Begegnungen mit Büchern

Begegnungen mit Büchern
Автор книги: id книги: 2344722     Оценка: 0.0     Голосов: 0     Отзывы, комментарии: 0 195,07 руб.     (2,13$) Читать книгу Купить и скачать книгу Купить бумажную книгу Электронная книга Жанр: Документальная литература Правообладатель и/или издательство: Bookwire Дата добавления в каталог КнигаЛит: ISBN: 9783746773162 Скачать фрагмент в формате   fb2   fb2.zip Возрастное ограничение: 0+ Оглавление Отрывок из книги

Реклама. ООО «ЛитРес», ИНН: 7719571260.

Описание книги

Stefan Zweig (1881-1942) war ein österreichischer Schriftsteller. 1934 flüchtete er vor den Nationalsozialisten. Über die Stationen New York, Argentinien und Paraguay gelangte er im Jahr 1940 schließlich nach Brasilien. In der Nacht vom 22. zum 23. Februar 1942 nahm sich Stefan Zweig in Petrópolis bei Rio de Janeiro das Leben. Depressive Zustände begleiteten ihn seit Jahren. Seine Frau Lotte folgte Zweig in den Tod. In seinem Abschiedsbrief hatte Zweig geschrieben, er werde «aus freiem Willen und mit klaren Sinnen» aus dem Leben scheiden. Die Zerstörung seiner «geistigen Heimat Europa» hatte ihn für sein Empfinden entwurzelt, seine Kräfte seien «durch die langen Jahre heimatlosen Wanderns erschöpft». Stefan Zweig wurde ein Symbol für die Intellektuellen im 20. Jahrhundert auf der Flucht vor der Gewaltherrschaft. In diesem Sinne wurde in seinem letzten Wohnhaus in Petrópolis die Casa Stefan Zweig eingerichtet, ein Museum, das nicht nur die Erinnerung an sein Werk bewahren soll.

Оглавление

Stefan Zweig. Begegnungen mit Büchern

Begegnungen mit Büchern

Das Buch als Eingang zur Welt

Der richtige Goethe

Goethes Leben im Gedicht

Zu Goethes Gedichten

Gundolfs ›Kleist‹

Witikos Auferstehung

Jeremias Gotthelf und Jean Paul

Rückkehr zum Märchen

Das Tagebuch eines halbwüchsigen Mädchens

Verse eines Gottsuchers

Rilkes ›Neue Gedichte‹

Elemente der Menschengröße

Albert Ehrensteins Gedichte

Wiederbegegnung mit Tubutsch

›Rechts und Links‹ Roman von Joseph Roth

Der Roman ›Hiob‹ von Joseph Roth

Freuds neues Werk ›Das Unbehagen in der Kultur‹

Thomas Manns ›Rede und Antwort‹

Thomas Mann, ›Lotte in Weimar‹

Zwei historische Romane

Das Buch als Weltbild

Das Drama in ›Tausendundeine Nacht‹

Einleitung zu einer zusammengefaßten Ausgabe von Jean-Jacques Rousseau's ›Emil oder Über die Erziehung‹

