Die letzten Tage der Freiheit
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T.J. Becker. Die letzten Tage der Freiheit
Vorwort
Versklavung
Hy²Pa³Nih
Reservat
Askese
Nachwort
Отрывок из книги
Dieses Buch entstand im Sommer 2015 während eines viermonatigen Aufenthalts in Griechenland. Nicht lange davor war ich noch einmal Vater eines kleinen Jungen geworden, der mit seiner griechischen Mutter auf einer Insel der Kykladen lebte. Was aus dieser neuen familiären Situation erwachsen würde, wussten wir nicht. Alles war neu und unbestimmt und wie immer, wenn ein Kind das Leben durcheinanderwirft, musste sich erst mühsam herausschälen, wie es weiterginge. Alles war denkbar, aber das meiste löste sich schnell den Zwängen und Dringlichkeiten auf, die ein Baby tagtäglich darstellt. Der vorliegende Text entstand in diesen griechischen Monaten, die nicht nur wegen der neuen Familie turbulent und aufregend waren, sondern auch aufgrund der Krise dort, die damals, im frühen Sommer, ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte. Man begegnete ihr auf Schritt und Tritt, sie prägte das Lebensgefühl. Vielleicht hatte das Auswirkungen auf mein Schreiben und schlich sich als Grundstimmung in den Text mit ein. Die Idee zu dem Buch und das Gefühl, es dringend und notwendig schreiben zu müssen, waren allerdings lange vorher entstanden, ohne Zutun der Griechen und zu einer Zeit, als man sich hierzulande noch selbstzufrieden zurücklehnte und nicht ahnte, dass man bald selbst in gewaltige Turbulenzen geriete. Schon länger hatte mir vorgeschwebt, etwas über die zunehmende Vereinnahmung des Menschen durch den Staat zu schreiben, auch über deren wechselseitige Abhängigkeit, da einerseits der Bürger immer angewiesener auf Leistungen des Staates ist, und andererseits der Staat einen steigenden Anteil der Arbeit seiner Bürger für den eigenen Unterhalt fordert – wachsen seine Leistungen doch scheinbar unaufhörlich. Kurz, ich wollte darüber schreiben, wie wir uns ohne Not in immer größere Knechtschaft bringen. Anfang des Sommers 2015 schien die Welt kein drängenderes Problem zu haben als die Rettung des kleinen Griechenlands aus seiner Misere. Alles schaute gebannt nach Athen. Und auch mir konnte das Schicksal der Griechen nicht länger egal sein, weil ich jetzt Familie dort hatte und mein Sohn Grieche war. So schlich sich die Krise auch in unser Leben, das sich plötzlich mit der banalen, aber entscheidenden Frage befassen musste, ob Geldabhebungen andern Tags noch funktionieren würden und ob die Versorgung und die Löhne auf der Insel gesichert wären. Um nicht ganz ohne Einkommen zu sein, fing ich an, Bilder von der kleinen Ägäis-Insel an Fernsehanstalten zu liefern. Schließlich ist das mein Beruf. So kam es, dass meine Tage mit dem Buben hin und wieder durch Dreharbeiten unterbrochen wurden, deren bescheidenes Honorar zwar unser Auskommen nicht würde sichern können, aber immerhin beruhigende Wirkung hatte. Man war also nicht ganz ohne Einkommen. Bevor mein Geschäft allerdings richtig in Schwung kommen und sich rentieren sollte, musste ich schon wieder zumachen. Denn mit jedem Gipfel der von Gipfel zu Gipfel eilenden EU-Staatschefs stabilisierte sich die Lage, was das Interesse der Sender an Griechenland jäh zum Erliegen brachte und meine Karriere als Inselreporter genauso abrupt beendete. Niemand wollte mehr Bilder von dort, man war satt und hatte genug von den Griechen gesehen, und selbst wenn der Vulkan von Santorini ausgebrochen wäre und die ganze Insel ins Meer gerissen hätte, wäre man auf den Bildern sitzengeblieben, so totgeschlagen waren mit einem Mal alle von dem Thema. Dafür kristallisierte sich ein ganz neues heraus: die Flüchtlingskrise. Je mehr Flüchtlinge auf Inseln wie Lesbos und Kos anlangten, desto mehr wurden sie zur allesbeherrschenden Frage für Europa und besonders für Deutschland. Die Dynamik, die diese Entwicklung mit den Wochen und Monaten annehmen sollte, war im Sommer 2015 noch nicht absehbar. Jedenfalls nicht, wenn man nicht wie die Regierung durch die Nachrichtendienste informiert war, was sich da zusammen braute. Dass sich die Flüchtlinge aber zu einer solchen Existenzkrise Europas und Deutschlands entwickeln würden, überraschte dann doch. Als ich das Buch im Spätsommer beendete, hatte sich Deutschland eine Aufgabe aufgebürdet, die schlicht furchteinflößend war und immer noch ist. Nur Größenwahn und jeglicher Ausfall von demokratischen Sicherungsmechanismen konnten dazu führen, dass man ernsthaft glaubte, einer solch historischen Aufgabe gewachsen zu sein. Insofern hatten sich die Gedanken des Buches hinsichtlich der systematischen Hybris westlicher Demokratien schneller als mir lieb war bewahrheitet. Obwohl die Flüchtlingskrise also nur am Rande vorkommt, ist sie doch als unvermeidliches Ergebnis der Regierungsentscheidungen in den Thesen des Buchs schon vorweggenommen. Ihr schicksalhafter Lauf war vorhersehbar.
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