Rassismus und kulturelle Identität
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Stuart Hall. Rassismus und kulturelle Identität
Rassismus und kulturelle Identität
Einleitung
Neue Ethnizitäten*
Kulturelle Identität und Diaspora
Das Lokale und das Globale: Globalisierung und Ethnizität
Alte und neue Identitäten, alte und neue Ethnizitäten
›Rasse‹, Artikulation und Gesellschaften mit struktureller Dominante
Der Westen und der Rest: Diskurs und Macht
Die Frage der kulturellen Identität
Juha Koivisto. Stuart Hall – Bibliografie seiner Schriften
Literaturverzeichnis
Drucknachweise
Отрывок из книги
Stuart Hall
Ausgewählte Schriften 2
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Halls entscheidende Intervention ist also, dass der Begriff der kulturellen Identität ebenso wenig wie der der Ethnizität aufgegeben werden muss, um den Kampf für umfassende individuelle und gesellschaftliche Emanzipation führen zu können. Im Gegenteil: ein solcher Kampf zwingt jede/n Akteur/in dazu, einen Standpunkt zu beziehen, den Ort zu bestimmen, von dem aus er/sie spricht, d. h. sich zu positionieren. Bei diesem Akt des Positionierens bleiben die Herkunft, die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die sprachlichen und kulturellen Codes, über die er/sie verfügt, unverzichtbare Ressourcen: Elemente der Ethnizität.
Dennoch kann kulturelle Identität – spätestens seit der Zäsur von 1968 und dem Aufstieg neuer sozialer Bewegungen, in denen die Strategien der Identifikation selbst zum ersten Mal und über die traditionellen Grenzen des politischen Raums hinaus zum Gegenstand der Politik wurden – nicht mehr als Bewahrung eines Wesens oder einer ursprünglichen Essenz gedacht werden. Sie muss in den Kontext eines neuen Globalisierungsschubs des Weltkapitalismus gestellt werden, durch den Interdependenz und Zeit-Raum-Verdichtung ausgeweitet wurden und – für die hier behandelten Fragen zentral – die internationale Migration eine neue Qualität erlangte. Hall sieht diesen Umbruch im Zusammenhang mit dem Ende des fordistischen Akkumulationsregimes (vgl. z. B. das Manifesto for New Times, Hall 1989e). Die Bindekraft ›absolutistischer‹ Anrufungen durch ›große‹ kollektive Subjekte wie Nation oder Klasse lässt nach, das individuelle Subjekt wird ›fragmentiert‹ und ›zerstreut‹ (dislocated). Hall weiß allerdings, dass diese Erfahrung von Anfang an auch zur Moderne gehört und dass die Erzählungen des (männlichen, weißen, englischen) ›großen Subjekts‹ nie völlig beherrschend waren. Deswegen spricht er zumeist von ›Spät‹- statt von ›Postmoderne‹. Er zeigt, wie Theoretiker der Postmoderne an ihre Vorläufer anknüpfen, die bereits mitten in der Moderne mit der Dezentrierung des Subjekts begannen: Althusser verweist auf Marx, Lacan auf Freud, Derrida auf Saussure; zu einer Zeit, als die Disziplinen der Ökonomie und des Rechts noch fraglos vom Individuum als Subjekt seiner Handlungen ausgingen, arbeitete die Soziologie bereits am Problem der Sozialisation; in der Literatur und den bildenden Künsten war eine feste Vorstellung vom Ich und seinem Ort in der Gesellschaft, seiner Verankerung im Raum und in der Zeit, schon längst gesprengt worden. Auf der ideologischen Ebene bleibt daher auch in dieser neuen Form der Globalisierung das amerikanische Modell kapitalistischer Vergesellschaftung dominant, das Michel Pêcheux im Gegensatz zur staatszentrierten ›Festung‹ als ›paradoxalen Raum‹ mit ›offenen Rändern‹ beschrieben hat (Pêcheux 1983, 382f). Dieses Modell hat aus dem Widerstand der Ränder (den antikolonialen Bewegungen und den Protestbewegungen in den Metropolen selbst) gelernt und eine Vielfalt von Differenzen in seinen Rahmen integriert, die als Material der Verfeinerung und des Genusses einer wesentlich okzidentalen und an bestimmte Milieus gebundenen Yuppie-Kultur dienen. Als privilegierter Ort der modernen Kunst, als exotische Formen der Küche, der Sprache, des Lebensstils werden so die Marginalisierten reintegriert, alles, was an den Differenzen auf Widersprüche und Kämpfe verweist, dagegen ausgelöscht (vgl. unten).
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