenn dann die Kinder schon im Land der Träume sind. Jene erleben in kürze ihre Sternstunde des heutigen Festtagsabend, wenn Carl der Clown auftritt. Besonders viel Freude bereitet er den Kindern, wenn er den tollpatschigen Zauberer spielt und bei seinen Tricks diverse Sachen zu Bruch gehen. Abgesehen davon hat er sich heute etwas Besonderes einfallen lassen. Er hat einen Ball hergestellt, der im Inneren mit Pudding gefüllt war, bis er schließlich durch einen Gärungsprozess einen Überdruck entwickelt hat und den Zuschauern daraufhin regelrecht um die Ohren geflogen ist. Der Anblick der getroffenen Gesichter muss so komisch ausgesehen haben, dass Carl lachend aus seinen Latschen kippt und sich auf dem Boden kugelt. Sage und schreibe sieben Minuten dauert es, bis er und auch die anderen sich wieder einkriegen.

Nach dieser heiteren Nummer steht wieder Musik im Programm: „Der Tanz in den Schlaf“, der zugleich ein Aufruf für die Kinder ist, nun langsam aber sicher in Richtung Bettchen zu marschieren. Es ist eine Art Polka, die am Anfang recht stürmisch zu Gange geht, gegen Ende dann schließlich deutlich langsamer wird, um somit schon einmal auf die bevorstehende Ruhe vorzubereiten. Die Effektivität ist nahezu unglaublich, es bedarf nicht einmal mehr der sonst üblichen Nötigungen der Eltern, um die Kinder in ihre Häuser und ihre Betten zu bekommen. Nach der fünften Strophe befindet sich dann auch das Letzte Kind auf dem Weg ins Land der Träume. So, nun kann es dann auch richtig losgehen, doch vorerst müssen die Erwachsen, die mit den Kindern die Schlafpolka getanzt haben, erst wieder in Schwung gebracht werden. Dazu wird die Musik dann deutlich schneller sowie dynamischer und die Erwachsenen wenden sich den berauschenden Getränken zu. Nach einer guten viertel Stunde ist der Pegel allgemein so hoch, dass auch die eher schüchternen bereit sind, hemmungslos das Tanzbein zu schwingen und das zu einer weiteren Polka, bei der es diesmal vom Anfang bis zum Ende ziemlich rasant zur Sache geht. Bei diesem Tempo und dem Pegel ist es nur zu verständlich, dass es den Einen oder Anderen, beziehungsweise die Eine oder Andere, aus der Bahn baumelt. Die Gesichter der feinen Damen werden auch langsam bleicher, beim Anblick ihrer werten Gatten, wie diese jetzt schon, da die Party gerade eben erst richtig begonnen hat, voll wie eine Haubitze auf dem Boden liegen. Auch bei den Musikern zeigt sich die Wirkung von viel Wein, Bier und Met in kurzer Zeit und so kommt es zuweilen vor, dass der Flötist zu früh einsetzt, der Violinist dafür zu spät kommt und darüber hinaus einen Teil aus einem ganz anderen Stück spielt, worauf hin der Schlagzeuger beim Lachen vom Hocker kippt und dabei die Sängerin mitreißt, bei der er sich festzuhalten versucht. Paxicus und Luna beobachten das Spektakel wohlwollend aus sicherer Entfernung. Sie selbst sind nicht betrunken, heute jedenfalls nicht. Indessen ist Carmina, die diesmal wieder gut zugelangt hat und verantwortlich für etliche der unter den Tischen Liegenden ist, da sie diese zu diversen Trinkspielen aufgefordert hat, Carl zum See gefolgt, da sich dieser nach seiner erfolgreichen und explosiven Nummer dann auch ordentlich einen hinter die Binde gekippt hat und sich auf den Weg zum See zu einem Spaziergang machte. Carls Frau ist eine der Sängerinnen und so hat sie Carmina gebeten ihn zu zurückzuholen, da sie sich sorgen um ihren lieben Carl macht und sie sehr wohl weiß, wie viel Carmina verträgt. Galumba, so heißt sie, hat eine bezaubernde Stimme. Irgendwie eine Mischung aus zart, lieblich und klar aber doch kräftig. Sie ist gelernte einfache Näherin, hat sich dann als Köchin verdient sowie ihren Meister gemacht und hilft auch noch bei den Organisatoren. Sie ist eine sehr gute Freundin von Carmina und wurde von ihr im Prinzip damals mit Carl zusammengebracht. Beide hatten Tai Chi Unterricht, erst getrennt nacheinander und dann später zusammen, nachdem sie ihr jeweils gesteckt hatten, dass sie sich für den anderen interessieren würden. Die beiden ließen dann nicht lange auf sich warten und heirateten bereits ein halbes Jahr später. Diese Beziehung ist ein klarer Beweis dafür, dass sich Gegensätze anziehen können. Sie ist, wie gesagt eine vielseitige und dynamische Persönlichkeit und er eher ein gemütlicher und zurückhaltender Typ. Aber sie kommen sehr gut mit einander aus, die Ehe hält nun immerhin auch schon seit sieben Jahren glücklich an. Als Carmina und Carl zurückkommen, hat sich die Menge der Feiernden schon recht deutlich gelichtet, übergeben hat sich wider Erwarten jedoch niemand, was bedeutet, dass jeder am nächsten Vormittag mit aufräumen und saubermachen beschäftigt sein wird. Luna und Paxicus liegen derzeit auf einer Decke auf der Wiese am Festplatz, beobachten den klaren Sternenhimmel und lauschen den lieblichen Klängen von Galumbas Stimme, die ein Liebeslied für die beiden und alle anderen verliebten spielt und damit auch die beiden heimkehrenden empfängt. Lutze, der sich seinerseits einer sehr authentischen Form des „Drunken Boxings“ hingegeben hat und offensichtlich alle seine imaginären Gegner in die Flucht geschlagen hat, begrüßt seine ankommende Liebste feierlich mit einem Bäuerchen von der Lautstärke eines ordentlichen Feuerwerkskörpers und wie es nicht anders zu erwarten war, kommt die Antwort prompt hinterher, nicht ganz so lautstark, aber auch nicht von schlechten Eltern.

Paxicus: Gibt es hier Elche?

Carmina: Und was für welche!

Carl schnappt sich derweil eine Klampfe und spielt die passenden Begleitungen zu den Liedern, die Galumba singt. Neben den drei verbliebenen Paaren genießt Herr Wong die grandiose Atmosphäre des nunmehr ausklingenden Festes.

Er ist Arzt und Experte auf dem Gebiet der Psychologie. Er ist vom Typ her sehr ruhig und gelassen, was ihm bei seiner Arbeit sehr entgegen kommt. Seine Frau, die übrigens auf den hübschen Namen Jade hört, hat er während seiner Arbeit kennen gelernt. Als Jägerin wurde sie bei einer Jagd verletzt. Sie hatte sich durch den Angriff eines Tigers durch dessen Pfoten diverse Schnitt- oder eher Risswunden zugezogen. Zum Glück, muss man wohl sagen, waren es nur diese Risswunden, denn sie hatte sich noch rechtzeitig geduckt, so dass er sie nicht voll erwischen konnte, denn das wäre wohl ihr sicherer Tod gewesen. Im nächsten Augenblick nahm sie Ihren Sperr und warf ihn dem schon flüchtenden Tiger ins Genick, der kurz darauf tot zusammenbrach. Als sie diese Geschichte Herrn Wong erzählte, der natürlich als Arzt wissen wollte, woher die Verletzung stammte, reagierte er für sie doch überraschend nüchtern, und anstatt sie für ihre Heldentat zu loben und zu beglückwünschen, fragte er sie, wieso sie denn den Tiger getötet hätte, wenn der denn schon auf der Flucht gewesen ist. Ihr erster Gedanke war nur: „Wenn ich ein Mann wäre, hätte er sich bestimmt nicht getraut, mich das zu fragen!“ Aber irgendwie war sie auch fasziniert von diesem Mann, wie er so lässig dastehen konnte und in einer solchen Situation so eine Frage stellen konnte. Schließlich war sie selbst gerade fast ums Leben gekommen und er schien sich mehr Sorgen um den Tiger zu machen, als um sie. Auch ihr völliges Entsetzen über diese Frage und die etwas unsachliche Antwort:“ Na vielen Dank, dass sie sich so rührend um das arme Monster sorgen“, schien ihn überhaupt nicht aus der Ruhe zu bringen. So ging die Konversation auf folgende Weise weiter:

Herr Wong: Ich verstehe ihre Aufregung, die ist bei der Sachlage dieser eben so glimpflich überstandenen Gefahr durchaus nachvollziehbar. Aber finden sie wirklich, dass eine Tigermama, die ihre Jungen beschützt und das hat sie mit Sicherheit getan, denn ansonsten wäre sie nach dem ersten Angriff bestimmt nicht weggelaufen, sondern hätte es noch einmal versucht, ein Monster ist. Ein Monster, das weg läuft. Ich bin relativ sicher, dass sie weg lief, um Euch von Ihren Jungen wegzulocken. Auf jeden Fall war die Gefahr doch gebannt, als klar war, dass sie flüchtete. Also wer ist hier das Monster? Na ja, auf jeden Fall handelt es hierbei offensichtlich um ein sehr hübsches Monster, das ich hier verarzten darf. Nichts für Ungut, ich bin für meinen zynischen Charme bekannt, frag mal Deine lieben Kollegen. Ich vermute, dass etliche von ihnen schon einmal den Gedanken gefasst haben, mich mit auf die Jagd zu nehmen. Jedoch nicht damit sie mit mir jagen, sondern um mich jagen zu können.

