Wege, Lichtung, Horizont: Konstellationen des 'Essayistischen' in María Zambranos Claros del bosque und Octavio Paz' El mono gramático

Wege, Lichtung, Horizont: Konstellationen des 'Essayistischen' in María Zambranos Claros del bosque und Octavio Paz' El mono gramático
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Описание книги

Der Essay ist eine der wichtigsten literarischen Ausdrucksformen der Moderne. Doch er stellt die Literaturwissenschaft vor Herausforderungen, weil er sich eindeutigen Bestimmungen widersetzt. Die Arbeit beleuchtet das Phänomen als modernen Modus des Schreibens. Er umfasst eine Praxis, mit deren Hilfe Ich-Konstruktionen sowohl vollzogen, als auch problematisiert werden.

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Veit Lindner. Wege, Lichtung, Horizont: Konstellationen des 'Essayistischen' in María Zambranos Claros del bosque und Octavio Paz' El mono gramático

Inhalt

Danksagung

I. Eingang: Über Biblioklasmus

II. Theorie. 1 Der Essay und das ,Essayistische‘ 1.1 Der Essay als Gattungsproblematik

1.2 Das ,Essayistische‘ als Frage der Geisteshaltung

1.3 Das ,Essayistische‘ als Schreibweise?

1.4 Eine Problematik der Formwerdung

1.5 Über den wissenschaftlichen Umgang mit dem ,Essayistischen‘

2 Der ,poetische Essay‘ in Spanien und Lateinamerika

3 Über Montaignes Essais – eine Apologie der Sinnesvermögen

4 Das ,Essayistische‘ als ,Praxis‘ 4.1 Selbst und Praxis

Exkurs: Was ist ,écriture‘?

4.2 Körperpraxis: Entkleidung und Demaskierung

5 Die ‚Nähe‘ der Schrift: Der Weg als Abenteuer und Risiko

III. Praxis. 1 María Zambrano: Claros del bosque

1.1 Zambrano – Heidegger – Derrida: Revisionen der Metaphysik

1.1.1 Das Geschehen der Wahrheit

1.1.2 Die Erfahrung vom ‚Grund-Riss‘ der Wirklichkeit

1.1.3 ‚Razón poética‘ – eine Metaphysik der Dekonstruktion

1.1.4 Simulation, Utopie, Exil

1.2 Eintritt in die Waldlichtung

1.3 Eine unmethodische Methode: Die ,dichterische Vernunft‘ als ,Lichtung‘

1.4 Transgression und Entgrenzung: Die Performativität der Metapher

1.5 Ähnlichkeit und Unbegrifflichkeit – die ‚redende Sprache‘

1.6 Das ,Essayistische‘ als Spiegelstadium: Im Pandämonium des Selbst

2 Octavio Paz: El mono gramático. Una pasión crítica

2.1 El mono gramático: Universum von Analogien, Meditation über den unmöglichen Ursprung

2.2 Die Wege der poetischen Signifikation I: Die Kritik des Paradieses. 2.2.1 Das Referenzproblem und die Entdeckung einer ‚redenden Sprache‘

2.2.2 Die Erfahrung der Sprache

2.3 Die Wege der poetischen Signifikation II: Die Kritik der Sprache und die Erfahrung der Wirklichkeit

2.4 Vision, Bild, Monogramm: Der Urzustand und das Paradox des Menschen

2.5 Die Sprache der Sprache lernen: Metapher, Analogie, Rhythmus

2.6 Poesie und Prosa

2.7 Das ,Essayistische‘ als ,Textpraxis‘ 2.7.1 Das ‚Semiotische‘, das ‚Symbolische‘ und das ‚Thetische‘

2.7.2 In der Tiefe der Sprache: Monstrologie des Semiotischen

IV. Nachklang

Literatur

Fußnoten

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Veit Lindner

Wege, Lichtung, Horizont: Konstellationen des ‚Essayistischen‘ in María Zambranos Claros del bosque und Octavio Paz’ El mono gramático

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López Aranguren schließt mit den Worten, der Intellektuelle solle es vorziehen, von der Gesellschaft verschlungen zu werden, bevor er als Tänzer toleriert werde.19 Er hatte die Parabel in Anspielung auf die Franco-Diktatur ersonnen; dennoch ließe sie sich vielleicht folgendermaßen neu interpretieren: Nie zuvor wurden so viele Bücher nicht gelesen. Sollten sich die Intellektuellen also lieber kollektiv verschlingen lassen, statt nur noch für sich selbst und das Wohlgefühl simulierten gesellschaftlichen Interesses und vorgetäuschter Toleranz zu schreiben? Ist Schreiben im besten Fall Sehnsucht nach verlorener Kultur und im schlechtesten bloße Heuchelei oder Egomanie? Eine leere Geste des Schreibens ohne Objekt, ohne Ziel, das zum reinen „Plappertext“20 wurde?

