Status Quo
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Thorsten Reichert. Status Quo
Tag 1
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Tag 4
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Tag 5 II
Tag 6
Tag 6 II
Tag 7
Impressum
Отрывок из книги
Titel
Tag 1
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Montag war Ausschlaftag für Martin Johannsen. Er kam meist nicht vor elf ins Büro, was ok war, weil es nach dem Wochenende meist einige Zeit dauerte, bis der Workflow wieder auf vollen Touren lief. Er war Abteilungsleiter des Bereichs „Politisch motivierte Kriminalität“ und hatte damit vor allem administrative Aufgaben. Ein Dutzend Leute arbeiteten unter seiner Führung, er rief sie jeden Montag um 11 Uhr zum Briefing zusammen. So hatten sie genug Zeit, nach dem Wochenende die wichtigsten Sachen zusammenzusuchen und eine knappe Darstellung ihrer Arbeitsergebnisse vorzubereiten. Das war im Sinne seiner Mitarbeiter, und es war vor allem in seinem eigenen Sinne. Dadurch hatte er montagmorgens viel Zeit für Familie und ersparte sich gähnend lange Sitzungen, in denen die Mitarbeiter zu vertuschen suchten, dass sie nach einem durchzechten Wochenende noch keine Zeit gefunden hatten, sich vorzubereiten. Johannsen nannte daher den Montag seinen „Ausschlaftag“, obwohl er wie an jedem anderen Werktag um kurz vor sechs aufstand. Nachdem die Kinder in die Schule aufgebrochen waren, hatte er damit noch etwas Zeit und Ruhe für sich und seine Frau, aber leider war diese Zeit in den letzten Jahren von abnehmender Qualität gewesen. Kaum ein Montagmorgen, an dem sie sich nicht einen ähnlichen Austausch sarkastischer Sätze oder Blicke geliefert hatten wie heute. Es gehörte wohl dazu, zum typischen Familien-Alltag, doch Johannsen erwischte sich häufiger als zuvor bei dem Gedanken, auch montags gleich nach dem Frühstück zur Arbeit zu fahren. Das Einzige, was ihn letztlich noch davon abhielt, war die Tatsache, dass sich die 11-Uhr-Briefings als so effizient und erfolgreich erwiesen hatten, dass er kaum wüsste, wie er die Zeit vorher verbringen sollte. Natürlich, es gab immer genug Arbeit, auch für einen Abteilungsleiter; gerade für einen Abteilungsleiter. Aber die Woche startete eben erst so richtig mit dem Briefing am Montagmittag. So war es nun seit gut zwei Jahren, und so sollte es auch gern bleiben.
Als Johannsen in sein Büro kam, war es kurz nach halb elf. Das Telefon klingelte. Ohne seine Tasche abzustellen griff er nach dem Hörer. Es war Furtwängler, das konnte er bereits vor dem Abnehmen an der Lampe erkennen, die bei ihren altmodischen Telefonen bestimmte interne Leitungen anzeigte. Sein Chef fragte, ob er vor seinem Briefing noch rasch zu ihm kommen könne. Er konnte. Es gab nicht viel, was er seinem Vorgesetzten ausschlagen würde. Herbert Furtwängler war nicht nur ein hervorragender Golfer, sondern ein durch und durch sympathischer und integrer Mensch. Wenn seine golferischen Fähigkeiten nicht bereits genügt hätten, ihn auf Johannsens Sympathieliste ziemlich weit nach oben zu katapultieren, dann hätte sein messerscharfer Verstand und seine Führungsqualitäten das ihre dazu getan. Dieser Mann war einfach bewundernswert, in jeglicher Hinsicht. Wenn er nicht seit zwanzig Jahren Johannsens Chef gewesen wäre, Johannsen hätte sich in den letzten Jahren vielleicht stärker darum bemüht, seine bevorstehende Nachfolge anzutreten. Furtwängler war 64, noch sieben Monate und er würde seinen wohl verdienten Ruhestand antreten und von da an wohl jeden Tag auf einem der schönen Golfplätze Schleswig-Holsteins anzutreffen sein. Sein Nachfolger würde es unsagbar schwer haben, die Fußstapfen eines so korrekten und zugleich nahbaren Vorgesetzten zu füllen. Letztlich war dies der Grund, warum Johannsen schon vor fast zwei Jahren abgewunken hatte, als Furtwängler ihn auf einer Golfrunde ermutigte, sich um seine Nachfolge zu bewerben. Er hätte sich wohl der Unterstützung seines Chefs gewiss sein können, und das hätte sicherlich in der Entscheidungsfindung schwer gewogen, aber neben der Sorge, den Erwartungen in der Nachfolge eines solchen LKA-Chefs nicht gerecht werden zu können, wollte er weder seiner Frau noch seinen Kindern so eine zeitliche und nervliche Belastung zumuten. Als Leiter des LKA stand man auf der Abschussliste zahlreicher Kriminellen ziemlich weit oben, weshalb Furtwängler nicht nur eine gepanzerte Limousine mit Fahrer sondern ein gut bewachtes und umzäuntes Zuhause hatte, in dem sich seine Kinder bei allem Luxus, den sie dort genossen, bisweilen recht eingekerkert vorkamen. Johannsen wusste das, weil er nicht selten dort zu Besuch war. Neben der Kollegialität verband ihn mit Furtwängler eine Freundschaft, die über den Golfplatz hinaus ging. Sie waren nicht allerbeste Freunde – Furtwängler wusste so gut wie nichts aus seinem Privatleben – aber sie kannten sich gut genug, um einander absolut zu vertrauen. Das war in einem Beruf, in dem man sich mit den gefährlichsten Kriminellen des Landes anlegte, nicht ganz unwesentlich.
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