v1.0 – создание FB2 – Ostermann
Dumas (père), Alexandre
Kleine Romane und Novellen
Pascal Bruno
Gegen das Ende des Jahres 1834 bereitete ich mich zu einer Reise nach Sizilien vor.
Ich machte mich daher an die Aufsuchung eines sizilianischen politischen Flüchtlings, Namens Palmieri, dem ich früher begegnet war, dessen Adresse ich aber verloren und der so eben zwei vortreffliche Bände Erinnerungen herausgegeben hatte, um mir über seine so poetische und so unbekannte Insel jene allgemeinen Auskünfte und jene besonderen Angaben zu verschaffen, welche im Voraus die militärischen Grenzen einer Reise stellen, als wir eines Abends in der Faubourg Montmartre No. 4 den General T. mit Bellini ankommen sahen, an den ich nicht gedacht hatte und den er mir zuführte, um meine Reiseroute zu vervollständigen. Man hat nicht nötig zu fragen, wie in unserer ganz künstlerischen Versammlung, in welcher oft das Rapier nur ein von der Feder oder dem Pinsel entliehener Vorwand war der Komponist der
– Besonders aber vergessen Sie eines nicht, wenn Sie von Palermo nach Messina entweder zu Wasser oder zu Lande gehen werden. Kehren Sie in dem kleinen Dorfe Bauso an der Spitze des weißen Vorgebirges ein, dem Wirtshaus gegenüber werden Sie eine Straße finden, welche bergauf geht und die sich zur Rechten mit einem kleinen Schloss in Form einer Zitadelle endigt, an den Mauern dieses Schlosses befinden sich zwei Käfige, der eine leer, der andere mit einem Totenkopf, der seit zwanzig Jahren in ihm bleicht. Fragen Sie den ersten besten Vorüber kommenden nach der Geschichte des Mannes, dem dieser Kopf angehört hat, und Sie werden eine jener vollständigen Erzählungen erhalten, welche eine ganze Gesellschaft, von dem Gebirge bis zur Stadt, von dem Landmanne bis zum großen Herrn schildern.
– Aber, antwortete ich Bellini, könnten Sie uns diese Geschichte nicht selbst erzählen? Nach der Art, mit welcher Sie davon sprechen, sieht man, dass Sie dieselbe tief in Ihr Gedächtnis gegraben haben.
– Ich würde es mit Vergnügen tun, sagte er zu mir, denn ihr Held, Pascal Bruno, ist gerade in dem Jahre meiner Geburt gestorben, und ich bin als kleines Kind mit dieser, wie ich überzeugt bin, noch heute lebendigen Volkssage eingewiegt worden, aber wie wäre ich mit meinem schlechten Französisch im Stande, eine solche Erzählung zu machen?
– Ist es nur das? antwortete ich, wir verstehen Alle Italienisch, sprechen Sie zu uns in der Sprache Dante’s, sie ist wohl so gut als eine andere.
– Wohl an! es sei, erwiderte Bellini, indem er mir die Hand reichte, aber unter einer Bedingung.
– Welche?
– dass Sie bei Ihrer Rückkehr, wenn Sie die Örtlichkeiten gesehen, wenn Sie sich in Mitte dieses wilden Volkes und dieser pittoresken Natur wieder gestärkt haben werden, mir aus Pascal Bruno eine Oper machen.
– Bei Gott! das ist eine abgemachte Sache, rief ich aus, indem ich ihm die Hand reichte.
Und Bellini erzählte die Geschichte, welche man lesen wird.
Sechs Monate nachher reiste ich nach Italien ab, ich besuchte Calabrien, ich landete in Sizilien, und das, was ich immer als den ersehnten Punkt, als das Ziel meiner Reise unter allen diesen erhabenen Erinnerungen ansah, war diese Volkssage, welche ich aus dem Munde des musikalischen Dichters gehört hatte, und die aufzusuchen ich achthundert Stunden weit herkam; endlich gelangte ich nach Bauso, ich sah das Wirtshaus, ich ging die Straße hinauf, ich erblickte die beiden eisernen Käfige, von denen der eine leer und der andere voll war.
Dann kehrte ich nach einer Abwesenheit von einem Jahre nach Paris zurück; als ich mich nun des gegebenen Versprechens erinnerte, suchte ich Bellini auf.
Ich fand ein Grab.
I
Es geht mit den Städten wie mit den Menschen, der Zufall leitet ihre Gründung oder ihre Geburt, und die topographische Stelle, auf welcher man die einen er» baut, die gesellschaftliche Stellung, in welcher die andern geboren werden, wirkt im Guten oder im Bösen auf ihr ganzes Dasein ein, ich habe so edle, stolze Städte gesehen, dass sie Alles hatten überragen wollen, was sie umgab, so dass kaum einige Häuser gewagt hatten, sich auf dem Gipfel des Berges zu erheben, auf den sie ihren Grundstein gelegt; sie blieben daher auch immer hochmütig und arm, indem sie ihre mit Zinnen versehenen und unaufhörlich von den Gewittern des Sommers und von den Stürmen wen des Winters gepeitschten Stirnen in den Wolken verbargen. Man hätte sie für verbannte Königinnen halten können, denen nur einige Höflinge in ihr Unglück gefolgt waren, und die es verschmähten, sich so weit herabzulassen, um von der Ebene ein Volk und ein Königreich zu verlangen. Ich habe kleine so bescheidene Städte gesehen, dass sie sich in den Grund eines Thales geflüchtet, dass sie an dem Ufer eines Baches ihre Höfe, ihre Mühlen und ihre Hütten aufgeführt hatten, dass sie, von Hügeln geschützt, welche sie vor der Hitze und vor der Kälte sicherten, dort ein unbekanntes und ruhiges Leben gleich dem jener Menschen ohne Feuer und ohne Ehrgeiz führten, die jedes Geräusch erschreckt, die jedes Licht blendet und für die es nur in dem Schatten und in der Stille ein Glück gibt. Es gibt andere, welche damit angefangen haben, ein armseliges Dorf an dem Ufer des Meeres zu sein, und die allmählich, indem sie kleine Schiffe den Barken und große Schiffe den kleinen Schiffen folgen sahen, ihre Hütten in Häuser und ihre Häuser in Paläste verwandelt haben, so dass jetzt das Gold von Potosi und die Diamanten Indiens ihren Häfen zuströmen, und sie ihre Dukaten klingen lassen und ihren Schmuck wie Emporkömmlinge zur Schau stellen, die uns mit ihren Equipagen bespritzen und uns durch ihre Bedienten beleidigen lassen. Endlich gibt es deren noch, welche sich anfangs in reicher behaglicher Weise auf lachenden Wiesen erhoben hatten, die auf bunten Blumenteppichen einhergingen, zu denen man auf launigen und pittoresken Fußpfaden gelangte, denen man ein langes und gedeihliches Schicksal prophezeit hätte, und die plötzlich ihr Dasein durch eine wetteifernde Stadt bedroht gesehen haben, die, an einer Heerstraße entstehend, Handelsleute und Reisende anzog und die arme Abgesonderte langsam wie ein junges Mädchen vergehen ließ, deren Quellen des Lebens eine unerwiderte Liebe versiegt. Deshalb fasst man Sympathie oder Widerwillen, Liebe oder Hass für diese oder jene Stadt, wie für diese oder jene Person; deshalb gibt man kalten und leblosen Steinen Beinamen, welche nur lebenden und menschlichen Wesen angehören; deshalb nennt man Messina die Edle, Syrakus die Treue, Girgenti die Prachtvolle, Tapani die Unbesiegliche, Palermo die Glückliche.
In der Tat, wenn es eine auserkorene Stadt gibt, so ist es Palermo, unter einem Himmel ohne Wolken, auf einem fruchtbaren Boden in Mitte pittoresker Landhäuser gelegen, seinen Hafen einem Meere mit himmelblauen Wellen öffnend, im Norden von dem Hügel der heiligen Rosalie, im Osten durch das Kap Raferano beschützt, von allen Seiten mit einer Gebirgskette umgeben, welche die unermessliche Ebene einschließt, auf welchem sie steht, wie sich niemals eine byzantinische Odaliske oder ägyptische Sultanin in den cyrenäischen Wellen oder in denen des Bosporus spiegelt, oder wie es, mit dem Gesichte nach ihrer Mutter gewandt, die altertümliche Tochter Chaldäas tut. Es hat daher auch vergebens den Herrn gewechselt, seine Herren sind verschwunden und die Stadt Palermo ist geblieben, und von ihren verschiedenen, immer durch ihre Anmut und durch ihre Schönheit verführten Beherrschern hat die königliche Sklavin nur Schmuck statt aller Fesseln behalten. Die Menschen und die Natur haben sich aber auch vereinigt, um sie prachtvoll unter den Reichen zu machen. Die Griechen haben ihr ihre Tempel, die Römer ihre Wasserleitungen, die Sarazenen ihre Schlösser, die Normannen ihre Basiliken, die Spanier ihre Kathedralen gelassen, und da die Breite, unter welcher sie liegt, jeder Pflanze dort zu blühen, jedem Baum sich dort zu entwickeln erlaubt, so vereinigt sie in ihren glänzenden Gärten den Oleander von Lakonien, den Palmbaum Ägyptens, die Feige Indiens, die Aloe Afrikas, die Fichte Italiens, die Zypresse Schottlands und die Eiche Frankreichs.
Nichts ist daher auch schöner als die Tage Palermos, wenn es nicht seine Nächte sind; orientalische Nächte, klare und duftige Nächte, in denen das Murmeln des Meeres, das Rauschen der Abendluft, das Getöse der Stadt wie ein allgemeines Konzert der Liebe erscheinen, in welchem jedes Ding der Schöpfung, von der Welle bis zu der Pflanze, von der Pflanze bis zu dem Menschen einen geheimnisvollen Seufzer ausstößt. Steigt auf den Altan der
Das ist die Stunde, zu welcher die Piraten von Algier und die Korsaren von Tunis aus ihren Raubnestern hervorkommen, indem sie die dreieckigen Segel ihrer barbarischen Feluken in den Wind stellen und um die Insel herumstreifen, wie die Hyänen der Sahara und die Löwen des Atlas um eine Schäferei. Wehe dann den unvorsichtigen Städten, welche ohne Leuchttürme und ohne Wachen an den Ufern des Meeres einschlafen, denn ihre Bewohner erwachen bei dem Scheine der Feuersbrunst und bei dem Geschreie ihrer Frauen und Töchter, und bevor die Hilfe herbeigekommen, sind die Geier von Afrika mit ihrer Beute davongeeilt, dann, wenn der Tag anbricht, wird man die Flügel ihrer Schiffe am Horizonte erbleichen und hinter den Inseln Porri, Favignana oder Lampadouze verschwinden sehen.
Zuweilen ereignet es sich auch, dass das Meer plötzlich bleifarbig wird, dass der Wind fällt, dass die Stadt schweigt; das kommt daher, weil einige blutige Wolken rasch von Süden nach Norden an dem Himmel hingezogen sind, weil diese Wolken den
Es war an einem Abende des Monats September 1803; der Sirocco hatte den ganzen Tag über geweht, aber bei Sonnenuntergange hatte sich der Himmel wieder aufgeklärt, das Meer war wieder azurblau geworden und einige frische Windstöße bliesen von dem Lipariotischen Archipel her. Diese Veränderung der Atmosphäre übte, wie wir bemerkt, ihren wohltätigen Einfluss auf alle belebten Wesen aus, die allmählich aus ihrer Erstarrung er« wachten; man hätte glauben können, einer zweiten Schöpfung beizuwohnen, um so mehr, als Palermo, wie wir gesagt, ein wahres Eden ist.
Unter allen den Töchtern Evas, welche in diesem Paradiese, das sie bewohnen, aus der Liebe ihre Hauptbeschäftigung machen, gibt es eine, welche eine zu wichtige Rolle in dem Laufe dieser Geschichte spielen wird, als dass wir nicht auf sie und auf den Ort, den sie bewohnt, die Aufmerksamkeit und die Blicke unserer Leser fesseln sollten. Sie mögen daher mit uns Palermo durch das Thor San-Giorgio verlassen, sie mögen Costello-a-Mare zur Rechten lassen, einige Zeit lang dem Ufer folgen und an jener köstlichen Villa anhalten, welche sich dort an dem Strande des Meeres erhebt und deren bezaubernde Gärten sich bis an den Fuß des Berges Pellegrino erstrecken, das ist die Villa des Fürsten von Carini, Vizekönigs von Sizilien für Ferdinand IV., der zurückgekehrt ist, um von seiner schönen Stadt Neapel Besitz zu nehmen.
Auf dem ersten Stockwerke dieser eleganten Villa, in einem mit himmelblauen Atlas behangenen Zimmer, dessen Falten mit Perlschnüren aufgeschlagen sind und dessen Decke in Fresko gemalt ist, liegt eine Frau m einem einfachen Morgenkleid, mit herabhängenden Armen, zurückgeworfenem Kopfe und aufgelösten Haaren auf einem Sofa, noch vor einem Augenblicke hätte man sie für eine Marmorstatue halten können, aber ein leichter Schauder hat ihren ganzen Körper überlaufen, ihre Wangen beginnen sich zu färben, ihre Augen haben sich wieder geöffnet; die wundervolle Statue belebt sich, seufzt, streckt die Hand nach einer kleinen, auf einem Marmortische von Selinunt stehenden silbernen Schelle aus, bewegt sie nachlässig, und wie von der Anstrengung ermüdet, die sie gemacht hat, lässt sie sich wieder auf das Sofa zurücksinken. Indessen ist der Silberklang gehört worden, eine Tür geht auf, und eine junge und hübsche Kammerfrau erscheint auf der Schwelle, deren in Unordnung geratene Toilette andeutet, dass sie, wie ihre Gebieterin, dem Einfluss des afrikanischen Windes unterlegen ist.
– Sind Sie es, Theresa? sagte ihre Gebieterin schmachtend, indem sie den Kopf nach ihrer Seite wandte. O mein Gott! es ist zum Sterben, bläst der Sirocco etwa immer noch?
– New, Signoria, er hat sich gänzlich gelegt, und man beginnt wieder zu atmen.
– Bringen Sie mir Früchte und Eis, und geben Sie mir Luft.
Theresa vollzog diese beiden Befehle mit eben so viel Schnelligkeit, als es ihr ein Rest von Schwäche und Unbehagen gestattete. Sie stellte die Erfrischungen auf den Tisch und machte das Fenster auf, welches auf das Meer ging.
– Sehen Sie, Frau Gräfin, sagte sie, wir werden morgen einen herrlichen Tag haben, und die Luft ist so rein, dass man deutlich die Insel Alicudi steht, obgleich der Tag sich zu neigen beginnt.
– Ja, ja, diese Luft tut wohl. Gib mir den Arm, Theresa, ich will versuchen, mich bis an dieses Fenster zu schleppen.
Die Kammerfrau näherte sich ihrer Gebieterin, welche den Sorbet wieder auf den Tisch stellte, den ihre Lippen kaum berührt hatten, und sich, auf ihre Schultern stützend, schmachtend bis nach dem Balkon ging.
– Ah! sagte sie, indem sie die Abendluft einsog, wie man bei dieser milden Luft wieder auflebt. Bringen Sie mir diesen Sessel, und öffnen Sie auch noch das Fenster, welches auf den Garten geht. Gut! ist der Fürst von Montreal zurückgekehrt?
– Noch nicht.
– Um so besser, ich möchte nicht, dass er mich bleich und entstellt sähe, wie ich jetzt bin. Ich muss abscheulich sein.
– Die Frau Gräfin ist niemals schöner gewesen, und ich bin überzeugt, dass es in der ganzen Stadt, welche wir von hier aus übersehen, nicht eine Frau gibt, , du nicht eifersüchtig auf die Signoria ist.
– Selbst die Marquise von Rudini? selbst die Fürstin von Butera?
– Ich nehme Niemand aus.
– Der Fürst bezahlt Sie, um mir zu schmeicheln, Theresa.
– Ich schwöre der gnädigen Frau, dass ich ihr nur das sage, was ich denke.
– O! was es so angenehm ist, in Palermo zu leben, sagte die Gräfin, indem sie mit voller Brust Atem schöpfte.
– Besonders, wenn man zwei und zwanzig Jahre alt, wenn man reich und wenn man schön ist, fuhr Theresa lächelnd fort.
– Du endigst meinen Gedanken; ich will daher auch Jedermann um mich herum glücklich sehen. Wann ist Deine Hochzeit, he?
Theresa antwortete nicht.
– War sie nicht für nächsten Sonntag bestimmt? fuhr die Gräfin fort.
– Ja, Signoria, antwortete die Kammerfrau seufzend.
– Was gibt es denn? Bist Du nicht mehr entschlossen?
– Doch, immer noch.
– Hast Du einen Widerwillen gegen Gaëtano?
– Nein, ich halte ihn für einen rechtschaffenen Mann, der mich glücklich machen wird. Außerdem ist diese Heirat ein Mittel, immer bei der Frau Gräfin zu bleiben, und das ist es, was ich wünsche.
– Warum seufzt Du dann?
– Die Signoria möge mir verzeihen, es ist eine Erinnerung unserer Heimat.
– Unserer Heimat?
– Ja, als die Frau Gräfin sich in Palermo erinnerte, dass sie in dem Dorfe, dessen Herr Ihr Vater war, eine Milchschwester zurückgelassen hätte, und sie mir schrieb, zu ihr zu kommen, stand ich im Begriffe, einen jungen Mann von Bauso zu heiraten.
– Warum hast Du mir davon Nichts gesagt? Der Fürst hatte ihn auf meine Empfehlung in seinen Hofhalt angestellt.
– O! er hätte kein Bedienter sein wollen, er ist zu stolz dazu.
– Wahrhaftig?
– Ja.
Er hatte bereits eine Stelle in dem Hause des Prinzen Golo ausgeschlagen.
– Dieser junge Mann war also ein vornehmer Herr?
– Nein, Frau Gräfin, er war ein einfacher Gebirgsbewohner.
– Wie hieß er?
– O! ich glaube nicht, dass die Signoria ihn kennt, sagte Theresa rasch.
– Und bedauerst Du ihn?
Ich vermöchte es nicht zu sagen. – Ich weiß nur so viel, dass, wenn ich seine Frau würde, statt die Gaëtanos zu sein, ich arbeiten müsste, um zu leben, und dass mir das sehr schwer werden würde, besonders bei dem Austritte aus dem Dienste der Frau Gräfin, die so nachsichtig und so sanft ist.
– Man beschuldigt mich indessen der Heftigkeit und des Stolzes; ist das wahr, Theresa?
– Die gnädige Frau ist vortrefflich gegen mich; das ist Alles, was ich sagen kann.
– Dieser Adel von Palermo ist es, der das sagt, weil die Grafen von Castelnuovo von Karl V. geadelt sind, während die Ventimilles und die Partannas, wie sie behaupten, von Tancred und von Roger abstammen. Aber die Frauen sind deshalb nicht bös auf mich, sie verbergen ihren Hass unter der Geringschätzung, und sie hassen mich, weil Rodolfo mich liebt und weil sie eifersüchtig auf die Liebe des Vizekönigs sind. Sie tun daher auch Alles, was sie vermögen, um ihn mir zu rauben, aber es wird ihnen nicht gelingen, ich bin weit schöner als sie; Carini sagt es mir täglich, und Du auch, Lügnerin.
– Es gibt hier Jemand, der ein noch weit größerer Schmeichler ist, als seine Exzellenz und ich.
– Und wer das?
– Der Spiegel der Frau Gräfin.
Närrin! Zünde die Kerzen der Psyche an. – Die Kammerfrau gehorchte. – Jetzt mach dieses Fenster zu und lass mich allein; das des Gartens wird genug Luft geben.
Theresa gehorchte und entfernte sich, kaum hatte die Gräfin sie verschwinden sehen, als sie sich vor die Psyche setzte, sich in dem Spiegel betrachtete und zu lächeln begann.
Diese Gräfin Emma, oder vielmehr
II
Gemma sank auf ihren Sessel zurück, und dieser Erscheinung und diesen Worten folgte ein Augenblick des Schweigens, während dem sie die Zeit hatte, einen raschen und furchtsamen Blick auf den Fremden zu werfen, der auf eine so wunderliche und ungewöhnliche Weise in ihr Zimmer gedrungen war.
Es war ein junger Mann von fünf und zwanzig bis sechs und zwanzig Jahren. welcher der Volksklasse anzugehören schien; er trug den calabresischen Hut mit einem breiten Bande, das wallend auf seine Achseln herabfiel eine Sammetjacke mit silbernen Knöpfen, ein Beinkleid von demselben Stoffe und mit ähnlichen Verzierungen, um seine Hüften trug er einen Gürtel von roter Seide mit Stickereien und grünen Fransen, wie man deren in Messina, die der Levante nachahmend, anfertigt. Endlich vervollständigten lederne Gamaschen und Schuhe dieses Gebirgskostüm, dem es nicht an Eleganz fehlte, und das gewählt zu sein schien, um die glücklichen Verhältnisse der Gestalt dessen hervorzuheben, der es angenommen hatte. Was sein Gesicht anbelangt, so war es von milder Schönheit; es waren diese starken, hervortretenden Züge der Männer des Südens, ihre kühnen und stolzen Augen, ihre schwarzen Haare und Bart, ihre Adlernase und ihre Schakalzähne.
Ohne Zweifel war Gemma durch diese Musterung nicht beruhigt, denn der Fremde sah sie den Arm nach der Seite des Tisches ausstrecken, und da er erriet, dass sie die silberne Schelle suchte, welche dort stand, sagte er zu ihr, indem er seiner Stimme jenen unendlichen Ausdruck von Sanftmut gab, für welche die sizilianische Sprache so günstig ist:
– Haben Sie mich nicht verstanden, gnädige Frau? Ich will Ihnen durchaus kein Leid zufügen, vielmehr, wenn Sie mir die Bitte bewilligen, welche ich an Sie richten will, will ich Sie wie eine Madonna anbeten; Sie sind ja so schön wie die Mutter Gottes, seien Sie auch eben so gut, als sie.
– Aber was wollen Sie denn nur von mir? sagte Gemma mit noch zitternder Stimme, und wie können Sie so zu dieser Stunde bei mir eintreten?
– Wenn ich Sie, edle, reiche und von einem Manne geliebte Dame, der fast ein König ist, um eine Unteredung gebeten hätte, ist es wahrscheinlich, dass Sie mir, dem Armen und Unbekannten, dieselbe bewilligt hätten, gnädige Frau? Wenn Sie außerdem diese Güte gehabt hätten, so konnten Sie zögern, mir zu antworten, und ich hatte nicht die Zeit zu warten.
