v1.0 – создание FB2 – Ostermann
William Shakespeare
Das Leben und der Tod des Königs Lear
Personen des Trauerspiels
Lear, König von Brittannien.
König von Frankreich.
Herzog von Burgund.
Herzog von Cornwall.
Herzog von Albanien.
Graf von Gloster.
Graf von Kent.
Edgar, Glosters Sohn.
Edmund, Bastard von Gloster.
Curan, ein Höfling.
Medicus.
Narr.
Oswald, Gonerills Haushofmeister.
Ein Officier.
Ein Edelmann, der Cordelia begleitet.
Ein Herold.
Ein alter Mann von Glosters Unterthanen.
Ein Bedienter von Cornwall.
Zwey Bediente von Gloster.
Gonerill, Regan und Cordelia, Lears Töchter.
Ritter die dem König aufwarten, Officiers, Boten, Soldaten und Bediente etc.
Der Schauplaz ligt in Brittannien.
Erster Aufzug
Erster Auftritt
(Der Königliche Palast.)
(Kent, Gloster, und Edmund der Bastard, treten auf.)
Kent. Ich dachte, der König liebe den Herzog von Albanien mehr als den von Cornwall.
Gloster. So schien es uns allezeit; allein izt, bey der Theilung seiner Königreiche kan man nicht sehen, welchen von beyden er höher schäze; das schärfste Auge könnte nichts entdeken, das einem Theil vor dem andern den Vorzug gäbe; so genau sind sie nach ihren verschiedenen Beschaffenheiten und Vorzügen gegen einander abgewogen.
Kent.
Ist dieses nicht euer Sohn, Mylord?
Gloster. Die Last seiner Erziehung fiel auf mich. Ich habe schon so oft erröthet ihn für meinen Sohn zu erkennen, daß ich nicht mehr erröthen kan.
Kent.
Ich begreiffe euch nicht.
Gloster. Die Mutter dieses jungen Menschen konnt' es; sie bekam davon eine gewisse Geschwulst, und zulezt, Sir, fand sich, daß sie einen Sohn für ihrer Wiege hatte, ehe sie einen Gemahl für ihr Bette hatte. Riechet ihr den Fehler?
Kent. Die Würkung dieses Fehlers ist so schön, daß ich nicht wünschen kan, er möchte unterblieben seyn.
Gloster. Ich habe zwar auch einen gesezmässigen Sohn, der etliche Jahre älter, aber mir nicht werther ist als dieser. Wenn dieser lose Junge gleich ein wenig unverschämt auf die Welt kam, eh man ihn verlangte, so war doch seine Mutter schön; es gieng kurzweilig zu als er gemacht wurde, und der H** Sohn muß erkannt werden. Kennst du diesen Edelmann, Edmund?
Edmund.
Nein, Mylord.
Gloster. Es ist Mylord von Kent. Erinnere dich künftig seiner als meines würdigen Freundes.
Edmund (zu Kent.)
Ew. Gnaden geruhen meine Dienste anzunehmen.
Kent.
Ihr gefallet mir, wir müssen besser mit einander bekannt werden.
Edmund.
Mylord, ich werde mich bestreben euere Gewogenheit zu verdienen.
Gloster.
Er ist neun Jahre ausser Landes gewesen, und soll noch länger seyn.
(Man hört Trompeten, der König kömmt.)
Zweyter Auftritt
(König Lear, Cornwall, Albanien, Gonerill, Regan, Cordelia und Gefolge.)
Lear. Gloster, gehe denen Fürsten von Frankreich und Burgund Gesellschaft zu leisten.
Gloster.
Ich gehe, mein Gebieter.
(Geht ab.)
Lear. Nunmehr ist es Zeit, unser geheimes Vorhaben zu entdeken – Gebet mir diese Land-Carte – Wisset, wir haben unser Königreich in drey Theile getheilt, und es ist unsre erste Absicht, unser Alter aller Regierungs-Sorgen und Geschäfte zu entladen, und solche jüngern Schultern aufzulegen, indeß daß wir unbelastet dem Tod entgegen kriechen – Unser Sohn von Cornwall, und ihr, nicht minder geliebter Sohn von Albanien, wir haben den standhaften Schluß gefaßt, in dieser Stunde die verschiedenen Morgengaben unsrer Töchter bekannt zu machen, damit allem künftigen Streit darüber vorgebogen werde. Die Fürsten von Frankreich und Burgund, ansehnliche Nebenbuler um die Liebe unsrer jüngern Tochter, haben schon lange ihren verliebten Aufenthalt an unserm Hofe gemacht, und sollen izt ihre Antworten erhalten. Saget mir, meine Töchter, (da wir uns nun der obersten Gewalt, der Landesherrschaft und der Sorge des Staats zu begeben willens sind,) von welcher unter euch sollen wir sagen, daß sie uns am meisten liebe? damit wir unsre freygebigste Huld dahin ergiessen, wo die Natur für das gröste Verdienst Ansprüche macht. Gonerill, unsre Erstgebohrne, rede zuerst.
Gonerill. Sire, ich liebe euch mehr als Augenlicht, Raum und Freyheit; mehr als alles was theuer und selten geschäzt werden mag; nicht minder als Leben, Gesundheit, Schönheit und Ehre; so sehr als jemals ein Kind geliebt, oder ein Vater geliebt zu seyn verdient hat – mit einer Liebe, die den Athem arm, und die Sprache unzulänglich macht, die über allen Ausdruk ist, liebe ich euch.
Cordelia (beyseite.)
Was soll Cordelia thun? Lieben und schweigen.
Lear. Von allen diesen Ländereyen, (von dieser Linie bis zu jener,) mit schattichten Wäldern und offnen Ebnen, mit fruchtbaren Strömen und weit verbreiteten Matten bereichert, machen wir dich zur Beherrscherin. Deiner und Albaniens Nachkommenschaft sollen sie auf ewig eigen seyn! – Was sagt unsre zweyte Tochter, unsre geliebteste Regan, Cornwalls Gemahlin? Rede!
Regan. Ich bin von eben dem Metall gemacht wie meine Schwester, und schäze mein getreues Herz nach dem Werth des ihrigen. Ich finde, daß sie das wahre Wesen meiner Liebe ausgedrükt hat; nur darinn fällt sie zu kurz, daß ich mich selbst eine Feindin aller andern Freuden erkläre, welche die vier1 edelsten Sinnen uns zu geben vermögend sind, und finde, daß Eurer Majestät Liebe meine einzige Glükseligkeit macht.
Cordelia (beyseite.)
Arme Cordelia! – und doch nicht arm, denn ich bin gewiß, daß meine Liebe gewichtiger ist als ihre Zunge.
Lear. Dir und den Deinigen bleibe zum ewigen Erbtheil dieser ansehnliche Drittheil unsers schönen Königreichs, nicht geringer an Grösse, Werth und Schönheit, als derjenige, den wir an Gonerill übertragen haben – Nun du, unsre Freude, nicht die geringste, obgleich die lezte, deren jugendliche Liebe das weinvolle Frankreich, und das milchtrieffende Burgund zu gewinnen streben, was sagst du, ein drittes noch reicheres Loos zu ziehen als deine Schwestern?
Cordelia.
Nichts, Milord!
Lear.
Nichts?
Cordelia.
Nichts!
Lear.
Aus Nichts kan nichts entspringen. Rede noch einmal.
Cordelia.
Ich Unglükliche, daß ich mein Herz nicht bis in meinen Mund hinauf bringen kan! Ich liebe Eu. Majestät so viel als meine Schuldigkeit ist, nicht mehr und nicht weniger.