Jade: Ich muss zugeben, der Gedanke ist mir auch gerade gekommen. Sollte ich deswegen jetzt ein schlechtes Gewissen haben?

Herr Wong: Nein, keines Wegs, wie heißt es doch so schön: Der Wunsch allein, kann keine Sünde sein!

Jade: Sehr schade, ich hätte doch so gerne einen Grund gefunden, dass ich noch einmal zu Ihnen muss, wo ich Sie gerade so in mein Herz geschlossen habe. Sie sind doch der Seelendoktor, oder?

Herr Wong: Ja nun, da kann ich sie beruhigen, denn wenn sie einen so ungehobelten, gefühlskranken Eisblock wie mich in Ihr Herz geschlossen haben, haben sie wohl allen Grund, mich wieder aufzusuchen.

Jade: Zu allem Übel besitzen sie jetzt auch noch die Frechheit, mich zum Essen einzuladen. Das war doch eine Einladung, das habe ich doch richtig verstanden oder?

Herr Wong: Ich merke schon, wir verstehen uns hervorragend, es könnte wohl nicht besser sein!? (kurzes stillschweigen) Hab ich das gerade gesagt, lieber Gott, so kenne ich mich ja gar nicht!

Jade: Na, Sie sind mir ja ein Seelenklempner, sie kennen sich ja nicht einmal selber, aber was soll man von einem Mann auch erwarten. Also, was ist denn nun, wann und wohin laden Sie mich denn nun ein, so reden sie schon, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, ich muss noch Monster jagen gehen.

Herr Wong: Ok, Ok, Ok morgen Abend, ich hole sie ab.

Jade: Wieso erst morgen Abend, solange wollte ich nun auch nicht jagen gehen.

Herr Wong: Ich weiß, ich wollte nur mal sehen, wie sie reagieren. Sie wollten mich doch mit auf die Jagd nehmen und danach gehen wir Essen.

Jade: das wäre ungünstig, denn dann müsste ich ja alleine essen und ich glaube kaum, dass sie genießbar sind. Ich gehe jagen und wenn ich fertig bin, hole ich Sie ab. Bis dann Herr Doktor!

Herr Wong: Wong ist mein Name, werte Lady.

Jade: Also gut, bis dann, Herr Wong und die werte Monster Lady nennt sich Jade.

So begann also diese liebreizende Romanze vor ziemlich genau 17 Jahren. Heute ist er 40 Jahre und sie 37 und sie sagen, es wäre eigentlich immer noch wie am ersten Tag. Kurz nach Anbruch der Morgendämmerung beschließen dann auch die letzten Mohikaner der Party, die Segel zu streichen und sich der wohl verdienten Ruhe hinzugeben. Man verabschiedet sich voneinander und dann gehen sie alle in ihre Häuser. Luna und Paxicus haben auch schon ein eigenes kleines Häuschen. Es ist von der Fläche her nicht besonders groß, aber immerhin zweistöckig. Im Erdgeschoss ist ein großes Wohnzimmer und in der ersten Etage sind vier kleine Zimmer, darunter das Schlafzimmer zwei Arbeitszimmer und eines für den Nachwuchs, wenn es denn so weit ist. So lange steht es eben erst einmal leer und kann als Gästezimmer genutzt werden. Die Küche ist ein Teil des Wohnzimmers und es gibt ein Bad ans Schlafzimmer angrenzend und eines in einer kleinen extra Hütte, die mit dem Erdgeschoss durch einen unterirdischen Gang verbunden ist. Man kann es aber auch von außen betreten. In dem Keller sind etliche Vorräte untergebracht. Für das Haus haben die Eltern sowohl von Luna als auch von Paxicus zusammengelegt und es ihnen geschenkt, damit sie dort beide zusammen wohnen können.

Das ist dann jetzt ein passender Augenblick, um sich dem Antlitz und der Erscheinung der beiden Liebenden zu widmen: Er ist recht gut durchtrainiert, da er auch ein sehr fleißiger Schüler Carminas ist. Desweiteren trainiert er seinen Körper noch extra in seiner Freizeit. Das harte Training bringt einen dem entsprechenden Appetit auf Fleisch mit sich, weshalb Luna ihn zuweilen liebevoll als ein Raubtier bezeichnet. Aber es lohnt sich, seine Figur ist im Prinzip tadellos: die Hüfte schmal, die Taille ebenso und sogar noch ein wenig schmaler und die Schultern im Verhältnis dazu ziemlich breit. Viele seiner Muskeln sind in ihrer Definition sehr gut zu erkennen und sie zeichnen sich zudem noch mit einer nennenswerten Masse aus. Sein Körperbau befindet sich im Prinzip zwischen den sehr mageren und trotzdem extrem durchtrainierten Körpern der Steppanos und den muskelbergigen Körpern der Tropanos. Perfekt, nennen es neben Luna auch noch etliche andere holde Weiblichkeiten aus dem Stamm der Sapientes. Das Gesicht ist makellos und meistens rasiert. Wie schön er am Ende tatsächlich ist, kann ich als Mann schlecht beurteilen, doch es scheint den Frauen zu gefallen, besonders Luna natürlich. Die Augen, dass sollte ich vielleicht noch erwähnen, sind mystisch grün und seine Haare schwarz. Er ist gut 1,80 Meter groß und wiegt dank seiner Muskeln ziemlich genau 85 Kilogramm. Sie ist gut 1,70 Meter groß und wiegt etwa 65 Kilogramm und macht ebenso den Eindruck, sich einer guten körperlichen Fitness zu erfreuen. Die Proportionen scheinen einer Waldnymphe und ihrem Verführungsfaktor ebenbürtig. Die Haare sind schulterlang und blond, das Gesicht eines Engels wäre fast schon eine Beleidigung für sie. Ihre Augen leuchten blau und sie besitzt eine Liebreizende Ausstrahlung, die Monster besänftigen könnte.

Doch bevor ich zu sehr ins schwärmen komme, möchte ich aus den Schriften der alten Legende zitieren und berichten:

„MENS SANA SIT IN CORPORE SANO!”:

EIN GESUNDER GEIST MÖGE EINEM GESUNDEM KÖRPER INNE WOHNEN!

Weiter steht geschrieben, dass der Körper nur ein Teil des ganzen sei und dass, um der Seele willen, der Einklang sowie die Harmonie zwischen Geist und Körper höchste Priorität beizumessen sei. So mögen ein Training und die entsprechende Pflege des Körpers als eine Tugend gelten, doch gleiches gelte auch für die Seele. Ein wohlgeformter Körper mag eine Augenweide sein, doch bedarf es eines guten Geistes, um den Menschen als einen Schönen wahrzunehmen, so die alte Legende.

Den folgenden Tag, es ist ein Sonntag, verbringen die beiden zusammen mit ihren Freunden am See, nachdem man seinen Aufgaben bezüglich des Aufräumens nachgekommen ist. Das Wetter lud dazu ein und Carmina, Lutze sowie auch Carl brauchten dringend eine kühle Erfrischung, um ihre Kater loszuwerden.

Die Exkursion

Der nächste Morgen, es ist der Montagmorgen, sieht schon gar nicht mehr so schön aus, wie die beiden vergangenen Tage des letzten Wochenendes. Es regnet kräftig, nein, es schüttet aus Kannen und zwar aus sehr großen Kannen. Dazu kommt ein stürmischer Wind hinzu, der die Äste der kleineren Bäume fast zerbersten lässt. Das erscheint doch recht seltsam. Derartige Zustände des Windes betreffend hat es in Edenia so noch nicht gegeben. Und der Regen? Klar, Regen gibt es schon und auch häufiger, aber derartige Fluten vom Himmel strömend hat man in Edenia so noch nicht erlebt. Nun gut, offensichtlich ein vorerst unerklärliches Phänomen, dieses Wetter. Auch scheint es an diesem Tage nicht richtig hell werden zu wollen. Es ist zwar noch recht in der Früh, doch diese Dunkelheit scheint wohl eher ungewöhnlich. Es hilft ja alles nichts, Luna und Paxicus müssen zum Unterricht: Schmiedekunst, Rhetorik, Tai Chi und Philosophie. Luna und Paxicus suchen ihre sieben Sachen zusammen, die sie für den Unterricht benötigen, es handelt sich hierbei um ein Täfelchen und einem dazu passenden Kreidestift für eventuelle Notizen. Desweiteren um Trainingskleidung sowie etwas Proviant. Verpackt wird das ganze heute in einem Rucksack aus einer Art Gummibaum-Leinen. Diese schützt das verpackte vor dem Regen. Da dieses Material nur sehr schwer zu bekommen ist, es wird von einem Baum gewonnen, der in den gefährlichen Sümpfen wächst, und auch bei der Verarbeitung selbst den talentiertesten vor eine echte Herausforderung stellt, hat Paxicus nur einen Rucksack davon, der allerdings recht groß ist. Beim Anblick dieses Wetters und erst recht dann, wenn er denn an seinem Ziel angekommen sein wird, nämlich am Universitätshaus, wird er sich wohl überlegen, ob es sich nicht lohnte, das Risiko einzugehen, erneut in die Sümpfe zu ziehen, um Gummibaum-Leinen für Kleidungsstücke für sich und für Luna zu besorgen. Kaum ein Schritt aus der Tür und nur wenige Augenblicke später sind beide pitsch Nass.

