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Ernst Ludwig Kirchner – die Revolution der Farbe
Am 15. Juni 1938 knallten in Frauenkirch-Wildboden, einem kleinen Flecken bei Davos in der Schweiz, zwei Schusse: Seelisch zerruttet, von Stimmungsschwankungen und Morphiumsucht gequalt, von den Nazis verfolgt und als „entarteter Kunstler“ diffamiert, hatte sich Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938) das Leben genommen. Das desperate Ende eines Malers, Bildhauers und Grafikers, der als einer der bedeutendsten Vertreter des deutschen Expressionismus und Mitbegrunder der Kunstlergruppe Brucke Schlusselwerke der Moderne geschaffen hatte.
Die Einflusse, die sich in Kirchners Werk niederschlugen sind vielfaltig: Er bewunderte die Holzschnitte Durers, begeisterte sich fur die Fauvisten, fur Gauguin, Matisse und Edvard Munch und befasste sich mit der Kunst der Naturvolker der Sudsee. Ansprechen durfte man ihn allerdings darauf nicht, denn Kirchner war von ausgesprochener Geltungssucht und ein heikler Charakter. Seine grellfarbigen, flachigen, im impulsiven Duktus gemalten Bilder – Akte in der Landschaft, Motive aus Variete und Zirkus, Portrats und Stra?enszenen der modernen Gro?stadt – schockierten die kunstbeflissene Bourgeoisie cum Spie?ertum der Kaiserzeit ebenso wie das Boheme-Leben, das er und seine Malerfreunde lange Zeit zelebrierten, und dokumentieren in ihrer ausdruckstarken, ungestumen Art und Farbkraft auf einzigartige Weise den explosiven Charakter der Epoche und den Aufbruchswillen einer neuen Kunstlergeneration.
Dieser Einfuhrungsband zeichnet anhand von Schlusselwerken aus allen Schaffensperioden den kunstlerischen Werdegang Kirchners nach, zeigt seinen Stellenwert in der europaischen Avantgarde des fruhen 20. Jahrhunderts und skizziert ein widerspruchliches und tragisches Kunstlerleben.