Lear. Wie? wie, Cordelia? Verbeßre deine Rede ein wenig, oder du möchtest dein Glük verschlimmern.
Cordelia. Mein theurer Lord, ihr habet mich gezeugt, erzogen, und geliebt. Ich erstatte diese Wohlthaten wie es meine Pflicht erheischet, ich gehorche euch, ich liebe und verehre euch. Wofür haben meine Schwestern Männer, wenn sie sagen, sie lieben euch allein? Wenn ich mich vermählen sollte, so wird der Mann dem ich meine Hand gebe, auch die Helfte meiner Liebe und Ergebenheit mit sich nehmen. Wahrhaftig, ich will nimmermehr heurathen wie meine Schwestern, um allein meinen Vater zu lieben.
Lear.
Sprichst du aus deinem Herzen?
Cordelia.
Ja, mein theurer Lord.
Lear.
So jung, und so unzärtlich?
Cordelia.
So jung, Mylord, und so aufrichtig.
Lear. So laß denn deine Aufrichtigkeit deine Mitgift seyn. Denn bey den heiligen Stralen der Sonne, bey den Geheimnissen der Hecate und der Nacht, bey allen Würkungen der himmlischen Kreise, durch welche wir entstehen und aufhören zu seyn – entsage ich hier aller väterlichen Sorge und Blutsverwandschaft, und erkläre dich von diesem Augenblik an auf immer für einen Fremdling zu meinem Herzen, und mir. Der barbarische Scythe, oder der mit dem Fleische seiner eignen Kinder seinen unmenschlichen Hunger stillt, sollen meinem Herzen so nahe ligen, und so viel Mitleiden und Hülfe von mir zu erwarten haben als du, einst meine Tochter.
Kent.
Mein theurer Oberherr!
Lear.
Zurük, Kent! Wage dich nicht zwischen den Drachen und seinen Grimm.
Ich liebte sie höchlich, und gedachte den Rest meines Eigenthums ihren holden Abkömmlingen zu vermachen – Hinweg aus meinem Gesicht!
(zu Cordelia)
– So sey mein Grab meine Ruhe, als ich sie hier aus ihres Vaters Herzen verstosse. – Ruffet die Fürsten von Frankreich und Burgund! – Cornwall und Albanien, zu meiner beyden Töchter Mitgift, theilet auch die dritte unter euch. Der Stolz den sie Aufrichtigkeit nennt, mag sie versorgen. Euch belehne ich beyderseits mit meiner Oberherrlichkeit, und allen den hohen Gerechtsamen und reichen Vortheilen, welche die Majestät begleiten. Wir selbst werden mit Vorbehalt von hundert Edelknechten, die ihr unterhalten sollet, unsern monatlichen Aufenthalt wechselsweise bey euch nehmen; dieses und der königliche Titel mit seinem Zugehör ist alles was wir uns ausbedingen; die Regierung, die vollziehende Gewalt, und die Einkünfte, geliebte Söhne, sollen euer seyn. Zu dessen Bekräftigung theilet diese Crone unter euch.
(Er giebt die Crone hin.)
Kent.
Königlicher Lear, du, den ich allezeit als meinen König geehrt, als meinen Vater geliebt, als meinen Meister begleitet, und als meinen Schuz-Engel in meinen Gebeten angeruffen habe —
Lear.
Der Bogen ist gespannt und angezogen, geh dem Pfeil aus dem Wege.
Kent. Laß ihn vielmehr fallen, wenn gleich seine Spize mein Herz durchbohren sollte. Kent mag unhöflich seyn, wenn Lear wahnwizig ist! Was willt du thun, alter Mann? Denkst du, die Pflicht soll sich scheuen zu reden, wenn sich die Gewalt vor der Schmeicheley bükt? Die Ehre ist zu Aufrichtigkeit verbunden, wenn die Majestät zu Thorheit herabsinkt. Behalt deinen Staat, hemme durch reifferes Urtheil diese entsezliche Übereilung. Mit meinem Leben stehe ich davor, deine jüngste Tochter liebt dich nicht am wenigsten. Meynest du, ihr Herz sey weniger voll, weil es einen schwächern Klang von sich giebt, als diejenigen, deren hohler Ton ihre Leerheit wiederhallt?
Lear.
Bey deinem Leben, Kent, nicht weiter!
Kent. Mein Leben hielt ich nie für etwas anders als ein Pfand, das dir meine Treue gegen deine Feinde versichern sollte; und ich fürchte nicht es zu verliehren, wenn deine Sicherheit der Beweggrund ist.
Lear.
Aus meinem Gesicht!
Kent. Sieh' besser, Lear, und laß mich immer deinen wahren Augapfel bleiben.
Lear.
Nun, beim Apollo!
Kent.
Nun, beym Apollo, König, du entehrest deine Götter mit vergeblichen Schwüren.
Lear.
Treuloser Vasall.
(Er legt seine Hand an sein Schwerdt.)
Albanien. Cornwall.
Theurer Sir, haltet ein!
Kent.
Tödte deinen Arzt, und nähre deinen Schaden – Wiederruffe deinen Urtheilspruch, oder so lang ich einen Ton aus meiner Gurgel athmen kan, will ich dir sagen, du thust übel.
Lear. Höre mich, Abtrünniger! Weil du uns hast bereden wollen, unsern Eyd zu brechen, den wir nimmer brechen dürfen, und dich erfrechet hast, mit übermüthigem Stolz zwischen unsern Ausspruch und dessen Vollziehung zu treten, welches weder unsre Gemüthsart noch unsre Würde gestatten, und selbst unsre Macht nicht gut machen kan; so empfange deinen Lohn. Fünf Tage vergönnen wir dir, dich mit Mitteln gegen die Unfälle der Welt zu versehen; am sechsten aber kehre unserm Reich deinen verhaßten Rüken; denn wenn von izt am zehnten Tage dein verbannter Rumpf in unsern Herrschaften noch gefunden wird, so ist der Augenblik dein Tod. Hinweg beym Jupiter! diß soll nicht wiederruffen werden.
Kent. Lebe wohl, König! Seit dem du dich in dieser Gestalt zeigest, lebt die Freyheit anderwärts, und die Verbannung ist hier – Die Götter schüzen dich, Mädchen, die du richtig denkst und sehr richtig gesprochen hast. Ihr aber, mögen eure Thaten eure vielversprechenden Reden bewähren! Und hiemit, ihr Fürsten, sagt Kent euch allen, lebewohl, und geht, seinen Lauf in einem fremden Lande zu vollenden.
(Geht ab.)
(Gloster mit den Fürsten von Frankreich und Burgund, und ihrem
Gefolge, tritt auf.)
Gloster.
Hier ist Frankreich und Burgund, mein edler Lord!
Lear. Mylord von Burgund, wir wenden uns zuerst an euch, die ihr neben diesem Könige um meine Tochter euch beworben habet. Nennet das wenigste, was ihr zur Morgengabe mit ihr verlangt, oder stehet von euerm verliebten Gesuch ab.
Burgund. Königlicher Herr! Ich fordre nicht mehr als Eure Majestät sich erboten hat, und weniger werdet ihr nicht geben.
Lear. Sehr edler Lord, als sie uns werth war, hielten wir sie so; aber nun ist ihr Preiß gefallen. Sir, hier steht sie. Wenn irgend etwas an diesem kleinen Scheinding, oder alles zusammen genommen, mit unsrer Ungnade beschwert, Eu. Gnaden anständig ist, so ist sie hier und ist Euer.
