Heimat
Реклама. ООО «ЛитРес», ИНН: 7719571260.
Оглавление
Susanne Scharnowski. Heimat
Heimat
Impressum
Menü
Inhalt
Vorbemerkung
Heimat: Schlüsselwort, Reizwort und Kampfbegriff
Heimat in der Ferne: Der Wanderer über dem Nebelmeer
Heimat als Modell: Vormärz und der Beginn der ›Großen Transformation‹
Heimat als Programm: Zivilisations- und Fortschrittskritik um 1900
Heimat als Ideologie und Propaganda: Vom Kolonialismus zum Nationalsozialismus
Heimat in Trümmern: Alte und neue Heimat in West und Ost
Heimat als Kitsch: Das Schweigen im Walde und Der Förster vom Silberwald
Heimat, Heimweh und Nostalgie: Die Sehnsucht nach der ›alten, schönen Zeit‹
›Heimat ist ein Gefühl‹: Nomaden und Touristen
Welt und Erde als Heimat: ›Global denken, lokal handeln?‹
Heimat ist ein Ort: Für einen kosmopolitischen Provinzialismus
Anmerkungen
Literaturverzeichnis
Personenregister
Sachregister
Danksagung
Informationen zum Buch
Informationen zur Autorin
Отрывок из книги
Susanne Scharnowski
Geschichte eines Missverständnisses
.....
Die Winterreise, der durch Schuberts Vertonung berühmt gewordene Liederzyklus Wilhelm Müllers, zeigt die Nachtseite der romantischen Sehnsucht und Ruhelosigkeit. Während in Eichendorffs Erzählung permanent Frühling herrscht, malen Müllers Lieder den Kontrast zwischen Frühling und Winter aus: Der Monat Mai mit blühenden Lindenbäumen, grünen Wiesen und lustigem Vogelgeschrei ist nur mehr in der Erinnerung und im Traum präsent. In der Gegenwart hingegen herrscht Winter mit Eis und Schnee, der einzige Vogel ist die Krähe. Die Parallelen zu Nietzsches Gedicht aus dem Jahr 1844, das oft unter dem Titel »Heimweh« zitiert wird, sind unverkennbar: »Die Krähen schrei’n/Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:/Bald wird es schnei’n –/Wohl dem, der jetzt noch – Heimat hat!«35
Erscheint das permanente Unterwegssein bei Eichendorff als heitere Unruhe, so ist die Wanderlust in der Winterreise zum düsteren Fluch geworden. Müllers Wanderer mit seiner Todessehnsucht, die etwa in dem Lied »Das Wirthshaus« aufscheint, erinnert eher an Ahasver, den ewig wandernden Juden, dem Müller in einem anderen Gedicht die Zeilen in den Mund legt: »Ich wandre sonder Rast und Ruh,/Mein Weg führt keinem Ziele zu«. Wenn der Wanderer der Winterreise sich im ersten Lied (»Die Liebe liebt das Wandern«36) an eine Liebe erinnert, deren Ende er vermutlich selbst herbeigeführt hat, dann deutet dies allerdings darauf hin, dass der romantische Wanderer sich ganz bewusst gegen Ehe, Bindung und Sesshaftigkeit und für die einsame Wanderung durch den Winter und die Dunkelheit der Melancholie entschieden hat. Aus der Zurückweisung der Heimat und der Bejahung der Rast- und Ruhelosigkeit folgt die Verdammung zu Heimatlosigkeit und Einsamkeit: Dies ist die Tragik der romantischen Ruhelosigkeit.
.....