Luna: Wie bist Du nochmal an den Gummirucksack gekommen, kann man den Stoff auch für Kleidung verwenden?

Diese Frage war natürlich rhetorisch, denn Luna weiß genau, was es mit dem wertvollen und teuren Gummi auf sich hat. Paxicus hatte ihr ganz stolz erzählt, dass er ihn von seinem Tutor geschenkt bekommen hatte. Das Geschenk bekam er, weil er seinerzeit einen Streit schlichtete zwischen zweier gar zornig streitenden Erwachsen wohl bemerkt, die nach der wahrlich diplomatischen Schlichtung wieder wie ein Herz und eine Seele waren. Der Grund muss eigentlich völlig belanglos gewesen sein, denn daran erinnerte sich später niemand mehr. Doch flogen den Erzählungen nach damals fast die Fetzen, bis Paxicus schließlich entschlossen und behutsam einschritt. Darüber war der Tutor so froh, dass er ihm dieses überaus kostbare Geschenk machte.

Paxicus: Du weißt doch, wo ich ihn her habe, Tutor Hansen hat ihn mir geschenkt. Aber Du hast recht, daran habe ich auch gerade gedacht.

Luna: Hör auf, ich mach doch bloß Spaß. Ich will Dich doch wegen der paar Regentropfen nicht an irgendwelche Krokodile oder Schlangen verfüttern.

Paxicus: Es wäre ja auch nicht nur für so ein Regengewand, sondern im Auftrag der Wissenschaft. Der Hansen hat schon gesagt, dass er sich bald wieder einmal auf den weg machen wolle, um noch mehr über die faszinierende Pflanzen- und Tierwelt in den Sümpfen herauszufinden. Allein für die schon bekannten Kräuter und Pflanzenstoffe lohnt es sich, dort erneut vorbei zuschauen und für die unbekannten erst recht. Es soll Kräuter geben, welche die Schmerzen bei einer Geburt auf ein Minimum reduzieren können.

Luna: Ist das so? Dann wünsche doch dem Hansen viel Glück auf seiner Suche nach den Sagenhaften Kräutern, das kann er bestimmt gut gebrauchen.

Paxicus: Sicherlich, aber vor allem kann er einen zuverlässigen Assistenten gebrauchen.

Luna: Nun hör aber auf, Du weißt doch, wie ich das meine. Pass gefälligst gut auf Dich und den Hansen auf, wenn Ihr diese gefährliche Reise antretet.

Paxicus: So kenne ich meine Luna, bissig und doch unendlich liebenswürdig. Lass uns nachher gleich mit ihm in Verbindung setzen, wegen eines Termins.

Als sie ankommen, am Universitätshaus, strömt es von der Eingangstreppe wie von tosenden Fluten herunter. Der Anblick ist geradezu beeindruckend. Oben mit einiger Mühe angekommen, stellen sie mit entsetzen fest, dass die Tür verschlossen ist. Sie klopfen mehrfach an diese, doch es rührt sich nichts. Sie klopfen ein weiteres Mal und noch einmal und endlich hört man eine Reaktion. Schritte schallen aus der großen Eingangshalle leise aber doch bis draußen vor die Tür. Schließlich wird sie geöffnet.

Hansen: Entschuldigt bitte, ich musste die Tür verschließen, da der Wind sie ständig auf und zu schlagen ließ. Ich hatte schon nicht mehr damit gerechnet, dass heute überhaupt noch jemand kommen würde, deswegen bin ich kurz in die Bibliothek gegangen, um in einem Buch über Wetterphänomene nach Antworten für dieses merkwürdige Ereignis zu suchen. Seid Ihr nass geworden?

Luna und Paxicus: Unwesentlich mehr durch diese kleine Verzögerung.

Hansen: Na das beruhigt natürlich mein Gewissen, zieht Euch rasch um, damit Ihr Euch nicht erkältet. Gut dass Du den Gummirucksack hast, so habt Ihr jetzt noch trockene Kleidung.

Luna: Ist denn sonst niemand hier außer unserer Wenigkeiten.

Hansen: Nein Niemand, wer wäre auch so töricht außer unserer Wenigkeiten, bei solch einem Wetter sein Haus zu verlassen. Ihr dürft nicht vergessen, dass die meisten nicht wie Ihr und ich, auf einer kleinen Anhöhe ihr Haus zu stehen haben und bei diesem Regen könnte es, wenn es weiterhin so schütten sollte, in einer Pfütze versinken, wenn sie nicht einen Graben als Regenabfluss bauen. Ich bin nur hier, weil ich mich, wie gesagt, über dieses Wetter etwas schlau machen wollte. Und Ihr habt nicht daran gedacht, dass der Unterricht wegen der besonderen Umstände ausfallen würde, aber das macht nichts. Gut dass Ihr da seid, ich wollte ohnehin fragen, ob wir uns wegen eines Termins für die Forschungsexkursion einigen können.

Paxicus: Ihr werdet lachen, aber darüber haben wir auf dem Hinweg auch schon geredet. Wir sind darauf gekommen, weil wir uns für solches Wetter zusätzlich zum Rucksack auch Kleidung aus Gummibaum-Leinen wünschten.

Hansen: Und darüber seid Ihr dann auf die Exkursion gekommen, na das ist ja ein Zufall. Sagt mal Ihr beiden, was haltet Ihr davon, heute aufzubrechen, wir drei, ein unschlagbares Team!?

Luna: Du meinst jetzt gleich, bei diesem Wetter?

Hansen: Nach einigen letzten kleinen Vorbereitungen natürlich, ich habe Hunger!

Luna: Bei mir bist Du mit diesem Vorschlag................ genau an der richtigen Adresse. So ein spontanes Abenteuer kommt mir eigentlich gerade recht, was meinst Du Paxi?

Paxicus: Ich bin dabei, mehr fällt mir dazu jetzt wirklich nicht ein.

Hansen: Das reicht ja auch vollkommen! Mögen Sie mitkommen, des Packens wegen!

Und so soll es denn nun sein. Sie gehen gemeinsam ein Stockwerk höher in sein Büro, das an seinen Unterrichtsraum angrenzt, indem er seine Vorlesungen und Unterrichtseinheiten gibt. Er selbst ist Meister der Forschung, mehrfach oder besser vielfach ausgezeichnet, durch den Senat, für besondere Leistungen und oder Gefahren, die er auf sich nahm, um diese Leistungen zu erzielen. Für den Stamm stellt er einen unschätzbaren Wert da, doch seine Frau Farina, würde wohl liebend gerne auf sämtliche Auszeichnungen verzichten, wenn sie dadurch ihren geliebten Mann nur in Sicherheit wüsste. Er tröstet sie nur immer wieder damit, dass er durch sein Risiko, das er immer wieder erneut eingeht und damit den Eindruck erweckt, er suche die Gefahr und fordere den Tod geradezu heraus, einmal etwas entdecken könnte, das ihr, ihm oder seien es Kinder, unter Umständen das Leben retten könnte. Auch in Zeiten des Friedens, wie sie bis dato noch herrschen, gibt es Kummer und Leid, durch Krankheiten etwa. Das beruhigt sie zwar nur wenig, wenn überhaupt, entwickelt aber ein gewisses Verständnis für seine waghalsigen Unternehmungen. Insgeheim weiß sie ja auch, dass in ihm eine Kämpferseele steckt, die eben keinem noch so großen Kampf für die Forschung aus dem Wege gehen kann. So hat sie ihn kennen und lieben gelernt und nur so wird sie ihn auch weiterhin lieben. Doch es ist natürlich mehr als verständlich, dass sie den Mann, den sie liebt, nur allzu ungern Gefahren und Risiken ausgesetzt wissen mag. Wie auch immer, noch lebt er ja und es ist auch sein absolutes Bestreben, diesen Zustand so lange wie nur eben möglich beizubehalten, wenngleich das so manches Mal nicht den Anschein machen mag. Das Büro ist außerordentlich gut sortiert sowie aufgeräumt und scheint für einen verwegenen Abenteurer, wie den Hansen, deutlich zu ordentlich zu sein. Aber so ist er eben, der gute Hansen, in materiellen Dingen ein Ordnungsfanatiker und in zwischenmenschlichen Belangen ein Chaot vom feinsten. Nachdem er bereits drei Jahre mit seiner Frau verheiratet war, hat er sie gefragt, ob sie nicht bald heiraten wollten und wenige Augenblicke später muss ihm wohl durch die Reaktion von Farina wieder eingefallen sein, dass das wohl schon passiert sein musste, denn sie zeigte ihm ihren Ring, verwies auf das Hochzeitsgemälde hinter ihm, das ihnen Halam gezeichnet hatte und verpasste ihm anschließend einen gehörigen Tritt in den Hintern. Holla die Waldfee, der hat gesessen und der Hochzeitstag ward nie mehr vergessen. Dieser und noch so manch anderer Bock, den er hin und wieder geschossen hat, machte ihn seit einiger Zeit im Stamm berüchtigt: er habe ein Taktgefühl wie ein Hauklotz, sagen selbst seine besten Freunde über ihn. Wobei man es ihm problemlos nachsieht, denn es ist wohl auch nicht böse gemeint, er sagt eben, was ihm in den Sinn kommt, völlig trocken und durch seine Zerstreutheit vergisst er eben hin und wieder auch etwas. Wie gesagt, sein Büro ist gut sortiert und so findet er schnell alles, was er für die Exkursion mitzunehmen wünscht. Darunter befinden sich etliche Behälter für diverse Objekte, die sie zu finden wünschen oder hoffen. Desweiteren etwas Proviant sowie ein Fläschchen Gegengift für den Fall der Fälle und einiges an Werkzeug, das man auf einer Forschungsfahrt so gebrauchen kann. Dann, nachdem er alles in seinem Rucksack verstaut hat, jener ist selbstverständlich auch aus Gummibaum-Leinen, geht er zu einem seiner Schränke und holt noch etwas heraus.