Die Dinge liegen vielleicht komplizierter. Gerade in realen oder empfundenen, gesellschaftlichen oder persönlichen Krisen gibt es offenbar die Notwendigkeit, das ,Schreiben an sich‘ zu bewahren. Als reine Geste des Schreibens drückt sie sich als kontemplative ,écriture‘ aus, die sich auf die Suche nach dem macht, was wir haben schreiben und was wir haben wissen wollen. Sie ist Atemholen und fortgesetzter Neubeginn und entspricht dem Impuls, zunächst die Intimität mit den Büchern wiederherzustellen und die Nähe der entfremdeten Schrift wieder zu spüren. Sie weiß noch nicht, was sie schreibt, sondern ist die Iterabilität einer erneuernden Erfahrung der Literatur. Jacques Derrida sagte in einem Interview mit Derek Attridge, es sei zwar unmöglich, das Interesse über den reinen Signifikanten hinaus abzuschaffen und die Referenz aufzugeben; wohl aber könne sie verkompliziert werden. „Die Dichtung und die Literatur haben gemeinsam […] dass sie die thetische Naivität einer transzendenten Lektüre suspendieren. Darin besteht die philosophische Kraft der Literatur.“21 Derridas ‚lectio difficilior‛ ist ein Hinauszögern der Referenz – und somit die Bewahrung eines kraftvoll philosophischen Impulses. Lesen und Schreiben werden also ein Umweg, der den ausgetretenen Pfaden und den einfachen Bedeutungen misstraut, um abseitige, neue Orte zu erkunden. Derrida siedelt diese Praxis des Umwegs zwischen Literatur und Philosophie an und beschreibt damit ebenso seinen eigenen intellektuellen Standpunkt: „Und weil das, was mich heute immer noch interessiert, weder einfach Literatur noch Philosophie ist, amüsiert mich die Idee, dass mein jugendliches Begehren […] mich durch das Schreiben zu etwas geführt hat, was weder das eine noch das andere war. Was aber war es?“22 Natürlich antwortet Derrida nicht direkt auf diese Frage, spricht aber von einer tiefen Versuchung der Ganzheit, der Totalisierung und dem Wunsch eines „Alles-Versammeln-Wollens“; den inneren Polylog aufzuzeichnen und bekenntnishaft alle Stimmen zu bewahren, die das Selbst durchkreuzen – kurz: alles zu sagen. In dieser Zeit des „autobiographischen Traums“ seien es jene Fragen gewesen, die sein Interesse an den Schriften gelenkt und bestimmt hätten: „,Wer bin ich?‘, ,Wer ist dieses Ich?‘, ,Was passiert gerade?‘, etc.“23 Der Versuch, diese existenziellen Fragen in einem allumfassenden Blick zu beantworten, ist die Seinsweise eines essayistischen Geistes. Er drückt sich aus in einem kontemplativen Schreiben, das der Ganzheit einer Erfahrung Form verleihen will. Nach Derrida reichen jedoch die diskursiven Ressourcen für eine totale Archivierung nicht aus. Und so bleibe immer das Begehren nach jenem nicht Einzufangenden, dem Überschüssigen, nach dem „+n“. Darin lebt die Idee der Totalität, und sie zirkuliert, so Derrida, auf einzige Weise zwischen Literatur und Philosophie, das heißt: in der Erfahrung des Institutionen überschreitenden und Regel brechenden „Alles-sagen-Wollens“, das in einer philosophischen ,Emotion‘ gründet, „dem Gefühl der Existenz als Exzess, als ,Überflüssigsein‘, in einem jenseits des Sinns, das dem Schreiben einen Ort gibt“.24

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