Burgund.
Ich weiß keine Antwort hierauf.
Lear. Wollt ihr sie, mit allen diesen Gebrechen, welche alles sind was sie hat, freundlos, zu unserm Haß adoptiert, mit unserm Fluch ausgesteurt, und durch unsern Eyd für eine Fremde erklärt, wollt ihr sie nehmen oder verlassen?
Burgund.
Vergebung, Königlicher Herr! Auf solche Bedingungen findet keine Wahl Plaz.
Lear. So verlasset sie dann, Sir, dann bey der Macht, die mich erschaffen hat, ich sagte euch ihren ganzen Reichthum. Was euch betrift, grosser König, so schäze ich eure Liebe höher, als daß ich euch mit derjenigen vermählen wollte, die ich hasse. Ich bitte euch also, wendet eure Neigung auf einen würdigern Gegenstand als eine Unglükselige, welche die Natur selbst beschämt ist, für die ihrige zu erkennen.
Frankreich. Diß ist sehr seltsam, daß Sie, die bisher der Liebling euers Herzens, der Inhalt euers Lobes, und die Erquikung euers Alters war, in etlichen Augenbliken eine That begangen haben soll, die vermögend sey, sie einer so vielfältigen Gunst zu berauben. Denn nur irgend ein unnatürliches ungeheures Verbrechen kan eine solche Würkung thun. Dieses aber von Ihr zu denken, erfodert einen Glauben, zu dem sich meine Vernunft ohne Wunderwerk nicht fähig findet.
Cordelia. Ich bitte Euer Majestät, (weil mein Verbrechen ist, daß ich diese glatte schlüpfrige Kunst nicht besize, etwas zu reden, was ich nicht meyne; denn was meine wahre Meynung ist, das gebe ich früher durch Thaten als Worte zu erkennen;) bekannt zu machen, daß keine lasterhafte Tüke, Mord oder Verrätherey, noch eine unkeusche That, oder sonst ein entehrender Schritt mich Eurer Gnade beraubt hat, sondern bloß ein Mangel der mich reicher macht, der Mangel eines immer bettelnden Auges, und solch einer Zunge, dergleichen ich nicht zu haben, mich freue; obgleich sie nicht zu haben, mir den Verlust Eurer Zuneigung gebracht hat.
Lear. Besser wär' es, du wärest nie gebohren worden, als daß du mir nicht besser gefallen hast.
Frankreich. Ist es nur diß? Eine Langsamkeit des Temperaments, die manchmal nicht ausdrüken kan, was sie im Sinne hat? Mylord von Burgund, was sagt ihr zu der Lady? Liebe ist nicht Liebe, wenn sie mit Absichten vermengt ist, die neben dem wahren Ziel vorbey gehen. Redet, wollt ihr sie haben? Sie selbst ist das gröste Heurathgut.
Burgund.
Königlicher Herr! Gebet Ihr nur das Erbtheil, das Ihr willens waret, so nehme ich hier Cordelias Hand, und erkläre sie zur Herzogin von Burgund.
Lear.
Nichts! – ich habe geschworen.
Burgund. So bedaure ich denn, daß ihr einen Vater so verlohren habet, daß ihr auch einen Gemahl verlieren müßt.
Cordelia. Friede sey mit Burgund! weil Absichten auf Vermögen seine Liebe sind, so werde ich nicht sein Weib werden.
Frankreich. Schönste Cordelia; desto reicher, weil du arm bist, desto wählenswürdiger, weil du vergessen, und desto geliebter, weil du verschmähet wirst. Hier bemächtige ich mich deiner und deiner Tugenden, wenn es anders erlaubt ist zu nehmen, was andre verworffen haben. Ihr Götter! wie seltsam, daß die kälteste Gleichgültigkeit meine Liebe zu flammender Ehrfurcht anfachen soll! Deine enterbte Tochter, König, von dir verworffen, und meiner Willkuhr überlassen, ist Königin von Mir, von Frankreich, und von allem was mein ist. Alle Herzoge des wasserreichen Burgunds können dieses ungeschäzte theure Mädchen nicht von mir erkauffen. Gieb ihnen das lezte Lebewohl, Cordelia, so ungütig sie sind; du verlierst hier, anderswo etwas bessers zu finden.
Lear. Du hast sie, Frankreich! Laß sie dein seyn, denn wir haben keine solche Tochter, noch werden wir dieses ihr Gesicht jemals wieder sehen. Gehet also, ohne unsre Gnade, unsre Liebe, und unsern Segen. Komm, edler Burgund!
(Lear und Burgund gehen ab.)
Frankreich.
Beurlaubet euch von euern Schwestern.
Cordelia. Ihr Kleinode euers Vaters, mit gebadeten Augen verläßt euch Cordelia; ich weiß wer ihr seyd, und bin als eine Schwester gar nicht geneigt, eure Fehler mit ihrem eignen Namen zu nennen. Liebet unsern Vater in der That. Euerm Liebe-athmenden Busen empfehle ich ihn! Und doch, stünde ich in seiner Gnade, ich wollte ihm einen bessern Plaz anweisen. So lebet wol!
Regan.
Ihr habt nicht nöthig, uns unsre Pflicht vorzuschreiben.
Gonerill.
Laßt ihr eure Sorge seyn, euerm Gemahl zu gefallen, der euch vom Allmosen des Glüks aufgenommen; ihr habt durch Mangel an Gehorsam den Mangel wol verdienet, auf den ihr noch stolz zu seyn scheint.
Cordelia. Die Zeit wird enthüllen, was die gefaltete List verbirgt. Wol mög' es gehen!
Frankreich.
Komm, meine schöne Cordelia.
(Frankreich und Cordelia gehen ab.)
Fünfter Auftritt
Gonerill. Schwester, es ist nicht wenig, was ich über Dinge, die uns beyde angehen, zu sagen habe. Ich denke, unser Vater wird diese Nacht von hier abgehen.
Regan.
Das ist gewiß, und mit Euch; den künftigen Monath zu Uns.
Gonerill. Ihr sehet, wie veränderlich ihn sein Alter macht; die Gelegenheit die wir hatten, diese Beobachtung zu machen, war nicht gering. Er liebte unsre Schwester immer vorzüglich, und aus was für einem armseligen Grund er sie izt weggeworffen, ist nur allzu offenbar.
Regan. Es ist die Schwachheit seines Alters; und doch hat er sich selbst allezeit nur obenhin gekannt.
Gonerill. Das Beste und Gesundeste was er in seiner Zeit that, war übereilt; was können wir also anders erwarten, als nicht nur alle Fehler einer lang eingewurzelten Gewohnheit; sondern überall diese unlenksame Wunderlichkeit, die ein schwaches und cholerisches Alter mit sich bringt.
Regan. Wir werden noch manche solche unverständige Grillen von ihm erfahren, wie Kents Verbannung war.
Gonerill.
Der Abschied zwischen ihm und Frankreich ist noch ein solches Beyspiel. Ich bitte euch, laßt uns gemeinschaftlich zu Werke gehen.
Wenn unser Vater das königliche Ansehen mit einer solchen Gemüths-
Beschaffenheit beybehält, so ist seine lezte Abdankung vielmehr etwas beleidigendes.
Regan.
Wir wollen weiter über diese Sache denken.
Gonerill.
Wir müssen irgend etwas thun, und das in der ersten Hize.
(Sie gehen ab.)
Sechster Auftritt
(Die Scene verändert sich in ein Schloß des Grafen von Gloster.)