– Was vermag ich denn für Sie? sagte Gemma, indem sie sich immer mehr beruhigte.
– Alles, gnädige Frau, denn Sie haben meine Verzweiflung oder mein Glück, meinen Tod oder mein Leben in Ihren Händen.
– Ich verstehe Sie nicht, erklären Sie sich.
– Sie haben ein junges Mädchen von Bauso in Ihren Diensten,
– Theresa? .
– Ja, Theresa, fuhr der junge Mann mit bebender Stimme fort; nun aber steht dieses junge Mädchen im Begriffe, sich mit einem Kammerdiener des Fürsten Carini zu verheiraten, und dieses junge Mädchen ist meine Verlobte.
– Ah! Sie sind es? . . .
– Ja. ich bin es, den sie in dem Augenblicke zu heiraten im Begriffe stand, als sie den Brief erhielt, welcher sie zu Ihnen berief. Sie versprach mir treu zu bleiben, mit Ihnen für mich zu sprechen, und, wenn Sie ihre Bitte ausschlügen, wieder zu mir zu kommen; ich wartete daher; aber drei Jahre, sind verflossen, ohne dass ich sie wiedersah, und da sie nicht zurückkehrte, so bin ich Hierher gekommen. Bei meiner Ankunft habe ich Alles erfahren, ich habe nun gedacht, mich Ihnen zu Füßen zu werfen, und Sie um Theresa zu bitten.
– Theresa ist ein Mädchen, das ich liebe, und von der ich mich nicht trennen will. Gaëtano ist der Kammerdiener des Fürsten, und indem sie ihn heiratet, wird sie bei mir bleiben.
– Wenn das eine Bedingung ist, so werde ich bei dem Fürsten in Dienst treten, sagte der junge Mann, indem er sich einen sichtlichen Zwang antat.
– Theresa hatte mir gesagt, dass Sie nicht dienen wollten.
– Das ist wahr! wenn es indessen sein muss, so werde ich dieses Opfer bringen; nur, wenn es möglich wäre, würde ich es vorziehen, auf seinen Gütern eine Stelle zu erhalten, als in seine Dienerschaft einzutreten.
– Es ist gut, ich werde mit dem Fürsten darüber sprechen, und wenn er einwilligt. . ..
– Der Fürst will Alles, was Sie wollen, gnädige Frau; Sie bitten nicht, Sie befehlen, ich weiß es.
– Aber wer wird mir Bürgschaft für sie leisten?
– Meine ewige Dankbarkeit, gnädige Frau.
– Dabei muss ich noch wissen, wer Sie sind.
– Ich bin ein Mann, dessen Unglück oder Glückseligkeit Sie machen können, das ist Alles.
– Der Fürst wird Ihren Namen von mir verlangen.
– Was kümmert ihn mein Name? kennt er ihn? Ist der Name eines Landmannes von Bauso jemals bis zu dem Fürsten gelangt?
– Aber ich, ich bin aus derselben Gegend, als Sie, mein Vater war Graf von Castelnuovo, und bewohnte eine kleine Feste, eine Viertelstunde weit von dem Dorfe.
– Ich weiß es, gnädige Frau, antwortete der junge Mann mit dumpfer Stimme.
– Nun denn? ich muss Ihren Namen kennen, so sagen Sie mir ihn denn, und ich werde sehen, was ich zu tun habe.
– Glauben Sie mir, Frau Gräfin, es ist besser, dass Sie ihn nicht kennen; was liegt an meinem Namen? Ich bin ein rechtschaffener Mann, ich werde Theresa glücklich machen, und wenn es sein muss, mich für den Fürsten und für Sie töten lassen.
– Ihr Eigensinn ist seltsam, und ich halte um so mehr darauf Ihren Namen zu wissen, als ich ihn bereits von Theresa verlangt, und diese, wie Sie, sich geweigert hat, ihn mir zu nennen. Ich sage Ihnen indessen im Voraus, dass ich nur unter dieser Bedingung etwas tun werde.
– Sie wollen es, gnädige Frau?
– Ich verlange es.
– Nun denn! zum letzten Mal, ich bitte Sie inständigst . . .
– Entweder Sie nennen Ihren Namen, oder Sie entfernen sich! sagte Gemma mit einer gebieterischen Gebärde.
– Ich heiße Pascal Bruno, antwortete der junge Mann mit so ruhiger Stimme, dass man hätte glauben können, alle Gemütsbewegung sei plötzlich verschwunden, wenn sein bleiches Ansehen nicht verraten hätte, was er in seinem Innern litt.
– Pascal Bruno! rief Gemma ihren Sessel zurück schiebend aus, Pascal Bruno! wären Sie etwa der Sohn Antonio Brunos, dessen Kopf in dem eisernen Käfige an dem Schloss von Bauso ist?
– Ich bin sein Sohn.
– Wohl an! wissen Sie, warum der Kopf Ihres Vaters dort ist, sagen Sie? Pascal schwieg.
– Nun denn, fuhr Gemma fort, weil Ihr Vater den meinigen hat ermorden wollen.
– Ich weiß das Alles, gnädige Frau, ich weiß ferner, dass, wenn man sie als Kind in dem Dorf spazieren führte, Ihre Kammerfrauen und Ihre Bedienten Ihnen diesen Kopf zeigten, indem sie zu Ihnen sagten, dass es der meines Vaters wäre, der den Ihrigen hätte ermorden wollen; aber was man Ihnen nicht sagte, gnädige Frau, das ist, dass Ihr Vater den meinigen entehrt hatte.
– Sie lügen.
– Gott soll mich strafen, wenn ich nicht die Wahrheit sage, gnädige Frau; meine Mutter war schön und sittsam, der Graf liebte sie, und meine Mutter widerstand allen Anträgen, allen Versprechungen, allen Drohungen, aber, als mein Vater eines Tages nach Taormino gegangen war, hat er sie von vier Mann entführen, in ein kleines, ihm angehörendes Haus zwischen Limero und Furnari bringen lassen, das jetzt ein Wirtshaus ist . . . Und dort! . . . dort, gnädige Frau, schändete er sie!
– Der Graf war Herr und Gebieter des Dorfes von Bauso; seine Bewohner gehörten ihm mit Leib und Gut an und er erwies Ihrer Mutter viel Ehre, dass er sie liebte!. . .
– Wie es scheint, dachte mein Vater nicht so, sagte Pascal, indem er die Stirn runzelte, und das ohne Zweifel, weil er in Stillea, auf dem Gebiete des Fürsten von Moncada-Paterno geboren war, was die Veranlassung war, dass er den Grafen traf. Die Wunde war nicht tödlich, um so besser, ich habe es lange bedauert, aber heute wünsche ich mir zu meiner Schande Glück dazu.
– Wenn ich mich recht erinnere, so ward Ihr Vater nicht allein als Mörder hingerichtet, sondern Ihre Oheime sind auch noch auf der Galeere?
– Sie hatten dem Mörder ein Obdach gewährt, sie hatten ihn verteidigt, als die Sbirren gekommen waren, um ihn zu verhaften; sie wurden als Mitschuldige angesehen, und, mein Oheim Placido nach Favignana, mein Oheim Pietro nach Livari und mein Oheim Pepe nach Vulcana gesandt. Was mich anbetrifft, so war ich zu jung, und obgleich man mich mit ihnen verhaftet hatte, so gab man mich doch meiner Mutter zurück.
– Und was ist aus Ihrer Mutter geworden?
– Sie ist gestorben.
– Wo das?
– In dem Gebirge, zwischen Pizzo de Goto und Risi.
– Warum hatte sie Bauso verlassen?
– Damit wir nicht jedes Mal, wenn wir vor dem Schloss vorübergingen, sie, den Kopf ihres Gatten, ich nicht den Kopf meines Vaters sähe. Ja, sie ist dort ohne Arzt, ohne Priester gestorben, sie ist in ungeweihter Erde begraben worden, und ich bin ihr einziger Totengräber gewesen. . . da, gnädige Frau, Sie werden mir hoffentlich verzeihen, habe ich auf der frisch umgegrabenen Erde geschworen, meine ganze Familie, die ich allein überlebte, denn ich rechne meine Oheime nicht mehr als dieser Welt angehörig, an Ihnen zu rächen, die Sie allein von der Familie des Grafen übrig sind. Aber, dem ist einmal nun so, ich wurde in Theresa verliebt; ich verließ meine Berge, um das Grab nicht mehr zu sehen, dem ich meineidig zu werden begann, ich ging in die Ebene hinab, ich näherte mich Bauso, und ich »hat noch mehr; als ich erfuhr, dass Theresa das Dorf verließe, um in Ihren Dienst zu treten, dachte ich daran, in den des Grafen zu treten. Ich bebte lange vor diesem Gedanken zurück, endlich gewöhnte ich mich daran. Ich gewann es über mich, Sie zu sehen; ich habe Sie gesehen, und hier bin ich ohne Waffen und als Bittender Ihnen gegenüber, gnädige Frau, vor der ich nur als Feind erscheinen durfte.
– Sie werden die Unmöglichkeit begreifen, antwortete Gemma, dass der Fürst einen Mann in seinen Dienst nimmt, dessen Vater gehangen worden, und dessen Oheime auf den Galeeren sind.
– Warum nicht, gnädige Frau, wenn dieser Mann zu vergessen einwilligt, dass alles das ungerechter Weise geschehen ist?
– Sie sind wahnsinnig!
– Frau Gräfin, wissen Sie, was ein Schwur für einen Gebirgsbewohner ist? Wohl an! ich werde meinen Eid brechen. Sie wissen, was die Rache für einen Sizilianer ist? Wohl an! ich werde auf meine Rache verzichten . . . Ich wünsche Nichts mehr als zu vergessen, zwingen Sie mich nicht, mich zu erinnern.
– Und was würden Sie in diesem Falle tun?
– Ich will nicht daran denken.
– Es ist gut! wir werden unsere Maßregeln dem zu Folge treffen.
– Ich bitte Sie inständigst, Frau Gräfin, seien Sie gütig für mich; Sie sehen, dass ich tue, was ich vermag, um ein rechtschaffener Mann zu bleiben. Sobald ich einmal bei dem Fürsten in Diensten stehe, sobald ich der Gatte Theresas bin, so stehe ich für mich . . . Außerdem werde ich nicht nach Bauso zurückkehren.
– Das ist unmöglich.
– Frau Gräfin. Sie haben geliebt! (Gemma lächelte geringschätzend.) Sie müssen also wissen, was Eifersucht ist; Sie müssen wissen, was man leidet und wie man sich dem Wahnsinn nahe fühlt. Wohl an! ich liebe Theresa, ich bin eifersüchtig auf sie, ich fühle, dass ich den Verstand verlieren würde, wenn diese Heirat sich nicht schließt, und dann. . .
– Und dann?
– Dann! . . . wehe dann, wenn ich mich des Käfigs erinnere, in welchem der Kopf meines Vaters ist, der Galeeren, auf denen meine Oheime leben, und des Grobes, in welchem meine Mutter schläft.
In diesem Augenblicke ließ sich ein seltsamer Schrei der ein Signal zu sein schien, unten an dem Fenster hören, und fast sogleich läutete eine Schelle.
– Da ist der Fürst! rief Gemma aus.
– Ja, ja, ich weiß es, murmelte Pascal mit dumpfer Stimme, aber bevor er an diese Tür gekommen ist, haben Sie noch die Zeit, mir Ja zu sagen. Ich bitte Sie inständigst, gnädige Frau, bewilligen Sie mir das, war« um ich Sie bitte, geben Sie mir Theresa, stellen Sie mich bei dem Fürsten an.
– Lassen Sie mich durch, sagte Gemma gebieterisch, indem sie auf die Tür zuschritt; aber weit davon entfernt zu gehorchen, stürzte Bruno auf den Riegel zu, den er vorschob. – Sollten Sie es wagen, mich zurückzuhalten? fuhr Gemma fort, indem sie die Schnur einer Schelle ergriff. – Zu Hilfe! zu Hilfe! zu Hilfe!
– Rufen Sie nicht, gnädige Frau, sagte Bruno, in» dem er sich noch beherrschte, denn ich habe Ihnen gesagt, dass ich Ihnen kein Leid zufügen wollte. – Ein zweiter Schrei gleich dem ersten, ließ sich unten an dem Fenster hören. – Es ist gut, es ist gut, Ali, Du wachst getreulich, mein Sohn, sagte Bruno. Ja, ich weiß, dass der Graf kommt, ich höre seine Schritte auf dem Korridor. Gnädige Frau, gnädige Frau, es bleibt Ihnen noch ein Augenblick, eine Sekunde, und alles das Unglück, welches ich voraussehe, wird nicht stattfinden.
– Zu Hilfe! Rodolfo, zu Hilfe! rief Gemma aus.
– Sie haben also weder Herz, noch Seele, noch Erbarmen, weder für sich noch für Andere! sagte Bruno, indem er mit seinen Händen in seine Haare fuhr und die Tür anblickte, welche man gewaltsam erschütterte.
– Ich bin eingeschlossen, fuhr die Gräfin fort, indem sie sich durch den herzukommenden Beistand beruhigte.
– mit einem Manne eingeschlossen, der mir droht. Zu Hilfe! zu Hilfe! Rodolfo, zu Hilfe! zu Hilfe!
– Ich drohe nicht, ich bitte . . . ich bitte noch . . . aber da Sie es wollen! . . .
Bruno stieß das Brüllen eines Tigers aus, und stürzte auf Gemma zu, um sie ohne Zweifel zwischen seinen Händen zu erdrosseln, denn, wie er gesagt, er hatte keine Waffen. Im selben Augenblicke ging eine geheime Tür im Hintergrunde des Alkovens auf, ein Pistolenschuss knallte, das Zimmer füllte sich mit Dampf, und Gemma sank in Ohnmacht.
Als sie wieder zu sich kam, befand sie sich in den Armen ihres Geliebten, ihre Augen suchten voller Entsetzen um sich herum in dem Zimmer, und sobald sie ein Wort auszusprechen vermochte, sagte sie:
– Was ist aus diesem Manne geworden?
– Ich weiß es nicht. Ich muss ihn gefehlt haben, antwortete der Fürst, denn, während ich über das Bett stieg, ist er aus dem Fenster gesprungen, und da ich Sie ohne Bewusstsein sah, habe ich mich nicht um ihn, sondern um Sie bekümmert. Ich muss ihn gefehlt haben, wiederholte er, indem er die Augen in dem Zimmer herum warf, und dennoch ist es sonderbar, ich sehe die Kugel nicht in der Tapete.
– Lassen Sie ihm nachsetzen, rief Gemma aus, und keine Gnade, kein Erbarmen für diesen Mann, gnädiger Herr, denn dieser Mann ist ein Bandit, der mich ermorden wollte.
Man suchte die ganze Nacht in der Villa, in den Gärten und an dem Ufer, aber vergebens; Pascal Bruno war verschwunden.
Am folgenden Morgen entdeckte man eine Blutspur, welche unten an dem Fenster anfing, und sich an dem Meere verlor.
III
Mit Tagesanbruch verließen Fischerbarken wie gewöhnlich den Hafen, und zerstreuten sich auf dem Meere; die eine von ihnen, auf welcher sich ein Mann und ein Knabe von zwölf bis vierzehn Jahren befanden, hielt indessen im Angesicht von Palermo an, zog ihr Segel ein, um beizulegen, und da diese Regungslosigkeit an einem für den Fischfang wenig günstigen Orte Verdacht auf sie ziehen konnte, so beschäftigte sich der Knabe damit, seine Netze auszubessern; was den Mann anbetrifft, so lag er in dem Boote, den Kopf auf eines der Borde gestützt, und schien in ein tiefes Sinnen versunken, von Zeit zu Zeit schöpfte er indessen wie mit einer maschinenmäßigen Bewegung Seewasser mit seiner rechten Hand, und goss dieses Wasser auf seine linke, mit einer blutigen Binde zusammengezogene Schulter. Dann zog sich sein Mund mit einem so wunderlichen Ausdrucke zusammen, dass man Mühe gehabt hätte zu unterscheiden, ob es ein Lachen oder ein Knirschen der Zähne wäre, das ihm diesen Ausdruck verlieh. Dieser Mann war Pascal Bruno, und dieser Knabe war der, welcher, unten an dem Fenster stehend, ihm zwei Male durch einen Schrei das Signal zur Flucht gegeben hatte; auf den ersten Blick konnte man ihn leicht für den Sohn eines noch weit heißeren Landes erkennen, als das, in dem sich die Ereignisse zutragen, welche wir erzählen. In der Tat, dieser Knabe war an der Küste von Afrika geboren, und sehen wir jetzt, wie Bruno und er einander begegnet waren.
Es war ungefähr ein Jahr her, dass Algerische Seeräuber, welche wussten, dass der Fürst von Moncada-Paterno, einer der reichsten Herren von Sizilien, in einem kleinen Speronaro von Pantellerie nach Cutanea, nur von ein Dutzend Männern seines Gefolges begleitet zurückkehrte, sich hinter der ungefähr zwei Meilen weit von der Küste gelegenen Insel Porri einschifften. Wie die Seeräuber es vorhergesehen, kam das Schiff des Fürsten zwischen der Insel und dem Ufer vorüber; aber in dem Augenblicke, wo sie es in der Meerenge sahen, verließen sie mit drei Barken die kleine Bucht, in welcher sie versteckt waren, und ruderten mit aller Macht, um dem, Schiffe des Fürsten den Weg abzuschneiden. Dieser befahl sogleich dem Lande zuzusteuern, und das Schiff auf den Strand von Fugello laufen zu lassen. Da an dem Orte, wo das Schiff aufgefahren war, das Wasser kaum drei Fuß Tiefe hatte, so sprangen der Fürst und sein Gefolge in das Meer, indem sie ihre Waffen über ihre Köpfe hielten, und das Dorf zu erreichen hofften, das sie ungefähr eine halbe Meile weit von da sich erheben sahen, ohne dass sie nötig hätten, sich ihrer zu bedienen. Kaum aber waren sie gelandet, als ein anderer Haufen von Seeräubern, der in der Voraussicht dieses Manövers mit einer Barke dem Bufaidonne wieder hinaufgefahren war, aus dem Schilfe hervorkam, in dessen Mitte der Fluss stießt, und dem Fürsten den Rückzug abschnitt, auf den er rechnete. Der Kampf begann sogleich, aber während die Leute des Fürsten mit diesem ersten Haufen zu tun hatten, langte der zweite an, und da jeder Widerstand sichtlich nutzlos wurde, so ergab sich der Fürst, indem er Lösegeld für sich und sein ganzes Gefolge zu bezahlen versprach. In dem Augenblicke, wo die Gefangenen ihre Waffen gestreckt hatten, erblickte man einen Haufen von Landleuten, welche mit Gewehren und Sensen bewaffnet herbeieilten. Die Seeräuber, welche, Heeren der Person des Fürsten, dem zu Folge den Zweck erreicht hatten, den sie wünschten, warteten die neu Ankommenden nicht ab, und schifften sich mit einer solchen Eile ein, dass sie drei Mann ihrer Mannschaft, welche sie für tot oder für tödlich verwundet hielten, auf dem Schlachtfelde zurückließen.
Unter denen, welche so herbeieilten, befand sich Pascal Bruno, dessen unstetes Leben ihn bald hier bald dorthin führt«, und den sein unruhiger Geist in alle abenteuerliche, Unternehmungen verwickelte. Auf dem Strande angelangt, wo der Kampf stattgefunden hatte, , fanden die Landleute einen Bedienten des Fürsten von Paterno tot, einen andern leicht an dem Schenkel verwundet, und drei Seeräuber in ihren, Blute ausgestreckt, aber noch atmend. Zwei Flintenschüsse hatten bald jedem von ihnen Gerechtigkeit widerfahren lassen, und ein Pistolenschuss sollte eben den dritten seinen Kameraden nachsenden, als Bruno, der bemerkte, dass es ein Kind wäre, die Hand abwandte, die eben das Pistole losdrücken wollte, und erklärte, dass er den Verwundeten unter seinen Schutz nähme. Einige Einsprüche erhoben sich gegen dieses Mitleiden, das unzeitig schien; wenn aber Bruno einmal etwas gesagt hatte, so beharrte er auch darauf; er spannte daher seine Büchse, und erklärte, dass er dem ersten den Kopf zerschmettern würde, der sich seinem Schützling näherte, und da man ihn als einen Mann kannte, der seine Drohung augenblicklich in Ausführung brachte, so ließ man ihn den Knaben in seine Arme nehmen und sich mit ihm entfernen. Bruno ging sogleich nach dem Ufer zu, stieg in eine Barke, in welcher er gewöhnlich seine abenteuerlichen Züge machte, und deren Eigenschaften er so genau kannte, das sie ihm wie ein Pferd seinem Reiter zu gehorchen schien, spannte sein Segel und steuerte nach dem Vorgebirge Aliga-Grande.
Kaum hatte er sich überzeugt, dass die Barke den rechten Strich verfolgte und ihres Steuermannes nicht mehr bedürfe, als er sich mir seinem immer noch ohnmächtigen Verwundeten beschäftigte. Er schlug den weißen Burnus zurück, in den er gehüllt war, schnallte den Gürtel ab, in welchem noch sein Yatagan steckte, und sah bei dem letzten Scheine der untergehenden Sonne, dass die Kugel zwischen der rechten Hüfte und den falschen Rippen eingedrungen und am Rückgrate wieder herausgekommen wäre, die Wunde war gefährlich, aber nicht tödlich.
Der Abendwind, das Gefühl von Frische, das von dem Seewasser hervorgebracht ward, mit welchem Bruno die Wunde wusch, brachten den Knaben wieder zur Besinnung, ohne die Augen aufzuschlagen, sprach er einige Worte in einer unbekannten Sprache aus, aber Bruno, welcher wusste, dass eine Schusswunde gewöhnlich einen heftigen Durst hervorbrachte, erriet, dass er zu trinken verlange, und näherte seinen Lippen eine Flasche mit Wasser; der Knabe trank begierig, stieß einige undeutliche Klagen aus, und sank wieder in seine Ohnmacht zurück. Pascal legte ihn so weich als er es vermochte auf den Boden seiner Barke, und indem er die Wunde der Luft ausgesetzt ließ, fuhr er fort, von fünf zu fünf Minuten sein in Seewasser getauchtes Taschentuch darauf zu drücken, ein Mittel, das die Seeleute gegen alle ihre Wunden für wirksam halten.
