Was war, ist wahr
Реклама. ООО «ЛитРес», ИНН: 7719571260.
Оглавление
Tobias Kaestli. Was war, ist wahr
Inhalt
Erlebtes und Erinnertes
Das Böse liegt hinter uns – und wo bleibt das Gute?
Immer wieder Krieg – was ist dagegen zu tun?
Kritik und Ideologie – ist das eine ohne das andere zu haben?
Geschichten und Geschichte – kann man sagen, was wirklich ist?
Unsicherer Kurs – ist Selbstverwaltung ein erstrebenswertes Ziel?
VI. Die Substanz wird erkennbar – warum trotzdem immer diese Erschütterungen?
Schlusswort: Das erinnernde Selbst
Dank
Impressum
Отрывок из книги
Titel
Inhalt
.....
Es war Tradition, dass an den Maturitätsfeiern eine bekannte Persönlichkeit eine Rede hielt. Unser Festredner war Arnold Kübler, der Gründer und Redaktor der Kulturzeitschrift «DU», bekannt auch als Verfasser der «Öppi»-Romane. Er war klein und hatte ein seltsam entstelltes Gesicht, und doch vermochte er uns vom ersten Moment an für sich einzunehmen. In jungen Jahren war er Schauspieler gewesen, hatte auf die Theaterschminke allergisch reagiert, worauf ihm ein Arzt die Furunkel mit dem Skalpell aufgeschnitten und die Wunden danach ungenügend versorgt hatte. Die Narben zogen die Haut zusammen und liessen tiefe Gräben entstehen, die sich, während er redete, lustig in die Länge und in die Breite verzogen. Ich lauschte seinen Worten und war mit allem, was er sagte, vollkommen einverstanden. Wir sollten uns nicht fragen, meinte er, welches Studium uns später ein hohes Einkommen ermögliche; vielmehr sollten wir herausfinden, auf welchem Weg wir zu dem gelangen konnten, was uns wirklich am Herzen liege, denn nur so könnten wir unser Glück finden.
Die Astronomie war also ein Luftgespinst, und im Grunde genommen wusste ich, dass ich Phil. I studieren wollte, vorzugsweise Deutsch und Geschichte, denn im Studium der Sprache und der Literatur und in der Aneignung der Vergangenheit hoffte ich der Wahrheit und dem guten Leben auf die Spur zu kommen. Ich wollte aber nicht den Eindruck erwecken, dass ich mich bloss aus Trotz gegen Papa, der ein derartiges Studium als eine Form von Hochstapelei ansah, so entschied. Deshalb zögerte ich meinen Entscheid hinaus, tat so, als ob ich nicht wüsste, was ich wollte. Mama schickte mich zu einem Berufsberater. Der befragte mich eingehend und empfahl mir das Jus-Studium, was nicht ganz abwegig war, denn mein Grossvater mütterlicherseits war Notar gewesen. Ich diskutierte darüber mit Christoph, dem ältesten Sohn von Mamas Freundin Marianne Steinlin, der ein begeisterter Jus-Student war. Alles spreche für diese Studienrichtung, sagte er, denn das Zusammenleben in einer Gesellschaft setze voraus, dass es Regeln gebe, an die sich alle halten müssten, was aber nur möglich sei, wenn diese Regeln im Konfliktfall von Fachleuten, den Juristen, interpretiert und nach Bedarf weiterentwickelt würden. Dagegen setzte ich die Meinung, wir Menschen brauchten weniger Vorschriften und mehr Freiheit, denn nur so könne sich unsere Kreativität, unser Drang nach Wahrheit und unser Wille, Gutes zu tun, voll entwickeln.
.....