Отрывок из книги
Tuya Salina
Theodor Boder Verlag
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Die Nacht war nun vollends hereingebrochen. Die Vögel schliefen, die Köpfchen unter dem Gefieder versteckt, in ihren Nestern. Die Straßenlaternen, die dem Quartier des Nachts Sicherheit und Schutz vor lichtscheuem Gesindel hätten vermitteln sollen, blieben ausgeschaltet. Immer noch war nachts allgemeine Verdunklung angesagt. Durch die großen Fenster der Nähstube drang ein milchig weiches Mondlicht, das im weißen Salon, wie das Nähzimmer gerne vornehm genannt wurde, für den kleinen, verängstigten Betrachter eine unheimliche Welt erwachen ließ. Allerlei Schatten hatten sich im großen Zimmer festgekrallt, und aus den schwarzen Abgründen, die unter Kommoden und Schränken lauerten, wisperte es leise. Unruhig warf sich der Kleine auf dem Diwan herum. Bedrohlich schimmerten die goldenen Lettern auf dem schwarzen Buckel von Tantes Nähmaschine. Wie ein kauerndes Monster hob sie sich gegen die hellen Wände ab. Auf der blankpolierten Arbeitsplatte des Ungetüms lag ein samtener Zauberschuh. Rudi konnte das winzige Ding kaum noch erkennen, aber er wusste, was es war. Es gab ihm Halt und beruhigte ihn. Tante Emma war nämlich im Besitz des wundersamsten Nadelkissens, das man sich vorstellen konnte. In der Form eines winzigen, weinroten Schuhs bot es einem hübsche, farbige, perlengleiche Nadelköpfchen an. Mit seinem spitz zulaufenden Schnabel und den goldenen Börtlein hätte es gut und gerne aus einer der Geschichten aus Tausendundeiner Nacht entsprungen sein können. Mit so einem Schühlein, überlegte Rudi, könnten kleine Elfen bequem reisen. Natürlich müsste man die Nadeln herausnehmen. Aber das weiche Kissen hätte ein wunderschönes Reisekissen abgegeben, worauf sich gut fliegen ließe. Die silbernen Kleidchen des Elfleins würden dann im Flugwind hinter dem Pantöffelchen herflattern, während es selber sicher in seinem Kissen geborgen, über die Goldborte hinausgelehnt, auf die schlummernde Erde hinunterblicken würde. An glitzernden Wasserläufen entlang und über silberne Seen. Weit, weit weg fliegen könnte so ein Elf. Ja, sogar bis zum Mond, der ihm mit einem bleichen Strahl den Weg wies.
Eine laute Männerstimme holte ihn aus seinem angenehmen Traum. Im Halbschlaf meinte er zuerst, es sei Onkel Charles, der von ihm verlangte, dass er gefälligst stillhalten solle, wenn er ihn schon verarzte und den Popo mit der guten Salbe einreiben wolle.
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