Hansen: Die hier werden wir heute zum ersten Mal ausprobieren, ich habe sie erst vor wenigen Tagen fertig gestellt.

Er hält drei Anzüge in seinen Händen, Einteiler mit Kapuze, in Grün und Braun. In den Sümpfen eine vermeintlich gute Tarnung.

Hansen: Hier, probiert sie einmal an, sie müssten eigentlich gut passen. Ihr ahnt gar nicht, wie gut und nützlich sie sein werden, wenn sie das halten, was sie versprechen. Abgesehen davon, dass sie uns in den Sümpfen nahezu unsichtbar machen sollten, sind sie sehr robust und strapazierfähig. Sie schützen vor allem unsere wichtigen Organe vor Schlangenbissen oder -Hieben, soweit der Anzug sie verdeckt und sie sollten uns im trockenen sowie im nassen Zustand bei Hitze und bei Kälte eine relativ angenehme Körpertemperatur erhalten, Ihr wisst, was ich damit meine!

Luna: Wahnsinn, wenn das stimmt, brauchen wir doch gar nicht mehr loszugehen.

Hansen: Sehr lustig, ich höre meine Frau aus Dir sprechen! Diese Wahnsinnigen Anzüge, wie Du sie nennst, sind doch nur Mittel zum Zweck. Sie sollen die zukünftigen Forschungsreisen sicherer und vielleicht ein wenig angenehmer machen, wenngleich es den zukünftigen Forschern etwas des Abenteuers beraubt, das uns noch große Freuden bereitet hat. Wie auch immer. Der Anzug allein wird auch weiterhin keine Forschungsreisen unternehmen können, doch mögen die Frauen jener Forscher sich wesentlich besser ihren eigenen Aufgaben widmen können ohne ständig Angst um Ihre Männer haben zu müssen.

Luna: Oder anders herum, denk mal an Jade und Herrn Wong. Bei den beiden muss wohl eher Herr Wong um seine Frau bangen, während sie auf der Jagd ist.

Hansen: Das ist richtig, aber was genau willst Du mir damit jetzt sagen?

Luna: Das würdest Du doch nicht verstehen oder es würde Dich nicht sonderlich interessieren.

Hansen: Damit könntest Du wohl Recht haben, liebe Luna.

Paxicus: Auf, auf, nun lasst uns losgehen!

Hansen: Moment, Moment, ich sagte doch bereits, dass ich noch Hunger habe, wir gehen erst einmal herunter und stärken uns noch ein wenig, bevor wir aufbrechen. Dabei kann ich Euch noch erzählen, woraus die Anzüge sind und wie sie gemacht wurden.

Daraufhin, also nachdem sie die Anzüge anprobiert und festgestellt haben, dass sie tatsächlich gut passen, gehen sie gemeinsam in die Mensa und opfern deren Vorräte zu ihrer Mägen und Seelen Befriedigung. Normalerweise geht das nicht so ohne weiteres, da jedoch kein Küchenpersonal heute anwesend ist, das die Ausgabe kontrollieren würde, steht der kleinen Schelmerei der drei nichts im Wege. Und während sie schlemmten, berichtete Hansen ihnen den Clou mit den Anzügen, bei denen er nämlich Gummibaum-Leinen mit Fäden von Spinnenweben und pflanzlichen Leinen vermischt hat, um somit diesen letzten Endes fantastischen Stoff herauszubekommen.

Luna: Ja, so ist der gute alte Hansen, immer für eine Überraschung gut.

Hansen: Was zum Teufel meinst Du denn mit alt? Ich bin kaum 60 Jahre und schon soll ich alt sein?

Paxicus: Du bist schon 60? mein lieber Scholli!

Hansen: Ach, dieses verliebte Pack hält doch immer zusammen. Was soll's, Euch werd ich noch helfen.

Und so kommt es, dass sie gut gesättigt und entsprechend zufrieden das Universitätsgebäude verlassen und sich im strömenden Regen, dieser hatte inzwischen nachgelassen und zuweilen auch aufgehört, nun aber von Neuem begonnen, auf den Weg zu Ihrer Forschungsexkursion machen.

Es geht zunächst noch recht zügig voran, im Nu haben sie die südliche Grenze ihres Territoriums erreicht. Ihr Territorium? Nun ja, ziemlich genau in der Mitte befindet sich ein recht großer, runder Markt- und Festplatz, der genau diesen Zwecken dient. Er misst etwa hundertfünfzig Meter im Durchmesser. An drei Punkten am Rand, die miteinander verbunden ein gleichschenkliges Dreieck mit der Spitze nach Norden ergeben würden, befindet sich jeweils ein hübsch verzierter Brunnen. Diese dürften jetzt gerade ordentlich am Überlaufen sein. Es sind Springbrunnen mit einem Becken herum. Das Wasser, das aus den drei Drachenköpfen heraus läuft, wird aus dem Becken gepumpt, per Hand wohl bemerkt. Um den Marktplatz herum befinden sich die meisten Behausungen sowie die Universität und das Senatsgebäude, die nördlich vom Marktplatz zu finden sind. Umgeben wird die Siedlung durch einen herrlichen Mischwald, der im Norden, wo die Steppe beginnt, an Felder und Gehege grenzt, die zum Anbau und zur Zucht angelegt sind. Diese Felder reichen jeweils bis zur Grenze hin. Das ganze Territorium wird durch eine hölzerne Palisadenmauer umzäunt. An allen acht Richtungspunkten befindet sich jeweils ein Wachturm und es gibt ein Tor im Norden sowie eines im Süden. Die besagte Mauer ist an den Waldseiten mit etlichen kleinen Schlupflöchern gespickt, durch die kleinere Tiere wie Kaninchen oder kleine Schweinchen hindurch gelangen können, um dann eventuell bei den Sapientes auf der Speisekarte zu landen, doch das ist eine andere Geschichte. Um das Gebiet herum ist ein schmales freies Feld geschickter Weise so uneben gemacht worden, dass man zwar problemlos darauf gehen kann, aber erhebliche Schwierigkeiten bekäme, wollte man mit einer ganzen Schar und mit hohem Tempo auf die Festung zu stürmen. Das sollte den Sapientes als Vorsichtsmaßnamen genügen, denn wie gesagt, sind sie nun einmal ein recht offenherziges und tolerantes Völkchen.