Edmund (mit einem Briefe.) Du, Natur, bist meine Göttin! Deinem Gesez allein will ich dienstbar seyn. Warum sollte ich mich selbst in den Cirkel der Gewohnheit bannen, warum die ungerechte Gewohnheit der Völker, mich des Rechts das du mir giebst, entsezen lassen? Bloß darum, weil ich zwölf oder vierzehn Mondscheine vor einem Bruder kam? Warum Bastard? Warum unedel? Wenn ich eben so wol gemacht, von Geist so edel, von Gestalt so ächt bin als die Geburt der ehrlichen Madam. Warum brandmahlen sie uns so mit Namen von böser Ahnung? Unächt, ehrlos, Bastard? Wie? Ich unächt? Ich,2 der in der verstohlnen Lust der üppigen Natur mehr Stoff und Feuer erhielt, als jener der in einem abgeschmakten, schaalen, langweiligen Ehebette, bestimmt eine ganze Zucht von Dumköpfen auszuheken, zwischen Schlaf und Wachen gezeugt ward? – Wohl dann, mein ächter Edgar! Mir fehlt nichts als deine Güter. Unsers Vaters Liebe ist zu dem Bastard Edmund was zu dem ächten Sohn – ein feines Wort – ächt! Nun wohl, mein ächter Herr, laß nur diesen Brief und meinen Anschlag glüken, so wird Bastard Edmund der ächte seyn. – Ich wachse, ich gedeyhe! Wohlan, ihr Götter, haltet fest auf der Parthey der Bastarde! Ihr habt es wol Ursache.3
Siebender Auftritt
(Gloster. Edmund.)
Gloster. Kent verbannt! und Frankreich im Zorn entlassen! und der König bey Nacht abgereist! Seine Gewalt abgetreten! Sein Unterhalt sogar fremder Willkuhr überlassen! – Alles geht unter über sich – Edmund? – Wie steht's? Was Neues?
Edmund.
Mit Euer Gnaden Erlaubniß, nichts.
Gloster.
Warum eilt ihr so eifrig, diesen Brief einzusteken?
Edmund.
Ich weiß nichts neues, Mylord.
Gloster.
Was für ein Papier laset ihr da?
Edmund.
Nichts, Mylord.
Gloster. Wozu war es denn vonnöthen, mit einer so entsezlichen Eilfertigkeit in eure Tasche damit zu fahren? Laßt es sehen! – Kommt, wenn es nichts ist, so werde ich keine Brille dazu brauchen.
Edmund. Ich bitte Euer Gnaden um Vergebung, es ist ein Brief von meinem Bruder, den ich noch nicht ganz überlesen habe; und so viel als ich davon gelesen, finde ich ihn nicht so beschaffen, daß Ihr ihn sehen dürftet.
Gloster.
Gebt mir den Brief, Sir.
Edmund. Ich vergehe mich, wenn ich ihn zurük behalte, und wenn ich ihn gebe; der Inhalt, so viel ich zum theil davon verstehe, ist zu tadeln.
Gloster.
Laß sehen, laß sehen.
Edmund. Ich hoffe zu meines Bruders Rechtfertigung, er schreibe ihn nur, meine Tugend auf die Probe zu stellen.
Gloster (ließt.) "Diese durch die Geseze eingeführte Ehrfurcht vor dem Alter macht die Welt für unsre besten Jahre unbrauchbar, und enthält uns unser Vermögen vor, bis wir es nimmer geniessen können. Ich fange an, eine alberne und allzu gutherzige Sclaverey in der Unterwerffung unter bejahrte Tyranney zu finden, welche nicht herrschet, weil sie Gewalt hat, sondern weil sie geduldet wird. Wenn unser Vater so lange schliefe bis ich ihn wekte, so solltet ihr auf immer die Helfte seiner Einkünfte geniessen, und der Liebling euers Bruders Edgar seyn." – Hum! – Verrätherey! – schlieffe, bis ich ihn wekte – solltet ihr die Helfte seiner Einkünfte geniessen – Mein Sohn Edgar! Hat er eine Hand diß zu schreiben? Ein Herz und ein Gehirn, diß auszubrüten? Wenn kam euch diß zu? Wer bracht es euch?
Edmund. Es wurde mir nicht gebracht, Mylord; das ist die List davon. Ich fand es durch ein Fenster in mein Cabinet geworffen.
Gloster.
Kennet ihr die Hand, daß sie euers Bruders ist?
Edmund. Wenn der Inhalt gut wäre, Mylord, so wollte ich schwören, es wäre die seinige; aber so wie er ist, möchte ich gerne denken, es wäre nicht so.
Gloster.
Es ist seine Hand.
Edmund. Seine Hand ist es, Mylord, aber ich hoffe sein Herz ist nicht in dem Inhalt.
Gloster.
Hat er euch vorher niemals über diesen Punct ausgeforschet?
Edmund. Niemals, Mylord. Doch hab ich ihn oft behaupten gehört, es wäre am schiklichsten, wenn Söhne bey reiffen Jahren, und Väter auf der Neige seyen, daß der Vater unter der Vormundschaft des Sohnes stehen, und dieser das Vermögen verwalten sollte.
Gloster.
O! Bösewicht! Bösewicht! Eben das ist die Meynung seines Briefes.
Abscheulicher Bösewicht! Unnatürlicher, entsezlicher, viehischer Bösewicht! Geh', suche ihn, ich will ihn fest machen lassen. —
Schändlicher Bube! wo ist er?
Edmund. Ich weiß es nicht eigentlich, Mylord. Wenn es Euer Gnaden belieben möchte, Euern Unwillen über meinen Bruder noch zurük zu halten, bis Ihr ein gewisseres Zeugniß von seinen Absichten aus ihm heraus gebracht hättet, so würdet Ihr desto sicherer gehen; da hingegen, wenn Ihr gewaltthätig mit ihm verfahret, und sich's fände, daß Ihr über seine Absicht geirret hättet, so würde das Eurer eignen Ehre eine grosse Wunde beybringen, und das Herz seines Gehorsams in Stüken zerschlagen. Ich wollte mein Leben für ihn verpfänden, daß er das nur schrieb, meine Liebe zu Euer Gnaden zu versuchen, und daß er nichts böses damit meynte.
Gloster.
Denket ihr das?
Edmund. Wenn Euer Gnaden es gut finden, will ich Euch an einen Ort stellen, wo Ihr uns beyde über diese Sache reden hören, und durch das Zeugniß Eurer eignen Ohren befriediget werden könnt; und das ohne längern Aufschub, diesen Abend noch.
Gloster.
Nein! er kan nicht ein solches Ungeheuer seyn!
Edmund.
Auch ist er es gewiß nicht!
Gloster.
Gegen einen Vater, der ihn so zärtlich liebt – Himmel und Erde!
Edmund, such ihn auf; mache daß ich ihn ungesehen hören kan, veranstalte die Sache nach deiner eignen Klugheit. Ich will den Vater ablegen, um nur nach den Gesezen der Gerechtigkeit zu handeln.
Edmund. Ich will ihn sogleich aufsuchen; ich will die Sache so einleiten, wie es die Umstände erfodern, und euch von allem Nachricht geben.