Stendhals deutsche Wiederkehr

Anmerkungen zu Balzac

Balzacs Codices vom eleganten Leben

›Die Schule der Empfindsamkeit

Flauberts Nachlaß

Eulenspiegel Redivivus

Triumph der Kathedrale

Byroniana

Das deutsche Walt Whitman-Werk

Anmerkung zu Joyce's ›Ulysses‹

Der Triumph der Trägheit

›Das Werk der Artamonows‹

Impressum

Отрывок из книги

Alle Bewegung auf Erden beruht im wesentlichen auf zwei Erfindungen des menschlichen Geistes: die Bewegung im Raume auf der Erfindung des rollenden, seine Achse heiß umschwingenden Rades, die geistige Bewegung auf der Entdeckung der Schrift. Jener namenlose Mensch, der irgendwo und irgendwann als erster das harte Holz rund zur Felge bog, hat die ganze Menschheit die Ferne zwischen Ländern und Völkern überwinden gelehrt. Verbindung war durch den Wagen mit einmal möglich, wandernde Fracht, kenntnisschaffende Reise, aufgehoben der begrenzende Wille der Natur, der bestimmten Früchten, Erzen, Steinen und Produkten eine enge klimatische Heimat zuwies. Jedes Land lebte nicht mehr allein, sondern in Beziehung zur ganzen Welt; Orient und Okzident, Süd und Nord, Ost und West waren durch das neuersonnene Vehikel einander nahegebracht. Und genau wie das Rad in allen seinen technisch gesteigerten Formen – unter der Lokomotive rollend, das Automobil vorwärtsschnellend, im Propeller umschwingend – die Schwerkraft des Raumes, so überwindet die Schrift, gleichfalls längst fortgeschritten von der beschriebenen Rolle, vom Einblatt zum Buch, die tragische Erlebnis- und Erfahrungsbegrenztheit der irdischen Einzelseele: durch das Buch ist keiner mehr ganz mit sich allein in sein eigenes Blickfeld eingemauert, sondern kann teilhaft werden alles gegenwärtigen und gewesenen Geschehens, des ganzen Denkens und Fühlens der ganzen Menschheit. Alle oder fast alle geistige Bewegung unserer geistigen Welt ist heute auf das Buch gegründet, und jene einverständliche, über das Materielle erhobene Lebensgestaltung, die wir Kultur nennen, wäre undenkbar ohne seine Gegenwart. Diese seelenausweitende, diese weltaufbauende Gewalt des Buches in unserem privaten und persönlichen Leben, sie wird uns eigentlich höchst selten bewußt und fast immer nur in ausgesparten Augenblicken. Denn das Buch ist längst zu selbstverständlich innerhalb unseres Tagwerkes, als daß wir das jedesmal Neu-Wunderbare seines Wesens neu und neu dankbar bemerkten. So wie wir uns gar nicht besinnen, daß wir bei jedem Atemzug Sauerstoff in uns ziehen und unser Blut durch diese unsichtbare Nahrung geheimnisvolle chemische Erfrischung erfährt, so merken wir kaum, daß wir unablässig durch das lesende Auge seelischen Stoff empfangen und damit unseren geistigen Organismus auffrischen oder ermüden. Lesen ist für uns Söhne und Enkel von Jahrhunderten der Schrift eine beinahe schon körperliche Funktion, ein Automatismus geworden, und das Buch, weil es uns seit der ersten Schulklasse nah der Hand bleibt, längst ein dermaßen selbstverständlich Mit-uns-Seiendes, Um-uns-Seiendes, daß wir zu einem Buche meist so lässig gleichgültig greifen wie zu unserem Rock, zu unserem Handschuh, zu einer Zigarette, zu irgendeinem dieser serienhaft produzierten Massenfabrikate. Immer hebt ja das leicht Erreichbare eines Wertes die Ehrfurcht vor ihm auf, und nur in den wahrhaft produktiven, in den nachdenklichen und von innen her betrachtenden Augenblicken unseres Daseins verwandelt sich das Gewohnte und Gewöhnliche wieder ins Wunderbare zurück. Einzig in solchen besinnenden Stunden werden wir dann der magischen und seelenbewegenden Kraft ehrfürchtig gewahr, die vom Buche in unser Leben übergeht und es uns so wichtig macht, daß wir heute im zwanzigsten Jahrhundert unsere innere Existenz nicht mehr denken können ohne das Wunder seiner Gegenwart.

Solche Augenblicke sind selten, aber eben, weil sie selten sind, bleibt dann der einzelne lange und oft über Jahre hinaus erinnerlich. So weiß ich noch genau den Tag, den Ort und die Stunde, wo mir in entscheidender Weise aufging, in wie tiefer und schöpferischer Art unsere innere private Welt mit jener anderen sichtbaren und zugleich unsichtbaren der Bücher verflochten ist. Ich glaube, diesen geistigen Erkenntnismoment ohne Unbescheidenheit erzählen zu dürfen, denn obschon persönlich, reicht diese Erlebnis- und Erkenntnisminute weit über meine zufällige Person hinaus. Ich war damals etwa sechsundzwanzig Jahre alt, hatte selbst schon Bücher geschrieben, wußte also schon einigermaßen um die geheimnisvolle Verwandlung, die irgendein dumpf Vorgestelltes, ein Traum, eine Phantasie erfährt, und die vielen Phasen, die sie durchschreiten muß, bis sie sich dank der merkwürdigen Verdichtungen und Sublimierungen endlich in ein solches kartoniertes Rechteck verwandelt, das wir Buch nennen, in ein solches Wesen, das verkäuflich, preisgestempelt und scheinbar willenlos wie eine Ware im Schauladen hinter Glas liegt, und gleichzeitig doch wach, beseelt jedes einzelne Exemplar, obwohl käuflich, doch sich gehörig, und zugleich dem anderen, der es neugierig anblättern will, und noch stärker dem, der es liest, und schließlich ganz und eigentlich jenem letzten, der es nicht nur liest, sondern auch genießt. Ich hatte also schon selbst etwas erfahren von diesem unbeschreibbaren Prozeß der Transfusion, wo gewissermaßen Tropfen der eigenen Substanz übergeführt werden in fremde Adern, Schicksal in Schicksal, Gefühl in Gefühl, Geist in Geist: aber doch, die volle Magie, die Weite und Vehemenz der Wesenswirkung des Gedruckten, sie war mir noch nicht bewußt geworden, ich hatte nur vage um sie herumgesonnen und sie nicht ganz und entscheidend zu Ende gedacht. Dies geschah mir nun an jenem Tag, in jener Stunde, die ich erzählen will.

.....