Weiter in der Geschichte: Die Südgrenze wurde recht fix erreicht trotz des Regens und des Umwegs, denn sie sind natürlich nicht auf direktem Weg, also über den Marktplatz gelaufen, sondern außen herum im Wald an Paxicus’ und Lunas' Häuschen vorbei. Der Grund dafür war, dass man zum einen die Bewohner nicht bei ihren Arbeiten stören wollte, zum anderen jedoch vor allem, weil sie jeglichen Diskussionen aus dem Weg gehen wollten. Denn hätten sie mit jedem, der ihnen über den Weg gelaufen wäre, über ihr Vorhaben und den Grund dafür geplaudert, dann würde sich die Abreise zur Exkursion auf den späten Nachmittag verschoben haben. Das wollten sie unbedingt vermeiden, weil sie verständlicher Weise nur sehr ungern in der Dunkelheit durch Sumpf oder Regenwald irrten, denn diese Gegenden sind im Hellen schon gefährlich genug. Der Weg bis zu den Sümpfen, zu denen sie wollen, beträgt immerhin gut 35 Kilometer und zurück müsse man selbstverständlich auch wieder. Da lohnt sich ein solch kleiner Umweg ungemein. Nachdem sie also aus dem Tor ihr Land verlassen haben, geht es nun schnurstracks in Richtung Waldsee. Auch hier kommen sie noch recht gut voran, obwohl der Regen den Boden aufgeweicht hat und dieser dadurch recht matschig ist. Überall rechts und links knackt es von den Ästen her und etliche kleinere sowie größere fallen auch herunter. Der nach wie vor unerklärlich starke Wind, pfeift ihnen um die Ohren, dass man sein eigenes Wort kaum zu verstehen vermag. Diese unheilige Stimmung beflügelt die drei wohl zu ihrem enorm hohen Tempo und sie bemerken gar nicht, dass sie aus sicherer Entfernung beobachtet werden. Endlich am Ufer des Sees angekommen, bepacken sie ein kleines Kanu artiges Boot mit ihren Utensilien. Das Kanu wird zu Wasser gelassen und nun paddeln sie, Paxicus und Luna, zum Südufer hin. Hansen genehmigt sich derzeit eine kleine Pause, die jedoch nur sehr kurz ausfällt, da er alsbald damit beschäftigt ist, das immer mehr und mehr werdende Wasser aus dem Kanu zu schöpfen. Es dauert nicht lange, da ist nur noch Paxicus am Paddeln und die beiden anderen sind am schöpfen. Schwer zu sagen, welche Arbeit zu diesem Zeitpunkt anstrengender ist. Nach ungefähr neun von zehn Kilometern bis zum anderen Ufer auf der Südseite, beginnt der Regen aufzuhören und als sie das Wasser nahezu aus dem Boot entfernt haben und das Ufer in greifbarer nähe scheint, gönnen sie sich erst einmal eine kurze Verschnaufpause und nutzen die Wertvolle Zeit gleich für ein kleinen Snack. Für jeden gibt es ein kleines Stück Kuchen, dazu ein paar Nüsse und leckeren Kirschsaft. Am Ufer angekommen, wird das Boot an Land gezogen, in einem Gebüsch verstaut und gut getarnt, damit es für mögliche fremde Herumstreunende nicht zu finden ist, jedenfalls nicht so leicht. Während dessen sieht sich Luna etwas um, ob irgendwelche Gefahren auf sie lauern. Derzeit scheint alles in bester Ordnung zu sein. Hier Am Südufer befinden wir uns zwar schon im richtig dicht bewachsenen Regenwald, doch die wirklichen Gefahren, zumindest die von wilden Tieren, die werden bis zu dem nahe liegenden Sumpf noch auf sich warten lassen. Hier lauern mehr Gefahren für Jene, die sich unachtsam oder grob zerstörerisch durch das dichte Buschwerk bewegen. Das trifft jedoch bei den Dreien nun wahrlich nicht zu; ihre Erfahrung und vor allem aber ihre Liebe zur Wildnis halten sie von derart törichten Verhaltensweisen ab. Von hier aus sind es etwa noch einmal zehn Kilometer bis zum Sumpfgebiet. Diese zu überwindende Strecke wird wohl noch viel anstrengender sein, als alles, das sie bisher zu meistern hatten. Der Boden ist durch den starken, lang anhaltenden Regen aufgeweicht und deshalb extrem Matschig. Das Buschwerk ist dicht und die Sicht dadurch recht begrenzt. An manchen Stellen ist es direkt düster, fast gruselig durch die Dunkelheit und die friedliche Stille, die nur von Vogelgezwitscher, Rascheln, Knacken, Schwirren oder Rasseln unterbrochen wird. Doch genau diese Orte sind es, an denen man sich am wenigsten zu fürchten braucht. Bewahrt man die Ruhe und lauscht den Signalen der hier lebenden Tiere und reagiert entsprechend darauf, ist man hier an sich auf der sicheren Seite. Hingegen sind die Lichtungen deutlich tückischer, besonders die größeren. Dort könnte man schon von lauernden Raubkatzen oder großen Echsen überrascht und angegriffen werden, die haben schließlich auch Hunger. Nun gut, so pirschen sich die Drei, Hansen als der Erfahrenste an der Spitze, Luna in der Mitte und Paxicus hinten dran, durch das Gestrüpp, so schnell es die Umstände und die nötige Vorsicht erlauben, so dass sie, wie erwünscht, aber kaum zu hoffen gewagt, zum frühen Nachmittag an der Lichtung ankommen, hinter der jenes Sumpfgebiet beginnt. Ab hier wird nun wirklich höchste Vorsicht geboten sein, denn nicht nur, dass es eine größere Lichtung ist, sie geht auch nahtlos in den Sumpf über. Für so einige Forscher und Jäger war es bereits zu spät, als sie bemerkt haben, dass sie sich im Sumpf befinden. Denn bereits vor den ersten Baumreihen, die man fälschlicher Weise für den Beginn eines weiteren Abschnitts des Regenwaldes halten mag, beginnt der Sumpf mit Moorlöchern, kleinen Tümpeln und den meist darin versteckten Sumpfkrokodilen. Dadurch wird dieser lieblich anmutende Platz schnell zu einer Falle, die in den sicheren Tot führt. Wenn ein potentielles Opfer die Lichtung betritt und sich erst einmal weit genug weg vom dichten Buschwerk befindet, dann wird es von diversen Raubechsen und Raubkatzen umzingelt und in die Sümpfe getrieben beziehungsweise gehetzt. Und die Beute teilen sich dann die Jäger. Diese Falle gilt es nun für die Drei zu umgehen. Am Rande der Lichtung in noch sicherer Entfernung, an der die Drei ihre zweite kleine Pause abhalten, packt Hansen etwas aus seinem Rucksack aus, das aussieht wie eine Flöte.

Luna: Ist Dir so langweilig, dass Du jetzt Musik machen willst? Tolle Idee, soll ich dazu singen?

Hansen: Ja gerne, aber erst, wenn Du meine Flöte spielen hörst.

Luna: Spaß beiseite, was ist das jetzt wieder für eine Überraschung?

Hansen: Werdet Ihr gleich sehen!

Paxicus: Du meinst hören.

Hansen: Das glaube ich nicht, ich sagte sehen und meinte sehen!

Paxicus: Du spielst auf einer Flöte, die man nicht hören kann, was soll der Quatsch?

Luna: Er spielt auf einer Flöte, die wir nicht hören können, das hat er gesagt und gemeint. Viele Tiere besitzen jedoch einen viel schärferen Gehörsinn als wir einfache Menschen. Er wird einen Ton gefunden haben, den wir nicht hören können, bestimmte Tiere aber sehr wohl hören und er wird sie entweder anlocken oder abstoßen, nehme ich an.

Hansen: Absolut richtig, abstoßen um genau zu sein. Die Raubechsen, die diese Gegend hier unsicher machen, können diesen Ton ums verrecken nicht ausstehen und werden uns dann in Ruhe lassen.

Paxicus: Alle Achtung und ich dachte schon, die Dunkelheit und die scheinbar unheilige Stille haben Dir aufs Gemüt und den Verstand geschlagen, dabei bin ich es offensichtlich, der des Verstandes beraubt scheint.

Luna: Ist es der Anzug, der zu eng an meinem Körper anliegt? (Schelmisch grinsend)

Paxicus: Dann müsste Hansen ja auch verwirrt sein.

Luna: Ach, der ist zu ....... beherrscht und weise dafür.

Hansen: Gerade noch die Kurve gekriegt, meine Gute.

Luna: Die Raubechsen können wir so umgehen, aber was machen wir gegen die Katzen und vor allem gegen die Krokodile? Hast Du gegen diese auch jeweils eine Flöte?

Hansen: Nein, gegen die Katzen habe ich ein Blasrohr mit Pfeilen, die wir hier gleich noch mit einem Pflanzenextrakt vergiften werden. Zwei durch Pfeile erlegte Raubkatzen dürften ausreichen, um die anderen zu warnen.

Paxicus: Und diese werfen wir dann den Krokodilen zum Fraß vor, um sie zufrieden zu stellen und um sie von uns abzulenken.

Hansen: Sehr gut, Du kannst ja doch noch klar denken. So machen wir’s.

Gesagt, getan! Während Hansen scheinbar lautlos flötete und Luna die besagten zwei Jaguars mit den aus dem Blasrohr geschossenen Giftpfeilen erlegte, sicherte Paxicus mit Stock und Dolch bewaffnet die unmittelbare Umgebung. Die noch lebenden jedoch gelähmten Katzen wurden in sicherem Abstand vor jeweils einem der berüchtigten Tümpel gelegt und es dauerte gar nicht lange, bis die Krokos aus ihren nassen Behausungen kamen, ihre Mahlzeit entdeckten und sie genüsslich verschlangen. Der Clou an der Sache war, dass das Gift in den Katzen auch den Krokodilen noch zu schaffen machte, auch wenn diese das problemlos überleben werden, bringt eine solche Mahlzeit einiges an Erschöpfung mit sich, so dass sie sich dann vorerst lieber in ihren sicheren Tümpel zurückzogen. Denn an Land sind sie lange nicht so mächtig, wie im Wasser. Und obwohl die Räuber zusammen arbeiten und sich die Beute teilen, ist auch unter ihnen absolute Vorsicht geboten. Ein geschwächtes Krokodil an Land etwas zu weit vom Wasser entfernt, hat genauso große Überlebenschancen wie ein Jaguar im oder zu nah am Tümpel. Endlich an den Krokodilen vorbei, laufen sie einen schmalen Pfad entlang, der sie auf sicherem Weg zwischen den Moorlöchern hindurchführt. Kurz bevor sie das Waldplateau erreichen, welches das Ziel ihrer Exkursion darstellt, werden sie von einer Maus überholt, die allerdings, natürlich unwissend, direkt in ihr Verderben rennt. Es geht so schnell, dass die Drei gar nicht mitbekommen, was geschehen ist. Auf einmal ist die Maus weg, spurlos verschwunden. Würden wir uns das jetzt in Zeitlupe ansehen können, würden wir gesehen haben, dass sich eine kleine Falltür öffnet, just in dem Moment, da die Maus an ihr vorbeihuschen will, eine Furcht erregend aussehende recht große Falltürspinne herauskommt, ihre Kieferklauen in den Nacken der Maus hineinschlägt und mit ihr in der Höhle mit der Falltür wieder verschwindet. Als die Drei an die Stelle gelangen, an der die Maus zuletzt gesehen ward, bemerkt Hansen winzige kaum sichtbare seidene Fäden durch das Licht der Sonne glänzen und erkennt sofort, dass es sich um die Fäden der berüchtigten Falltürspinne handeln muss.

Hansen: Habt Ihr das gerade auch nicht gesehen? Kein Wunder, das hier ist die berühmte Falltürspinne, die Reise hat sich schon gelohnt. Aber das sie auch hier lebt, habe ich nicht für möglich gehalten. Gut, sie ist sehr anpassungsfähig, ja und sie braucht auch nicht viel Nahrung. Diese Maus hier wird ihr für einige Monate genügen, aber wie zum Teufel ist sie hier hergekommen? Ich glaube ich weiß es. Unterirdisch! Sie kommt aus dem Waldplateau und hat sich von Falltür zu Falltür gegraben, faszinierend! Los, lasst sie uns noch einmal heraus locken!

