Отрывок из книги
/Ich springe zwischen Mutter- und Vaterland hin und her und es kann passieren, dass ich dabei stolpere. Oft finde ich mich als unfreiwillige Botschafterin zwischen den Paradoxien zweier Kulturen wieder. Dabei stehe ich schon mal nackt mit Bierdurst im Keller. Meine Hot Dogs esse ich in einer Bude, deren Kundschaft größtenteils auf Crack ist. Auf der Bank wird mir vorgeworfen, für die russische Mafia zu arbeiten.
Ich komme aus Chicago. Nach Berlin bin ich vor dem Mauerfall gezogen. Mein Plan war, so lange zu bleiben, bis ich die Stadt so auswendig wie die Sprache kenne, und dann weiter in die nächste Großstadt zu ziehen. Es kam anders, nach der Wende konnte ich mich nicht von Berlin trennen. Und dann kam es noch einmal anders: Das fortgeschrittene Alter meiner Mutter machte mich zur zukünftigen Erzieherin meiner kleinen Nichten. Und so pendele ich seit 1993 zwischen Berlin und Chicago hin und her. Dieses Buch konzentriert sich auf zwei ganz besondere Jahre meiner Nomadenexistenz, aus denen ich rückhaltlos erzähle. Zwischendrin gibt es allerdings immer wieder Rückblenden zu früheren Erlebnissen in meinen beiden Heimatstädten.
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Nach neunzig Minuten Unterhaltung schenkt mir Miniboss einen Pappschuber mit einer Jahresausgabe ihres wöchentlich erscheinenden Lyrikmagazins. Jedes Heft präsentiert einen anderen Lyriker, jedes einzelne signiert. Auf den Schuber ist ein Phoenix-Logo geprägt; Miniboss meint warmherzig zu mir: »Wer diese Sonderausgabe bekommt, ist im Klub.« Sie reicht mir die Hand, wir schlagen ein. »Ich bin sehr gespannt auf Ihre Ideen.«
Ich fühle mich unschlagbar, denn mir ist bewusst, dass dieser Lyrikverein von einem der größten und vermögendsten Kulturzentren gesponsert wird. Meine Aufgabe in den nächsten Monaten besteht darin, ein Netzwerk für internationale Zusammenarbeit zwischen Dichtern und Musikern aufzubauen. Ich arbeite bei meiner Mutter zu Hause im Zimmer meiner 19-jährigen Nichte, die das Semester über auf dem Campus wohnt. Ausgestattet mit Laptop und Telefon sitze ich dort auf dem Schlafsofa und freue mich über das positive Feedback der Künstler auf meine Projektvorschläge. Sogar der Einstürzende-Neubauten-Frontmann Blixa Bargeld ist begeistert. Ich hatte gar keine Ahnung, wie freundlich der ist.
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