Читать книгу Das Feenschloss - Rosa Mayreder - Страница 1
ОглавлениеVon alters her haben die Feen eine unüberwindliche Neigung sich mit den Menschen in Verbindung zu setzen. Der alte König gerät immer ein wenig in Hitze, wenn es geschieht, daß eine oder die andere seiner schönen, zarten Untergebenen mit der schüchternen Bitte kommt eine irdische Angelegenheit durch ihre Einmischung beilegen zu dürfen.
Da er aber ein milder und höflicher König ist, begnügt er sich zu sagen: »Aber meine Teuerste, sind Sie denn noch immer keines Bessern belehrt? Trotz aller schlechten Erfahrungen nicht? Was verlockt Sie denn so sehr an diesem schmutzigen, stinkenden – mille excuses! – Gesindel? Wissen Sie nicht, wie unverbesserlich und undankbar die Leute sind? Fragen Sie doch einmal . . .« Und dann zählt der alte König eine ganze Reihe von Feen auf, die sich's nicht hatten nehmen lassen die Wohltäterinnen der Menschen zu spielen und dabei kläglich schlecht weggekommen waren.
Allerdings konnte er in der Regel die schönen Bittstellerinnen damit nicht von ihrem Vorhaben abwendig machen. Sie meinten, sie würden es eben klüger anstellen als ihre Vorgängerinnen.
Das widerfuhr ihm auch mit der Fee Myriadora. Er hielt große Stücke auf sie. Sie war die anmutigste und unschuldigste von allen, heiter wie ein Sonnenstrahl und lieblich wie ein Tautropfen, wenn der Sonnenstrahl auf ihn fällt. Deshalb ging es ihm besonders nahe, als sie ihm eines Tags eröffnete, sie habe sich einen wunderschönen Plan ausgedacht, um diesen armen geplagten Erdengeschöpfen eine erlesene Freude zu bereiten. Er begann unverweilt von den schlechten Erfahrungen zu sprechen. Aber sie fragte mit ihrem melodischen Lachen, in dem es läutete wie von tausend silbernen Glöckchen, was denn das sei, Erfahrungen; von etwas derartigem könne sie sich nicht die geringste Vorstellung machen.
Der alte König wußte nicht gleich, wie er das Wesen der Erfahrungen erklären sollte. Erfahrungen: je nun, das wären alle Einsichten, die man aus den Zusammenstößen mit der Welt der Wirklichkeit gewänne, wie sie auf Erden leider bestehe.
Wie herrlich! So sei die Welt der Wirklichkeit ganz anders als das Feenreich? Ja, gewaltig anders, aber herrlich durchaus nicht.
Das wollte Myriadora nicht glauben: Daß die Erdenwelt anders war, darin lag ja das geheimnisvoll Anziehende, das von ihr ausging. Und mit den Erfahrungen würde es nicht so schlimm sein; die Erfahrungen seien wohl nur eine Art Dornenhecke, über die man leicht hinwegkäme, wenn man schweben könne.
Ei ja wohl! Nur daß es mit dem Schweben ein Ende habe, sobald man den Boden der Erde betrete.
Nun, wenn auch! Sie wisse, daß man bei einem solchen Unternehmen auf einige Bequemlichkeiten verzichten müsse. Sonst wäre es auch nichts Großem und Schönes da hinunterzusteigen, um Freude zu bereiten.
Und als der alte König, durch diese Unbeirrbarkeit ein wenig erbost, fragte, ob sie denn glaube, daß die Menschen, diese Tölpel, nur so mit offenen Händen dastünden und warteten, bis eine gütige Fee ihnen ihre Gaben bringe, bejahte sie mit Zuversicht. Ja, die Menschen sehnen sich unablässig nach Freuden, suchen sie unablässig; wie sollten sie da nicht dankbar zugreifen, wenn ein höheres Wesen gesonnen sei mit vollen Händen Freuden unter sie auszuteilen?