Franz Fühmann. Wandlung ohne Ende

Franz Fühmann. Wandlung ohne Ende
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Biografie einer Wandlung
Franz Fühmann hat sich wie kein anderer Schriftsteller der wohl brisantesten literarischen Frage nach 1945 gestellt: Wie konnte ich ein Bewunderer Hitlers, wie konnte ich ein Nazi werden? Mit poetischer Genauigkeit durchforschte er die politi-schen Prägungen, denen er während seiner Kindheit und Schulzeit unter Hitler aus-gesetzt war, um sie endlich abstreifen und hinter sich lassen zu können. In immer neuen Anläufen erkämpfte er sich damit seinen Weg zu einer ernsthaft liberalen, unideologischen Denkhaltung und wurde zu einem profilierten Kritiker des DDR-Re-gimes. In seiner kompakten Biografie beschreibt Uwe Wittstock Fühmanns «Wand-lung ohne Ende» hin zu einem meisterlichen Erzähler und Essayisten. Fühmanns radikale literarische Selbstprüfung gewinnt heute besondere Bedeutung – in einer Zeit, in der politische Extreme wieder einmal die Liberalität unserer Gesellschaft bedrohen.

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Uwe Wittstock. Franz Fühmann. Wandlung ohne Ende

Franz Fühmann Wandlung ohne Ende

Anmerkungen. Ausgangspunkte: Eine Kindheit in Böhmen

Die Lyrik: Von den Nachteilen der Naivität

Frühe Prosa: Die Vergangenheit in Schwarz-Weiß

Späte Prosa: Wandlung ohne Ende

Mythische Stoffe: Abschied vom Märchen

Vor Feuerschlünden: Triumph und Tod

Zeittafel

DER AUTOR

Отрывок из книги

Eine Biografie

Frühe Prosa: Die Vergangenheit in Schwarz-Weiß

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Wie es um das Seelenleben des Kindes wirklich bestellt war, lässt sich vielleicht an einer scheinbar objektiven, unpersönlichen Bemerkung Fühmanns ablesen: „Immer / hat der Held Angst“,6 heißt es in einem seiner Gedichte, das vorgibt, von der Weisheit der Märchen zu handeln. Die Zeile ist verräterisch. Denn die wahren Märchenhelden sind in der Regel alles andere als furchtsam. Fühmann hat hier ganz offenbar unbewusst die eigenen Empfindungen auf jene sagenhaften Gestalten projiziert, die ihn in seiner Kindheit so treulich begleiteten. Jahre später hat er diesen psychischen Mechanismus selbst beschrieben: „Es ist höchste Zeit, daß ich einen Satz berichtige: ‚Immer hat der Held Angst‘. Er steht in einem meiner Märchengedichte, und ich habe hier einen Zug eines rumänischen Drachenkampfmärchens unzulässig verallgemeinert … Dieser Zug hatte mich überwältigt; er war eben das, was ich im Märchen suchte, und ich habe, ihn aufgreifend, gehofft, daß er sich in andern Märchen bestätigen würde. Er konnte es nicht; im Märchen haben die Helden sonst eben nie Angst […]“.7

Diese allgegenwärtige Angst, dieses Gefühl, ungeschützt und bedroht zu sein, dürfte Fühmanns anerzogenen Mangel an innerer Unabhängigkeit verstärkt haben. Immer wieder suchte er Zuflucht und Orientierung bei den anerkannten gesellschaftlichen Autoritäten. Die erste Station auf jenem langen Weg der Unselbstständigkeit war die Kirche. Aufgewachsen unter dem Einfluss der Mutter, einer inbrünstigen Katholikin, entwickelte er eine einfältige, kindliche Gläubigkeit, die jenen „frommen Legenden“ entsprach, „wie sie mir meine Mutter erzählt, Legenden, die Ur-Vertrautes sagten, das mit dem Wahren zusammenfiel: Geborgensein in Sinn und Ordnung, Gerechtigkeit von Lohn und Strafe, das Vernünftig-Schöne des Guten und die Abscheulichkeit des Bösen, das immer von irgendwo außen kam“.8

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