Gegen die Stunde des Aue Maria befanden sich unsere Seefahrer an der Mündung der Ragusa, der Wind blies von Afrika, Pascal hatte daher nur ein leichtes Manöver zu machen, um in den Fluß einzufahren, und drei Stunden nachher fuhr er, indem er Modica zur Rechten ließ, unter der, auf der von Noto nach Chiaramonti führenden Heerstraße geschlagenen Brücke durch. So legte er noch eine halbe Meile zurück; da aber nun der Fluss aufhörte schiffbar zu sein, so zog er seine Barke in die Oleander- und Papyrus-Büsche, welche das Ufer begrenzen, und indem er den Knaben wieder auf seine Arme nahm, trug er ihn Land einwärts. Bald erreichte er den Eingang eines Thales, in das er sich vertiefte» und es dauerte nicht lange, dass er zu seiner Rechten und zu seiner Linken den Berg steil wie eine Mauer und von Stelle zu Stelle ausgehöhlt fand, denn in diesem Thale sind die letzten Reste einer alten Troglodyten, Stadt, dieser ersten Ansiedlungen der Insel, welche die griechischen Kolonien zivilisierten. Bruno trat in eine dieser Höhlen, die durch eine Treppe mit einem oberen Stocke in Verbindung stand, dem ein einziges viereckiges Loch in Form eines Fensters Luft gab; ein Bett von Schilf war in einer Ecke aufgehäuft; er breitete den Burnus des Knaben darauf aus und legte ihn auf den Burnus; stieg dann wieder hinab, um Feuer anzuzünden, und kehrte bald mit einem brennenden Fichtenzweige zurück, den er in der Wand befestigte, dann setzte er sich neben das Lager des Verwundeten auf einen Stein, und wartete, bis er wieder zu sich käme.
Es war nicht das erste Mal, dass Bruno diese Zufluchtsstätte besuchte; oft war er auf seinen zwecklosen Streifzügen, die er durch Sizilien unternahm, um sein einsames Leben zu zerstreuen, die Tätigkeit seines Geistes zu beruhigen und seine bösen Gedanken zu verscheuchen, in dieses Tal gekommen, und hatte dieses seit drei Tausend Jahren in dem Felsen ausgehauene Zimmer bewohnt, dort gab er sich jenen unbestimmten und unzusammenhängenden Träumereien hin, welche den denkenden Menschen, denen die Wissenschaft fehlt, eigentümlich sind. Er wusste, dass es ein von der Erde verschwundenes Geschlecht wäre, welche in fernen Zeiten diese Zufluchtsstätten ausgehauen, hatten, und, dem Volksaberglauben ergeben, glaubte er wie alle Bewohner der Umgegend, dass diese Menschen Zauberer waren; dieser Glaube aber, weit davon entfernt ihn von diesen furchtbaren Orten zurückzuhalten, zog ihn vielmehr unwiderstehlich dorthin, er hatte in seiner Jugend gar viele Geschichten von bezauberten Waffen, von unverwundbaren Menschen, von unsichtbaren Reisenden erzählen hören, und seine furchtlose und nach dem Wunderbaren begierige Seele hegte nur einen Wunsch, nämlich den, irgend ein solches fabelhaftes Wesen, einen Hexenmeister, Zauberer oder Dämon anzutreffen, das ihm mittelst eines höllischen Bündnisses eine übernatürliche Gewalt verleihe, welche ihm Überlegenheit über die andern Menschen verschaffen würde. Aber vergebens hatte er die Schatten der ehemaligen Bewohner des Thales von Modica beschworen; keine Erscheinung hatte auf seine Wünsche geantwortet, und Pascal Bruno war zu seiner großen Verzweiflung ein Mensch wie andere Menschen geblieben, nur mit Ausnahme der Kraft und Gewandtheit, welche wenig Gebirgsbewohner in einem Grade besaßen, der mit ihm hätte verglichen werden können,
Seit ungefähr einer Stunde träumte Bruno so neben seinem jungen Verwundeten, als dieser aus dem Zustande von Erstarrung erwachte, in welche er versunken war; er schlug die Augen auf, blickte mit einer Art von Verwirrung um sich, und ließ seine Blicke auf dem verweilen, der ihn gerettet hatte, ohne noch zu wissen, ob er in ihm einen Freund oder einen Feind sehen solle. Während dieser Prüfung, und in einem unbestimmten Instinkte der Verteidigung, legte der Knabe die Hand an seinen Gürtel, um seinen getreuen Yatagan zu suchen, als er ihn aber dort nicht fand, stieß er einen Seufzer aus.
– Leidest Du? sagte Bruno zu ihm, indem er, um sich verständlich zu machen, jene Frankensprache an» wandte, welche die allgemeine Sprache der Küsten des mittelländischen Meeres von Marseille bis nach Alexandrien, von Constantinopel bis Algier ist, und mit deren Hilfe man die Runde der alten Welt machen kann.
– Wer bist Du? antwortete der Knabe.
– Ein Freund.
– Ich bin also kein Gefangener?
– Nein.
– Und wie komme ich dann hierher?
Pascal erzählte ihm Alles, der Knabe hörte ihm aufmerksam zu; als der Erzähler seinen Bericht beendigt, heftete jener seine Augen auf die Brunos, und sagte mit dem Ausdrucke inniger Dankbarkeit zu ihm:
Du willst also mein Vater sein, da Du mir das Leben gerettet hast?
Ja, sagte Bruno, ich will es.
– Vater, sagte der Verwundete, Dein Sohn nennt sich Ali, und Du, wie nennst Du Dich?
– Pascal Bruno.
– Allah beschütze Dich! sagte der Knabe.
– Wünschest Du irgend etwas?
– Ja, Wasser, ich habe Durst.
Pascal nahm eine irdene, in einer Vertiefung des Felsens verborgene Schale, und ging hinab, um Wasser an einer Quelle zu schöpfen, welche neben der Höhle floss. Als er wieder hinaufkam, warf er die Augen auf den Yatagan des Knaben, und er sah, dass dieser nicht einmal daran gedacht hatte, sich ihm zu nähern. Ali nahm begierig die Schale und leerte sie in einem Zuge.
– Allah möge Dir eben so viel glückselige Jahre verleihen, als sich Tropfen Wasser in dieser Schale befanden.
– Du bist ein gutes Geschöpf, murmelte Bruno, sorge jetzt nur für Deine Genesung, und wenn Du geheilt bist, so kannst Du nach Afrika zurückkehren.
Der Knabe genas und blieb in Sizilien, denn er hatte eine heftige Freundschaft zu Bruno gefasst, dass er ihn nie mehr verlassen wollte. Seitdem war er beständig bei ihm geblieben, er begleitete ihn auf seinen Jagden in den Gebirgen, half ihm seine Barke auf dem Meere steuern, und war bereit, sich auf einen Wink des Mannes töten zu lassen, den er seinen Vater nannte.
Am Tage zuvor hatte er ihn nach der Villa des Fürsten von Carini begleitet; er erwartete ihn unter den Fenstern während seiner Unterredung mit Gemma, und er war es, der diesen zweimaligen Alarmruf ausgestoßen hatte, das erste Mal, als der Fürst an dem Gittertor geläutet, und das zweite Mal, als er in das Schloss eingetreten war. Er stand im Begriffe, selbst in das Zimmer hinaufzugehen, um Bruno Hilfe zu leisten, wenn es nötig wäre, als er diesen aus dem Fenster springen sah. Er folgte ihm auf seiner Flucht. Beide gelangten an das Ufer, warfen sich in ihre Barke, welche sie erwartete, und da sie in der Nacht nicht das hohe Meer erreichen konnten, ohne Argwohn zu erwecken, so begnügten sie sich, sich unter die Fischerbalken zu mischen, welche den Anbruch des Tages erwarteten, um den Hafen zu verlassen.
Während dieser Nacht erwies Ali nun auch Pascal alle die Pflege, welche er in einem ähnlichen Zustande von ihm erhalten hatte, denn der Fürst von Carini hatte richtig gezielt, und die Kugel, welche er vergebens in seiner Tapete suchte, hatte die Schulter Brunos fast durchbohrt, so dass Ali mit seinen Yatagan nur einen leichten Einschnitt zu machen brauchte, um sie an der entgegengesetzten Seite von der, durch welche sie eingedrungen war, wieder heraus zu ziehen. Alles das hatte sich zugetragen, ohne dass Bruno sich kaum darein mischte und nur daran zu denken schien, und das einzige Zeichen von Aufmerksamkeit, welches er seiner Wunde widmete, war, wie wir bemerkt, sie von Zeit zu Zeit mit Seewasser anzufeuchten, während der Knabe tat, als ob er seine Netze ausbessere.
– Vater, sagte Ali plötzlich, indem er sich in dieser scheinbaren Beschäftigung unterbrach, sieh doch nach der Seile des Landes!
– Was gibt es?
– Ein Haufen von Leuten.
– Wo das?
– Dort, auf dem Wege nach der Kirche.
In der Tat, eine ziemlich zahlreiche Gesellschaft ging den sich windenden Weg hinauf, auf welchen man auf den heiligen Berg gelangte. Bruno erkannte, dass es das Gefolge einer Hochzeit wäre, die sich nach der Kapelle der heiligen Rosalia begab.
– Steuere nach dem Lande und rudere herzhaft, rief er aus, indem er sich völlig aufrichtete.
Der Knabe gehorchte, ergriff mit jeder Hand ein Ruder, und las kleine Boot schien über die Oberfläche des Meeres dahinzufliegen.
In dem Maße, als es sich dem Ufer näherte, nahmen Brunos Züge einen immer schrecklicheren Ausdruck an; endlich, als sie nur noch ungefähr eine halbe Meile entfernt waren, rief er mit dem Ausdrucke kaum zu schildernder Verzweiflung aus:
– Das ist Theresa! Sie haben die Verheiratung beschleunigt, sie haben den Sonntag nicht abwarten wollen, sie haben sich gefürchtet, dass ich sie bis dahin entführen möchte! . . . Gott ist mein Zeuge, dass ich Alles getan habe, was ich vermocht, damit alles ein gutes Ende nähme. . . Sie sind es, die es nicht gewollt, wehe ihnen! Bei diesen Worten spannte Bruno mit Alis Hilfe das Segel der kleinen Barke auf, welche, indem sie sich um den Berg Pellegrino wandte, nach Verlauf von zwei Stunden hinter dem Vorgebirge Gallo verschwand.
IV
Pascal hatte sich nicht geirrt. Aus Furcht vor irgend einem Unternehmen von Seiten Brunos hatte die Gräfin die Verheiratung um drei Tage beschleunigt, ohne Theresa etwas von der Zusammenkunft zu sagen, welche sie mit ihrem Geliebten gehabt hatte, und aus besonderer Frömmigkeit hatten die bellen Gatten für die Feier der Hochzeit die Kapelle der heiligen Rosalie, der Schutzpatronin von Palermo, gewählt.
Das ist wieder einer der charakteristischen Züge von Palermo, einer ganz der Liebe gehörenden Stadt, sich unter den Schutz einer jungen und hübschen Heiligen gestellt zu haben. Die heilige Rosalie ist daher auch für Palermo das, was der heilige Januarius für Neapel ist, die allmächtige Spenderin der Wohltaten des Himmels, aber sie ist mehr als der heilige Januarius, sie ist von französischem und königlichem Geschlecht und sie stammt in gerader Linie von Karl dem Großen1 ab, wie es ihr über der äußern Tür der Kapelle gemalter Stammbaum beweist, ein Baum, dessen Stamm aus der Brust von Wittekinds Besieger emporsproßt, und nachdem er sich in verschiedene Zweige geteilt, diese auf dem Gipfel wieder vereinigt, um den Fürsten Sinebaldo, dm Vater der heiligen Rosalie, entstehen zu lassen. Aber aller Adel ihres Geschlechtes, aller Reichtum ihres Hauses, alle Schönheit ihrer Person vermochten nichts über die junge Prinzessin. Sie verließ im Alter von achtzehn Jahren den Hof Rüdigers, und zu dem beschauenden Leben fortgerissen, verschwand sie plötzlich, ohne dass man wusste, was aus ihr geworden wäre, und erst nach ihrem Tode fand man sie schön und frisch, als ob sie noch lebte, in der Grotte wieder, die sie bewohnt hatte, und in derselben Stellung, in welcher sie in dem keuschen und unschuldigen Schlummer der Auserkorenen entschlafen war.
Diese Grotte war an der Seite des vor alten Zeiten Evita genannten Berges ausgehöhlt, der in dem Laufe der punischen Kriege durch die uneinnehmbaren Stellungen so berühmt war, welche er den Carthaginensern lieferte;, aber heut zu Tage hat der profane Berg den Namen gewechselt. Sein unfruchtbares Haupt hat die Taufe des Glaubens erhalten und man nennt ihn den Berg Pellegrino, ein Wort, das in seiner doppelten Bedeutung gleicher Weise der kostbare Hügel oder der Berg des Pilgers sagen will. Im Jahre 1624 verheerte Palermo eine Pest; die heilige Rosalie wurde angerufen. Man holte den wunderthuenden Leib aus der Grotte, brachte ihn mit großem Prunke in die Kathedrale von Palermo, und kaum hatten die heiligen Gebeine die Schwelle des halbchristlichen, halbarbarischen, von dem Erzbischof Gauthier erbauten Monumentes berührt, als auf die Bitte der Heiligen, Jesus Christus nicht allein die Pest, sondern auch noch den Krieg und die Hungersnot aus der Stadt verjagte, wie es das von Cannova errichtete Basrelief der Villa-Reale beweist. Damals verwandelten die dankbaren Bewohner von Palermo die Grotte der heiligen Rosalie in eine Kirche, stellten den herrlichen Weg her, der zu ihr führt und dessen Bau in jene Zeiten zurückzugehen scheint, in denen eine römische Kolonie eine Brücke oder eine Wasserleitung, gleich der Granitunterschrift der Mutterstadt, von einem Berge zu dem andern schlug. Endlich wurde die Leiche der Heiligen durch eine liebliche, mit Rosen bekränzte und in der Stellung, in welcher die Heilige entschlafen, an dem Orte selbst, an welchem sie wiedergefunden worden, liegende Marmorstatue ersetzt, und das Meisterstück des Künstlers wurde noch durch ein königliches Geschenk bereichert. Karl III. von Bourbon schenkte ihr ein fünfundzwanzig Tausend Livres geschätztes Kleid von Goldstoff ein Halsband von Diamanten und kostbare Ringe, und da er die ritterlichen Ehren mit den weltlichen Reichtümern vereinigen wollte, so erlangte er für sie das Großkreuz von Malta, das an einer goldenen Kette hängt, und den Orden der Maria Theresia, der in einem mit Lorbeeren umgebenen Stern mit dem Wahlspruch besteht: F o r t i t u d i n i.
Was die Grotte selbst anbetrifft, so ist sie eine, in ein mit Kalklagen bedecktes Urgebirge gehauene Höhle, von deren Gewölbe glänzende Tropfsteine herabhängen; zur Linken befindet sich ein Altar, in dessen unterem Teile die Statue der Heiligen liegt, die man durch ein goldenes Gitter sieht, und hinter dem Altar stießt die Quelle, an welcher sie ihren Durst löschte. Was die Halle dieser natürlichen Kirche anbelangt, so ist sie durch einen Zwischenraum von drei bis vier Fuß von ihr getrennt, durch welchen das Tageslicht hereinfällt und Efeugewinde herabhängen, so dass die Sonnenstrahlen gleich einem lichtvollen Vorhang den Geistlichen von seinen Zuhörern trennen.
In dieser Kirche wurden Theresa und Gaëtano verheiratet.
Als die Feierlichkeit beendigt, begab sich der Hochzeitszug wieder nach Palermo hinab, wo ihn Wagen erwarteten, um die Gäste nach dem Dorfe Carini zu führen, ein fürstliches Lehen, von welchem Rodolfo seinen Namen und seinen Titel hatte. Dort waren durch die Aufmerksamkeit der Gräfin alle Vorbereitungen zu einem Prachtvollen Mahle getroffen worden; die Landleute der Umgegend waren eingeladen, sie waren von zwei bis drei Stunden im Umkreise, von Montreale, von Capaci und von Favarola herbeigeeilt, und unter allen diesen jungen Landleuten, welche ländlichen Prunk gezeigt hatten, erkannte man die von
Tische waren auf einer von grünen Eichen und schirmenden Fichten beschatteten, von Orangen- und Zitronenbäumen duftenden Esplanade gedeckt worden, welche von Hecken von Granat« und indischen Feigenbäumen umgeben war, eine doppelte Wohltat der Vorsehung, die, indem sie an den Hunger und an den Durst des Armen dachte, diese Bäume gleich einer neuen Manna auf der ganzen Ausdehnung von Sizilien ausgesät hat. Man gelangt zu dieser Esplanade auf einem mit Aloes eingefasstem Wege, deren riesenhafte Blumen, die in der Ferne den Lanzen arabischer Reiter gleichen, einen weit glänzenderen und weit festeren Faden als den des Hanfes und des Flachses enthalten, und während im Süden die Aussicht durch den Palast begrenzt war, über dessen Terrasse sich die Gebirgskette erhob, welche die Insel in drei große Regionen trennt, sah man in Westen, in Norden und in Osten, an den äußersten Enden dreier Täler, dreimal dieses herrliche Meer von Sizilien wieder, das man nach seinen verschiedenen Farben für drei Meere gehalten hätte; denn durch ein von der Sonne, welche am Horizonte zu verschwinden begann, hervorgebrachtes Spiel des Lichtes war es nach der Seite von Palermo himmelblau, um die Fraueninsel herum rollte es Silberwellen, während seine Wogen sich wie flüssiges Gold an den Felsen von Saint-Vito brachen.
Im Augenblicke des Nachtisches und als das Hochzeitsfest eben in seiner vollen Freude war, öffneten sich die Thor des Schlosses und Gemma, auf die Schulter des Fürsten gestützt, mit zwei Dienern voraus, welche Fackeln trugen, und von einer Welt von Bedienten gefolgt, ging die Marmortreppe hinab und näherte sich der Esplanade. Die Landleute wollten aufstehen, aber der Fürst gab ihnen einen Wink, sich nicht stören zu lassen. Gemma und er begannen die Runde um die Tische und blieben zuletzt hinter den Brautleuten stehen. Nun reichte ein Diener einen goldenen Becher hin, Gaëtano füllte ihn mit Wein von Syracus, der Diener bot den Becher Gemma, Gemma sprach einen Wunsch zu Gunsten der Neuvermählten aus, berührte mit ihren Lippen den goldenen Becher und reichte ihn dem Prinzen, der, indem er ihn mit einem Zuge leerte, eine Börse voll Unzen2 hineinschüttete und ihn Theresa überbringen ließ, deren Hochzeitsgeschenk es war; im selben Augenblicke ließen sich die Rufe: Es lebe der Fürst von Carini! es lebe die Gräfin von Castel-Nuovo! hören; die Esplanade erleuchtete sich wie durch einen Zauber, und die edlen Besucher entfernten sich, indem sie, wie eine himmlische Erscheinung, Licht und Freude zurückließen.
Kaum waren sie mit ihrem Gefolge in das Schloss zurückgekehrt, als sich eine heitere Musik hören ließ, die jungen Leute verließen die Tische und eilten noch dem für den Tanz zubereiteten Orte. Gaëtano stand dem Gebrauche gemäß im Begriffe, den Ball mit seiner Braut zu eröffnen, und schon schritt er auf sie zu, als ein Fremder, der auf dem Wege der Aloes ankam, auf der Esplanade erschien; es war Pascal Bruno im calabresischen Kostüme, das wir bereits geschildert haben; nur befanden sich ein Paar Pistolen und ein Dolch in seinem Gürtel, und seine Jacke, wie ein Husarendolman über seine rechte Schulter geworfen, ließ den blutigen Ärmel seines Hemdes sehen. Theresa war die erste, welche ihn erblickte; sie stieß einen Schrei aus, und indem sie ihre entsetzten Augen auf ihn heftete, blieb sie bleich und starr wie bei dem Anblicke einer Erscheinung stehen. Jeder wandte sich nach dem Neu angekommenen um, und diese ganze Menge blieb in schweigender Erwartung, denn sie erriet, dass sich irgend etwas Schreckliches zutragen würde. – Pascal Bruno schritt gerade auf Theresa zu, und indem er vor ihr stehen blieb, schlug er die Arme übereinander und blickte sie fest an.
– Sie sind es, Pascal? murmelte Theresa.
– Ja, ich bin es, antwortete Bruno mit heiserer Stimme; ich habe in Bauso, wo ich Sie erwartete, erfahren, dass Sie sich in Carini verheiraten würden, und ich bin hoffentlich zeitig genug gekommen, um mit Ihnen die erste Tarantella zu tanzen.
– Das ist das Recht des Bräutigams, unterbrach ihn Gaëtano, welcher sich näherte.
– Es ist das Recht des Geliebten, antwortete Bruno. Nun denn, Theresa, wie mir scheint, ist dies das Geringste, was Sie für mich tun können.
– Theresa ist meine Gattin, rief Gaëtano aus, indem er den Arm nach ihr ausstreckte.
– Theresa ist meine Geliebte, sagte Pascal, indem er ihr die Hand reichte.
– Zu Hilfe! rief Theresa aus.
Gaëtano packte Pascal beim Kragen; aber im selben Augenblicke stieß er einen Schrei aus und sank, mit dem Dolche Pascals bis an das Heft in der Brust, zu Boden. Die Männer machten eine Bewegung, um über den Mörder herzufallen, der kaltblütiger Weise eine Pistole aus dem Gürtel zog und sie spannte, dann gab er den Musikanten mit der Pistole einen Wink, die Musik der Tarantella zu beginnen. Sie gehorchten maschinenmäßig; jeder blieb regungslos.
– Vorwärts, Theresa! sagte Bruno.
Theresa schien kein lebendiges Wesen mehr zu sein, sondern ein Automat, dessen Feder die Furcht war. Sie gehorchte, und dieser grässliche Tanz neben einer Leiche dauerte bis auf den letzten Takt. Endlich hörten die Musikanten auf, und als ob diese Musik Theresa allein aufrecht erhalten hätte, sank sie ohnmächtig auf die Leicht Gaëtano’s.
– Ich danke Dir, Theresa, sagte der Tänzer, indem er sie mit trockenem Auge anblickte. Und jetzt, wenn es hier Jemanden gibt, der meinen Namen zu wissen wünscht, um mich anderswo wiederzufinden, ich nenne mich Pascal Bruno.
