Was fehlt, wenn uns die Tiere fehlen?

Was fehlt, wenn uns die Tiere fehlen?
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Mit dem drohenden Verschwinden der Tiere steht weit mehr auf dem Spiel, als es die naturwissenschaftlichen Diskurse andeuten: Es geht nicht allein um eine Krise versiegender Rohstoffe oder um den Verlust ökologischer Einflussfaktoren, sondern um eine existentielle Erschütterung, die das Verhältnis zwischen Menschen und (anderen) Tieren in grundsätzlicher Weise betrifft. Die Autorin beleuchtet daher die tieferliegenden theologischen und metaphysischen Gründe jener Angst vor einer Welt, die für die Wirklichkeit der Tiere keinen realen wie gedanklichen Ort mehr hat: Woher rührt das Unbehagen angesichts einer Tierindustrie, die den milliardenfachen Tod von Tieren zum gnadenlos durchexerzierten Normalfall gemacht hat? Welche Folgen hatte die radikale Pro-fanisierung von Tieren, die in der antiken Welt noch nahezu gottgleichen Status innehatten? Was also fehlt, wenn uns die Tiere fehlen?

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Simone Horstmann. Was fehlt, wenn uns die Tiere fehlen?

WAS FEHLT, WENN UNS

Inhalt

Was fehlt, wenn uns die Tiere fehlen? Zur Einleitung

Die Ahnung einer urtümlichen Nähe

Jenseits der Sprache

Menschen als „Inter Spezies“-Wesen

Die Litanei von der insektenfreien Windschutzscheibe

Zum Stellenwert von (Tier-)Erfahrungen

Das tote Tier

„Es hat den Tod als Tod weder vor sich noch hinter sich“

„Statt Todeswirrnis – Reinlichkeit und Ordnung“

Eine Reise ins Herz der Finsternis

„Etwas ist wirksam in uns, das uns wie mit Glas umschließt“

Eine säkulare Zwei-Naturen-Lehre

„Warum hatte er auch nichts aus ihrem Schicksal gelernt?“

Die Bedrohung durch den Anderen schlechthin

Der tote Himmel der Menschen

Wenn der natürliche Tod unnatürlich wird

„… die Zuckungen der gefesselten Opfer, die der Fachmann sich zunutze macht“

Die Schuld der Zurückgebliebenen

In das Leben hineinsterben

Fülle des Lebens

Anmerkungen

Das wilde und das kontrollierte Tier

Die Sehnsucht nach der Wildnis

Die Unerträglichkeit der Wildnis

Die Barbarei der Zivilisation

„Was für Lehren werden denn von diesen Kanzeln verkündet?“

Der Mensch als Gott der Tiere

„Haben Sie den unter Kontrolle?“

Biophilie und Nekrophilie: zwei Grundhaltungen

Leben in ständiger Angst

Angst als Ressource?

Das Phobozän der Wildtiere

Begnadete Wildheit

Natur ist niemals gleich-gültig

Anmerkungen

Das mechanische und das beseelte Tier

Fluch und Verheißung des Automaten

„Ich schäme mich ordentlich vor dem Finken dort drüben, der mich mit solch schlauen Augen anblinzelt“

Wenn die Welt nur noch aus „dummem Zeug“ besteht

„… nicht mehr als die Fliegen und Ameisen“

„… was sehe ich außer Hüten und Kleidern, unter denen Automaten verborgen sein könnten?“

Verfahren und Methode statt der „Lesbarkeit der Welt“

Fleisch und Knochen einer überbelichteten Wirklichkeit

Die Hand auf dem Hundekopf

Fünfzehn seelenlose Hunde

Eine Seele haben, oder doch …

… beseelt werden?

„Seelen“ gibt es nur im Plural

Beseelter Automat?

Anmerkungen

Das missverstandene Tier

Voyager

Irdische Außerirdische

Geschichte deines Lebens

„… nahmen sie beide dieselbe physikalische Realität wahr, aber ihre Wahrnehmungen formulierten sie unterschiedlich“

Denken, wie man ist und sein, wie man denkt

Das Tier, das spricht, aber nicht hören will

Begriffslose Wesen?

Linda bereitet Kopfzerbrechen

Ein Bild, das uns gefällt: der Anthropomorphismus

„Wussten Sie schon, dass Kühe trauern?“

Das Wissen des Ichthyologen

Ein Netz auswerfen, das auch uns mit fängt

„… diese ineinander geknäulten Krämpfe der Ohnmacht“

Fisch werden oder …

…Fledermaus sein?

