Die Ärzte. 100 Seiten

Die Ärzte. 100 Seiten
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"Die beste Band der Welt? Vielleicht. Die beste Band Deutschlands? Wahrscheinlich. Die originellste und freiste Band Deutschlands? Ganz bestimmt!"
"Westerland", «Schrei nach Liebe», «Männer sind Schweine» oder «Junge»: Die Ärzte zählen zu den erfolgreichsten deutschen Bands, sind seit Jahrzehnten Kult. Oder anders gesagt: «Es gibt nur einen Gott: BelaFarinRod.» Doch wie konnte es der Band immer wieder gelingen, neue Fangenerationen für sich zu gewinnen? Stephan Rehm Rozanes hat Die Ärzte mehrfach zu Gesprächen getroffen. Er porträtiert die Band, widmet sich ihrem politischen Engagement und klärt die alles entscheidende Frage: Ist das noch Punkrock?

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Stephan Rehm Rozanes. Die Ärzte. 100 Seiten

Die Ärzte. 100 Seiten

Inhalt

»Wie es geht« – Ich weiß, ob es Liebe ist

»Super Drei« – Wie wurden Bela, Farin und Rod zu BelaFarinRod (und wer sind Sahnie und The Incredible Hagen)?

Farin Urlaub

Bela B

Farin und Bela: Die diabolischen 2

Sahnie

The Incredible Hagen

Rodrigo González

»Zum letzten Mal« – Eine Band löst sich auf

»Schrei nach Liebe« – Rückkehr mit der ultimativen Anti-Rechts-Hymne

»Richtig schön evil« – Alte und neue Skandale

»1/2 Lovesong« – Die besten Fans der Welt

Mehr ist mehr: Palaver, Plüsch & Pizza

Grenzen des Ruhms und Grenzen der Fans

»Der lustige Astronaut« – Fun und Punk und Fun-Punk (feat. Die Toten Hosen)

»Wir sind die lustigsten«

»Ist das noch Punkrock?«

»Friedenspanzer«

»Den Schub gab’s immer« – Interview mit Bela B

»Manchmal drückt der Heiligenschein« – Interview mit Farin Urlaub

»Für immer« – Die Zukunft der Ärzte

Hör- und Lektüretipps. Zum Hören

Studioalben

EPs

Live-Alben

Kompilationen

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Rammstein. 100 Seiten

Intro

Über Rammstein. 100 Seiten

Zum Autor von Rammstein. 100 Seiten

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Stephan Rehm Rozanes

Mit dem »Schunder-Song« über die Konsequenzen von Mobbing entdeckte ich 1995 dann zwar nicht Die Ärzte, aber ich entdeckte sie für mich. Die Anfangszeilen beschrieben meinen Alltag: »Du hast mich so oft angespuckt, geschlagen und getreten«. Begeisterung empfand ich bei der skurrilen Offensichtlichkeit des folgenden »Das war nicht sehr nett von dir, ich hatte nie darum gebeten«. Humor gehörte für mich als Verehrer der Meistersatiriker der Ersten Allgemeinen Verunsicherung und der Over-the-top-Bombastrocker Queen zu Musik dazu. Dann die Bridge »Jetzt stehst du vor mir und wir sind ganz allein. / Keiner kann dir helfen, keiner steht dir bei.« und schließlich der kathartische Refrain »Immer mitten in die Fresse rein…«. Ein buchstäblicher Befreiungsschlag, das Opfer wird zum Täter. »[D]as tut gut. / Das musste einfach mal sein«. Selbstverständlich begriff ich physische Widerwehr nicht als reale Option, schon gar nicht als Handlungsanweisung. Das war eine erfrischende Fantasie, die – eben – guttat. Das Leben spielt sich zum größten Teil im Kopf ab. Die meisten unserer Ängste, Wünsche und Sorgen erfüllen sich nicht. Und wer in Ego-Shootern vor sich hin meuchelt, plant in den allerseltensten Fällen einen Amoklauf im Real Life. Ich war jedenfalls »[v]ollkommen gefangen im Schattenreich von Die Ärzte«, wie eins ihrer Livevideos heißt. Ständig fand ich neue Lieblingsstellen im »Schunder-Song«: wie die messerscharfe E-Gitarre die vom Dead-Kennedys-Klassiker »California Über Alles« inspirierten Drums im Intro durchsägt, der Ska-Bläsersatz, der wie das Riff auf eine 1986er-Demo namens »Peter Parker« zurückgeht, am meisten aber das inbrünstig intonierte »Mitten!«. Allein der Einfall, dieses ungelenke, alleinstehend kaum lebensfähige Adverbchen so stark zu akzentuieren! Dazu die fehlenden Zusammenhänge mit dem Titel (der Song ist nach dem Band-Merchandiser Erik Schunder benannt – wie des Öfteren gab hier die Willkür den Ausschlag) oder dem Video, das den Brecher als Revuenummer mit Showtänzerinnen darbot. Vermutlich hörten auch meine Feinde damals den »Schunder-Song«, schlicht weil er »rockte«. Aber sie kapierten ihn nicht. Bestimmt »rockt« auch die Musik der Böhsen Onkelz. »Rocken« ist eine wertlose Worthülse.