Gloster. Diese neuerlichen Verfinsterungen der Sonne und des Monds bedeuten uns nichts Gutes. Wenn schon die Ordnung der allezeit weisen Natur nicht dadurch aufgehoben wird, so leidet sie doch unter den Folgen. Die Liebe erkaltet, die Freundschaft fällt ab, Brüder trennen sich. In Städten Aufruhr; in Provinzen Zwietracht; in Pallästen Verrätherey; und das Band zwischen Sohn und Vater aufgelöst. Dieser mein Bösewicht fällt unter die Weissagung – Hier ist ein Sohn wider den Vater; der König tritt aus dem Gleise der Natur – Hier ist ein Vater wider sein Kind. Wir haben das Beste von unsrer Zeit schon gesehen. Untreue, Ränke, Verrath und alle verderbliche Unordnungen verfolgen uns bis in unser Grab. Suche diesen Buben auf, Edmund; es soll dir keinen Schaden bringen – Thu es mit Sorgfalt – und der edle treuherzige Kent verbannt! Sein Verbrechen, Redlichkeit! das ist wunderlich!
(Geht ab.)
Achter Auftritt
Edmund (kommt zurük.) Es ist doch eine vortreffliche Narrheit der Welt, daß wenn wir meistens durch eigne Schuld unglüklich sind, wir auf Sonne, Mond und Sterne die Schuld unsrer Unfälle werfen, und uns bereden möchten, wir seyen Bösewichter durch fatale Nothwendigkeit, Thoren durch himmlischen Antrieb, feige Memmen, Diebe und Spizbuben durch die Obermacht der Sphären; Säuffer, Lügner und Ehebrecher durch einen unwiderstehlichen Einfluß der Planeten; und alles, worinn wir schlimm sind, durch göttliches Verhängniß. Eine unvergleichliche Ausflucht für den H** Jäger, den Menschen, seine bökische Neigungen auf Rechnung der Gestirne zu schreiben. Mein Vater hielt mit meiner Mutter unter dem Drachenschwanz zu, und unter dem Einfluß des grossen Bären wurde ich gebohren; folglich kan ich nicht anders als rauh und schelmisch seyn. Wahrhaftig, ich würde gewesen seyn wer ich bin, wenn gleich der allerjungfräulichste Stern am ganzen Firmament über meine Bastardisation gefunkelt hätte.
Neunte Scene.
(Edgar kömmt zu ihm.)
Edmund.
Husch! – Er kömmt gleich der Entwiklung in der alten Comödie.4 Meine Rolle ist, spizbübische Melancholie mit einem Seufzer, wie Tom von Bedlam – O! diese Finsternisse bedeuten solche Mißhelligkeiten! fa, sol, la, mi, —
Edgar.
Wie stehts, Bruder Edmund, in was für einer tiefsinnigen Betrachtung seyd ihr begriffen?
Edmund. Ich denke, Bruder, an eine Weissagung, die ich dieser Tagen las, was auf diese Verfinsterungen folgen würde.
Edgar.
Bekümmert ihr euch um solche Dinge?
Edmund. Ich versichre euch, diese Weissagungen treffen zum Unglük nur gar zu wol ein. Wenn sahet ihr meinen Vater das lezte mal?
Edgar.
Verwichne Nacht.
Edmund.
Sprachet ihr mit ihm?
Edgar.
Ja, zwey Stunden an einander.
Edmund. Schiedet ihr vergnügt von einander? Fandet ihr kein Mißvergnügen bey ihm, weder in Worten noch Gebehrden?
Edgar.
Nicht das geringste.
Edmund. Besinnet euch, worinn ihr ihn etwann beleidigt haben möchtet, und lasset euch erbitten, seine Gegenwart zu meiden, bis die erste Hize seines Unwillens sich verlohren haben wird, welche izt so sehr in ihm tobet, daß es ohne Unglük für eure Person schwerlich ablauffen könnte.
Edgar.
Irgend ein schändlicher Bube muß mich bey ihm verläumdet haben.
Edmund. Das fürcht' ich eben; ich bitte euch, weichet ihm sorgfältig aus, bis sich seine Wuth in etwas gelegt hat; und wie ich sage, kommt mit mir in mein Zimmer, wo ich machen will, daß ihr ohne bemerkt zu werden, Mylord reden hören könnet. Ich bitte euch, geht; hier ist mein Schlüssel; wenn ihr heraus geht, so gehet bewaffnet.
Edgar.
Bewaffnet, Bruder!
Edmund. Bruder, ich rathe euch das beste; ich will kein ehrlicher Mann seyn, wenn man etwas gutes gegen euch im Sinn hat. Ich habe euch gesagt, was ich gesehen und gehört habe; doch auf die gelindeste Art; es kan nichts entsezlichers seyn. – Ich bitte euch, gehet.
Edgar.
Werde ich bald wieder von euch hören?
(Geht ab.)
Zehnter Auftritt
Edmund. Ich diene euch in diesem Geschäfte. Ein leichtgläubiger Vater, und ein edler Bruder, dessen Gemüthsart so entfernt ist jemand ein Leid zu thun, daß er auch keines argwöhnen kan, und dessen alberne Ehrlichkeit die Helfte meiner Ränke unnöthig macht. Ich sehe diesem Geschäft unter die Augen. Wenn mir die Geburt keine Ländereyen gab, so soll mein Wiz sie mir verschaffen. Mir ist alles recht, was sich machen läßt.
(Geht ab.)
Eilfter Auftritt
(Des Herzogs von Albanien Palast. Gonerill und Haushofmeister treten auf.)
Gonerill.
Wie? mein Vater schlägt meinen Hof-Junker, weil dieser seinen Narren ausgescholten hat?
Hofmeister.
So ist es, Gnädige Frau.
Gonerill. Tag und Nacht beleidigt er mich; es vergeht keine Stunde, da er nicht in diese oder jene grobe Übelthat aufsprudelt, die uns alle an einander hezt; ich will es nicht länger leiden: Seine Ritter fangen an ganz ausgelassen zu werden, und er selbst macht uns um einer jeden Kleinigkeit willen Vorwürffe. Wenn er von der Jagd zurük kömmt, will ich nicht mit ihm reden; sagt, ich befinde mich nicht wol. Wenn ihr von euerm vorigen Dienst-Eifer gegen ihn nachlasset, werdet ihr wohl thun; ich nehme die Verantwortung auf mich.
Hofmeister.
Er kömmt würklich, Gnädige Frau; ich hör' ihn.
Gonerill. Ermüdet seine Geduld durch so viel Nachlässigkeiten, als euch nur beliebt, ihr und eure Cameraden; ich möchte gern, daß es zur Untersuchung käme. Wenn es ihm nicht ansteht, so mag er zu meiner Schwester gehen, deren Sinn mit dem meinigen darinn übereinkömmt, sich nicht beherrschen lassen zu wollen; der thörichte alte Mann, der alle diese Gewalt immer ausüben will, die er doch weggegeben hat. Nun, bey meinem Leben! Alte Leute werden wiederum Kinder, und müssen, wie Kinder, ausgescholten und nicht geliebkoset werden, wenn man sieht daß sie nur unartiger davon werden.
Hofmeister.
Euer Gnaden haben vollkommen recht.
Gonerill. Seinen Rittern kan man auch kältere Blike zukommen lassen; was daraus entstehen mag, das hat nichts zu bedeuten; weiset die übrigen Bedienten deshalben an; ich will sogleich an meine Schwester schreiben, damit sie eben denselben Weg einschlägt – Macht, daß das Mittag-Essen fertig wird.
(Sie gehen ab.)
Zwölfter Auftritt
(Die Scene verändert sich in einen offnen Plaz, vor dem Palast.)
Kent (tritt auf, verkleidet.) Wenn ich eben sowol einen andern Accent und eine langsamere Aussprache annehmen kan, als ich meine Gestalt verändert habe, so kan meine gute Absicht vielleicht zu dem völligen Endzwek kommen, um dessentwillen ich meine Person verläugne. (Man hört Hifthörner. Lear, seine Ritter und Bediente treten auf.)