– Der Sohn Antonio Bruno’s, dessen Kopf an dem Schloss Bauso in einem eisernen Käfig ist? sagte eine Stimme.
– Ganz recht, antwortete Pascal; aber wenn Ihr ihn dort noch zu sehen wünscht, so eilt Euch, denn ich schwöre Euch, dass er dort nicht mehr lange bleiben wird.
Nach diesen Werten verschwand Pascal, ohne dass irgend Jemand Lust hatte, ihm zu folgen, außerdem beschäftigte sich Jedermann entweder aus Furcht oder aus Teilnahme mit Gaëtano und Theresa..
Der eine war tot, die andere war wahnsinnig.
Am folgenden Sonntag fand in Bauso das Kirchweihfest statt; das ganze Dorf war voller Freude, man trank in allen Schenken, man schoss an allen Straßenecken mit Böllern. Die Straßen waren geschmückt und lärmend, und vor allen war die, welche nach dem Schloss führte, voller Menschen, die sich dort aufgehäuft hatten, um die jungen Leute nach der Scheibe schießen zu sehen. Es war dies eine Belustigung, welche von dem Könige Ferdinand IV. während seines gezwungenen Aufenthalts in Sizilien sehr begünstigt worden war, und mehrere von denen, welche sich in diesem Augenblicke dieser Übung widmeten, hatten vor Kurzem in dem Gefolge des Kardinals Russo Gelegenheit gehabt, ihre Geschicklichkeit an den neapolitanischen Patrioten und den französischen Republikanern zu beweisen; aber für den Augenblick war das Ziel eine einfache Karte und der Preis ein silberner Becher geworden. Die Scheibe war gerade unter dem eisernen Käsig angebracht, in welchem sich der Kopf Antonio Bruno’s befand, zu dem man nur über eine Treppe gelangen konnte, welche von dem Innern der Festung zu einem Fenster führte, vor welchem dieser Käfig befestigt war. Die Bedingungen des Schießens waren übrigens höchst einfach; um zu der Gesellschaft zu gehören, hatte man nur nötig, in die gemeinschaftliche Kasse, welche dazu dienen sollte, den silbernen Becher zu bezahlen, die mäßige Summe von zwei Carlins für jeden Schuss zu hinterlegen, den man zu tun wünschte, und man empfing dagegen eine auf den Zufall gezogene stummer, welche die Reihe bestimmte, in welcher man zum Schuß gelangte, die Minder geschickten nahmen bis zu zehn, zwölf und vierzehn Kugeln, die, welche auf ihre Geschicklichkeit rechneten, beschränkten sich auf fünf bis sechs. Unter allen diesen ausgestreckten Armen und allen diesen verworrenen Stimmen streckte sich ein Arm aus, der zwei Carlins hinwarf, und eine Stimme ließ sich hören, welche eine einzige Kugel verlangte. Jedermann wandte sich erstaunt über diese Armut oder über dieses Vertrauen um. Der Schütze, welcher eine einzige Kugel verlangte, war Pascal Bruno.
Obgleich er seit vier Jahren nicht in dem Dorfe erschienen war, so erkannte ihn doch jeder wieder; aber Niemand redete ihn an. Da man ihn aber als den geschicktesten Schützen der ganzen Gegend kannte, so verwunderte man sich nicht, dass er nur eine einzige Kugel genommen: er hatte Nr. 11. Das Schießen begann.
Jeder Schuss wurde mit Gelächter oder Beifallsbezeugungen empfangen, und in dem Maße, als die ersten Kugeln verschossen wurden, wurde auch das Gelächter minder lärmend. Was Pascal anbelangt, so schien er, traurig und tiefsinnig auf seine englische Büchse gestützt, keinen Anteil an dem Entzücken oder an der Lustigkeit seiner Landsleute zu nehmen; endlich kam auch an ihn die Reihe; man rief seinen Namen, er erbebte und erhob den Kopf, als ob er diesen Ruf nicht erwartet; aber indem er sich sogleich wieder fasste, nahm er den Platz hinter dem gespannten Stricke ein, der zur Schranke diente. Jeder folgte ihm voller Angst mit den Augen; kein Schütze hatte solche Teilnahme erregt und eine solche Stille hervorgebracht.
Pascal selbst schien die ganze Wichtigkeit des Schusses zu fühlen, den er zu tun im Begriffe stand, denn er stellte sich fest, das linke Bein vorgestreckt, und indem er seinen Körper auf dem rechten Beine ruhen ließ, legte er sorgfältig an und, seine Linie von unten auf nehmend, er« hob er langsam den Lauf seiner Büchse. Jedermann folgte ihm mit den Augen, und man sah mit Erstaunen, wie die Mündung der Büchse die Höhe der Scheibe überschritt, und indem er sie immer noch erhob, erst in der Richtung des eisernen Käfigs anhalten; jetzt blieben der Schütze und die Büchse einen Augenblick lang regungslos, als ob sie von Stein wären; endlich fiel der Schuss, und der aus dem eisernen Käfig3 fortgerissene Kopf fiel von der Höhe der Mauer zu dem Fuße der Scheibe! . . . Ein Schauder überlief alle Anwesenden, und kein Ausruf empfing diesen Beweis von Geschicklichkeit.
In Mitte dieses Schweigens raffte Pascal Bruno den Kopf seines Vaters auf und schlug, ohne ein Wort zu sagen und ohne ein einziges Mal hinter sich zu blicken, den Fußpfad ein, der nach den Bergen führte.
V
Es war kaum ein Jahr seit den Ereignissen verflossen, welche wir in den vorhergehenden Kapiteln erzählt haben, und ganz Sizilien, von Messina bis Palermo, von Cefalu bis zum Vorgebirge Passaro, war bereits voll von den Gerüchten der Heldentaten des Banditen Pascal Bruno. In Ländern wie Spanien und Italien, wo die schlechte Einrichtung der Gesellschaft immer darnach strebt, das nach unten zurückzuweisen, was unten geboren ist, und wo die Seele keine Flügel hat, um den Körper zu erheben, wird ein überwiegender Verstand gar häufig ein Unglück für eine niedrige Geburt; da er immer aus dem politischen und geistigen Kreise hervorzutreten trachtet, in den der Zufall ihn eingeschlossen hat, da er beständig einem Ziele zuschreitet, von dem ihn Tausend Hindernisse trennen, da er ohne Unterlass das Licht sieht, das er nicht bestimmt ist, zu erreichen, so fängt er damit an, zu hoffen, und endigt damit, zu verwünschen. Dann empört er sich gegen diese Gesellschaft, welche Gott seiner Meinung nach so blind in zwei Hälften geteilt hat, die eine für das Glück, die andere nur zu Leiden; er lehnt sich gegen diese himmlische Parteilichkeit auf, und macht sich aus eigener Macht zum Verteidiger des Schwachen und zum Feinde des Mächtigen. Deshalb ist der spanische und der italienische Bandit zugleich so poetisch und so volkstümlich, weil es zuvörderst fast immer ein großer Schmerz ist, der ihn von der rechten Bahn abgebracht, und weil später sein Dolch und seine Büchse das Göttliche durch die menschlichen Satzungen verfälschte Gleichgewicht wieder herzustellen streben.
Man wird sich daher nicht verwundern, dass Pascal Bruno mit seinen Familienschicksalen seinen verwegenen Charakter, seiner außergewöhnlichen Geschicklichkeit und Stärke, die wunderliche Person geworden ist, welche er werden wollte. Es kam dies daher, weil er sich, wenn man so sagen darf, zum Richter der Gerechtigkeit gemacht hatte, es kam daher, weil in ganz Sizilien, und besonders in Bauso und seiner Umgegend, kein Act der Willkür begangen wurde, der seinem Richterstuhle zu entgehen vermochte; und da seine Urteile fast immer die Starken trafen, so hatte er alle Schwachen für sich. So, wenn ein übertriebener Pacht von einem reichen Herrn irgend einem armen Pächter auferlegt worden war, wenn eine Heirat auf dem Punkte stand, durch die Habgier einer Familie fehl zuschlagen, wenn ein ungerechtes Urteil einen Unschuldigen treffen sollte, so nahm Pascal Bruno auf die Nachricht, welche er davon erhielt, seine Büchse, ließ vier korsische Hunde los, welche seine einzige Bande bildeten, bestieg sein Pferd von Val-de-Noto, das wie ein halber Araber und ein halber Gebirgsbewohner war, verließ die kleine Feste Castel-Nuovo, die er zu seiner Residenz gemacht hatte, suchte den Herrn, den Vater oder den Richter auf, und die Pachtsumme ward verringert, die Heirat ward geschlossen, der Gefangene freigegeben. Man wird daher leicht einsehen, dass alle diese Leute, denen er zu Hilfe gekommen war, ihm ihr Glück durch treue Ergebenheit vergalten, und dass jedes gegen ihn gerichtete Unternehmen an der dankbaren Wachsamkeit der Landleute scheiterte, welche ihn durch verabredete Signale sogleich von den ihn bedrohenden Gefahren benachrichtigten.
Dann begannen wunderliche Erzählungen in dem Munde aller zu kreisen, denn je schwächer der Verstand ist, desto mehr ist er geneigt, an das Wunderbare zu glauben. Man sagte, dass Pascal Bruno in einer Gewitternacht, in welcher die ganze Insel gebebt, ein Bündnis mit einer Hexe geschlossen und von ihr gegen seine Seele erlangt hätte, unsichtbar zu sein, die Gabe zu haben, sich in einem Augenblicke von einem Ende der Insel zu dem andern zu begeben, und weder durch Blei, noch durch Eisen, noch durch Feuer besiegt werden zu können. Das Bündnis sollte, wie man sagte, drei Jahre dauern, da es Bruno nur eingegangen war, um eine Rache zu vollziehen, zu welcher dieser Termin genügte, so beschränkt er auch schien. Weit davon entfernt, diesen Verdacht zu zerstören, sah Pascal ein, wie günstig er ihm sei, und trachtete im Gegenteil, ihm Glaubwürdigkeit zu geben. Seine vielfachen Verbindungen hatten ihm so oft Mittel geliefert, an seine Unsichtbarkeit glauben zu lassen, indem sie ihn mit Umständen bekannt machten, von denen man annehmen musste, dass sie ihm gänzlich unbekannt waren. Die Schnelligkeit seines Pferdes, mit dessen Hilfe er sich am Morgen in unglaublichen Entfernungen von den Orten befand, wo man ihn am Abend zuvor gesehen, hatte von seiner Gabe, den Ort zu wechseln, überzeugt, endlich hatte ein Umstand den er mit der Geschicklichkeit eines Mannes von höherem Verstand benutzt, durchaus keinen Zweifel über seine Unverwundbarkeit mehr übrig gelassen. Es war folgender:
Der Mord Gaëtanos hatte großes Aufsehen gemacht, und der Fürst von Carini hatte allen Hauptleuten Befehle erteilt, dass sie sich des Mörders bemächtigen sollten, der übrigens durch die Verwegenheit seines Benehmens denen ein leichtes Spiel bot, welche ihn verfolgten. Sie hatten dem zu Folge diese Befehlt ihren Untergebenen mitgeteilt, und der Landrichter von Spadafora wurde eines Morgens benachrichtigt, dass Pascal Bruno die Nacht in dem Dorfe zugebracht hatte, um nach Divicto zu gehen. Er legte die beiden folgenden Nächte Männer an der Straße in den Hinterhalt, in der Hoffnung, Pascal werde auf demselben Wege zurückkehren, den er eingeschlagen hatte, um hinzu« gehen, und für seine Rückkehr die Dunkelheit benutzen.
Ermüdet, zwei Nächte gewacht zu haben, versammelten sich am Morgen des dritten Tages, der ein Sonntag war, die Soldaten in einer zwanzig Schritte weit von der Straße gelegenen Schenke; sie waren eben mit ihrem Frühstück beschäftigt, als man ihnen meldete, dass Pascal Bruno ruhig den Berg auf der Seite von Divicto herab käme. Da sie nicht mehr Zeit hatten, sich wieder in ihren Hinterhalt zu legen, so erwarteten sie ihn da, wo sie waren, und als er nur noch fünfzig Schritte weit von dein Wirtshaus entfernt war, stellten sie sich vor der Tür auf, ohne dass sie indessen auf ihn zu achten schienen. Bruno sah alle diese Angriffsvorbereitungen, ohne sich scheinbar darum zu bekümmern, und statt wieder umzukehren, was ihm ein Leichtes gewesen wäre, setzte er sein Pferd in Galopp, ohne seinen Weg zu unterbrechen. Als die Soldaten sahen, was seine Absicht war, bereiteten sie ihre Waffen vor und die ganze Compagnie begrüßte ihn in dem Augenblicke, wo er vor ihr vorüberkam, mit einer allgemeinen Salve, aber weder das Pferd noch der Reiter wurden davon getroffen, und Mensch und Tier verließen unversehrt den Dampfwirbel, in den sie einen Augenblick lang gehüllt gewesen waren. Die Soldaten sahen sich einander kopfschüttelnd an, und erzählten dem Landrichter von Spadafora, was ihnen begegnet war.
Das Gerücht von diesem Abenteuer verbreitete sich am selben Abend in Bauso, und einige weit erfinderische Köpfe, als die andern, begannen zu glauben, dass Pascal Bruno bezaubert wäre, und dass Blei und Eisen, wenn es gegen ihn gerichtet wäre, sich abplatteten und stumpf würden. Am folgenden Tage wurde diese Behauptung durch einen unverwerflichen Beweis bestätigt, man fand an der Tür des Richters von Bauso die Jacke Pascal Brunos aufgehängt, die von dreizehn Kugeln durchbohrt war, und die in ihren Taschen die dreizehn abgeplatteten Kugeln enthielt. Einige Freigeister behaupteten wohl, und unter diesen war Cäsar Alletto, Notar von Calvaruso, aus dessen Munde wir diese Umstände haben, dass der dem Gewehrfeuer wundervoller Weise entkommene Bandit, indem er diesen Umstand benutzen wollte, selbst seine Jacke an einen Baum gehängt, und die dreizehn Schüsse auf sie getan, deren Spuren sie trug, aber die Mehrzahl blieb nichtsdestoweniger von der Bezauberung überzeugt, und die Furcht, welche Pascal bereits einflößte, vermehrte sich dadurch beträchtlich. Diese Furcht war so groß, und Bruno war so überzeugt, dass sie von den unteren Klassen zu den höheren übergegangen wäre, dass, da er einige Monate vor der Zeit, zu welcher wir gelangt sind, für eines seiner philanthropischen Werke (es handelte sich um die Wiederaufbauung eines abgebrannten Wirtshauses) zwei Hundert Unzen Gold nötig hatte, er sich an den Fürsten von Butera wandte, um diese Summe von ihm zu entleihen, indem er ihm einen Ort des Gebirges andeutete, wo er es abholen würde und ihn aufforderte, es dort pünktlich zu vergraben, damit er es während einer Nacht, die er dem Fürsten bezeichnete, abholen könnte; im Falle der Nichtausführung dieser Aufforderung, welche für einen Befehl gelten konnte, benachrichtigte Bruno den Fürsten, dass es zum offenen Kriege zwischen dem Könige des Gebirges und dem Herrn der Ebene kommen würde; wenn aber dagegen der Fürst die Gefälligkeit hätte, ihm diese Summe zu leihen, so würden ihm die zwei Hundert Unzen Gold getreulich von der ersten Summe zurückerstattet werden, die er dem königlichen Schatz nähme.
Der Fürst von Butera war einer jener Männer, wie es deren in unsern modernen Zeiten eben keine mehr gibt, er war ein Überrest des alten sizilianischen Adels, verwegen und ritterlich wie jene Normannen, von denen er abstammte. Er nannte sich Herkules, und schien nach dem Vorbild seines altertümlichen Patrons gebaut. Er schlug mit einem Faustschlag ein widerspenstiges Pferd zu Boden, zerbrach auf seinem Knie eine einen halben Zoll dicke Eisenstange und verbog einen Piaster. Ein Ereignis, in welchem er Beweis von großer Kaltblütigkeit abgelegt hatte, hatte ihn zum Abgott des Volkes von Palermo gemacht. Im Jahre 1770 hatte das Brot in der Statt gefehlt, ein Aufstand war ausgebrochen; der Gouverneur hatte das ultimo ratio geltend machen wollen, eine Kanone war in der Straße Toledo aufgefahren worden, das Volk marschierte gegen die Kanone, und der Artillerist stand, die brennende Lunte in der Hand, im Begriffe, auf das Volk zu schießen, als der Fürst von Butera sich auf die Mündung des Stückes setzte, wie er es auf einen Sessel getan haben würde, und von dort aus eine dermaßen beredsame und vernünftige Rede hielt, dass das Volk sich augenblicklich zurückzog, und der Artillerist, Lunte und Kanone ungebraucht in das Zeughaus zurückkehrten. Aber das war nicht der einzige Grund, dem er seine Volkstümlichkeit verdankte.
Alle Morgen ging er auf der Terrasse spazieren welche den Marineplatz übersah, und da die Türen seines Palastes von Tagesanbruch an für Jedermann offen standen, so fand er daselbst immer eine zahlreiche Versammlung armer Leute; er trug für diese Runde gewöhnlich eine große Weste von Hirschleder, deren ungeheure Taschen alle Morgen von seinem Kammerdiener mit Carlins und halben Carlins gefüllt werden mussten, die während dieses Spazierganges bis auf den letzten verschwanden, und zwar mit einer Weise zu verfahren und zu sprechen, die nur ihm angehörte, so dass er immer bereit schien, die niederzuschlagen, denen er Almosen gab.
– Exzellenz, sagte eine arme, von ihrer Familie umgebene Frau, haben Sie Erbarmen mit einer armen Mutter, die fünf Kinder hat.
– Ein schöner Grund! antwortete der Fürst zornig, habe ich sie Dir etwa gemacht?
– und mit einer drohenden Gebärde ließ er eine Hand voll Münzen in ihre Schürze fallen.
– Signor Principe, sagt ein anderer, ich habe nichts zu essen.
– Einfaltspinsel! antwortete der Fürst, indem er einen Faustschlag nach ihm führte, der ihn für acht Tage satt machen konnte, backe ich etwa Brot? scher Dich zu dem Bäcker.4
Wenn der Fürst durch die Straßen kam, so entblößten sich daher auch alle Köpfe, wie wenn Herr von Beaufort durch die Hallen ging; aber noch weit mächtiger als der französische Frondeur, hätte er nur ein Wort zu sagen gehabt, um sich zum Könige von Sizilien zu machen; es war ihm jedoch niemals eingefallen, und er blieb Fürst von Butera, was wohl eben so viel wert war.
Diese Freigebigkeit hatte indessen einen Tadler gefunden, und das in dem Hause des Fürsten selbst! Dieser Tadler war sein Haushofmeister. Man wird begreifen, dass ein Mann von dem Charakter, den wir anzudeuten versucht haben, besonders auf seine Mahlzeiten jenen Luxus und jene Pracht verwenden musste, die ihm so natürlich waren; er hielt daher auch im buchstäblichen Sinne des Wortes offene Tafel, und er hatte täglich zum Mindesten fünf und zwanzig bis dreißig Gäste zu Tische, unter denen sieben oder acht ihm immer unbekannt waren, während andere sich dagegen mit der Regelmäßigkeit von Kostgängern einer Table d’hote daran setzten. Unter diesen Letzteren war auch ein gewisser Hauptmann Altavilla, der seine Epauletten erlangt hatte, indem er dem Kardinal Russo von Palermo nach Neapel folgte, und der mit einem Jahresgehalt von Tausend Dukaten von Neapel nach Palermo zurückgekehrt war. Unglücklicher Weise hatte der Hauptmann den Fehler, ein wenig Spieler zu sein, was seine Pension für seine Bedürfnisse unzulänglich gemacht hätte, wenn er nicht zwei Mittel gefunden, durch welche sein Vierteljahresgehalt der am wenigsten wichtige Teil seines Einkommens geworden wäre, das erste dieser Mittel, und dieses stand, wie ich gesagt, zur Verfügung von Jedermann, das erste dieser Mittel war, täglich bei dem Fürsten zu Mittag zu essen, und das zweite, pünktlich jeden Tag. wenn er vom Tische aufstand, sein silbernes Besteck in seine Tasche zu stecken. Dieses Manöver dauerte einige Zeit lang, ohne dass diese tägliche Entwendung bemerkt wurde; aber so gut die Schenktische des Fürsten auch versehen sein mochten, so fing man doch an zu bemerken, dass eine Leere in ihnen entstand. Der Verdacht des Haushofmeisters fiel sogleich auf den Santa-Fede;5 er belauerte ihn aufmerksam, und es bedurfte nur einer Aufsicht von zwei bis drei Tagen, um seinen Argwohn in Gewissheit zu verwandeln. Er benachrichtigte sogleich den Fürsten davon, der einen Augenblick lang überlegte und dann antwortete, dass, so lange der Hauptmann nur sein Besteck nehmen würde, er Nichts dagegen zu sagen hätte; wenn er aber die seiner Nachbarn in seine Tasche stecke, er dann schon einen Entschluss zu fassen wissen würde. Der Hauptmann Altavilla war daher einer der häufigsten Gäste seiner Exzellenz des Fürsten Herkules von Butera geblieben.
Dieser letztere befand sich in Castrogiovanni, wo er eine Villa besaß, als man ihm den Brief Brunos überbrachte; er las ihn und fragte, ob der Bote die Antwort erwarte. Man antwortete ihm mit nein und er steckte den Brief mit derselben Kaltblütigkeit in seine Tasche, als ob es ein gewöhnliches Schreiben wäre.
Die von Bruno festgesetzte Nacht kam herbei, der Ort, den er bezeichnet hatte, lag auf dem südlichen Rücken des Ätna, neben einem jener Tausend erloschenen Vulkane, welche ihre eintägige Flamme seiner ewigen Flamme verdanken, und deren vorübergehendes Dasein genügt hat, um Städte zu zerstören. Man nannte diesen den Monlebaldo; denn jeder dieser schrecklichen Hügel hat einen Namen erhalten, sobald er aus der Erde hervortrat. Zehn Minuten Weges weit von seinem Fuße erhob sich ein riesenhafter und allein stehender Baum, den man den
– Wer da?
– Ein Mensch, bei Gott! sagte eine starke Stimme; hast Du geglaubt, dass das Geld von selbst kommen würde?