Paxicus nimmt sich eines der Gefäße, die sie für solche Zwecke mitgenommen haben, aus dem Rucksack, befestigt es an einem Stock, streicht damit an den Seidenfäden entlang, während Hansen hinter der Falltür gebückt und lauernd auf das Erscheinen der Spinne wartet. Und so passiert es, dass die Falltür aufgeht, die Spinne heraus schnellt und in das Gefäß beißt. Ihre Kieferklauen durchdringen den lederartigen Verschluss und sie versucht ihr vermeintliches Opfer in ihre Höhle zu ziehen. Da Paxicus das Gefäß festhält, schafft sie es natürlich nicht und bevor sie Ihr Schicksal ersinnt, hat Hansen sie von hinten vorsichtig gepackt. Er übt einen leichten Druck auf ihren Leib aus, so dass sie möglichst viel ihres wertvollen Gifts in das Gefäß abgibt. Nach wenigen Sekunden lässt er sie dann wieder los. Sie zieht ihre Kieferklauen aus dem Leder und verschwindet in ihrer Höhle. Hansen weist Paxicus an, das Gefäß zu öffnen, um nachzusehen, wie viel Gift sie gemolken haben und sie sind sichtlich beeindruckt.

Hansen: Wahnsinn, seht Euch das an! Unendlichen Dank, liebe Spinne, Du wirst vielen Menschen helfen, Einige vor schlimmen Schmerzen bewahren und so Manchem das Leben retten. Was für eine Kreatur, so gefährlich und gruselig Du aussehen magst, so nützlich bist Du doch für uns, unglaublich!

Ich selbst empfinde eine starke gefühlsmäßige Abneigung gegen Dich und Deine Artgenossen, ob groß ob klein, aber ich schätze Dich und respektiere Dich, Du heiliger, hässlicher Menschenfreund!

Luna: Ich wusste gar nicht, dass Du Gefühle hast, Hansen.

Hansen: Ja, ja, mach Dich bloß über mich lustig, aber es ist so wie es ist.

Paxicus: Los, weiter, wir haben nicht viel Zeit, bis die Krokodile wieder fit und hungrig sind.

Hansen: Es wird auch nicht sehr lange dauern, dort drüben ist alles, was wir benötigen.

Er zeigt auf einen buschigen Baum gleich links neben den hohen Bambus Gewächsen.

Hansen: Das ist der Gummibaum dessen Rinde uns hierher verschlug. Und alle Kräuter, die ich benötige, befinden sich hier in unmittelbarer Umgebung.

Paxicus: Das kann doch kein Zufall sein.

Hansen: Natürlich nicht, ich habe mir erlaubt, bei meiner letzten Exkursion, bei der ich deutlich länger unterwegs war, die Samen der meisten Pflanzen, die ich brauchte, hier einzupflanzen. Desweiteren habe ich einen noch recht kleinen Gummibaum hierhin umgepflanzt und ich bin beeindruckt, dass das alles so gut geklappt hat.

Luna: Woher hast Du denn die Samen geholt? Und bei Dir im Garten wachsen sie nicht.

Hansen: Das ist korrekt, sie gedeihen nur in sumpfiger Umgebung und ich bin schon sehr froh, dass sie hier an Ort und Stelle wachsen. Etwa fünf Kilometer Südlich von hier habe ich den damals sehr kleinen Gummibaum ausgepflanzt, um ihn mit den anderen Kräutern hierher zu befördern. Das macht einen Fußweg von knapp fünfzehn Kilometern, weil man einige Umwege in Kauf nehmen muss, um dort heil ankommen zu können.

Luna: Fünfzehn Kilometer, durch diese Sümpfe, Du bist echt ein Teufelskerl! Ich gehe doch recht in der Annahme, dass das Stückchen Sumpf, welches wir hier kennen lernen durften, tatsächlich nur ein kleiner Vorgeschmack dessen ist, was einem nur wenige Meter hinter diesem Waldplateau erwarten wird. Wie habt Ihr das gemacht, Ihr müsst übernachtet haben.

Hansen: Das ist richtig, beides. Bis hierher ist es harmlos, bis auf die Lichtung, die in der Tat etwas tückisch ist. Und wir mussten in der Tat übernachten, allerdings ohne zu schlafen. Der Weg, der hinter diesem Plateau weiter südlich durch die Sümpfe führt, verzweigt sich nach etwa 50 Metern nach Westen ab und führt zu einem weiteren Plateau, das mit Schilf bewachsen ist. Dieses Plateau ist ringsum mit Moor umgeben. Um uns vor Schlangen zu schützen, haben wir einen kleinen Ring aus Feuer um uns gelegt. Hergen und ich, wir haben uns dann gegenseitig wach gehalten, denn wer hier einschläft, wird ziemlich lange schlafen. Am nächsten Tag, bei Dämmerung, sind wir dann weiter gezogen, um am Abend möglichst wieder auf diesem Plateau zu landen.

Paxicus: Zweieinhalb Tage ohne Schlaf durch diese Sümpfe, jetzt weiß ich ungefähr, was Deine Frau durchmachen muss.

Hansen: Der Schlafmangel war gar nicht so tragisch, wir waren so unter Spannung, da war das kein Problem. Der Nervenkitzel, der von den Krokodilen ausging, die überall lauern konnten, war viel arger, denn so einige Male sind wir solchen Attacken auch nur knapp entronnen und das auf teilweise spektakuläre Weise. Das verrückteste, was wir gemacht haben, war mit langen Bambusstöcken über sie hinwegzuspringen, natürlich ohne genau zu wissen, wo wir landen würden. Wir waren uns beide einig, dass wir so eine Reise so schnell nicht wiederholen wollen würden und hofften deshalb auch besonders, dass der Plan mit den Umpflanzungen funktionieren würde.

Luna: Und Euer Wagemut sollte sich tatsächlich gelohnt haben, tja, das Glück der Tüchtigen, kann man da nur sagen!

Es dauert dann wirklich nicht lange, bis sie alle gewünschten Objekte gefunden, gesammelt sowie verstaut haben und in Richtung Heimat aufbrechen können. Das Passieren der Lichtung verläuft sogar noch unspektakulärer als auf dem Hinweg und der Rückweg durch den dicht bewachsenen Busch stellt sich als genauso unproblematisch dar, wie der Hinweg. An ihrem Kanu angekommen, gönnen sie sich noch einmal eine kurze Pause und verputzen dabei die Reste ihrer Wegzehrung. Eingeplant war, dass sie beim Eintreffen der Dämmerung hier ankommen würden. Da sie jedoch deutlich schneller waren, werden sie bereits ihren heimatlichen Küstenstreifen erreicht haben, wenn es denn zu dämmern beginnt und das obwohl sie diesen Teil des Rückwegs nun deutlich gemütlicher angehen. Es regnet nicht, wie auf dem Hinweg, der Wind scheint sich auch ausgeweht zu haben und es ist noch so warm geworden, dass Paxicus seinen Anzug auszieht. So wird die Fahrt mit dem Kanu richtig beschaulich und romantisch, mit einem Sonnenuntergang, wie aus dem Bilderbuch. Während Paxicus gemütlich dahinpaddelt, fällt ihm noch etwas ein.

Paxicus: Wie weit bist Du eigentlich mit Deinen Wetterstudien gekommen? Ist doch schon merkwürdig, der stürmische Wind.

Hansen: Gut, dass Du mich daran noch erinnerst. In den naturwissenschaftlichen Unterlagen habe ich keine Aufzeichnungen über derartige Phänomene gefunden und dementsprechend auch keine Erklärungen oder Erklärungsversuche.

Paxicus: Lasst uns morgen zusammen zu Visine gehen und sie fragen, ob sie aus der alten Legende etwas derartiges schon einmal gehört hat oder sich erklären kann, was das zu bedeuten haben könnte.

Hansen: Sehr gute Idee! Gleich morgen in der Früh, noch vor dem Frühstück.......... Kleiner Scherz, ich würde nie ein Frühstück ausfallen lassen.

Luna: Dann müssten wir auch eher bei Herrn Wong vorbei schauen, als bei Visine.

Hansen: Da hast Du wohl recht. Ich ohne Frühstück, dass wäre ein klarer Fall für Herrn Wong.

Paxicus: Und das wäre noch bedeutend spektakulärer als das Wetterphänomen, das wir zu klären versuchen.

Alle drei lachen herzlich. Im Nu haben sie das Küstenufer erreicht, ziehen das Boot an Land und verstauen es in dem dafür vorgesehenen Gebüsch, nachdem sie ihre sieben Sachen herausgenommen haben. Ohne lange zu zögern, brechen sie auf zu ihrem Lager. Auch wenn diese kurze Reise am Ende deutlich schneller und unkomplizierter als erwartet verlief, war sie dennoch recht anstrengend, besonders der des stürmischen Wetters wegen beschwerliche Hinweg. So ist die Freude auf das traute Heim durchaus angemessen und abgesehen von den überstandenen Anstrengungen, waren sie ja auch ziemlich erfolgreich: sie haben alles, nein sogar mehr gefunden, als Hansen sich erhofft hatte. Jetzt, da sie knapp die Hälfte des Weges bis zum Lager hinter sich haben, ist es bereits ziemlich dunkel geworden. So dunkel, das Hansen eine kleine Fackel entzündet hat, die ihnen eine gute Sicht auf etwa fünf Meter beschert. Obwohl es natürlich durchaus bekanntes Gelände ist, scheint Paxicus etwas nervös zu sein, denn er schaut sich ständig um, als lauere eine Gefahr.