„… seine Knochen sind Felsen, seine Adern große Flüsse“

Rettung aus dem goldenen Käfig

Wachsames Schlafen

Interanimalität: das Fleisch der Welt

Teilnehmendes Verstehen

Anmerkungen

Das poetische Tier

Urworte, hündisch

Der Ochse in der Buchstaben-Ursuppe

Zeichen und Wirklichkeit

Lebendige Buchstaben

Bein zu Bein, Blut zu Blut

Transformierte Wirklichkeit

„Achilles war ein Löwe in der Schlacht“

Ein Gedicht als Rettungsboot der Tiere

„Etwas in uns in der Art des unvergleichlichen Möwenflugs“

Sind Tiere Kinder und Großeltern?

„Immer nach Hause“

Leben in Metamorphosen

„Menschen sind Gras“

„… je falterhafter ich im Inneren wurde“

„Omnis mundi creatura, quasi liber et pictura“

Was bedeutet dem Storch sein Dasein?

Grenzgängerspezies

„Hin- und herübersetzen“

Gebrochene Spiegelbilder & gepflegte Mehrdeutigkeiten

Multispezies-Weltsichten

Eine urtümliche Konversation

Tiere lesen lernen

Teilhabe an der gemeinsamen Welt

Anmerkungen

Das transzendente und das politische Tier

Das richtige Maß

Ein stinkender Hund auf einer Säule

Fleisch für die Käfer

Antiker Posthumanismus

„… wie der Mensch eigentlich gemeint ist“

Der zahme Bruder Wolf

Von schielenden Heiligen und modernen Tierrechten

Ein hündisches Naturrecht

Unnatürliche und übernatürliche Naturen

Heilige Krokodile, Katzen & Kühe

Verbotene Tiererfahrungen

„… die schockierend befremdende Aura des anderen Wesens“

… unter dem Eindruck des Mondes vergisst es seine Natur

Die Erkenntnis des Lebens

Göttlicher Seitenwechsel

Tierliche und trinitarische Personen

„… wandelbar und dem Tage preisgegeben“

Von glücklichen Sklaven und artgerechter Tierhaltung

Anmerkungen

Freundschaft schließen. Konkrete Ideen zu Interspezies-Praktiken

1. Begegnung mit den Opfern

2. Erfahrungen zu Wort bringen

3. Perspektivwechsel üben

4. Die Agency der Tiere wahrnehmen

5. Das Kleinste retten

6. Alltag mit Tieren

7. Mit dem Essen spielen

Anmerkungen

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SIMONE HORSTMANN

die Tiere

.....

Aber welche Hölle wäre eine Welt, die sich mit dem Sterben arrangiert hat! Die industriellen Tiertötungsmaschinerien der Moderne zeugen jeden Tag davon. Als mahnendes Beispiel verraten sie weniger etwas über die Tiere, die hier milliardenfach einen unbeachteten Tod finden, vergast und aufgeschlitzt werden, als etwas über den Menschen, der zu derartigen Grausamkeiten fähig ist: Der Mensch nämlich, so schreiben Theodor W. Adorno und Max Horkheimer in der „Dialektik der Aufklärung“ (1944), „bekundet, indem er sich am Tier vergeht, dass er, und nur er in der ganzen Schöpfung, freiwillig so mechanisch, blind und automatisch funktioniert, wie die Zuckungen der gefesselten Opfer, die der Fachmann sich zunutze macht.“21

Das 20. und 21. Jahrhundert sind traumatisiert von der monströsen Wiederkunft des Conrad’schen Kurtz, den eine rein instrumentelle Vernunft leitet, die inhaltlich vollkommen entkernt und wertfrei ist. Wer nichts im Anderen erkennen kann oder will, erkennt in ihm schnell jenes Nichts im Herzen der Finsternis. Mit der Beobachtung, dass dieses Erkennen dialektisch, gewissermaßen spiegelbildlich funktioniert, haben Adorno und Horkheimer etwas Entscheidendes gesehen. Denn die Erkenntnis des Nichts im Anderen geht nur allzu oft Hand in Hand mit dem Wirksamwerden dieses Nichts im Eigenen. So ließe sich auch die kurze Passage aus der „Dialektik der Aufklärung“ lesen: Das, was der Mensch im Tier zu erkennen meint, hier also die scheinbare tierliche Unfreiheit und Determiniertheit, ist eine Form der gleichwohl schmerzhaften, und daher verdrängten Selbsterkenntnis: So macht sich der Mensch zur freiwilligen Maschine. Die Tragik dieser Beziehung zwischen Mensch und Tier, zwischen dem Eigenen und dem Fremden, hat der bulgarisch-stämmige Literaturwissenschaftler Tzvetan Todorov in unnachahmlicher Weise auf den Punkt gebracht:

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