– Nein, gewiss nicht, erwiderte Bruno, aber ich hätte nicht geglaubt, dass der, welcher es überbrachte, kühn genug wäre mich zu erwarten.
– Dann kanntest Du den Fürsten Herkules von Butera nicht.
– Wie! Sie sind es selbst, gnädiger Herr? sagte Bruno, indem er seine Büchse wieder auf seine Schulter warf, und mit dem Hut in der Hand auf den Fürsten zuschritt.
– Ja, ich bin es, Schelm; ich bin es, der gedacht hat, dass ein Bandit eben so gut Geld nötig haben könnte, wie ein anderer Mensch, und ich habe meinen Geldbeutel nicht einmal einem Banditen verweigern wollen. Nur habe ich den Einfall gehabt, es ihm selbst zu überbringen, damit der Bandit nicht glauben möchte, dass ich es ihm aus Furcht gäbe.
– Eure Exzellenz ist ihres Rufes würdig, sagte Bruno.
– Und Du, bist Du des Deinigen würdig? antwortete der Fürst.
– Das kommt auf den an, den man mir bei Ihnen gemacht hat, gnädiger Herr; denn ich muss mehr als einen haben.
– Nun denn, fuhr der Fürst fort, ich sehe, dass es Dir weder an Verstand noch an Entschlossenheit fehlt; ich liebe die Leute von Herz überall, wo ich sie antreffe. Höre, willst Du diesen calabresische n Anzug gegen eine Uniform als Hauptmann vertauschen und gegen die Franzosen kämpfen? ich übernehme es, Dir eine Compagnie auf meinen Gütern zu errichten, und Dir die Epauletten zu kaufen.
– Ich danke, gnädiger Herr, ich danke, sagte Bruno; Ihr Anerbieten ist das eines großmütigen Fürsten; aber ich habe eine gewisse Rache zu vollziehen, die mich noch für einige Zeit lang in Sizilien zurückhält, nachher wollen wir sehen.
– Es ist gut, sagte der Fürst, Du bist frei, aber glaube mir, Du würdest besser thun, es anzunehmen.
– Ich kann nicht, Exzellenz.
– So nimm hier die Börse, welche Du von mir verlangt hast, Pack Dich damit zum Teufel, und hüte Dich, Dich nicht vor der Tür meines Hotels hängen zu lassen.6
Bruno wog die Börse in seiner Hand.
– Wie mir scheint, gnädiger Herr, ist diese Börse sehr schwer.
– Weil ich nicht gewollt habe, dass ein Schuft, wie Du, sich rühme, der Freigebigkeit des Fürsten von Butera eine Summe bestimmt zu haben, und ich statt der zwei Hundert Unzen, welche Du von mir verlangt hast, drei Hundert hineingetan habe.
– Welches die Summe auch sein möge, die es Ihnen beliebt hat, mir zu überbringen, gnädiger Herr, sie wird Ihnen getreulich wieder zurückerstattet werden.
– Ich schenke, aber borge nicht, sagte der Fürst.
– Und ich borge oder ich stehle, aber ich bettle nicht, sagte Bruno.
Nehmen Sie Ihre Börse zurück, gnädiger Herr, ich werde mich an den Fürsten von Ventimille oder von le Cattolica wenden.
– Wohl an! es sei, sagte der Fürst.
Ich habe niemals einen eigensinnigeren Banditen gesehen, als Dich; vier Schelme Deiner Art würden mich um meinen Verstand bringen und um d Leb wohl!
– Leben Sie Wohl, gnädiger Herr, und möge die heilige Rosalie Sie in ihren Schutz nehmen!. . .
Der Fürst entfernte sich, die Hände in den Taschen seiner hirschledernen Weste, und sein Lieblingslied pfeifend. Bruno blieb regungslos, indem er ihn sich entfernen sah, und erst, als er ihn aus dem Gesicht verloren hatte, zog auch er sich nach seiner Seite zurück, indem er einen Seufzer ausstieß.
Am folgenden Tage empfing der abgebrannte Gastwirt aus den Händen Alis die drei Hundert Unzen des Fürsten von Butera.
VI
Einige Zeit nach dem so eben von uns erzählten Auftritte erfuhr Bruno, dass eine von vier Gendarmen und einem Brigadier begleitete Geldsendung von Messina nach Palermo abgehen würde.
Das war das Lösegeld des Fürsten von Moncada-Paterno, welches in Folge einer Finanzberechnung, die der Erfindungsgabe Ferdinands IV. die größte Ehre macht, das neapolitanische Budget rund machen sollte, statt, wie es seine erste Bestimmung war, den Schatz der Casauba zu vergrößern. – Hier ist übrigens die Geschichte, so wie sie mir an Ort und Stelle erzählt worden ist; da sie eben so merkwürdig als authentisch ist, so glauben wir, dass sie der Mühe wert ist, erzählt zu werden; außerdem wird sie einen Begriff von der sonderbaren Weise geben, mit welcher die Auflagen in Sizilien erhoben werden.
Wir haben in dem ersten Teile dieser Geschichte gesagt, wie der Fürst Moncada-Paterno von Seeräubern der Raubstaaten bei dem kleinen Dorfe Fugello gefangen genommen wurde, als er von der Insel Pontellerie zurückkehrte; er wurde mit seinem ganzen Gefolge nach Algier geführt, und der Preis seines Lösegelds und der seines Gefolges wurde in freundschaftlicher Übereinkunft auf die Summe von fünfmal hunderttausend Piaster (2, 500, 000 Franken) festgesetzt, wovon die Hälfte vor seiner Abreise, die Hälfte nach seiner Rückkehr nach Sizilien zahlbar war.
Der Fürst schrieb an seinen Intendanten, um ihm die Lage mitzuteilen, in welcher er sich befände, und dass er ihm so schnell als möglich die zweimal hundert fünfzigtausend Piaster zu senden habe, gegen welche er seine Freiheit wieder erlangen sollte. Da der Fürst von Moncada-Paterno einer der reichsten Gutsbesitzer von Sizilien war, so wurde die Summe leicht zusammengebracht und schnell nach Afrika abgesandt; getreu seinem Versprechen, wie ein wahrer Anhänger des Propheten, setzte der Dey von Algier den Fürsten von Paterno nun auf sein Ehrenwort in Freiheit, vor Ablauf eines Jahres die noch fehlenden zweimal hundert fünfzigtausend Piaster zu übersenden. Der Fürst kehrte nach Sizilien zurück, wo er sich damit beschäftigte, das für seine zweite Zahlung notwendige Geld zusammenzubringen, als ein Befehl Ferdinands IV., der sich auf folgenden Beweggrund stützte, dass, da er mit der Regentschaft von Algier im Kriege wäre, er nicht wolle, dass seine Untertanen seine Feinde bereicherten, er Einspruch in die Hände des Fürsten lege und ihn auffordere, die in Rede stehenden zweimal hundert fünfzigtausend Piaster in den Schatz von Messina, zu bezahlen. Der Fürst von Paterno, der ein Mann von Ehre und zu gleicher Zeit ein getreuer Untertan war, gehorchte dem Befehle seines Gebieters und der Stimme seines Gewissens, so dass das Lösegeld ihm siebenmal hundert fünfzigtausend Piaster kostete, von denen zwei Drittel an den ungläubigen Seeräuber gesandt und das andere Drittel in Messina an den Fürsten von Carini, den Bevollmächtigten des christlichen Seeräubers, ausgezahlt wurden. Diese Summe war es, welche der Vizekönig nach Palermo, dem Sitze der Regierung, unter der Bedeckung von vier Gendarmen und einem Brigadier ab sandte; dieser letztere war außerdem beauftragt, im Namen des Fürsten seiner geliebten Gemma einen Brief zu übergeben, die er aufforderte, zu ihm nach Messina zu kommen, wo Regierungsangelegenheiten ihn noch einige Monate zurückhalten sollten.
An dem Abend, wo die Bedeckung bei Bauso vorüber kommen musste, ließ Bruno seine vier korsischen Hunde los, ging mit ihnen durch das Dorf, dessen Herr er geworden war, und legte sich an der Heerstraße zwischen Divicto und Spadafora in den Hinterhalt, er befand sich ungefähr seit einer Stunde dort, als er das Rollen eines Munitionswagens und den Trab eines Reiterhaufens hörte. Er sah nach, ob die Pfanne seiner Büchse mit Pulver versehen wäre, versicherte sich, dass sein Dolch aus der Scheide ging, pfiff seinen Hunden, die sich zu seinen Füßen legten, und wartete, mitten auf der Heerstraße stehend. Einige Minuten nachher erschien die Bedeckung an der Wendung eines Weges und näherte sich bis auf die Entfernung von ungefähr fünfzig Schlitten demjenigen, der sie erwartete; nun erblickten die Gendarmen einen Mann und riefen: Wer da? – Pascal Bruno, antwortete der Bandit, und auf ein eigentümliches Pfeifen fielen die auf dieses Manöver abgerichteten Hunde über die kleine Schar her.
Bei dem Namen Pascal Bruno hatten die vier Gendarmen die Flucht ergriffen, die Hunde verfolgten aus natürlichem Antrieb die, welche flohen.
Allein geblieben, zog der Brigadier seinen Säbel und sprengte auf den Banditen zu.
Pascal setzte mit derselben Kaltblütigkeit und derselben Langsamkeit, als ob er sich anschicke, nach einer Scheibe zu schießen, seine Büchse an seine Schulter, entschlossen, erst dann Feuer zu geben, wenn der Reiter nur noch zehn Schritte weit von ihm entfernt, wäre, als in dem Augenblicke, wo er den Finger an den Drücker legte, Pferd und Reiter in den Staub fielen, das kam daher, weil Ali Bruno gefolgt war, ohne ihm etwas davon zu sagen, und, als er ihn von dem Brigadier angegriffen sah, wie eine Schlange aus die Straße gekrochen war und mit seinem Yatagan die Kniekehle des Pferdes durchschnitten hatte; was den Brigadier anbelangt, der sich nicht hatte zurückhalten können, so rasch und unerwartet war sein Sturz gewesen, so war er mit dem Kopfe auf das Pflaster gefallen und in Ohnmacht gesunken.
Bruno näherte sich ihm, nachdem er sich versichert, dass er nichts mehr zu fürchten hätte; er brachte ihn mit Hilfe Ali’s in den Wagen, dem er einen Augenblick zuvor zur Bedeckung diente, und indem er den Händen des jungen Arabers die Zügel der Pferde übergab, befahl er ihm, den Wagen und den Brigadier nach der Feste zu führen. Was ihn anbelangt, so ging er nach dem verwundeten Pferde, nahm den Karabiner von dem Sattel, an welchem er befestigt war, suchte in den Halftern, nahm daraus eine Rolle Papier, welche sich darin befand, pfiff seinen Hunden, die mit blutigem Rachen zurückkehrten, und folgte dem Fange, den er gemacht hatte.
In dem Hofe der kleinen Feste angelangt, verschloss er das Thor hinter sich, nahm den noch immer ohnmächtigen Brigadier auf seine Schultern, trug ihn in ein Zimmer und legte ihn auf die Matratze, auf welche er gewohnt war, sich selbst ganz angekleidet zu werfen; hierauf stellte er entweder aus Vergessen oder aus Unvorsichtigkeit den Karabiner, den er von dem Sattel genommen hatte, in eine Ecke und verließ das Zimmer.
Fünf Minuten nachher schlug der Brigadier die Augen wieder auf, blickte um sich, fand sich an einem Orte, der ihm gänzlich unbekannt war, und da er sich unter der Herrschaft eines Traumes glaubte, so befühlte er sich selbst, um zu wissen, ob er wirklich wache. Jetzt, da er einen Schmerz an der Stirn fühlte, legte er die Hand daran, und da er sie voller Blut zurückzog, so wurde er gewahr, dass er verwundet wäre. Diese Wunde war ein Anhaltspunkt der Erinnerung für sein Gedächtnis, nun erinnerte er sich, dass er von einem einzigen Manne angehalten, feiger Weise von seinen Gendarmen verlassen und dass in dem Augenblicke, wo er auf diesen Mann zu sprengte, sein Pferd gestürzt wäre. Was weiter vorgefallen, davon erinnerte er sich nichts mehr.
Dieser Brigadier war ein Tapferer; er fühlte, welche Verantwortlichkeit auf ihm laste, und sein Herz wurde vor Zorn und vor Scham beklommen, er blickte in dem Zimmer um sich, indem er sich zu orientieren versuchte, aber Alles war ihm gänzlich unbekannt. Er stand auf, ging an das Fenster und sah, dass es auf das Feld ginge. Nun fasste er eine Hoffnung, nämlich die, aus diesem Fenster zu springen, bewaffnete Macht zu holen und mit ihr zurückzukehren, um seine Revanche zu nehmen; er hatte das Fenster bereits aufgemacht, um diesen Plan auszuführen, als er einen letzten Blick in das Zimmer warf und seinen Karabiner fast an dem Kopfende seines Bettes stehend erblickte; bei diesem Anblicke klopfte ihm das Herz heftig, denn ein anderer Gedanke, als der der Flucht, bemächtigte sich seiner sogleich, er sah nach, ob er wirklich allein wäre, und nachdem er sich versichert, dass er von Niemand gesehen sei noch es werden könnte, ergriff er rasch die Waffe, in welcher er ein weit gewagteres Mittel der Rettung, aber ein weit schnelleres der Rache sah, versicherte sich rasch, dass Pulver auf der Pfanne wäre, indem er sie aufschlug, dass sie geladen wäre, indem er den Ladestock in den Lauf stieß, indem er sie hierauf wieder an denselben Ort stellte, legte er sich nieder, als ob er noch nicht wieder zur Besinnung gekommen wäre. Kaum lag er auf dem Bette ausgestreckt, als Bruno wieder eintrat.
Er trug einen brennenden Tannenzweig in der Hand, den er in das Kamm warf und der seine Flamme dem darin vorbereiteten Holze mitteilte; hierauf ging er an einen in der Mauer angebrachten Schrank, nahm aus ihm zwei Teller, zwei Gläser, zwei Krüge Wein, eine gebratene Hammelkeule, stellte das Ganze auf den Tisch und schien abzuwarten, dass der Brigadier wieder aus seiner Ohnmacht erwache, um ihm mit diesem improvisierten Mahle Ehre zu erweisen.
Wir haben das Zimmer gesehen, in welchem der Auftritt vorgefallen ist, den wir erzählen; es war ein mehr langes als breites Zimmer, das nur ein einziges Fenster an einer Seite, eine einzige Tür an der andern, und das Kamin zwischen beiden hatte. Der Brigadier, der jetzt Hauptmann der Gendarmerie in Messina ist und der uns diese Umstände selbst erzählt hat, lag, wie wir bemerkt, neben dem Fenster; Bruno stand vor dem Kamine, die Augen nach der Seite der Thür geheftet, und schien sich immer mehr in ein tiefes Sinnen zu versenken.
Das war der Moment, welchen der Brigadier abgewartet hatte, ein entscheidender Moment, in welchem es sich darum handelte, Alles für Alles, Leben für Leben, Kopf für Kopf auf das Spiel zu setzen. Er richtete sich auf, indem er sich auf seine linke Hand stützte, streckte langsam und ohne Bruno aus dem Gesicht zu verlieren, die rechte Hand nach dem Karabiner aus, ergriff ihn zwischen dem Schloss und dem Kolben, blieb dann einen Augenblick lang so, ohne dass er eine Bewegung mehr zu machen wagte, erschreckt über das Klopfen seines Herzens, das der Bandit hätte hören können, wenn er nicht so sehr zerstreut gewesen wäre; als er endlich sah, dass er sich, so zu sagen, selbst hingäbe, fasste er wieder Vertrauen, warf einen letzten Blick auf das Fenster, sein einziges Mittel der Flucht, legte die Waffe an seine Schulter, zielte auf Bruno wie ein Mann, der weiß, dass sein Leben von seiner Kaltblütigkeit abhängt, und gab Feuer.
Bruno bückte sich ruhig, raffte irgend etwas zu seinen Füßen auf, betrachtete den Gegenstand bei dem Lichte, und indem er sich nach dem vor Erstaunen stummen und verblüfften Brigadier umwandte, sagte er zu ihm:
– Kamerad, wenn Ihr auf mich schießen wollt, so nehmt silberne Kugeln, sonst, seht, werden sie sich wie diese da abplatten.
Übrigens freut es mich, dass Ihr wieder zur Besinnung gekommen seid, denn ich fing an Hunger zu haben, und wir wollen zu Nacht essen.
Der Brigadier war mit gesträubten Haaren und mit Schweiß bedeckter Stirn in derselben Stellung geblieben.
Im selben Augenblicke ging die Tür auf und Ali stürzte, seinen Yatagan in der Hand, in das Zimmer.
– Es ist nichts, mein Sohn, es ist nichts, sagte Bruno in fränkischer Sprache zu ihm; der Brigadier hat seinen Karabiner abgeschossen, sonst nichts. Geh daher ruhig zu Bett und fürchte nichts für mich. Ali verließ das Zimmer, ohne zu antworten, und streckte sich vor der ersten Tür auf dem Pantherfelle aus, das ihm zum Bette diente.
– Nun! fuhr Bruno fort, indem er sich nach dem Brigadier umwandte und Wein in die beiden Gläser einschenkte, haben Sie mich nicht verstanden?
– Doch, antwortete der Brigadier, indem er aufstand, und da ich Sie nicht habe töten können, so will ich mit Ihnen trinken, wären Sie auch der Teufel.
Mit diesen Worten ging er festen Schrittes auf den Tisch zu, nahm das Glas, stieß mit Bruno an und leerte den Wein mit einem einzigen Zuge.
– Wie heißen Sie? sagte Bruno.
– Paolo Tommasi, Brigadier der Gendarmerie, Ihnen aufzuwarten.
– Nun denn! Paolo Tommasi, fuhr Bruno fort, indem er ihm die Hand auf die Schulter legte, Sie sind ein Tapferer, und ich habe Lust, Ihnen ein Versprechen zu geben.
– Welches?
– Niemanden als Sie die dreitausend Dukaten verdienen zu lassen, die man auf meinen Kopf gesetzt hat.
– Sie haben da einen guten Einfall, antwortete der Brigadier.
– Ja, aber er muss erst noch reifen, sagte Bruno, da ich des Lebens noch nicht müde bin, so lassen Sie uns einstweilen zu Tische setzen und essen, wir werden späterhin weiter über die Sache sprechen.
– Darf ich das Zeichen des Kreuzes machen, bevor ich esse? sagte Tommasi.
– Vollkommen, antwortete Bruno.
– Ich fürchtete nämlich, dass Ihnen das unangenehm sein möchte. Man weiß zuweilen nicht.
– In keiner Weise.
Der Brigadier machte das Zeichen des Kreuzes, setzte sich an den Tisch und begann die Hammelkeule wie ein Mann anzugreifen, der ein vollkommen ruhiges Gewissen bat und der weiß, dass er unter einem schwierigen Umstand Alles das getan hat, was ein tapferer Soldat zu tun vermag. Bruno leistete ihm wacker Gesellschaft, und gewiss, wenn man diese beiden Männer an demselben Tische essen, aus derselben Flasche trinken, aus derselben Schüssel schöpfen sah, so hätte man nicht geglaubt, dass jeder nach seiner Reihe und in dem Zeitraume von einer Stunde Alles das getan, was er vermocht, um den andern zu töten.
Es entstand ein Augenblick des Schweigens, das halb durch die wichtige Beschäftigung veranlasst war, der sich die Tischgenossen hingaben, halb durch die Gedanken, welche ihren Geist erfüllten. Paolo Tommasi brach es zuerst, um den doppelten Gedanken auszudrücken, der ihn beschäftigte.
– Kamerad, sagte er, man isst gut bei Ihnen, ich muss es zugeben, Sie haben guten Wein, das ist wahr; Sie machen die Honneurs Ihres Tisches wie ein guter Wirt vortrefflich; aber ich würde Alles das weit besser finden, wenn ich wüsste, wann ich von hier fortkäme.
– Ei, ich meine morgen früh.
– Sie werden mich also nicht als Gefangener behalten?
– Gefangener! was der Teufel wollen Sie, dass ich mit Ihnen anfange?
– Hm! sagte der Brigadier, das ist schon nicht übel. Aber, fuhr er mit sichtlicher Verlegenheit fort, das ist noch nicht Alles.
– Was gibt es noch? sagte Bruno, indem er ihm zu trinken einschenkte.
– Es gibt, es gibt, fuhr der Brigadier fort, indem er die Lampe durch sein Glas betrachtete, es gibt. . . sehen Sie, das ist eine ziemlich kitzlige Frage.
– Sprechen Sie; ich höre.
– Sie werden nicht bös werden?
– Ich meine, dass Sie meinen Charakter kennen müssten.
– Das ist wahr, Sie sind nicht empfindlich, ich weiß es wohl. Ich sage also, dass ich nicht allein auf dem Wege war.
– Ja, ja, es befanden sich noch vier Gendarmen darauf.
– O! ich spreche nicht von ihnen: ich spreche von einem . . . von einem gewissen Munitionswagen.
Da ist das Wort ausgesprochen.
– Er steht in dem Hofe, sagte Bruno, indem er nun auch die Lampe durch sein Glas betrachtete.
– Ich denke es mir wohl, antwortete der Brigadier, aber Sie werden begreifen, dass ich nicht ohne meinen Munitionswagen gehen kann.
– Sie werden daher auch mit ihm gehen.
– Und unangetastet?
– Hm! äußerte Bruno, es wird daran wenig in Bezug auf die Summe fehlen, ich werde nur das von ihr nehmen, was ich durchaus notwendig habe.
– Und sind Sie sehr in Not?
– Ich brauche dreitausend Unzen.
– Nun denn, das ist billig, sagte der Brigadier, und gar viele Leute würden nicht so zartfühlend sein.
– Übrigens seien Sie unbesorgt, ich werde Ihnen einen Empfangsschein geben, sagte Bruno.
– Ah, von Empfangsschein zu sprechen! rief der Brigadier aus, indem er aufstand, ich hatte Papiere in meinen Halftern!
– Machen Sie sich darum keine Sorgen, sagte Bruno, hier sind sie.
– Ach! Sie erzeigen mir einen großen Dienst, sie mir zurückzugeben.