Hansen: Was ist los mit Dir, Du scheinst angespannt zu sein?

Paxicus: Ich weiß nicht, ich kann es mir auch nicht erklären, aber ich habe eine ziemlich unwohliges Gefühl.

Luna: Mir geht’s genauso. Mir ist, als würden wir beobachtet und verfolgt werden.

Und Luna soll Recht behalten. Sie werden tatsächlich verfolgt. Es sind dieselben, die sie auch auf dem Hinweg schon verfolgt haben. Zwei Gestalten mit Blättern überall auf die Kleidung geklebt. Der eine ist mit Pfeil und Bogen bewaffnet, wobei der Bogen so gebaut ist, dass er sich durchaus auch als Hieb und Stichwaffe eignet, sollte er in einen Nahkampf geraten oder ihm die Pfeile ausgehen. Der Andere ist mit einer an einem Seil befestigten Sichel bewaffnet, die auf beiden Seiten geschärft ist. Das Seil misst etwa zwei Meter fünfzig und endet mit einer kleinen Kugel. Dadurch lässt sich diese Waffe hervorragend im Nahkampf, jedoch durchaus auch als Wurfgeschoss für nahe Distanzen verwenden. Dazu trägt dieser noch zwei Dolche. Im Schutz der stetig schwärzer werdenden Dunkelheit sind sie bewegungslos, wie sie derzeit sind, wirklich nicht aufzuspüren. Dennoch kommt den drei Heimwärtsreisenden die Dunkelheit zu Gute, denn auch sie sind nur schwer zu sehen. Nur ihre Bewegung und das Licht, das Hansen trägt, lassen ihre Anwesenheit und ihre Position erahnen. Auf dem Hinweg war es relativ leicht, die drei zu verfolgen und zu beobachten, ohne dabei selbst entdeckt zu werden, da die Geräusche des Unwetters die Bewegungsgeräusche überdeckt haben. Relativ leicht eben trotz der Tarnanzüge, weil sie natürlich, angesichts des Friedens der hier herrscht, mit keinem Übergriff rechneten und den angelegten Weg zum Ufer wählten, der durch deutlich karger bewachsenes Gelände führt, der so genannte Hauptweg. Er verläuft in einer leichten Schlangenlinie vom Lager bis zum Ufer hin. So, nun war es jedoch ziemlich still, als die Drei die letzte Etappe ihrer Heimreise antraten und daher mussten die zwei Verfolger sehr vorsichtig sein, um nicht erwischt zu werden. Diese hatten tatsächlich den ganzen Tag auf sie gewartet und ihre Spur am Uferrand dann wieder aufgenommen. Aus sicherer Entfernung haben sie die Drei verfolgt und sich dann schließlich an der Stelle positioniert, an der sie jetzt gerade lauern. Etwa sieben Meter von einander entfernt lauern sie jeweils gegenüber in einem Gebüsch hinter einer Rechtskurve, heimwärts gesehen. Luna, Paxicus und Hansen passieren gerade die Stelle hinter der Kurve auf die jene zwei dunklen Gestalten lauern. Plötzlich bleibt Luna stehen und das ist ihr Glück, denn just in diesem Moment schlägt ein Pfeil surrend und knarrend in einem Baum direkt vor und etwas neben ihr ein. Um ein Haar würde der Pfeil nun in ihren Hals eingeschlagen sein, wäre sie nicht rechtzeitig angehalten. Doch ihr Anhalten soll kein Zufall gewesen sein. Sie hatte ein rascheln im Gebüsch gehört, dass wohl der Bogenschütze beim Spannen seines Bogens verursacht haben muss. Luna dreht sich sofort in die Richtung, aus der jener Pfeil gekommen sein muss, zieht während der Drehung ihr Blasrohr heraus und schießt direkt ein Pfeil in die vermutete Richtung. Man hört ein kurzen Aufschrei und im Anschluss ein Geräusch, das darauf schließen lässt, dass jemand aus gebückter Haltung auf den Boden halb sinkt halb fällt. Darauf schreit der Zweite laut auf und springt aus seinem Versteck hervor. Im Sprung noch schleudert er seine Sichel auf Luna zu, verfehlt sie aber, da Paxicus, der direkt neben ihr stand, die Sichel mit seinem Dolch abblockt. Es klirrt furchterregend. Bevor der Angreifer seine Waffe mit Hilfe des Seils zurückziehen kann, hat Paxicus das Seil mit seinem Dolch erfasst und durch eine Drehung im Handgelenk einmal umwickelt. Durch das ruckartige Ziehen des Angreifers zerschneidet die Klinge des Dolches das Seil und so wird die Sichel vom Seil getrennt und fällt zu Boden. Der Angreifer lässt prompt das andere Ende, das mit der Kugel, auch fallen, bewaffnet sich mit seinen zwei Dolchen und stürzt auf Paxicus zu. Dieser steckt sein Dolch zurück in die Scheide, ergreift seinen Stock sogleich mit beiden Händen und stößt ihm diesen an seine Schulter, so dass er sogleich einen seiner Dolche verliert. Den anderen wirft er kurz darauf, in der Gewissheit im Nahkampf seinem Gegner hoffnungslos unterlegen zu sein, auf Paxicus zu, der sich nicht zu Ducken traut, da er genau weiß, dass Luna in diesem Moment hinter ihm steht, um die andere Richtung abzusichern. Er bewegt sein Stock in Richtung des anfliegenden Dolches, erwischt ihn jedoch so, dass er beim Abprallen einen Schnitt an seiner linken Schulter verursacht. Paxicus lässt den Stock fallen, greift nach seinem Dolch und hält ihn seinem Angreifer an dessen Kehle. Dieser hat sich nach seinem letzten Versuch, seinen Gegner zu töten, wehrlos ergeben und rechnet nun seinerseits offenbar damit, getötet zu werden. Während dessen haben Luna und Hansen tatsächlich die anderen Richtungen abgesichert, ebenfalls mit Stöcken bewaffnet, wobei Hansens Stock die besagte Fackel war und ist. Zu dritt haben sie eine Art Dreieck aufgebaut, mit Blick nach außen.

Paxicus: Bei mir ist es sauber und bei Euch?

Luna: Sauber.

Hansen: Sauber, bis jetzt noch.

Paxicus: Wer und wie viele seid Ihr und was zum Teufel sollte das?

Absolute Stille, kein Laut zu hören. Es ist, als hätte jemand die Zeit angehalten.

Paxicus: Antworte mir, sonnst schneide ich Dir auf der Stelle die Kehle durch!

Unbekannter: Wir zwei sind, Oceanos.

Paxicus: Aber warum? Was haben wir Euch denn getan?

Unbekannter: Kann nicht sagen. Bitte, bringe Leichen zu Oceanos Lager.

Paxicus: Ist das Dein letzter Wille?

Paxicus zerschneidet das Obergewand des vor ihm Stehenden, dessen Herzschlag jetzt die Stille mit immer heftiger werdenden Schlägen durchbricht. Kalter Schweiß läuft jenem in der Erwartung des sehr nahen Todes die Stirn herunter. Dessen Atmung ist hektisch und flach.

Paxicus: Und Du willst mir wirklich nicht sagen, warum Ihr uns angegriffen habt?

Erneutes Schweigen. Eine kurze Zeit passiert absolut nichts. Dann nimmt Paxicus seinen Dolch, benetzt die Spitze mit seinem aus der Schnittwunde herunter laufenden Blut und schreibt das Wort „Pax“ auf die Brust seines Gegenübers. Das Wort Pax bedeutet Frieden in der Sprache der alten Legende. Die Schrift besteht einzig und allein aus Paxicus’ Blut. Nicht einen einzigen Kratzer soll der unbekannte Oceano dadurch erhalten haben.

Paxicus: Los, Namenloser, nimm Deinen Gefährten aus dem Gebüsch mit nach Hause und berichte dort, dass wir weiterhin für Frieden sind. Er ist im Übrigen nur betäubt und mit gelben Honigtee wird er recht schnell wieder auf die Beine kommen.

Weiterhin schweigend und nun aber offensichtlich ebenso verwirrt wie erleichtert über dieses Verhalten, bleibt er noch einen Augenblick stehen, bis er dann schließlich mit einem reumütigen Ausdruck an Paxicus vorbei läuft, seinen Gefährten auf liest und mit ihm in der Dunkelheit verschwindet.

Hansen: Los, lasst uns hier verschwinden, bevor sich herumspricht, dass wir die, die uns und unsere Freunde zu töten versuchen, einfach wieder gehen lassen.

Luna scheint verwirrt über den Ausdruck in Hansens Worten. So arg zynisch und irgendwie Vorwurfsvoll hatte sie ihn nie zuvor erlebt. Über Paxicus’ Verhalten ist sie zwar auch erstaunt, aber keines Wegs erzürnt. Obwohl er auch den hat laufen lassen, der Luna um ein Bruchteil fast erschossen hätte. Es hätte ihre Entscheidung sein sollen, was mit jenem geschehen solle. Doch sie scheint Paxicus in dieser Sache voll zu vertrauen. Sie spricht zu Hansen:

Luna: Gefällt Dir die Entscheidung von Paxicus nicht? Nun gut, eine Strafe hätten sie verdient, da gebe ich Dir Recht.

Paxicus: Er hat vor allem damit recht, dass wir jetzt schnell hier verschwinden sollten, den Rest klären wir später.