Lear. Laßt mich nicht einen Augenblik auf das Mittag-Essen warten. Geht, macht es fertig. Wie nun, wer bist du?
(Zu Kent.)
Kent.
Ein Mann, Sir.
Lear.
Wofür giebst du dich? was willt du bey uns?
Kent. Ich gebe mich für nicht weniger, dann ich scheine; für einen, der demjenigen treulich dienen will, der mich in Pflicht nimmt, der ehrliche Leute liebt, und mit vernünftigen Leuten gern umgeht; der nicht viel spricht, weil er sich vor Tadel fürchtet; der ficht, wenn er's nicht vermeiden kan, und keine Fische ißt.*
Lear.
Wer bist du?
Kent.
Ein recht ehrlicher gutherziger Kerl, und so arm als der König.
Lear.
Wenn du für einen Unterthanen so arm bist, als er es für einen König ist, so bist du arm genug. Was willt du?
Kent.
Dienste.
Lear.
Wem willt du dienen?
Kent.
Euch.
Lear.
Kennst du mich, Bursche?
Kent. Nein, Sir; aber ihr habt etwas in eurer Person, das ich gerne meinen Herrn nennen möchte.
Lear.
Und was ist das?
Kent.
Ansehen.
Lear.
Was für Dienste kanst du thun?
Kent. Ich kan ehrliche Geheimnisse bey mir behalten, reiten, lauffen, ein lustiges Mährchen auf eine langweilige Art erzählen, und eine leichte Commission ungeschikt ausrichten – Wozu ein alltäglicher Mensch nur immer tüchtig ist, dazu bin ich der Mann; und das Beste an mir, ist Fleiß.
Lear.
Wie alt bist du?
Kent. Nicht jung genug, Sir, um ein Weibsbild, wegen ihres Singens zu lieben; und nicht alt genug, um wegen irgend einer Ursache in sie vernarrt zu seyn. Ich hab acht und vierzig Jahr auf meinem Rüken.
Lear. Folge mir, ich nehme dich in meine Dienste; wenn du mir nach der Mahlzeit nicht schlechter gefällst, so werden wir nimmer von einander scheiden. Das Mittag-Essen! hO! das Mittag-Essen! – Wo ist mein Schlingel? mein Narr? Geht, ruft meinen Narren her. Ihr, Ihr, Bengel! Hört ihr, wo ist meine Tochter? (Der Haushofmeister kömmt.)
Hofmeister.
Wenn es beliebt —
(Er geht wieder ab.)
Lear.
Was sagt der Kerl da? Ruft den Lümmel zurük – Wo ist mein Narr? ho!
Ich denke, die ganze Welt ligt im Schlaf Was ists? was sagt der Maulaffe?
Ritter.
Mylord, er sagt, eure Tochter befinde sich nicht wohl.
Lear.
Warum kam der Sclave nicht zurük, als ich ihn rief?
Ritter.
Er antwortete mir rund heraus, er wolle nicht.
Lear.
Er wolle nicht?
Ritter.
Mylord, ich weiß nicht was es zu bedeuten hat; aber meines Bedünkens, wird Euer Hoheit nicht mehr mit der ehrfurchtsvollen Zuneigung begegnet, wie ehmals – Es zeigt sich eine gewaltige Abnahme von Freundlichkeit, sowol bey allen Bedienten, als bey dem Herzog und Eurer Tochter selbst.
Lear.
Ha! sagst du das?
Ritter.
Ich bitte um Vergebung, Mylord, wenn ich mich irre; aber meine Pflicht kan nicht schweigen, wenn ich denke, Eure Hoheit werde beleidiget.
Lear. Du erinnerst mich nur an meine eigne Beobachtungen. Ich habe seit kurzem eine höchst kaltsinnige Nachlässigkeit bemerkt, die ich aber mehr meiner eignen allzu eifersüchtigen Aufmerksamkeit, als einer Absicht Unfreundlichkeit gegen mich zu zeigen, beymaß. Ich will genauer Acht geben. Aber wo ist mein Narr? ich habe ihn diese zween Tage nicht gesehen.
Ritter. Seitdem meine junge Lady nach Frankreich abgegangen ist, ist er ganz niedergeschlagen.
Lear.
Nichts mehr hievon; ich hab es wol bemerkt. Geht, und sagt meiner Tochter, ich möchte mit ihr reden. Und ihr geht, und ruft mir meinen Narren her – ha – Sir! kommt ihr hieher, Sir? wer bin ich, Sir? (Der Haushofmeister kömmt.)
Hofmeister.
Milady's Vater.
Lear. Milady's Vater? Mylords Schurke! ihr Hurensohn von einem Hund, ihr Sclave, ihr Kettenhund!
Hofmeister.
Ich bin nichts dergleichen, Mylord, ich bitte mir's aus.
Lear.
Darfst du solche Blike auf mich schiessen, du Galgenschwengel?
(Er giebt ihm eine Ohrfeige.)
Hofmeister.
Ich will nicht geschlagen seyn, Mylord.
Kent.
Und gestürzt auch nicht, du nichtswürdiger Ballspieler, du?
(Er unterschlägt ihm ein Bein.)
Lear.
Ich danke dir, Camerad. Du dienst mir, und ich will dich lieben.
Kent. Kommt, Sir, steht auf, fort! Ich will euch einen Unterschied machen lehren. Fort, fort! wenn ihr euern grossen Wanst noch einmal messen wollt, so versucht es noch einmal; aber fort, pakt euch! Seyd ihr gescheidt? So —
(Er schmeißt den Hofmeister hinaus.)
Lear. Ich danke dir, mein gutwilliger Bursche! es ist Ernst in deinem Dienst. * In Königin Elisabeths Zeiten wurden die Papisten mit gutem Grund für Feinde der Regierung gehalten. Daher kam die Redensart: (Er ist ein ehrlicher Mann, und ißt keine Fische,) um einen Freund der Regierung und Protestanten zu bezeichnen. Fletcher zielet hierauf in seinem Weiberfeind, wo er, da Lazarillo von der Wache vor der Courtisane Haus gefangen genommen, diese leztere sagen läßt: Meine Herren, es freut mich daß ihr ihn entdekt habt. Er sollte vor zwanzig Pfund unter meinem Dach nichts zu essen gekriegt haben; und wahrhaftig er gefiel mir gleich nicht, da er Fische verlangte. Und Marstons Niederländische Courtisane – Ich versichre, ich bin keine von den gottlosen Leuten, die am Freytag Fische essen.
Dreyzehnter Auftritt
(Der Narr kömmt zu ihnen.)
Narr.
Ich will ihn auch miethen – Hier ist meine Kappe. —
(Er giebt ihm seine Kappe.)
Lear.
Wie, mein artiger Schurke! was thust du?
Narr.
Ihr Esel, ihr thätet am besten, wenn ihr meine Kappe – nähmet.
Kent.
Warum, Junge?
Narr. Warum? Weil sich jemands anzunehmen, gefährlich ist; wenn du nicht lächeln kanst wie der Wind geht, so wirst du bald den Schnuppen kriegen. Hier, nimm meine Schellen-Kappe – Wie, dieser Bursche hier hat zwo von seinen Töchtern verbannt, und der dritten einen Segen wider seinen Willen gegeben; wenn du ihm folgst, so must du nothwendig meine Kappe tragen. Wie gehts, Onkel? Ich wollt, ich hätte zwo Kappen und zwo Töchter.