–Ja, sagte Bruno, ich begreife es, denn ich habe mich von ihrer Wichtigkeit überzeugt; das erste ist Ihre Bestallung als Brigadier, und ich habe ihr eine Bemerkung hinzugefügt, welche bestätigt, dass Sie sich hinlänglich gut benommen haben, um Wachtmeister zu werden; das zweite ist mein Signalement, und ich habe mir erlaubt, ihm einige kleine Berichtigungen hinzuzufügen, zum Beispiel zu den besonderen Zeichen habe ich hinzugefügt,
– Ich glaube, dass Sie Recht haben, sagte Tommasi, indem er seine Papiere einsteckte, und Sie scheinen mir ein noch weit rechtschaffenerer Mann zu sein, als viele rechtschaffene Leute, die ich kenne.
– Es freut mich sehr.
Sie mit solchen Ansichten zu verlassen, Sie werden dadurch weit ruhiger schlafen. Apropos, ich muss Sie vor einem warnen, nämlich nicht in den Hof hinabzugehen, denn meine Hunde könnten Sie leicht zerreißen.
– Ich danke für die Warnung, antwortete der Brigadier.
– Gute Nacht, sagte Bruno, und er verließ das Zimmer, indem er es dem Brigadier freistellte, sein Abendessen bis in das Unendliche zu verlängern oder sich schlafen zu legen.
Am folgenden Tage um fünf Uhr kehrte Bruno, wie es verabredet war, in das Zimmer seines Gastes zurück; dieser war schon aufgestanden und bereit, abzureisen; er ging mit ihm hinab und führte ihn an das Thor. Er fand dort den vollständig angespannten Munitionswagen und ein prachtvolles Reitpferd, auf welches man Sorge getragen, das ganze Geschirr dessen zu legen, das der Yatagan Ali’s dienstunfähig gemacht hatte. Bruno bat seinen Freund Tommasi, dieses Geschenk als ein Andenken von ihm anzunehmen. Der Brigadier ließ sich durchaus nicht bitten, schwang sich auf sein Pferd, peitschte das Gespann des Munitionswagens an und brach auf, indem er über seine neue Bekanntschaft entzückt zu sein schien.
Bruno sah ihn sich entfernen; als er dann zwanzig Schritte weit zurückgelegt, rief er ihm nach: – Vergessen Sie vor Allem nicht, der schönen Gräfin Gemma den Brief des Fürsten von Carini zu übergeben. – Tommasi nickte mit dem Kopfe und verschwand an die Ecke der Straße.
Wenn jetzt unsere Leser uns fragen, wie Pascal Bruno nicht durch den Karabinerschuss Paolo Tommasi’s getödtet worden ist, so werden wir ihnen das antworten, was uns Signor Cäsar Aletto, Notar von Calvaruso, geantwortet hat: – Nämlich, dass wahrscheinlich während des Weges von der Heerstraße nach der Feste der Bandit die Vorsichtsmaßregel getroffen hatte, die Kugel aus dem Karabiner zu ziehen.Was Paolo Tommasi anbelangt, so hat er es immer weit einfacher gefunden, zu glauben, dass Zauberei obwalte.
Wir überliefern die beiden Meinungen unsern Lesern und überlassen es vollkommen ihrem freien Willen, die anzunehmen, welche ihnen behagt.
VII
Man wird leicht begreifen, dass das Gerücht von solchen Taten nickt auf den Gerichtsbezirk des Dorfes Bauso beschränkt blieb, es war daher auch in ganz Sizilien nur die Rede von dem kühnen Räuber, der sich der Feste Castelnuovo bemächtigt hatte, und der von dort aus, gleich einem Adler von seinem Horste, sich auf die Ebene herabließ, bald um die Großen anzugreifen, bald um die Kleinen zu verteidigen. Unsere Leser werden sich daher auch nicht verwundern, den Namen unseres Helden in den Sälen des Fürsten von Butera aussprechen zu hören, der in seinem Hotel des Marineplatzes ein Fest gab.
Bei dem Charakter, den wir an dem Fürsten kennen, wird man begreifen, was ein von ihm gegebenes Fest sein musste. Besonders dieses da übertraf wahrhaft alles das, was die Einbildungskraft am meisten Glänzende des träumen kann. Es war etwas wie ein arabisches Märchen; die Erinnerung daran hat sich daher auch in Palermo verewigt, obgleich Palermo die Stadt der Zaubereien ist.
Man stelle sich glänzende, gänzlich von der Decke bis zu dem Fußboden mit Spiegeln bedeckte Säle vor, von denen die einen in belaubte Gänge mit getäfelten Fußböden führten, von deren Gipfel die schönsten Trauben von Syracus und Lipari herabhingen, die andern zu Plätzen von blühenden und Früchte tragenden Orangen- und Granatbäumen gebildet, die ersten dienten für die englischen Tänze, die andern für die französischen Contretänze. Was die Walzer anbelangt, so reihten sie sich um zwei unermessliche Marmorbassins, von denen jedes eine prachtvolle Wassergarbe in die Luft sprühte. Von diesen verschiedenen Tanzsälen gingen mit Goldsand bestreute Wege aus.
Diese Wege führten nach einem kleinen, mit silbernen Springbrunnen umgebenen Hügel, die alle Erfrischungen enthielten, welche man wünschen konnte, und von Bäumen beschattet waren, welche statt natürlicher Früchte, überzuckerte Früchte trugen. Endlich befand sich auf dem Gipfel dieses Hügels, den zu ihm führenden Wegen gegenüber, ein viereckiger Schenktisch, der beständig mittelst eines inneren Mechanismus frisch besetzt wurde. Was die Musikanten anbetrifft, so waren sie unsichtbar, und nur der Klang der Instrumente gelangte bis zu den Gästen; man hätte es für ein von Luftgeistern gegebenes Fest halten können.
Jetzt stelle man sich, um diese zauberische Dekoration zu beleben, die schönsten Frauen und die reichsten Kavaliere von Palermo in Charakterkostümen vor, von denen die einen glänzender oder wunderlicher als die andern waren, die Maske vor dem Gesicht oder in der Hand, diese würzige Luft einatmend, sich an den unsichtbaren Melodien berauschend, von Liebe träumend oder sprechend, und man wird noch weit davon entfernt sein, sich von diesem Feste ein Bild gleich den Erinnerungen zu entwerfen, das bei meiner Durchreise nach Palermo, das heißt zwei und dreißig Jahre nach dem Ereignisse, die Personen bewahrt, welche ihm beigewohnt hatten.
Unter den Gruppen, welche in diesen Alleen und in diesen Sälen kreisten, befand sich besonders eine, welche die Blicke der Menge weit mehr auf sich zog; das war die, welche sich im Gefolge der schönen Gräfin gebildet hatte, und die sie wie eine Sonne ihre Trabanten nach sich zog; sie war so eben mit einer Gesellschaft von fünf Personen angekommen, welche, wie sie, das Kostüm der jungen Frauen und der jungen Adeligen angenommen hatte, die auf der prächtigen, von dem Pinsel Orgagnas an den Wänden des Campo Santo in Pisa zu sehen sind, singend und fröhlich, während der Tod an ihre Türe klopft. Dieser so ungekünstelte und zugleich so elegante Anzug des dreizehnten Jahrhunderts schien von Gemma ausdrücklich gewählt, um das herrliche Verhältnis ihrer Formen hervortreten zu lassen, und sie schritt unter einem Murmeln der Bewunderung von dem Fürsten Butera selbst geführt heran, der, als Mandarin verkleidet, sie an der Eingangstüre empfangen hatte und ihr vorausging, um sie, wie er sagte, der Tochter des Kaisers von China vorzustellen. Da man vermutete, dass es irgend eine neue, von dem Wirte aufgesparte Überraschung wäre, so folgte man dem Fürsten eifrig, und das Gefolge wuchs mit jedem Schritte. Er blieb vor einer von zwei chinesischen Soldaten bewachten Pagode stehen, die auf ein Zeichen die Türe eines gänzlich mit ausländischen Gegenständen geschmückten Zimmers öffneten, in dessen Mitte auf einer Erhöhung in einem prachtvollen chinesischem Kostüme, das allein dreißig Tausend Franken gekostet hatte, die Fürstin von Butera saß, welche, sobald sie die Gräfin erblickte, ihr von einem ganzen Hofe von Officieren Mandarinen und Magots, gefolgt, von denen die einen glänzender, mürrischer oder possierlicher waren als die andern, entgegenging. Diese Erscheinung hatte etwas so Orientalisches und Fantastisches, dass sogar diese ganze, an Luxus und Pracht gewöhnte Gesellschaft in Erstaunen ausbrach. Man umringte die Fürstin, man berührte ihr mit Edelsteinen gesticktes Kleid, man ließ die goldenen Glöckchen ihres spitzigen Hutes läuten, und einen Augenblick lang wendete sich die Aufmerksamkeit von der schönen Gemma ab, um sich ganz auf die Herrin vom Hause zu richten. Jeder sagte ihr Artigkeiten und bewunderte sie, und unter den übertriebensten Schmeichlern und Bewunderern befand sich der Hauptmann Altavilla, den der Fürst zur großen Betrübnis seines Haushofmeisters fortwährend bei seinen Mittagessen empfing, und der, ohne Zweifel als eine Verkleidung, seine Staatsuniform angelegt hatte.
– Nun! sagte der Fürst von Butera zu der Gräfin von Castelnuovo, was sagen Sie zu der Tochter des Kaisers von China?
– Ich sage, antwortete Gemma, dass es für seine Majestät Ferdinand den IV. ein großes Glück ist, dass sich der Fürst von Carini in diesem Augenblicke in Messina befindet, da er mit dem Herzen, das ich an ihm kenne, für einen Blick der Tochter leicht dem Vater Sizilien ausliefern könnte, was uns zwingen würde, eine neue Vesper gegen die Chinesen zu veranstalten.
In diesem Augenblicke näherte sich der Fürst von Moncada-Paterno als calabresischer Räuber verkleidet der Fürstin.
– Werden Eure Hoheit mir erlauben, in meiner Eigenschaft als Kenner ihr prachtvolles Kostüm zu untersuchen?
– Erhabene Tochter der Sonne, sagte der Hauptmann Altavilla, indem er auf den Fürsten deutete, nehmen Sie Ihre goldenen Glöckchen in Acht, denn ich sage Ihnen, dass Sie mit Pascal Bruno zu tun haben.
– Die Fürstin würde vielleicht bei Pascal Bruno weit mehr in Sicherheit sein, sagte eine Stimme, als bei einem gewissen
– Gut geantwortet, sagte der Fürst von Butera.
Der Hauptmann biß sich in die Lippen.
– Apropos, fuhr der Fürst de la Cattolica fort, kennen Sie seine letzte Heldentat?
– Wessen?
– Pascal Bruno’s.
– Nein, was hat er gethan?
– Er hat die Geldsendung angehalten, welche der Fürst von Carini nach Palermo sandte.
– Mein Lösegeld! sagte der Fürst von Paterno.
– O! mein Gott, ja, Excellenz, es scheint nun einmal den Ungläubigen bestimmt.
– Den Teufel! wenn nur der König nicht verlangt, dass ich ihm ein zweites Mal dafür stehe! erwiderte Moncada.
– Möge Eure Excellenz sich beruhigen, sagte dieselbe Stimme, welche bereits Altavilla geantwortet hatte: Pascal Bruno hat nur drei Tausend Unzen genommen.
– Und woher wissen Sie das, Herr Albanese? sagte der Fürst de la Cattolica, der sich neben demjenigen befand, der gesprochen hatte, und der ein hübscher junger Mann von sechs und zwanzig bis acht und zwanzig Jahren im Kostüme von Vina7 war.
– Ich habe es sagen hören, antwortete der Grieche nachlässig, indem er mit seinen Yatagan spielte; wenn aber Eure Exzellenz bestimmtere Auskünfte wünscht, so ist hier ein Mann, der sie ihr geben kann.
Der, den man so der öffentlichen Neugierde bezeichnete, war Niemand anders, als unser alter Bekannter, Paolo Tommasi, der, ein Sclav seines Auftrages, sich gleich nach seiner Ankunft zu der Gräfin von Castelnuovo hatte führen lassen, und der, da er sie nicht zu Haus fand und wusste, dass sie auf dem Feste war, sich seiner Eigenschaft als Abgesandter des Vizekönigs bedient hatte, um in die Gärten des Fürsten von Butera zu dringen, in einem Augenblicke ward er zum Mittelpunkt eines unermesslichen Kreises und der Gegenstand von Tausend Fragen. Aber Paolo Tommasi war, wie wir gesehen haben, ein Tapferer, der sich nicht so leicht einschüchtern ließ; er begann daher damit, der Gräfin den Brief des Fürsten zu übergeben.
– Fürst, sagte Gemma, nachdem sie das empfangene Schreiben gelesen hatte, Sie ahnten nicht, dass Sie mir ein Abschiedsfest gäben, der Vizekönig befiehlt mir, mich nach Messina zu begeben, und als getreue Untertanin werde ich mich morgen auf den Weg machen. Ich danke, mein Freund, fuhr sie fort, indem sie Paolo Tommasi ihre Börse gab, Sie können sich jetzt entfernen.
Tommasi versuchte die Erlaubnis der Gräfin zu benutzen, aber er war zu sehr umringt, um sich so leicht zurückzuziehen. Er musste sich auf Gnade oder Ungnade ergeben, und die Bedingung seiner Freiheit war die genaue Erzählung seines Zusammentreffens mit Pascal Bruno.
Wir müssen ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen, dass er sie mit der ganzen einfachen Offenherzigkeit des wahren Mutes erzählte; er sagte, ohne etwas hinzuzufügen, seinen Zuhörern, wie er zum Gefangenen gemacht, wie er nach der Feste Castelnuovo geführt worden wäre, wie er ohne Erfolg auf den Banditen geschossen hatte, und wie endlich dieser ihn freigelassen, indem er ihm ein prachtvolles Pferd zum Ersatz dessen geschenkt, das er verloren hatte.Jedermann hörte diese Erzählung, welche das Gepränge der Wahrheit trug, mit dem Schweigen der Aufmerksamkeit und des Glaubens an, mit Ausnahme des Hauptmannes Altavilla, welcher einige Zweifel über die Wahrhaftigkeit des rechtschaffenen Brigadiers erhob, aber glücklicher Weise für Paolo Tommasi kam ihm der Fürst von Butera selbst zu Hilfe.
– Ich möchte wetten, sagte er, dass Nichts wahrer ist, als das, was dieser Mann so eben erzählt hat, denn alle diese Umstände scheinen mir vollkommen dem Charakter Pascal Brunos angemessen.
– Sie kennen ihn also? sagte der Fürst von Moncada-Paterno.
– Ich habe eine Nacht mit ihm zugebracht, antwortete der Fürst von Butera.
– Und wo das?
– Auf Ihren Gütern.
, Nun war die Reihe an dem Prinzen; er erzählte, wie Pascal und er einander unter dem Kastanienbaum der Hundert Pferde begegnet wären, wie er, der Fürst von Butera, ihm Dienste angeboten, die er ausgeschlagen, und wie er ihm drei Hundert Unzen geliehen hätte. Bei diesem letzten Zuge vermochte Altavilla seine Lustigkeit nicht zu unterdrücken.
– Und Sie glauben, dass er sie Ihnen zurückerstatten wird, gnädiger Herr? sagte er zu ihm.
– Ich bin davon überzeugt, antwortete der Fürst.
– Da wir einmal daran sind, fiel die Fürstin von Butera ein, befindet sich noch niemand in der Gesellschaft, der Pascal Bruno gesehen, und mit ihm gesprochen hat? Ich habe die Räubergeschichten für mein Leben gern, sie verursachen mir so ein angenehmes Grausen.
– Die Gräfin Gemma von Castelnuovo, sagte der Albanese.
Gemma erbebte, alle Blicke richteten sich auf sie, wie um sie zu befragen.
– Wäre es wahr? rief der Fürst aus.
– Ja, antwortete Gemma erbebend, aber ich hatte es vergessen.
– Um so besser, erinnert er sich daran, murmelte der junge Mann.
Man drängte sich um die Gräfin, welche sich vergebens dagegen sträuben wollte; sie musste gleichfalls den Auftritt erzählen, mit welchem wir diese Geschichte eröffnet haben, sagen, wie Bruno in ihr Zimmer gedrungen war, wie der Fürst auf ihn geschossen hatte, und wie er, um sich zu rächen, am Tage der Hochzeit in die Villa gedrungen, und den Gatten Theresas getötet hatte; diese Geschichte war die schrecklichste von allen, sie ließ daher auch in dem Geiste der Zuhörer eine tiefe Erschütterung zurück. Es war, als ob ein Schauder die ganze Versammlung überlief, und wenn nicht diese Toiletten, und dieser Schmuck gewesen wären, so hätte man nicht geglaubt, einem Feste beizuwohnen.
– Bei meiner Ehre, sagte der Hauptmann Altavilla, indem er zuerst das Schweigen brach, der Bandit bat das größte seiner Verbrechen begangen, indem er das Fest unseres Wirtes so traurig macht; ich hätte ihm seine andern Missetaten verzeihen können, aber wegen dieser da, ich schwöre es bei meinen Epauletten, werde ich Rache an ihm nehmen, und von diesem Augenblicke an widme ich mich seiner Verfolgung.
– Sprechen Sie im Ernste, Hauptmann Altavilla? sagte der Albanese.
– Ja, bei meiner Ehre, und ich versichere hier, dass ich nichts so sehr wünsche, als mich ihm gegenüber zu befinden.
– Das ist etwas Mögliches, sagte der Albanese nachlässig hin.
– Dem, welcher mir diesen Dienst erwiese, fuhr Altavilla fort, würde ich . . .
– Es ist unnötig eine Belohnung festzusetzen, Hauptmann, ich kenne einen Mann, der Ihnen diesen Dienst umsonst erzeigen wird.
– Und wo könnte ich diesen Mann antreffen? erwiderte Altavilla, indem er ein Lächeln des Zweifels offeriere.
– Wenn Sie mir folgen wollen, so mache ich mich anheischig es Ihnen zu sagen. – Und bei diesen Worten entfernte sich der Albanese, wie um den Hauptmann aufzufordern ihm nachzugehen.
Der Hauptmann zögerte einen Augenblick, aber er war zu weit gegangen, um zurückzutreten, aller Augen waren auf ihn gerichtet, er sah ein, dass die geringste Schwäche seinen Ruf stürzen würde; außerdem hielt den Vorschlag für einen Scherz.
– Nun denn, rief er aus, Alles zu Ehren der Damen! Und er folgte dem Albanesen.
– Wissen Sie. wer dieser junge, als Grieche verkleidete Kavalier ist? Sagte die Gräfin mit bebender Stimme zu dem Fürsten von Butera.
– Nein, bei meiner Seele, antwortete der Fürst, weiß es Jemand? Alle blickten einander an; aber Niemand antwortete.
– Mit Ihrer Erlaubnis, sagte Paolo Tommasi, indem er die Hand an seinen Hut legte, ich weiß es.
– Und wer ist es, mein wackerer Brigadier?
– Pascal Bruno, gnädiger Herr! Die Gräfin stieß einen Schrei aus und sank in Ohnmacht. Dieser Vorfall machte dem Feste ein Ende.
Eine Stunde nachher hatte sich der Fürst von Butera in sein Zimmer zurückgezogen, und ordnete vor seinem Schreibtische einige Papiere, als der Haushofmeister mit triumphierender Miene eintrat.
– Was gibt es, Giacomo? sagte der Fürst.
– Ich hatte es Ihnen wohl gesagt, gnädiger Herr. . .
– Sprich, was hattest Du mir gesagt?
– dass Ihre Güte ihn dreist mache.
– Wen denn?
– Den Hauptmann Altavilla.
– Was hat er denn getan?
– Was er getan hat, gnädiger Herr? . . .
Zuvörderst wird Eure Exzellenz sich erinnern, dass ich Sie benachrichtigt habe, dass er regelmäßig sein silbernes Besteck in seine Tasche steckte.
– Ja» weiter?
– Verzeihung, und Eure Exzellenz hat geantwortet, dass, so lange er nur das seinige einstecke, nichts dagegen zu sagen wäre.
– Ich erinnere mich dessen.
– Wohl an! heute, gnädiger Herr, scheint es, dass er nicht allein das seinige, sondern auch noch die seiner Nachbarn eingesteckt hat, denn es fehlen acht.
– Dann ist es etwas anderes, sagte der Fürst.
Er nahm ein Blatt Papier und schrieb:
»Der Fürst Herkules von Butera hat die Ehre, den Hauptmann Altavilla zu benachrichtigen, dass, da er nicht mehr zu Haus zu Mittag isst, und sich durch diesen unvorhergesehenen Umstand des Vergnügens beraubt sieht, ihn künftig hin zu empfangen, er ihn bittet, die Kleinigkeit anzunehmen, welche er ihm als eine geringe Schadloshaltung für die Störung übersendet, welche dieser Entschluss in seinen Gewohnheiten verursachen wird.«
– Da, fuhr der Fürst fort, indem er den Haushofmeister fünfzig Unzen8 übergab, Sie werden morgen diesen Brief und dieses Geld dem Hauptmann Altavilla überbringen.
Giacomo, welcher wusste, dass nichts einzuwenden war, sobald der Fürst gesprochen hatte, verneigte sich und verließ das Zimmer; der Fürst fuhr ruhig fort seine Papiere zu ordnen, als er dann nach Verlauf von zehn Minuten ein Geräusch an der Türe seines Kabinetts hörte, erhob er den Kopf, und erblickte eine Art von Calabresischen Landmann auf der Schwelle seines Zimmers stehen, der seinen Hut in der einen, und ein Bündel in der andern Hand hielt.
– Wer ist da? sagte der Fürst.
– Ich, gnädiger Herr, sagte eine Stimme.
– Wer, Du?
– Pascal Bruno.
– Warum kommst Du?
– Zuvörderst, gnädiger Herr, sagte Pascal Bruno, indem er näher trat und seinen Hut voller Gold auf dem Schreibtische ausleerte, zuvörderst komme ich, um Ihnen die drei Hundert Unzen zu bringen, welche Sie mir so gefälliger Weise geliehen haben, Sie haben die Ihnen angegebene Bestimmung erfüllt; das abgebrannte Wirtshaus ist wieder aufgebaut.
– Ah, ah! Du bist ein Mann von Wort, nun denn! es freut mich.
Pascal verneigte sich.
– Sodann, fügte er nach einer kurzen Paust hinzu, komme ich, um Ihnen acht silberne Löffel und Gabeln mit Ihrem Wappen und Ihrem Namenszuge zurückzugeben, welche ich in der Tasche des Hauptmannes gefunden habe, der sie Ihnen wahrscheinlich gestohlen hatte.