Die Verschwörung

Den Rest des Weges laufen die Drei ziemlich schnell den Hauptweg entlang. Hansen mit der Fackel an der Spitze und Luna sowie Paxicus rechts und links hinter ihm mit kurzem Abstand jedoch außerhalb des Lichtkreises der Fackel. Nach einer halben Stunde etwa erreichen sie das Südtor ihres nun dringend ersehnten Lagers. Wie es aussieht, werden sie bereits erwartet. Torun, der diensthabende Wächter öffnet ihnen das Tor, als er sie heran hetzen sieht.

Torun: Was ist Euch denn widerfahren, Ihr seht aus, als jagten Euch Gespenster.

Luna: Nein, es waren Oceanos, die uns überfallen und umzubringen versucht haben, auf der Hälfte des Weges vom Ufer her.

Torun: Was für ein verrückter Tag heute. Erst der Sturm von früh morgens bis zum späten Nachmittag, dann die vielen Besucher und jetzt noch das. Oh, Paxicus, ich sehe Du bist verletzt. Geht und lasst Euch versorgen. Man wird Euch schon berichten, was während Eurer Abwesenheit hier so alles vorgefallen ist. Und mir könnt Ihr dann später erzählen, was Ihr so alles erlebt habt.

Hansen: Machen wir, bis dann.

Dieses Mal nehmen sie den direkten Weg über den Marktplatz hinweg zu dem Haus von Herrn Wong gleich links neben dem Senatsgebäude. Er empfängt sie auch direkt mit herzlicher Erleichterung, als er sie sieht.

Herr Wong: Ihr Verrückten, wolltet Ihr Euch umbringen, bei diesem Wetter auf Exkursion zu gehen? Ach was sag ich Wetter, ein Unwetter war es. Aber wie ich sehe, warst Du ja fast erfolgreich, Paxicus.

Hansen: Hör auf zu snacken und verarzte ihn erstmal.

Herr Wong: Ja, ja, ist ja gut, doch erzählt schon, was Euch geritten hat und was genau passiert ist.

Paxicus: Nach Torun zufolge, mag es kaum spektakulärer sein, als das, was hier geschehen ist.

Herr Wong: Das können wir erst beurteilen, wenn Alles berichtet ist.

Nach diesen Worten erzählt Luna Herrn Wong, was ihnen widerfahren ist, während er Paxicus’ Wunde begutachtet und versorgt. Inzwischen sind Carmina, Lutze und Jade hinzu gestoßen und sie hören gespannt der Erzählung von Luna zu.

Carmina: Diese Geschichte solltet Ihr sofort dem Senat erzählen. Visine hat schon nach Hansen gefragt. Sie wollte wohl wissen, ob es Aufzeichnungen über derartige oder ähnliche Wetterphänomene gibt. Ihrer Vermutung nach sollte es keine geben, und während sie dann selbst Nachforschungen anstellte, sind diese merkwürdigen Dinge hier passiert. Seit wir in Frieden mit den anderen Stämmen leben, hat sich keiner von ihnen auch nur in der Nähe blicken lassen und heute, auf einmal, bekommen wir gleich dreimal Besuch. Die Steppanos schickten einen Läufer, der sich über die Tropanos beschwert hat. Sie würden in Edenia Jagen. Die Roburen schickten ihrerseits einen Gesandten ihres Roburs, der sich über die Steppanos beschwerte. Sie würden sich außerhalb ihres Terrains merkwürdige unterirdische Behausungen bauen, womöglich, um sich für einen bevorstehenden Krieg vorzubereiten. Beide Gesandte forderten unsere Zusammenarbeit, um die sträflichen Verhaltensweisen zu ahnden. Und nachdem, was ihr berichtet habt, sind auch die Oceanos auf Abwegen des Friedens. Mir gefällt diese Entwicklung nicht.

Lutze: Es ist ja nicht einmal eine Entwicklung zu erkennen gewesen. Es scheint alles mit dem Unwetter heute in die Haustür gefallen zu sein. Irgendetwas liegt im Argen, das sage ich Euch.

Hansen: Darüber wird uns Visine hoffentlich berichten können, denn ihre Vermutung, dass man nichts in unseren Archiven über dieses Wetter finden würde, ist richtig. Aber was ist mit dem dritten Besucher?

Jade: Es sind drei Kämpfer, wie aus Stahl geschmiedet, aber sehr freundlich. Sie baten um eine Unterkunft.

Luna: Unterkunft? Von welchem Stamm sind sie her?

Jade: Von keinem der hier anwohnenden. Ich weiß nicht, wo sie herkommen, aber sie haben etwas Vertrautes an sich, obwohl ich solche Mannen noch nie zuvor gesehen habe. Am besten fragt Ihr Visine, sie kann Euch vielleicht mehr über sie erzählen.

Hansen, Paxicus und Luna: Wo finden wir Visine?

Just in diesem Moment, da Hansen nach ihr fragte, kommt sie um die Ecke gehuscht, auf dass sie nun vor ihnen steht.

Visine: Wenn man vom Teufel spricht, ist er nicht fern, so heißt es doch, nicht wahr? Entschuldigt meinen Galgenhumor an dieser Stelle, denn eigentlich schreit die derzeitige Lage nicht gerade nach solchen Scherzen. Berichtet mir, was Ihr erlebt habt, für Gründe haben wir erst einmal keine Zeit und Euch würden vermutlich auch keine vernünftigen einfallen, nehme ich an.

Hansen: Belassen wir’s dabei, dass wir keine Zeit dafür verschwenden wollen!

Paxicus, der bemerkt hat, das Hansen etwas knurrig ist, wegen der Unterstellung, dass es keine vernünftigen Gründe gäbe, übernimmt das Wort und erzählt kurz die Geschehnisse und den Verlauf der Reise der Drei.

Visine: So, so, von den Oceanos überfallen. Die also auch noch, das gefällt mir gar nicht. Ihr habt bereits gehört, wer uns heute so alles besucht hat?

Paxicus: Ja, das haben wir.

Visine: Du hast sie laufen lassen, die Oceanos, richtig. Gut, danke, ich werde den Übrigen vom Senat darüber berichten.

Hansen: Im Übrigen hattest Du recht mit der Annahme, dass man in den Archiven nichts über dieses außergewöhnlich merkwürdige Wetter finden würde. Ich habe heute in der Früh, bevor wir zu unserer Exkursion aufgebrochen sind, Nachforschungen angestellt. Du bist die Expertin für die alte Legende. Ist Dir etwas derartiges daraus bekannt.

Visine: Kommt mit und hört Euch an, was ich den anderen Senatoren zu berichten habe.

Zusammen gehen die Sechs also zum Sitzungssaal des Senats, wo Halam, Gustav, Arsis und Minna schon warten.

Halam: Ach, da seid Ihr ja endlich. Beginne nun bitte, Visine

Bevor nun Visine ihre Geschichte erzählen wird, gilt es einige Worte über sie zu verlieren. Nun gut, sie ist eine der fünf Senatoren des Rates der Weisen und das obwohl sie mit ihren knapp vierzig Jahren noch recht jung dafür ist. Diese Ehre wurde ihr zuteil, da sie sich als Meisterin der alten Legende erwiesen hat und zudem noch eine Legenden-Schreiberin ist. Hierzu wird man nicht ausgebildet, sondern vom Schicksal dafür auserkoren. Jene begnadeten Seelen beschreiben in einem Trance ähnlichen Zustand die Bücher der alten Legende, sofern es etwas gibt, das dort hinein gehört. Auch das ist vom Schicksal gefügt. Es gibt natürlich immer nur eine Legenden- Schreiberin oder einen Legenden-Schreiber in einer Generation. Diese Bürde wird auch nicht unbedingt vererbt, jedoch kann es durchaus vorkommen, dass ein Nachfahre des letzten Legenden-Schreibers zu diesem wird. Es bedarf der tiefen und innigen Beschäftigung mit der alten Legende, um dieser Ehre Teil werden zu können. Wie auch immer, Visine ist recht hübsch und zudem sehr Weise. Der mystisch anmutende Antlitz ihres Gesichts, das nicht selten durch einige Strähnen ihrer kräftigen roten Haarpracht verdeckt wird, verspricht keineswegs zu viel ihres zauberhaften Wesens bezüglich. Nachdem jene Visine also den anderen vier Senatoren die Erzählung von Paxicus mit ihren Worten wiedergegeben hat und es weder Einwände noch Ergänzungen gab, beginnt sie ihre Geschichte zu erzählen.

Visine: Als ich mich am späten Vormittag an die Arbeit gemacht habe, dem düsteren und Unheil verkündenden Wetter auf den Grund zu gehen, bin ich auf etwas gestoßen, das mir größte Sorgen bereitet. Da Hansen nicht zugegen war, aus gutem Grunde wohl bemerkt, und mir aus der alten Legende nichts Derartiges geläufig war, versuchte ich mich in der Historica. Dort wurde ich fündig. In einem kurzen Bericht wird erwähnt, dass im Jahre 99 im neunten Monat nach unserer Zeitrechnung, ein furchtbares Missgeschick geschehen ist. Ein junges Mädel namens Luci, bekommt auf nicht nachvollziehbare Weise das sechste Buch der alten Legende in die Hände und kritzelte Worte in der besonderen Schrift, die sie eigentlich noch gar nicht kennen konnte, auf Seite 66 nieder. Jene geschriebenen Worte besagen, ich zitiere aus der Übersetzung:

Pugna Pugnarum

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