Lear.
Warum das, Junge?
Narr.
Wenn ich ihnen alle meine Haab und Gut gebe, so will ich meine Kappe für mich selbst behalten. Hier ist meine, bettle du eine von deinen Töchtern.
Lear.
Nimm dich in Acht, Schurke! Die Peitsche —
Narr. Die Wahrheit ist ein Hund, sie muß in den Hundsstall; muß hinausgepeitscht werden, wenn der Lady ihre Brake beym Feuer sizen und stinken darf.
Lear.
Das ist ein verdammter Stich!
Narr (zu Kent.)
Kerl, ich will dich reden lehren.
Lear.
Thu es.
Narr.
Kent.
Das ist nichts, Narr.
Narr. So ist es wie der Athem eines unbezahlten Advocaten; ihr gebet mir nichts davor; könnt ihr nichts zu nichts gebrauchen, Nonkel?
Lear.
Wie? Nein, Junge; man kan nichts aus nichts machen.
Narr (zu Kent.) Ich bitte dich, sag ihm, so hoch belauffen sich just die Einkünfte von seinen Ländern; er würd' es einem Narren nicht glauben.
Lear.
Ein bittrer Narr!
Narr. Junge, weist du den Unterschied zwischen einem bittern Narren, und einem süssen?
Lear.
Nein; sag ihn dann.
Narr. Der Lord, der dir rieth dein Land wegzugeben, komm, laß ihn hier zu mir hersizen, und du steh vor ihn hin; so wird man den bittern und den süßen Narren nicht lange suchen müssen; der ist persönlich hier, und der andere dort.
Lear.
Nennst du mich einen Narren, Junge?
Narr. Alle deine andre Titel, mit denen du gebohren warst, hast du weggegeben.
Kent.
Diß ist nicht so ganz und gar närrisch, Mylord.
Narr. Nein, mein Treu! Lords und grosse Herren wollen mir's nicht lassen; wenn ich ein Monopolium dafür hätte, so würden sie auch einen Antheil daran haben wollen; ja die Damen noch dazu, sie würden nicht leiden wollen, daß ich alles Närrische für mich allein hätte, sie würden mich bemausen. Gieb mir ein Ey, Nonkel, so will ich dir zwo Kronen geben.
Lear.
Was für zwo Kronen sollen das seyn?
Narr. Was? Wenn ich das Ey mitten in zwey geschnitten, und was darinn ist, aufgegessen habe, so geb ich dir die zwo Kronen von den Schaalen. Wie du deine Krone mitten in zwey gespalten, und beyde Theile weggegeben hast, da trugst du deinen Esel auf dem Rüken durch den Koth; du hattest wenig Wiz in deiner kahlen Krone, wie du deine göldne weg gabst; wenn ich hierinn mir selbst gleich rede, so laß den peitschen, der es zuerst wahr findet.
(Der Narr singt ein Liedchen.)
Lear.
Seit wenn seyd ihr so liederreich, Herr Bengel?
Narr. Schon lange vorher, eh du deine Töchter zu deinen Müttern machtest; denn wie du ihnen die Ruthe gabst, und deine eigne Hosen herunter liessest, da —
(Er singt wieder ein Liedchen.)
5 Ich bitte dich, Nonkel, halt einen Schulmeister, der den Narren lügen lehre; ich habe eine rechte Lust lügen zu lernen.
Lear.
Wenn du liegst, Schurke, so wirst du gepeitscht.
Narr. Mich wundert, von was für einer Art Geschöpfe du und deine Töchter sind; sie wollen mich peitschen lassen, wenn ich die Wahrheit sage; du willt mich peitschen lassen, wenn ich lüge; und zuweilen werd' ich gepeitscht, weil ich gar nichts sage; ich wollte lieber irgend etwas anders seyn als ein Narr; und doch wollte ich nicht Du seyn, Nonkel! Du hast deinen Wiz an beyden Enden abgeschnitten, und nichts in der Mitte gelassen. Hier kömmt eines von den Stüken.
Vierzehnter Auftritt
(Die Vorigen. Gonerill.)
Lear. Wie nun, Tochter? was will diß Stirnband hier? Ihr rumpft seit kurzem die Stirne ein wenig zu viel.
Narr. Du warest ein ganz hübscher Kerl, wie du nicht nöthig hattest, dich um ihre Falten zu bekümmern – Nun bist du ein 0 ohne Zahl; ich bin besser als du izt bist; ich bin ein Narr, und du bist nichts. – Doch, ja, mein Treu! ich will mein Maul halten —
(zu Gonerill)
so befiehlt mir euer Gesicht, ob ihr gleich nichts sagt.
(Er singt wieder.)
(Zu Lear.) Du bist eine gescheelte Bohne.
Gonerill. Nicht allein, Sir, dieser euer zaumloser Narr, sondern auch andre von euerm übermüthigen Gefolge, fangen hier stündlich Zank und Händel an, und brechen in ganz ausgelassene und unerträgliche Unordnungen aus. Ich dachte, wenn euch dieses nur bekannt gemacht würde unfehlbare Hülfe zu finden; aber nun muß ich allerdings aus dem was ihr erst kürzlich gesagt und gethan habt besorgen, daß ihr diese Ausschweiffungen in euern Schuz nehmet, und sogar selbst aufmuntert; thut ihr's, so wird der Fehler dem Tadel nicht entgehen, noch wird es an Mitteln fehlen, Einhalt zu thun; die, obgleich zu euerm Besten abgesehen, doch die unangenehme Folge haben möchten, daß ihr, nicht ohne Schaam, von der Nothwendigkeit eine vorsichtigere Aufführung lernen müßtet.
Narr. Denn ihr wißt, Nonkel, der Sperling nährte den Kukuk so lang, bis seine Jungen ihm den Kopf abbissen; So löscht das Licht aus, und wir sizen im Finstern.
Lear.
Seyd ihr unsre Tochter?
Gonerill. Ich wünschte, ihr möchtet einen Gebrauch von dem guten Verstand machen, womit ihr, wie ich weiß, so wol versehen seyd; und diese Dispositionen von euch thun, die euch seit kurzem zu etwas ganz anderm machen, als ihr ordentlicher Weise seyd.
Narr.
Kan ein Esel nicht wissen, wenn der Karren das Pferd zieht? Schrey, Nachtigall, ich liebe dich.
Lear. Kennt mich hier jemand? Diß ist nicht Lear! Geht Lear so? spricht er so? wo sind seine Augen? Entweder ist sein Hirn geschwächt, sein Verstand in Todesschlaf versunken – Ha! wach ich? – Es ist nicht so! wer ist hier, der mir sagen kan, wer ich bin? Lear's Schatten? Ich möcht' es gern erfahren; denn nach den Kennzeichen der untrüglichen Vernunft zu schliessen, stand ich in einem falschen Wahn, da ich Töchter zu haben glaubte. Euer Name, schönes Frauenzimmer?
Gonerill. Diese Verwundrung, Sir, ist sehr im Geschmak eurer übrigen neuen Grillen. Ich bitte euch, meine Absichten recht zu verstehen. So wie ihr alt und ehrwürdig seyd, solltet ihr auch weise seyn. Ihr haltet hier hundert Ritter und Schildknappen, so ausgelassenes, verwegenes und schwelgerisches Volk, daß dieser unser Hof, von ihren Sitten angestekt, einer liederlichen Schenke gleich sieht; Epicurisches Wesen und Unzucht machen ihn mehr einem Weinhaus und Bordel, als einem fürstlichen Palast ähnlich. Die Schaam selbst spricht für ungesäumte Hülfe. Lasset euch von einer erbitten, die sonst das was sie bittet nehmen wird, euer Gefolge um fünfzig zu vermindern; und die übrig bleibenden solche Leute seyn zu lassen, die sich für eure Jahre schiken, und sich selbst und euch kennen.