– Bei Gott! sagte der Fürst, es ist merkwürdig, dass sie mir durch Dich wieder zukommen. Und jetzt, was befindet sich in diesem Bündel?
– In diesem Bündel befindet sich der Kopf eines Elenden, der Ihre Gastfreundschaft missbraucht hat, und den ich Ihnen als einen Beweis meiner Ergebenheit, die ich Ihnen geschworen habe, überbringe.
Bei diesen Worten knüpfte Pascal Bruno das Taschentuch auf, und indem er den Kopf des Hauptmanns Altavills bei den Haaren nahm, stellte er ihn ganz blutig auf den Schreibtisch des Fürsten.
– Was Teufel willst Du, dass ich mit einem solchen Geschenke mache? sagte der Fürst.
– Was Ihnen beliebt, gnädiger Herr, antwortete Pascal Bruno. Hinauf verneigte er sich und verließ das Zimmer.
Einen Augenblick lang blieb der Fürst von Butera die Augen auf diesen Kopf geheftet, allein, indem er sich in seinem Sessel schaukelte und sein Lieblingslied pfiff; sodann schellte er; der Haushofmeister erschien wieder.
– Giacomo, sagte der Fürst, es ist unnötig, dass Sie morgen früh zu den Hauptmann Altavills gehen; zerreißen Sie den Brief, behalten Sie die fünfzig Unzen, und werfen Sie dieses Aas auf den Mist.
VIII
Zu der Zeit, wo sich die Ereignisse zutragen, welche wir erzählen, das heißt gegen den Anfang des Jahres 1804, befand sich Sizilien noch in jenem fast rohen Zustande, aus dem es der Aufenthalt des Königs Ferdinand und die Besetzung der Engländer ein wenig gezogen haben; die Straße, welche heute zu Tage von Palermo nach Messina über Taormino und Catanea geht, war noch nicht gebaut, und die einzige, welche, zwar noch bei weitem nicht gut, aber doch fahrbar war, um sich von der einen Hauptstadt nach der andern zu begeben, war die, welche längs des Meeres über Termini und Cefalu ging, und die, für ihre neue Nebenbuhlerin verlassen, heut zu Tage eben nur noch von Künstlern besucht wird, welche dort die herrlichen Aussichten suchen, die sie fast bei jeden Schritte entfaltet. Die einzige Art und Weise, auf dieser Straße zu reisen, auf welcher kein Postdienst eingerichtet war, war daher ehedem wir jetzt, das Maultier, die Sänfte mit zwei Pferden, oder sein eigener Wagen mit im Voraus abgesandtem Vorspanne, der von fünfzehn Stunden zu fünfzehn Stunden aufgestellt war, so dass die Gräfin Gemma von Castelnuovo, im Augenblicke der Abreise nach Messina, wohin zu kommen ihr der Fürst von Carini geschrieben hatte, genötigt war, zwischen diesen drei Mitteln zu wählen. Die Reise auf einem Maultier war zu ermüdend für sie, die Reise in der Sänfte bot außer dem Unannehmlichkeiten dieses Beförderungsmittels, von denen das hauptsächlichste die Langsamkeit ist, noch das Unangenehme die Seekrankheit zu verursachen, die Gräfin entschied sich daher ohne alles Zögern für den Wagen, und sandte Vorspannpferde voraus, die sie auf den vier Stationen erwarten sollten, welche sie auf der Reise zu machen gedachte, nämlich in Termini, in Cefalu, in Santa-Agata und in Melazzo.
Außer dieser ersten Vorsichtsmaßregel, welche einfach und allein die Weiterschaffung anging, war der Eilbote beauftragt eine zweite zu treffen, welche darin bestand, an den benannten Punkten soviel Lebensmittel als möglich aufzuhäufen, eine wichtige Vorsichtsmaßregel, die wir denen nicht genug anempfehlen können, welche in Sizilien reisen, wo man in den Wirtshäusern buchstäblich nichts zu essen findet, und wo es im Allgemeinen nicht die Gastwirte sind, welche die Reisenden ernähren, sondern im Gegenteil die Reisenden, welche die Wirte ernähren. Die erste Anempfehlung, welche man uns bei der Ankunft in Messina macht, und die letzte, welche man beim Verlassen dieser Stadt erhält, dem Punkte von wo man gewöhnliche seine Ausflüge macht, ist die, sich mit Lebensmitteln zu versehen, Küchengeschirr zu kaufen und einen Koch anzunehmen, Alles das vermehrt gewöhnlich das Gefolge um zwei Maultiere und einen Mann, der bescheiden zu demselben Preise angeschlagen, einen Zuwachs der Ausgabe von drei Ducati9 täglich macht. Einige erfahrene Engländer fügen gewöhnlich diesem Gepäck ein drittes Maultier hinzu, das sie mit einem Zelte beladen, und wir müssen hier trotz unserer Vorliebe für dieses herrliche Land wohl gestehen, dass diese letzte Vorsichtsmaßregel nicht genug empfohlen werden kann, obgleich sie weniger unentbehrlich ist, als die andern, wegen des traurigen Zustandes der Wirtshäuser, welche man an den Straßen antrifft, und die, da es ihnen an den notwendigsten Tieren für die ersten Bedürfnisse des Lebens mangelt, märchenhafter Weise mit allen denen bevölkert sind, die nur gut dazu taugen um zu quälen. Die Menge dieser letzteren Tiere ist so groß, dass ich Reisende gesehen habe, welche aus Mangel an Schlaf krank geworden waren, und der Mangel an den ersten ist so groß, dass ich Engländern begegnet bin, welche, nachdem sie ihre Vorräte erschöpft, ernstlich berieten, ob sie nicht ihren Koch verzehren sollten, der ihnen gänzlich nutzlos geworden war. Soweit war im Jahre der Gnade 1804 das fruchtbare Sizilien herabgekommen, das zu den Zeiten Augustus Rom und seine zwölf Millionen Einwohner mit seinem Überfluss ernährte.
Ich weiß nicht, ob es ein Gelehrter war, der das alte Sizilien von Grund aus kannte, aber zuverlässig war es ein Beobachter, der sein modernes Sizilien genau kannte, dem man in dem Wirtshaus
Er war damit beschäftigt, mit der größten Aufmerksamkeit den wohlriechenden Rauchwolken zu folgen, die seinem Munde entschlüpften und sich an der Decke verdichteten, als die Tür des Zimmers aufging, und der Gastwirt, von einem Bedienten in der Livree der Gräfin begleitet, auf der Schwelle stehen blieb.
– Exzellenz! sagte der würdige Mann, indem er sich bis auf den Boden verneigte.
– Was gibt es? antwortete, ohne sich umzuwenden der Reisende mit einem sehr deutlichen malthesischen Akzent.
– Excellenz, es ist die Fürstin Gemma von Castelnuovo . . .
– Nun?
– Deren Wagen gezwungen ist, in meinem armen Wirtshaus einzukehren, weil das eine ihrer Pferde so sehr hinkt, dass sie ihre Reise nicht fortsetzen kann.
– Nun, und —?
– Und die, da sie heute Morgen bei ihrer Abreise von Santa-Agata diesen Unfall nicht vorausgesehen, heute Abend in Melazzo zu übernachten gedachte, wo sie ihren Vorspann erwarte, so dass sie durchaus keine Lebensmittel mit sich führte.
– Sagen Sie der Gräfin, dass mein Koch und meine Küche zu ihren Befehlen stehen.
– Tausend Dank im Namen meiner Gebieterin, Exzellenz, sagte der Diener; da aber die Gräfin ohne Zweifel gezwungen sein wird die Nacht in diesem Wirtshaus zuzubringen, weil man den Vorspann von Melazzo holen und hierher zurückführen muss, und sie nicht mehr Vorräte für die Nacht als Vorräte für den Tag hat, so läßt sie Eure Exzellenz fragen, ob Sie die Artigkeit haben würde. . .
– Die Gräfin möge die Gnade haben, unterbrach ihn der Reisende, mein Zimmer, so wie es eben ist, anzunehmen. Was mich betrifft, so bin ich ein an Beschwerden und Entbehrungen gewöhnter Mann, der sich mit dem ersten besten Zimmer begnügen wird. Gehen Sie daher hinab, der Gräfin zu melden, dass sie heraufkommen kann, und dass das Zimmer frei ist, während unser würdiger Wirt mich so gut als es ihm möglich ist, unterbringen wird.
Bei diesen Worten stand der Reisende auf und folgte dem Gastwirt; was den Diener anbetrifft, so ging er auf der Stelle wieder hinab, um seinen Auftrag auszurichten.
Gemma nahm das Erbieten des Reisenden wie eine Königin an, der ein Untertan huldigt, und nicht wie eine Frau, der ein Fremder einen Dienst erzeigt, sie war den maßen daran gewöhnt. Alles sich vor ihrem Willen beugen, Alles ihrem Stimme nachgeben, Alles ihrem Winke gehorchen zu sehen, dass sie die außerordentliche Artigkeit des Reisenden nur höchst einfach und natürlich fand. Sie war freilich so bezaubernd, als sie auf den Arm ihrer Kammerfrau gestützt nach dem Zimmer ging, dass sich Alles vor ihr verneigen musste, sie trug ein Amazonen-Reise Kostüm von der größten Eleganz, kurz, an den Armen und auf der Brust anschließend, und vorn mit seidenen Schnüren zugeheftelt; um ihren Hals war aus Furcht vor der Kälte der Gebirge ein damals bei uns, wo er sich seitdem so sehr verbreitet hat, noch unbekannter Schmuck geschlungen, es war eine Boa von Marderpelz, welche der Fürst von Carini von einem Malthesischen Handelsmanne gekauft, der sie von Constantinopel zurückgebracht hatte; auf ihrem Kopfe trug sie eine kleine Phantasiemütze von schwarzem Sammet gleich einer Kopfbedeckung des Mittelalters, und aus dieser Kopfbedeckung fielen lange gelockte Haare herab. Indessen, so vorbereitet sie auch war, ein zu ihrem Empfange bereitetes Zimmer zu finden, so konnte sie sich doch bei ihrem Eintritte nicht enthalten, sich über den Luxus zu verwundern, mit welchem der unbekannte Reisende die Armseligkeit des Zimmers hatte verschwinden lassen; alle Toilettengerätschaften waren von Silber; das Weißzeug, welches den Tisch bedeckte, war von außerordentlicher Feinheit, und die orientalischen Wohlgerüche, welche auf dem Kamine brannten, schienen geeignet ein Serail mit Wohlgerüchen zu erfüllen.
– Aber sieh doch, Gidsa, bin ich nicht auserkoren, sagte die Gräfin, ein ungeschickter Diener beschlägt meine Pferde schlecht, ich bin genötigt einzukehren, und ein guter Genius, der mich in der Verlegenheit sieht, erbaut auf meinem Wege einen Feenpallast.
– Hat die Frau Gräfin nicht irgend eine Vermutung über diesen unbekannten Genius?
– Nein, wahrhaftig nicht.
– Was mich anbetrifft, so meine ich, dass die Frau Gräfin erraten müsste.
– Ich versichere Ihnen, Gidsa, sagte die Gräfin, indem sie sich auf einen Stuhl sinken ließ, dass ich in der vollkommensten Unwissenheit bin. Lassen Sie hören, was meinen Sie denn?
– Ei ich meine . . . Die gnädige Frau wolle mir verzeihen, obgleich mein Gedanke sehr natürlich ist . . .
– Sprechen Sie!
– Ich meine, dass Seine Hoheit, der Vizekönig, welcher wusste, dass die Frau Gräfin auf der Reise ist, nicht die Geduld gehabt hat, Ihre Ankunft abzuwarten, und dass . . .
– Oh Sie haben da einen wundervoll richtigen Gedanken, und das ist wahrscheinlich . . . . In der That, wer hätte ein Zimmer mit so vieler Sorgfalt eingerichtet, um es mir abzutreten, wenn er es nicht wäre? Indessen, Sie müssen schweigen. Wenn es eine Überraschung ist, welche Rodolfo mir bereitet, so will ich mich ihr ganz hingeben und nicht eine der Gemütsbewegungen verlieren welche seine unerwartete Anwesenheit mir verursachen wird. Es ist also abgemacht, dass er es nicht ist, dass dieser Fremde ein unbekannter Reisender ist. Behalten Sie daher Ihre Wahrscheinlichkeiten für sich, und lassen Sie mir meinen Zweifel. Außerdem, wenn er es wäre, so bin ich es, der seine Anwesenheit erraten hätte, und nicht Sie . . . . .Was mein Rodolfo gütig für mich ist . . . . Wie er an Alles denkt! . . . . Wie er mich liebt . . .
– Und dieses mit so vieler Sorgfalt zubereitete Mittagessen, glauben Sie . . .
– Still! ich glaube nichts; ich benutze die Wohltaten, welche Gott mir sendet, und ich danke nur Gott dafür. Sehen Sie doch, dieses Silbergeschirr ist ein Wunder. Wenn ich diesen edlen Reisenden nicht gefunden hätte, wie hätte ich es denn angefangen, um aus etwas anderem zu essen? Sehen Sie doch diesen Becher von vergoldetem Silber, sieht er nicht aus, als ob er von Benvenuto gearbeitet wäre? . . . Geben Sie mir zu trinken, Gidsa.
Die Kammerfrau füllte den Becher mit Wasser, und goß nachher einige Tropfen Malvasier von Lipari hinein. Die Gräfin trank davon zwei bis drei Schluck, aber sichtlich viel mehr, um den Becher an ihren Mund zu sehen, als an Durst. Man hätte glauben können, dass sie durch die sympathetische Berührung ihrer Lippen zu erraten suchte, ob es wirklich ihr Geliebter wäre, der so allen Bedürfnissen des Luxus und des Prunkes entgegen kam, welche ein so notwendiger Überfluss werden, wenn man von Kindheit an daran gewöhnt worden ist.
Man trug das Abendessen auf. Die Gräfin aß, wie eine elegante Frau isst, indem sie alles nach der Weise der Kolibris, der Bienen und der Schmetterlinge berührte blieb zerstreut und tiefsinnig beim Essen, und die Augen beständig auf die Tür heftend, erbebte sie jedes Mal, wenn diese Tür aufging, mit beklommenem Busen und feuchten Augen; dann versank sie allmählich in ein köstliches Schmachten, von dem sie sich selbst keine Rechenschaft abzulegen vermochte. Gidsa wurde es gewahr und beunruhigte sich darüber.
– Leidet die Frau Gräfin etwa?
– Nein, antwortete Gemma mit schwacher Stimme, aber finden Sie nicht, dass diese Wohlgerüche berauschend sind?
– Will die Frau Gräfin, dass ich das Fenster aufmache?
– Hüten Sie sich davor; es ist mir allerdings so, als ob ich sterben würde; aber es scheint mir auch, als ob der Tod sehr süß sei. Nehmen Sie mir meinen Kopfputz ab, er drückt mich, und ich habe nicht mehr die Kraft, ihn zu tragen.
– Gidsa gehorchte, und die langen Haare der Gräfin sanken wallend auf auf den Boden.
– Empfinden Sie denn nichts dem Ähnliches, was ich empfinde, Gidsa? Es ist ein unbekanntes Wohlsein, etwas Himmlisches, das mir in den Adern fließt; ich werde irgend einen Liebestrank getrunken haben. Helfen Sie mir doch, mich aufzurichten, und führen Sie mich vor diesen Spiegel.
Gidsa unterstützte die Gräfin und half ihr an den Kamin. Vor ihm angelangt, stützte sie ihre beiden Ellenbogen auf das Gesims, senkte ihren Kopf auf ihre Hände und betrachtete sich.
Jetzt, sagte sie, lassen Sie alles das forttragen, entkleiden Sie mich, und lassen Sie mich allein.
Die Kammerfrau gehorchte, die Diener der Gräfin deckten den Tisch ab, und als sie sich entfernt, vollzog Gidsa den zweiten Teil des Befehls ihrer Gebieterin, ohne dass sie sich von dem Spiegel entfernte; nur erhob sie schmachtend die Arme, einen nach dem andern, um ihrer Kammerfrau die Möglichkeit zu lassen, ihren Dienst zu versehen, den sie gänzlich ausführte, ohne dass die Gräfin aus der Art von Entzücken erwachte, in das sie versunken war; endlich verließ sie das Zimmer, wie ihre Gebieterin es ihr befohlen hatte, und ließ sie allein.
Die Gräfin vollendete maschinenmäßig und in einem Zustande, gleich dem des Somnambulismus, den Rest ihrer Nachttoilette, legte sich zu Bett, blieb einen Augenblick lang auf ihren Ellbogen gestützt und die Blicke auf die Tür geheftet, dann endlich fielen allmählich, trotz ihren Anstrengungen, wach zu bleiben, ihre Augenlider zu, ihre Augen schlossen sich und sie ließ den Kopf in die Kissen zurücksinken, indem sie einen langen Seufzer ausstieß und den Namen Rodolfos flüsterte.
Am folgenden Morgen streckte Gemma, als sie erwachte, die Hand aus, wie als ob sie jemand an ihrer Seite zu finden glaubte, aber sie war allein.
Ihre Augen irrten nun in dem Zimmer herum, dann hefteten sie sich auf den neben ihrem Bette stehenden Tisch; auf diesem Tische lag ein offener Brief, sie nahm ihn und las:
»Frau Gräfin,
»Ich konnte die Rache eines Räubers an Ihnen nehmen, ich habe es vorgezogen, mir ein fürstliches Vergnügen zu gewähren; damit Sie aber beim Erwachen nicht glauben möchten, dass Sie geträumt, so habe ich Ihnen einen Beweis der Wirklichkeit zurückgelassen, betrachten Sie sich in ihrem Spiegel.
Gemma fühlte sich am ganzen Körper schaudern, ein kalter Schweiß bedeckte ihr die Stirn; sie streckte die Hand aus, um zu rufen, aber indem sie sich aus weiblichen Instinkt zurückhielt, sammelte sie alle ihre Kräfte, sprang aus ihrem Bette, eilte vor den Spiegel und stieß einen Schrei aus; ihre Haare und ihre Augenbrauen warm rasiert.
Sogleich hüllte sie sich in einen Schleier, warf sich in ihren Wagen und befahl, nach Palermo zurückzukehren.
Kaum war sie dort angelangt, als sie dem Fürsten von Carini schrieb, dass ihr Beichtvater ihr zur Büßung ihrer Sünden befohlen hätte, sich die Haare und die Augenbrauen abzuschneiden, und ein Jahr lang in ein Kloster zu gehen.
IX
Am ersten Mai 1805 war ein Fest auf dem Schloss Castelnuovo; Pascal Bruno war guter Laune, und gab einem seiner guten Freunde, Namens Placido Meli, einem ehrbaren Schmuggler aus dem Dorfe Gesso, und zwei Mädchen, welche dieser letztere von Messina in der Absicht mitgebracht hatte, eine vergnügte Nacht zuzubringen, ein Abendessen. Diese freundschaftliche Aufmerksamkeit hatte Bruno innig gerührt, und um nicht an Artigkeit gegen einen so vorsorglichen Kameraden zurückzubleiben, hatte er es übernommen, der Gesellschaft die Ehre seines Hauses zu erzeigen, dem zu Folge waren die besten Weine von Sizilien und Calabrien aus den Keller, der kleinen Feste heraufgeholt, die ersten Köche von Bauso angenommen, und all dieser seltsame Luxus, in welchem sich der Held unserer Geschichte zuweilen gefiel, für diese Veranlassung entfaltet.
Das Gelage war teufelmäßig im Zuge, und dennoch waren die Tischgenossen erst an dem Anfange des Mittagessens, als Ali eintrat und Placido ein Billet eines Bauern von Gesso überbrachte. Placido las es, und indem er das Papier zornig zwischen seinen Händen zerrieb, rief er aus:
– Bei Christi Blut! er hat seine Stunde gut gewählt!
– Wer das, Gevatter? sagte Bruno.
– Bei Gott! Der Kapitän Luigi Cama von Villa-San-Giovanni.
– Ah! sagte Bruno, unser Rumlieferant?
– Ja, antwortete Placido; er lässt mir melden, dass er sich an dem Strande befindet und dass er eine ganze Ladung hat, deren er sich zu entledigen wünscht, bevor die Douaniers seine Ankunft erfahren.
– Die Geschäfte vor Allem, Gevatter, sagte Bruno. Ich werde Dich erwarten, ich bin in guter Gesellschaft, und sei unbesorgt, wenn Du nicht zu lange ausbleibst, so wirst Du von alledem wiederfinden, was Du zurücklässt, und mehr, als Du davon nehmen kannst.
– Es ist die Sache einer Stunde, erwiderte Placido, indem er sich in die Gründe seines Wirtes zu fügen schien; das Meer ist fünf Hundert Schritte weit von hier.
– Und wir haben die ganze Nacht, sagte Pascal.
– Guten Appetit, Gevatter.
– Glückliche Reise, Meister.
Placido entfernte sich, Bruno blieb allein mit den beiden Mädchen, und, wie er es seinem Gast versprochen hatte, litt die Fröhlichkeit des Abendessens durchaus nicht durch diese Abwesenheit; Bruno war liebenswürdig für zwei, und das Gespräch und die Pantomime begann eine höchst lebhafte Wendung zu nehmen, als die Tür aufging und eine neue Person eintrat, Pascal wandte sich um und erkannte den maltesischen Kaufmann, von welchem wir bereits mehrere Male gesprochen haben, und von dem er einer der besten Kunden geworden war.
– Ah! bei Gott! sagte er, seien Sie willkommen, besonders wenn Sie Serailpastillen, Tabak von Latakis und Schärpen von Tunis mitbringen; hier sind zwei Odalisken, welche erwarten, dass ich ihnen das Taschentuch zuwerfe, und es wird ihnen eben so lieb sein, dass es mit Gold gestickt ist, als wenn es von einfachem Mousselin wäre. Apropos, Ihr Opium hat Wunder getan.
– Es freut mich, antwortete der Maltheser, aber in in diesem Augenblicke komme ich wegen anderer Sachen, als meinem Handel.
– Du kommst zum Nachtessen, nicht wahr? Dann setze Dich dorthin, und sei ein zweites Mal willkommen; das ist ein königlicher Platz, einer Flasche gegenüber und zwischen zwei Mädchen.
– Euer Wein ist vortrefflich, ich bin überzeugt davon, und diese Damen scheinen mir liebenswürdig, antwortete der Maltheser, aber ich habe Ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen.
– Mir?
– Ihnen.
– Sag.
– Ihnen allein.