Dieses tiefe Geheimnis der Selbstverwandlung der Kunst mit dem fortgelebten, von Kindheit zum Alter, ständig belebtem Leben, dieses Geheimnis eines Werkes, das über zwei Menschenalter hin sich wölbt, war schon im ›Faust‹ und im ›Wilhelm Meister‹ uns einmal mitzufühlen gegönnt, in beiden Werken, die seine Jugend begonnen, sein Alter vollendet und sein Leben geschaffen hat. Diese organisch gestaltete Anordnung seiner Gedichte läßt es uns nun zum drittenmal betrachtend fühlen, daß Werk und Leben ein einziges untrennbares, blühendes und langsam welkendes Wesen bei Goethe sind, und niemals hat man es vielleicht besser gefühlt als im vergleichenden Genießen, denn jedes Gedicht ist nun durchtränkt vom Sinn des Ganzen und das Ganze wieder beseelt von jedem einzelnen Vers. Daß auch notwendigerweise das Nichtige einbezogen ist, die zahllosen Verse, in denen das tote Material des Verses und des Reimes in Abwesenheit des produktiven Elements sich gleichsam selbst fortgedichtet hat, gerade dies verinnerlicht und verwahrheitlicht das menschliche Bild, ohne das des Künstlers zu vermindern. Gerade in dem zeitlichen Nebeneinander des großartigen Gedichtes mit den kleinlichsten Gelegenheitsversen mag der Unbelehrte spüren, daß auch in dem gewaltigen Menschen wie im Täglichen auch im Geistigen die niederen Funktionen den erhabenen eng benachbart sind und eben die Gemengtheit des Gestalteten die nur gelegentliche Gegenwart des Genius in der Wirrheit des täglichen Tages zum höheren Wunder macht. Vermenschlichung eines Werkes fördert immer mehr sein letztes Verstehen als seine Vergöttlichung, und diese wird hier geboten durch die Gesamtheit, die wahllose, seiner Verse und die sinnvolle Anordnung in ihrem eigentlichsten Sinne, dem seines eigenen Lebens.

Und dieses Leben Goethes, mehr als je, erneut sich's in diesen unseren Tagen. Zwei umfassende, breitwuchtige und innerlich tiefgründige Darstellungen, die Houston Stewart Chamberlains und Georg Simmels, haben fast gleichzeitig es in seiner ganzen bedeutsamen Fülle darzustellen versucht, in einem Tafelwerk ›Goethes äußere Erscheinung‹ hat man handlich alle Bilder dem Blick vereint, und in Weimar sind die Kärrner am Königsbau unablässig am Werk. Es galt lange als gute literarische Sitte, ihrer zu spotten, daß sie jeden Waschzettel bergen, jeder Spur bis in Staub und Schutt nachspürten, die er jemals gegangen – mir war's nie gegeben, diese stille und doch leidenschaftliche Tätigkeit als eine minderwertige zu empfinden, denn jede Hingabe an das Gewaltige will mir fruchtbar erscheinen und gerade diesen regen stillen Menschen danke ich vielfachsten Gewinn. Hans Gerhard Gräf, der diese meisterhafte Anordnung der Gedichte schuf (die auf schwierigsten Konjekturen ruht, auf Entzifferungen mühevollster Art und Forschungen, die über Jahre hingehen), hat in dem neunbändigen Werk ›Goethe über seine Dichtungen‹ ein einziges Kompendium der Selbstbewertung eines Dichters geschaffen, und das nüchterne Diarium, das Kalendarium, das er plant, wird uns – möge er's doch vollenden! – Tag für Tag dieses exemplarischen Lebens, die ganze Tätigkeit von jedem Morgen zum Abend zeigen und damit dem ewig unverständlichen Geheimnis von Goethes Lebenskunst näher bringen, als jede weitschweifige und geistige Darstellung. Schicht für Schicht bauen dort fleißige Hände die ganze irdische Existenz noch einmal auf, allmählich wandert jedes Blatt, das er geschrieben, jedes Bild, das ihn darstellt, nach Weimar wieder hin, in das Haus, von dem in zahllosen Manifestationen die Flut, die niemüde, seines Wirkens sich ausströmte in die Welt, ebbt sie wieder zurück. Jedes Möbelstück – wie viele mußten zurückgeholt werden aus ihrer Diaspora – steht nun wieder auf dem alten Platze und grüßt die Besucher wie einst, da sie ihn selbst suchten, den Gewaltigen; mitten im Kriege haben die Sorglichen mit deutschem Bedacht dort die Sammlungen von Steinen, Pflanzen, Kameen, an denen er mit so viel Liebe hing, in die er so viel Zeit und suchende Kraft verinnerlicht hat, sichtbar gemacht und damit eine neue Facette seiner Existenz belichtet. Einzelarbeiten scheinen sie alle zu tun und sind doch Wirkende gemeinsamer Tat, denn mehr als ein Denkmal ist es, ein starres, das sie schaffen, die Tat in Weimar gilt im letzten der Erneuerung seiner realen Existenz, einem sichtlichen Symbol seiner inkommensurablen Persönlichkeit. Dort, wo es körperlich verloschen ist, sein Leben, baut es sich geistig aus seinen eigenen Elementen wieder auf, und in dem Maße, als er durch die Zeit, die fühllose, ferner wird, macht ihn sorgliche Hingabe und werktätige Liebe wieder nah.

.....

Добавление нового отзыва

Комментарий Поле, отмеченное звёздочкой  — обязательно к заполнению

Отзывы и комментарии читателей

Нет рецензий. Будьте первым, кто напишет рецензию на книгу Begegnungen mit Büchern
Подняться наверх