Lear.
Finsterniß und Teufels! Sattelt meine Pferde! Ruft meine Leute zusammen – Ausgearteter Bastard! Ich will dich nicht beunruhigen.
Ich habe noch eine Tochter übrig.
Gonerill.
Ihr schlagt meine Leute; und euer zügelloses Gesindel will von Leuten bedient seyn, die besser als sie sind.
Fünfzehnter Auftritt
(Zu ihnen, der Herzog von Albanien.)
Lear.
Weh dem, den zu spät die Reue trift! O Sir! seyd ihr gekommen?
Ist es euer Wille, sprecht, Sir? laßt meine Pferde bereit halten —
Undankbarkeit! du marmorherziger Teufel; scheußlicher wenn du dich in einem Kind zeigst, als in einem Meer-Ungeheuer.
Albanien.
Ich bitte, Sir, seyn Sie geduldig.
Lear
(zu Gonerill).) Verdammter Habicht! Du lügst! Mein Gefolge sind ausgesuchte Leute, von den seltensten Gaben, die alles kennen, was die Pflicht von einem Ritter fordert, und die den Adel ihrer Namen in allen Stüken behaupten – O sehr kleiner Fehler! Wie häßlich schienst du an Cordelia! da du, gleich einem Hebel, meine ganze Natur aus ihrer gewohnten Stellung hubst, und alle Liebe aus meinem Herzen zogst, und zu Galle machtest – O Lear, Lear, Lear! Schlag an diese Thür, (Er schlägt sich an den Kopf.)
die deine Thorheit ein- und deine Vernunft ausließ – Geht, geht, meine Leute.
Albanien. Mylord, ich bin so unschuldig, daß ich nicht einmal weiß, was euch in diesen Unwillen gesezt hat.
Lear. Es mag so seyn, Mylord – Höre mich, Natur, theure Göttin, höre einen Vater! Hemme deinen Vorsaz, wenn er war, diß Geschöpf fruchtbar zu machen. Banne Unfruchtbarkeit in ihre Schooß, trokne die Werkzeuge der Vermehrung in ihr auf, und laß niemals aus diesem geschändeten Leib einen Säugling entspringen, der ihr Ehre mache. Muß sie aber gebähren, so erschaff ihr Kind aus Galle, und laß es leben, sie ohne Rast mit unnatürlicher Bosheit zu peinigen; laß es Runzeln in ihre junge Stirne graben, und mit glühenden Thränen Canäle in ihre Wangen äzen; laß es alle ihre Mutter-Schmerzen, mit Hohngelächter, alle ihre Wohlthaten mit Verachtung erwiedern; damit sie fühle, wie viel schärfer als einer Schlange Biß es ist, ein undankbares Kind zu haben! Geht, geht, meine Leute!
Albanien.
Nun, ihr Götter, die wir anbeten, woher kommt diß!
Gonerill. Bekümmert euch nicht, es zu wissen, sondern laßt seinem Wahnwiz freyen Lauf —
Lear. Was? Fünfzig von meinem Gefolge auf einen Streich! – Innerhalb vierzehn Tagen! —
Albanien.
Was ist denn die Sache, Mylord?
Lear.
Ich will dir's sagen – Leben und Tod! —
(zu Gonerill)
ich schäme mich, daß du Macht hast meine Mannheit also zu erschüttern! – O! daß diese heissen Thränen, die mit Gewalt aus meinen Augen brechen, dich ihrer würdig machen könnten – Stürme und Wetter über dich! daß nichts dich gegen die unheilbaren Wunden des Fluchs eines Vaters schüze! – Ihr alten unmännlichen Augen, weint ihr schon wieder? Ich will euch ausreissen und wegwerffen, um mit dem Wasser das ihr verliehrt, Leim zu waschen. Ha! ist es dazu gekommen! So sey es dann: Ich habe eine andre Tochter, die, wie ich gewiß bin, zärtlich und hülfreich ist; wenn sie diß von dir hören wird, sie wird dein wolfisches Gesicht mit ihren Nägeln zerkrazen; du sollt finden, daß ich die Gestalt wieder annehmen werde, die ich, deiner Einbildung nach, auf ewig abgelegt habe.
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1
Durch diese vier edelsten Sinne sind hier Gesicht, Gehör, Geruch, und Geschmak zu verstehen; denn eine junge Dame konnte mit Anständigkeit nicht zu verstehen geben, daß sie die Vergnügungen des fünften kenne. Warbürton.
Der Übersetzer überläßt dieses dem Ausspruch der jungen Damen, und wagt nur die Vermuthung, ob es nicht weit natürlicher sey zu denken, Regan nenne eben darum die vier edelsten Sinne, weil sie dem fünften nicht entsagen will.
2
Diese feinen Zeilen sind ein Beyspiel von unsers Autors bewundernswürdiger Kunst, seinen Charaktern gehörige Gesinnungen zu geben. Des Bastards seiner ist der Charakter eines völligen Gottesläugners; und daß er als ein Spötter über die Judicial-Astrologie vorgestellt wird, ist nach der Absicht des Poeten, ein Zeichen eines solchen. Denn zu seiner Zeit wurde diese gottlose Taschenspielerey mit einer religiösen Ehrfurcht angesehen; und daher erkennen die besten Charakter in diesem Stüke die Macht des Einflusses der Gestirne. Wie Charaktermässig aber die folgenden Zeilen sind, kan aus dem ungeheuren Wunsch des Italiänischen Atheisten (Vanini), in seinem Tractat, (de admirandis Naturæ & c.) welcher zu Paris 1616. in eben dem Jahr, da unser Poet gestorben, heraus gekommen, ersehen werden. (O utinam) (sind die Worte des (Vanini) extra legitimum & connubialem thorum essem procreatus! Ita enim progenitores mei in Venerem incaluissent ardentius, ac cumulatim affatimque generosa semina contulissent, è quibus ego formæ blanditiam & elegantiam, robustas corporis vires mentemque innubilam consequutus fuissem. At quia conjugatorum sum soboles, his orbatus sum bonis.) Wäre dieses Buch früher heraus gekommen, wer würde nicht geglaubt haben, das Shakespeareauf diese Stelle anspiele? So aber sagte ihm die prophetische Kraft seines Genius vorher, was ein solcher Atheist wie (Vanini) über diese Materie sagen würde. Warbürton.
3
Warum dieses? Das sagt er uns nicht; aber der Poet deutet auf die Ausschweiffungen der heidnischen Götter, die aus allen ihren Bastarden Helden machten. Warbürton.
4
Das ist, er kömmt recht (a propos.) Ein Compliment, welches Shakespeareden regelmässigen Stüken macht.
5
Der Übersetzer bekennt, daß er sich ausser Stand sieht, diese, so wie künftig, noch manche andre Lieder von gleicher Art zu übersezen; denn mit dem Reim verliehren sie alles. Er hat sie inzwischen hieher sezen wollen, damit andre, wenn sie Lust haben, mit mehrerm Erfolg, sich daran versuchen können.
(1.) Fools ne'er had less grace in a Year for wise Men art grown foppish; And Know not how their Wits to wear their Manners are so apish. (2.) Then they for sudden joy did weep And I for sorrow sung, That such a King should play bo-peep And go the fools among.}