Von Dünen, See und Strand

Von Dünen, See und Strand
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In den beiden ersten Geschichte blicke ich auf die Ursprünge der Insel Juist, beginnend im ausgehenden Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Ich versuche Leserinnen und Lesern eine Vorstellung davon zu vermitteln, wie menschliches Leben dort ausgesehen hat. Die von mir ausgewerteten Unterlegen geben Einblicke in interessante, gelegentlich amüsante, aber zum Teil auch tragische Begebenheiten die ich erzählend darstelle und kommentiere. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts sah es auf Juist nicht viel anders aus als in den letzten des vergangenen. Das wirtschaftliche Leben war vom Niedergang der Seeschifffahrt gekennzeichnet. Die im Zusammenhang mit Napoleons Kriegsführung errichtete Kontinentalsperre unterband jeden Seehandel mit England. Das führte zum vollständigen Zusammenbruch des einzigen Wirtschaftszweiges, der Seeschifffahrt. Anhand von Kirchenbüchern und alten Dokumenten aus dem Familienbesitz habe ich versucht das Leben auf Juist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts darzustellen, beginnend mit der Suche nach meiner Ururgroßmutter, die vom Festland kam, einen Sohn mitbrachte und den Juister Fährschiffer heiratete. In vier Geschichten habe ich versucht das Leben meiner Juister Urgroßeltern nachzuvollziehen und aufzuzeigen, wie sich das Leben auf der Insel während ihrer Lebenszeit veränderte. Zwischen 1850 und 1900 wurde aus einem ärmlichen Inseldorf ein angesagtes Nordseebad, besucht von Königen und Fürsten. Dieser Erzählzeitraum endete mit dem Beginn des 1. Weltkriegs. Ich, der Urenkel, mache nun einen Zeitsprung und setze meine Geschichten über Juist mit einem Blick auf das Ende des 2. Weltkrieges und der schwierigen Nachkriegsjahre fort. In größeren Zeitsprüngen, der Enkel ist erwachsener geworden, hat die Insel verlassen und kehrt nur während seines Urlaubs zurück, versuche ich aufzuzeigen, wie ich als älter werdender «Buten-Juister» meine Heimatinsel wahrnehme.

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Werner Bitter. Von Dünen, See und Strand

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Werner Bitter

Von Dünen, See und Strand

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Ein Jahrhundert später bezeichnet ein hoher Beamter der Königlichen Preußisch-Ostfriesischen Kriegs- und Domänenkammer in Aurich das Betragen der Insulaner als sehr widerspenstig. Die Juister seien ungehorsame Untertanen. Durch welches Verhalten das Inselvolk sich diesen Tadel eingehandelt hatte kann ich nicht feststellen. Aber es gefällt mir sehr, dass sie widerspenstig und ungehorsam waren. Untertanen! Allein dieses Wort auf Menschen anzuwenden und sie entsprechend zu behandeln fordert doch zum Widerstand auf. Lever dood as Slaav (lieber tot als Sklave) war schon immer die Devise der Friesen. Und im Wappen Ostfrieslands steht das stolze Eala fria Fresena, was in etwa Steht auf ihr freien Friesen bedeutet; der Friese kniet vor keinem Herrn. Niemals!

Als der königlich-preußische Beamte den Tadel in seinen Besuchsbericht schrieb, war Gerhard Otto Christoph Janus Pastor auf Juist. Ob er mit diesem Tadel etwas zu tun hat, sogar persönlich betroffen war, darüber wissen wir nichts. Es ist eher unwahrscheinlich. Aber seine Lebenssituation war vermutlich auch nicht viel besser als die seiner Vorgänger. In einer von ihm verfassten Bittschrift an seine vorgesetzte Dienststelle erfahren wir (aus der Jubiläumsschrift „Zweihundert Jahre Kirche im Juister Inseldorf“): …Da ich schon vierzig Jahre erreicht und die Gelegenheit, meine Umstände durch eine reiche Heirat zu verbessern, hier gänzlich fehlt, so habe ich mich zu einer ehelichen Verbindung mit einem tugendsamen Mädchen entschlossen, das kein Vermögen besitzt… Die Bitte um Gehaltserhöhung war somit wohl begründet. Wie sie beschieden wurde, ist aus den mir bekannten Unterlagen nicht ersichtlich. Während der Dienstzeit von Pastor Janus, und unter anderem aus diesem Grund habe ich ihn in meine Betrachtungen aufgenommen, wird die fünfte Inselkirche errichtet, an der Stelle, wo auch die heutige steht. Die vierte Kirche, die im Gebiet des heute als Loog bekannten Teils des Inseldorfs stand, war für die auf etwa 350 Seelen angewachsene Gemeinde zu klein geworden. Mich überrascht diese Information. War noch im vorhergehenden Jahrhundert viel von Not und Elend, Verlust an Weideland und damit wichtiger Lebensgrundlage, die Rede, hat die Bevölkerung nun deutlich zugenommen. Nur eine verbesserte wirtschaftliche Lage, so meine ich, kann diesen Zuwachs bewirkt haben. Tatsächlich finden sich Hinweise auf Verdienstmöglichkeiten in der Schifffahrt. Um 1750 soll es 32 Schiffseigner auf Juist gegeben haben, und der Norder Amtmann Damm urteilt 1756: ….von keinem Orte dieser Provinz (Ostfriesland) fahren so viele und schwere Schiffe als von Juist, ausgenommen die Stadt Emden… Was hatte diese erstaunliche Entwicklung ausgelöst? Wir erinnern uns: Die Weihnachtsflut des Jahres 1717 hatte viele Häuser zerstört, fast 30 Menschen und fast das gesamte Vieh waren ertrunken. Eine menschliche und wirtschaftliche Katastrophe. Und nur wenige Jahrzehnte später ein völlig anderes Bild. Waren die Abkömmlinge der Menschen die der Pastor Cordes 1680 als ein allesamt schlimmes Gesindel bezeichnet hatte und ihm die Lebensfreude vergällten zu erfolgreichen Unternehmern geworden? Ja, in der Tat, der zunehmende Verlust an Weideland und die Katastrophe von 1717 hatte eine tiefgreifende Umstrukturierung der Bevölkerung bewirkt. Aber bereits 1772 sind es nur noch 24 Schiffe und 1798 ganze elf. Runde 80.000 Gulden Betriebsvermögen holte sich die See und dazu noch die Menschen. Im Jahr 1771 konnten sich von vierzig auf Juist lebenden Familien nur noch sechs selber unterhalten, vierzehn waren ausgestorben. Zu der Zeit lebte Pastor Altmanns auf Juist. Er schrieb auf … daß auch er bald kein Geld mehr für Brot habe oder für Öl, bald in Hunger und Durst dahinleben muss oder in Frosteskälte und kann doch nichts ändern.“

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