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Wie es der idealtypische Lebenslauf eines späteren Musikjournalisten vorsieht, gründete ich zu dieser Zeit selbst eine Band, da mir das in der kulturellen Isolation meiner Heimat als sinnvolle Beschäftigung vor, nach und während den Schulstunden erschien. Die Band war kurzlebig, ganz und gar erfolglos und gigantisch. Mit den Worten »It’s better to burn out than to fade away« besang Neil Young schon 1979 die Karriere des im Eiltempo die Welt verändernden Johnny Rotten. Das Best-of der Ärzte Das Beste von kurz nach Früher bis jetze diente unserer Band als Bibel, nicht unbedingt musikalisch, aber in der Herangehensweise. Die Doppel-CD, die wie der auch bei näherer Betrachtung verwirrende, aber eigentlich deutliche Titel verrät, Prachtstücke aus den Jahren nach der Compilation Die Ärzte früher! bis in die Gegenwart versammelt, deckte eine schwindelerregende stilistische Bandbreite ab. Die Fertigkeiten der Ärzte galten uns zwar als unerreichbar, aber mit ihrem stümperhaften Spielfilm Richy Guitar (R: Michael Laux) erschienen sie uns doch auch irgendwie, irgendwo, irgendwann anschlussfähig. Der Punk-Gedanke »Das kannst du auch« manifestierte sich in uns. Der von den Ärzten als »Jugendsünde« verachtete Streifen aus dem Jahr 1985 sah ursprünglich die Berliner Band Plan B als Protagonisten vor und sollte den Geist Westberlins zu Beginn der 80er einfangen. Gastauftritte haben Nena, Notorische Reflexe, tatsächlich auch Plan B, sowie die spätere Ärzte-Managerin (sic) Axel Schulz – noch unter seinem Geburtsnamen Axel Knabben. Die Ärzte stellen hier in Grundzügen ihren Werdegang nach und versuchen in der dauergrauen Mauerstadt, ihren desolaten Alltagsjobs als Hamburgermaskottchen und lebender Gabelstapler mit Musik zu entkommen. Wir sprachen die Dialoge auswendig mit. Wahrscheinlich habe ich bis heute keinen Film häufiger gesehen. Das mag aber auch daran liegen, dass man als Jugendlicher sehr viel Zeit für Wiederholungen hat.

Die Bruchbuden, in denen die Band dort lebte, die unkonventionellen Straßenmusiker, die Plattenläden – alles in der Szenerie dieser Berliner Gelassenheit, das hatte uns beflügelt. Welchen Einfluss Die Ärzte selbst mit ihren Tiefpunkten ausübten! Es ist höchste Zeit für eine Rehabilitation von Richy Guitar.

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