Fuchserde
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Schon seit ihrer Kindheit ist Frida der charismatische Mittelpunkt einer grossen Familie. Angstlos nach dem frühen Tod ihrer Mutter, sorgt sie mit ihrer ungezähmten Art für Kopfschütteln bei den Bewohnern des kleinen Dorfes, in dem sie lebt. Kein Mann ist ihr recht, und kein Mann kann ihr widerstehen. Frida ist eine Jenische – Angehörige eines beinahe in Vergessenheit geratenen fahrenden Volkes. Über Generationen hinweg haben ihre Vorfahren schon im «Biberling», den kalten Monaten, ihre einfachen Hütten bewohnt, um dann im «Hitzling», in dem die Sonne zunehmend an Kraft gewinnt, wieder mit ihren Pferdewagen loszuziehen.
Es ist ein rau-romantisches Leben, das Frida und die Ihren führen, mit dem Sternenhimmel als Dach, geheimnisvollen Geschichten am Feuerplatz und einer Sprache, die den Sesshaften Rätsel aufgibt. Ihren Lebensunterhalt verdienen die Fahrenden noch zu Beginn des letzten Jahrhunderts als Scherenschleifer, Besenbinder, Pfannenflicker, als Wahrsagerinnen oder als Kräuterfrauen. Sie fühlen sich frei wie der Wind. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten aber setzt eine dramatische Zäsur im Leben der Familie, die versucht, der Vernichtung zu entrinnen: mit Hilfe uralten Wissens, schier waghalsigem Humor und unbändiger Kraft.
Thomas Sautner erzählt die Geschichte zweier Familien, deren Schicksale durch die Liebe ihrer Kinder miteinander verknüpft werden und deren Alltag vom tiefen Verstehen der Natur geprägt ist, von wunderbaren Weisheiten und vom Leben mit den Jahreszeiten. Das nördliche Waldviertel, mystisch-schön mit seinen ausgedehnten Wäldern, dunklen Teichen, tiefen Mooren und den Jahrmillionen alten markanten Restlingen aus Granit ist dabei mehr als bloß der Schauplatz eines grossen Familienromans.
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Thomas Sautner wurde 1970 in Gmünd geboren, heute lebt er im nördlichen Waldviertel sowie in Wien. Neben zahlreichen Essays und Erzählungen erschienen im Picus Verlag auch seine Romane »Milchblume«, »Die Älteste«, »Das Mädchen an der Grenze«, »Großmutters Haus« und 2021 »Die Erfindung der Welt«.
www.thomas-sautner.at
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Dass Lilli zu spät die nötige Ruhe und Weisheit fand und zu lange verschwenderisch mit ihrer Gabe und ihrem Ärger umgegangen war, zeigte sich, als sie schon nach vierzig Wintern schwer krank wurde und ihren Körper mit jenen Furunkeln, Beulen und Geschwüren übersät fand, die sie einst anderen an den Hals und wer weiß wo sonst noch hingewünscht hatte. Als ihre teils erwachsenen Kinder sie knapp vor ihrem Tod fragten, wie dieses Unheil nur über sie kommen konnte, da sie doch besser als alle anderen mit Hexerei, Heilkräutern und Kobolden umzugehen wisse, hieß Lilli ihre Kinder eine einfache Übung sehr, sehr sorgfältig zu machen. »Lasst eine Eisenkugel auf eine Marmorplatte fallen«, sagte sie und lächelte bitter.
Hast du das schon einmal gemacht, mein kleiner, schlauer Fuchs? Hast du schon einmal eine Eisenkugel auf eine Marmorplatte fallen lassen? Es ist eine sehr lehrreiche Lektion über Aktion und Reaktion. Denn merke dir, mein kleiner Fuchs: Alles, was du im Leben tust, hat Konsequenzen. Für dich und für deine Umwelt. Mag es dir noch so klein und nichtig erscheinen – mit allem, was du tust, bist du Quell für Neues. Und das Schöne ist: Du bekommst jeden Tag, ja sogar jede Minute, das Geschenk, dich für Gut statt Böse, für Liebe statt Hass zu entscheiden.
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