– Dann auf morgen die Mitteilung, mein würdiger Kommandeur.
– Ich muss Sie auf der Stelle sprechen.
– Dann sprich vor Allen; es ist hier Niemand zu viel, und wenn ich mich wohl befinde, so ist es mein Grundsatz, mich nicht stören zu lassen, handelt es sich auch um mein Leben.
– Gerade um dieses handelt es sich.
– Bah! sagte Bruno, indem er die Gläser füllte, es gibt einen Gott für die rechtschaffenen Leute. Auf Deine Gesundheit, Kommandeur. – Der Maltheser leerte sein Glas. – Es ist gut! jetzt setze Dich und predige, wir hören Dir zu.
Der Kaufmann sah wohl, dass er sich in die Laune seines Wirtes fügen müsste, er gehorchte ihm dem zu Folge.
– So ist es recht, sagte Bruno, und jetzt, was gibt es?
– Sie wissen, fuhr der Maltheser fort, dass die Richter von Cavaruso, von Spadafora, von Bouso, von Saponara, von Divicto und von Romita verhaftet Worden sind.
– Ich habe so etwas sagen hören, sagte Pascal Bruno nachlässig, indem er ein volles Glas Wein von Morsalla leerte, welcher der Madera Siziliens ist.
– Und Sie wissen die Ursache dieser Verhaftung?
– Ich denke sie mir; ist es nicht, weil der Fürst von Carini, übler Laune darüber, dass seine Geliebte sich in ein Kloster zurückgezogen hat, findet, dass sie zu viel Langsamkeit und Ungeschicklichkeit auf die Verhaftung eines gewissen Pascal Bruno verwenden, dessen Kopf drei Tausend Dukaten wert ist?
– Ganz recht.
– Sie sehen, dass ich von dem unterrichtet bin, was vorgeht.
– Indessen ist es möglich, dass es gewisse Dinge gibt, die Sie nicht wissen.
– Gott allein ist groß, wie Ali sagt; aber fahren Sie fort, und ich werde meine Unwissenheit gestehen, ich wünsche Nichts mehr, als mich zu unterrichten.
– Wohlan! die sechs Richter haben sich versammelt, und haben jeder fünf und zwanzig Unzen zusammengelegt, was Hundert und fünfzig macht.
– Oder auch, antwortete Bruno immer mit derselben Sorglosigkeit, achtzehn Hundert und neunzig Livres. Sie sehen, dass wenn ich meine Bücher nicht pünktlich führe, es nicht deshalb geschieht, weil ich nicht rechnen kann . . . weiter?
– Nachher haben sie diese Summe zwei oder drei Leuten anbieten lassen, welche sie als Ihren gewöhnlichen Umgang kennen, ob sie ihnen helfen wollten, Sie gefangen zu nehmen.
– Mögen sie anbieten; ich bin fest überzeugt, dass sie auf zehn Meilen in der Runde keinen Verräter finden werden.
– Sie irren sich, sagte der Maltheser, der Verräter ist gefunden.
– Ah! äußerte Bruno, indem er die Stirn runzelte und die Hand an seinen Dolch legte, und woher weißt Du das?
– O! mein Gott, auf die einfachste und natürlichste Weise, ich war gestern in Messina bei dem Fürsten von Carini, der mich hatte rufen lassen, um türkische Stoffe zu kaufen, als ein Bedienter ihm ein paar Worte ins Ohr sagte. – Es ist gut, antwortete der Fürst laut, er möge eintreten. – Er gab mir nun einen Wink, in ein Kabinett zu treten, ich gehorchte, und da er durchaus nicht ahnete, dass ich Sie kenne, so hörte ich die Unterhaltung, welche Sie betraf.
– Ja, nun denn?
– Nun denn! der Mann, den man meldete, war der Verräter; er machte sich anheischig, die Thor Ihrer Feste zu öffnen, sie ohne Verteidigung zu überliefern, während Sie zu Nacht äßen, und selbst die Gendarmen bis in Ihren Speisesaal zu führen.
– Und kennst Du den Namen dieses Mannes? sagte Bruno.
– Es ist Plaeide Meli, antwortete der Maltheser.
– Gottes Blut! rief Pascal die Zähne knirschend aus, er war so eben hier.
– Und er ist ausgegangen?
– Einen Augenblick, bevor Sie kamen.
– Dann holt er die Gendarmen und die Compagnieen; denn so viel ich urteilen kann, waren Sie mit dem Abendessen beschäftigt.
– Du siehst es.
– Ganz recht. Wenn Sie fliehen wollen, so ist kein Augenblick zu verlieren.
– Ach fliehen! sagte Bruno lachend. Ali! . . .Ali! . . . – Ali trat ein. – Verschließe das Thor des Schlosses, mein Sohn, laß drei meiner Hunde in dem Hofe los, laß den vierten, Lionna, heraufkommen . . . und mach die Munition zurecht. – Die Frauen stießen Geschrei aus. – O! schweigt, meine Göttinnen, fuhr Bruno mit befehlender Gebärde fort, es handelt sich hier nicht darum, zu singen; still, und geschwind, wenn es beliebt. – Die Frauen schwiegen. – Leiste diesen Damen Gesellschaft, Kommandeur, fügte Bruno hinzu, was mich anbetrifft, so muss ich meine Runde machen.«
Pascal nahm seine Büchse, schnallte seine Patronentasche um und schritt auf die Thür zu, aber in dem Augenblicke, als er die Schwelle betreten wollte, blieb er horchend stehen.
– Was gibt es? sagte der Maltheser.
– Hören Sie nicht meine Hunde heulen? der Feind rückt heran; sehen Sie, sie kommen noch fünf Minuten später, als Sie. – Still, meine Tiger, fuhr Bruno fort, indem er das Fenster aufmachte und ein besonderes Pfeifen hören ließ. – Es ist gut, es ist gut, ich bin benachrichtigt. – Die Hunde stöhnten leise und schwiegen; die Frauen und der Maltheser schauderten vor Schrecken, indem sie errieten, dass sich irgend etwas Schreckliches zutragen würde. In diesem Augenblicke trat Ali mit der Lieblingshündin Pascals ein; das edle Tier ging gerade auf seinen Herrn zu, richtete sich auf seinen Hinterfüßen auf, legte ihm die beiden Vorderfüße auf die Schultern, blickte ihn voller Verstand an und begann leise zu heulen.
– Ja, ja, Lionna, sagte Bruno, ja, Du bist ein herrliches Thier. – Dann streichelte er es mit der Hand und küßte es auf die Stirn, wie er es mit einer Geliebten gemacht hätte.Die Hündin stieß ein zweites leises und klagendes Geheul aus. – Gehen wir, Lionna, fuhr Pascal fort, es scheint, dass es Eile hat. Gehen wir, meine Schöne, gehen wir. – Und er entfernte sich, indem er den Maltheser und die beiden Frauen in dem Eßzimmer ließ.
Pascal ging in den Hof hinab und fand die drei Hunde, welche sich unruhig gebärdeten, aber ohne noch anzudeuten, dass die Gefahr sehr dringend wäre. Nun machte er die Gartentür auf und begann die Runde desselben zu machen. Plötzlich blieb Lionna stehen, hielt die Nase in den Wind und ging gerade auf einen Punkt des geschlossenen Raumes zu. An dem Fuße der Mauer angelangt, richtete sie sich auf, wie um sie zu ersteigen, indem sie ihre Zähne an einander klappern ließ und dumpf brüllte, wobei sie nachsah, ob ihr Herr ihr gefolgt wäre. Pascal Bruno stand hinter ihr.
Er verstand, dass in dieser Richtung und nur einige Schritte weit entfernt ein Feind versteckt wäre, und indem er sich erinnerte, dass das Fenster von dem Zimmer, in welchem Paolo Tommasi Gefangener gewesen war, gerade auf diesen Punkt die Aussicht hatte, so ging er rasch wieder hinauf, von Lionna gefolgt, welche mit offenem Rachen und blutigen Augen durch das Zimmer ging, in welchem die beiden Mädchen voller Angst das Ende dieses Abenteuers abwarteten, trat in das anstoßende Zimmer, das ohne Licht war, und dessen Fenster offen stand. Kaum eingetreten, legte sich Lionna auf den flachen Leib, kroch wie eine Schlange nach dem Fenster, dann, als sie nur noch einige Fuß weit von demselben entfernt war, und bevor Pascal nur daran dachte, sie zurückzuhalten, sprang sie wie ein Panther durch die ihr gebotene Öffnung, indem sie sich wenig darum bekümmerte, auf der andern Seite zwanzig Fuß hoch hinabzufallen.
Pascal fand sich zugleich mit der Hündin am Fenster; er sah sie drei Sprünge nach einem alleinstehenden Olivenbaum machen, dann hörte er einen Schrei. Lionna hatte einen hinter diesem Olivenbaum versteckten Mann bei der Gurgel gepackt.
– Zu Hilfe! rief eine Stimme aus, welche Pascal als die Placido’s erkannte; zu Hilfe, Pascal! zu Hilfe! . . . ruf Deinen Hund zurück, oder ich schlitze ihm den Bauch auf.
– Pack an! . . Lionna, pack an! Beiß ihn tot, beiß ihn tot, Lionna! bring den Verräter um! . . .
Placido erriet nun, dass Bruno Alles wusste, nun stieß auch er ein Brüllen des Schmerzes und des Zornes aus, und ein Kampf auf Tod und Leben begann zwischen dem Manne und dem Hunde.Bruno sah auf seine Büchse gestützt diesem seltsamen Zweikampfe zu. Während zehn Minuten sah er bei dem Ungewissen Scheine des Mondes zwei Körper kämpfen, fallen und wieder aufstehen, von denen er weder die Natur, noch die Gestalt unterscheiden konnte, so sehr schienen sie nur noch einen auszumachen.Während zehn Minuten hörte er verworrenes Geschrei, ohne dass er das Geheul des Menschen von dem des Hundes zu unterscheiden vermochte; endlich, nach Verlauf von zehn Minuten fiel der eine von den beiden, um nicht wieder aufzustehen, es war der Mensch.
Bruno pfiff Lionna, schritt von Neuem durch das Esszimmer, ohne ein Wort zu sagen, ging rasch hinab und machte seiner Lieblingshündin das Thor auf, aber in dem Augenblicke, wo sie ganz blutig von Messerstichen zurückkehrte, sah er in der Straße, welche von dem Dorfe nach dem Schloss hinaufführte, unter einem Strahle des Mondes Flintenläufe blitzen. Sogleich verrammelte er die Tür, und ging wieder in das Zimmer hinauf, in welchem sich die zitternden Gäste befanden. Der Maltheser trank, die beiden Mädchen sagten ihre Gebete her.
– Nun? sagte der Maltheser.
– Nun, Kommandeur? wiederholte Bruno.
– Placido?
– Er hat sein Teil, sagte Bruno, aber da fällt eine andere Legion von Teufeln uns auf den Leib.
– Welche?
– Die Gendarmen und die Compagnieen von Messina, wenn ich mich nicht irre.
– Und was wollen Sie tun?
– Zuvörderst, so viel als ich vermag von ihnen töten.
– Und nachher?
– Nachher . . . werde ich mich mit dem Reste in die Luft sprengen.
Die Mädchen stießen lautes Geschrei aus.
– Ali, fuhr Pascal fort, führe diese Mädchen in den Keller, und gib ihnen Alles, was sie von Dir verlangen, ausgenommen Licht, aus Furcht, dass sie Feuer an das Pulver legen möchten, bevor es Zeit ist.
Die armen Geschöpfe fielen auf die Knie.
– Vorwärts, vorwärts, sagte Bruno mit dem Fuße stampfend, gehorcht! Und er sagte das mit einer solchen Gebärde und in einem solchen Tone, dass die beiden Mädchen aufstanden und Ali folgten, ohne dass sie eine einzige Klage auszustoßen wagten.
– Und jetzt, Kommandeur, sagte Bruno, als sie hinausgegangen waren, löschen Sie die Lichter aus und stellen Sie sich in eine Ecke, wo die Kugeln Sie nicht treffen können, denn da kommen die Musikanten, und die Tarantella wird beginnen.
X
Einige Augenblicke nachher kehrte Ali zurück, indem vier Gewehre von demselben Kaliber und einen Korb voller Patronen auf seiner Schulter trug. Pascal Bruno machte alle Fenster auf, um zugleich nach den verschiedenen Seiten die Spitze zu bieten.
Ali nahm ein Gewehr und wollte sich an eines von ihnen stellen.
– Nein, mein Sohn, sagte Pascal mit einem ganz väterlichen Ausdrucke zu ihm, nein, das geht mich allein an. Ich will Dein Schicksal nicht auf diese Weise mit dem meinigen verbinden; ich will Dich nicht dahin mit fortreißen, wohin ich gehe. Du bist jung, nichts hat bis jetzt noch Dein Leben aus der gewöhnlichen Bahn fort getrieben; folge mir, bleibe in der von den Menschen vorgeschriebenen Bahn.
– Vater, sagte der junge Mann mit seiner sanften Stimme, warum willst Du nicht, dass ich Dich verteidige, wie Lionna Dich verteidigt hat? Du weißt wohl, dass ich nur Dich habe und dass ich, wenn Du stirbst, mit Dir sterben werde.
– Nicht doch, Ali, wenn ich sterbe, so werde ich vielleicht auf der Erde irgend einen geheimnisvollen und schrecklichen Auftrag zurücklassen, den ich nur meinem Sohne anvertrauen konnte, mein Sohn muss daher leben, um das zu tun, was ihm sein Vater befehlen wird.
– Es ist gut, sagte Ali.
Der Vater ist der Herr, der Sohn wird gehorchen.
»Pascal ließ seine Hand fallen, Ali ergriff und küsste sie.
– Werde ich Dir dann zu nichts dienen, Vater? sagte der Knabe.
– Lade die Gewehre, antwortete Bruno.
Ali machte sich an das Werk.
– Und ich? rief der Maltheser aus der, Ecke, in welche er sich gesetzt hatte.
Sie, Kommandeur, Sie behalte ich, um Sie als Parlamentär abzusenden.
In diesem Augenblicke sah Pascal Bruno die Gewehre einer zweiten Truppe blitzen, welche von dem Gebirge herabkam, und die so geraden Weges auf den abgesonderten Olivenbaum zuschritt, an dessen Fuße Placido’s Leiche lag, dass es augenscheinlich war, dass diese Truppe zu einem gegebenen Rendezvous kam. Die, welche voraus gingen, stießen auf die Leiche; nun bildete sich ein Kreis um sie, aber Niemand vermochte sie zu erkennen, so sehr hatten die scharfen Zähne Lionna’s sie entstellt. Indessen, da Placido ihnen unter diesem Olivenbaum das Rendezvous gegeben hatte, da die Leiche an dem Fuße dieses Olivenbaumes lag und kein anderes lebendiges Wesen sich in der Umgegend zeigte, so war es augenscheinlich, dass der Tote Placido selbst wäre. Die Soldaten schlossen daraus, dass der Verrat entdeckt wäre und dass Bruno auf seiner Hut sein müsste. Nun hielten sie an, um zu beraten. An dem Fenster stehend, folgte Pascal allen ihren Bewegungen. In diesem Augenblicke trat der Mond hinter einer Wolke hervor. Sein Schein fiel auf ihn, einer der Soldaten erblickte ihn und deutete ihn seinen Kameraden mit der Hand an; der Ruf:
Die Compagnieen, welche nicht aus Linientruppen, sondern aus einer Art von Nationalgarde bestanden, welche für die Sicherheit der Straße errichtet war, zögerten einen Augenblick, als sie den Tod so rasch sich entgegenkommen sahen. Alle diese Leute, welche auf den Verrat Placido’s gerechnet, hatten einen leichten Fang zu machen gehofft, aber statt dessen war es eine wahre Belagerung, welche sie machen mussten. Nun aber fehlte ihnen jedes zu einer Belagerung notwendige Gerät, die Mauern der kleinen Feste waren hoch und ihre Thore fest, und sie hatten weder Leitern noch Beile, es blieb noch die Möglichkeit, Pascal in dem Augenblicke zu töten, war er genötigt war, sich frei zu stellen, um durch das Fenster zu zielen; aber das war eine ziemlich schlechte Aussicht für Leute, welche von der Unverwundbarkeit ihres Gegners überzeugt waren. Das Manöver, das sie für das notwendigste hielten, war daher, sich außer Schussweite zurückzuziehen, um über das zu beraten, was dabei zu thun wäre, aber ihr Rückzug ging nicht rasch genug vor sich, dass Pascal Bruno nicht die Zeit gehabt hätte, ihnen zwei neue Todesboten zu senden.
Als Pascal sich von dieser Seite für den Augenblick unbelagert sah, trat er an das gegenüber befindliche Fenster, welches die Aussicht auf das Dorf hatte; die Flintenschüsse hatten diesen ersten Haufen aufmerksam gemacht; kaum war er daher auch an dem Fenster erschienen, als er von einem Hagel von Kugeln empfangen wurde; aber dasselbe wunderbare Glück bewahrte ihn vor dem Tode; es war nun an eine Bezauberung zu glauben, während dagegen jeder seine Schüsse in dieser Masse traf, und Pascal konnte nach den Flüchen, welche er hörte, schließen, dass sie nicht umsonst gewesen waren.
Nun ereignete sich für diesen Haufen dasselbe, wie für den andern: Unordnung entstand in seinen Gliedern, indessen stellten sie sich, statt die Flucht zu ergreifen, gegen die Mauern der Feste selbst, ein Manöver, das Bruno in die Unmöglichkeit versetzte, auf seine Feinde zu schießen, ohne die Hälfte des Körpers aus dem Fenster hervorzustrecken. Da nun aber der Bandit es für unnötig hielt, sich dieser Gefahr auszusetzen, so war die Folge von diesem doppelten Akte der Vorsicht, dass das Feuer für den Augenblick aufhörte.
– Sind wir mit ihnen fertig, sagte der Maltheser, und können wir Victoria rufen?
– Noch nicht, sagte Bruno, es ist nur ein Waffenstillstand; sie sind ohne Zweifel in das Dorf gegangen, um Leitern und Beile zu holen, und wir werden bald Nachrichten von ihnen erhalten. Seien Sie aber unbesorgt, fuhr der Bandit fort, indem er zwei Gläser füllte, wir werden nicht gegen sie zurückbleiben und ihnen Nachrichten von uns geben. . . Ali, hole ein Fass Pulver. Auf Ihre Gesundheit, Kommandeur.
– Was wollen Sie mit diesem Fasse machen? sagte der Maltheser mit einer gewissen Besorgnis.
– O! fast nichts. . . Sie werden sehen.
Ali kehrte mit dem verlangten Gegenstande zurück.
– Es ist gut, fuhr Bruno fort, jetzt nimm einen Bohrer und bohre ein Loch in dieses Fass.
Ali gehorchte mit der passiven Schnelligkeit, welche das hervortretende Zeichen seiner Ergebenheit war. Während dieser Zeit zerriss Pascal eine Serviette, zog die Fäden aus, vereinigte sie, rollte sie in dem Pulver einer Patrone, steckte diese Lunte in das Loch des Fasses und verstopfte dieses Loch mit angefeuchtetem Pulver, das zugleich die Lunte befehligte; kaum hatte er diese Vorbereitungen getroffen, als Anschläge an dem Thor erschallten.
– Bin ich ein guter Prophet? sagte Bruno, indem er das Fass nach dem Eingange des Zimmers rollte, welches auf eine in den Hof führende Treppe ging, und indem er aus dem Feuer ein Stück brennendes Tannenholz nahm.
– Ah! äußerte der Maltheser, ich . . . fange an zu begreifen .
– Vater, sagte Ali, sie kehren von der Seite des Gebirges mit einer Leiter zurück.
Bruno eilte an das Fenster, aus welchem er das erste Mal Feuer gegeben hatte, und sah, dass in der Thal seine Gegner sich das Ersteignungswerkzeug verschafft hatten, das ihnen fehlte, und dass sie, beschämt über ihren ersten Rückzug, mit einer gewissen Fassung zum Angriffe zurückkehrten.
– Sind die Gewehre geladen? sagte Bruno.
– Ja, Vater, antwortete Ali, indem er ihm seine Büchse reichte.
Ohne sie anzublicken, nahm Bruno die Waffe, welche ihm der Knabe reichte, setzte sie langsam gegen seine Achsel und zielte mit weit mehr Aufmerksamkeit, als er es bis dahin getan hatte; der Schuss fiel, einer der beiden Leute, welche die Leiter trugen, sank zu Boden.
Ein Zweiter nahm seine Stelle ein; Bruno nahm ein zweites Gewehr und der Soldat fiel neben seinem Kameraden.
Zwei andere Männer folgten den Getöteten und wurden gleichfalls getötet; die Leiter schien die verhängnisvolle Eigenschaft der Arche zu haben, kaum hatte man die Hand daran gelegt, als man tot zu Boden sank. Die Stürmer zogen sich ein zweites Mal zurück, indem sie ihre Leiter zurückließen und ein eben so nutzloses Feuer als die andern gaben.
Während dessen verdoppelten die, welche das Thor angriffen, ihre Axtschläge; auch die Hunde heulten von Zeit zu Zeit auf eine grässliche Weise, die Schläge wurden weit dumpfer und das Gebell weit erbitterter. Endlich wurde ein Flügel des Tores eingeschlagen, zwei bis drei Mann drangen durch diese Öffnung; aber aus ihrem Angstgeschrei schlossen ihre Kameraden, dass sie es mit weit schrecklicheren Feinden zu tun hätten, als sie es anfangs geglaubt; es war keine Möglichkeit, auf die Hunde zu schießen, ohne die Menschen zu töten. Ein Teil der Belagerer drang daher allmählich durch die Öffnung, der Hof füllte sich bald, und nun begann eine Art von Teilgefecht zwischen den Soldaten und den vier Bullenbeißern, die voller Erbitterung die schmale Treppe verteidigten, welche nachdem ersten Stocke der Feste führte.Plötzlich ging die auf der Höhe dieser Treppe befindliche Tür auf und das von Bruno zubereitete Fass Pulver, das von Stufe zu Stufe sprang, platzte wie eine Bombe in Mitte dieses Gemetzels.
Der Ausbruch war schrecklich, eine Mauer stürzte ein, Alles, was sich in dem Hofe befand, wurde vernichtet.
Es entstand ein Augenblick der Bestürzung unter den Belagernden, inzwischen hatten sich die beiden Truppen vereinigt, und sie boten noch eine Mannschaft von mehr als dreihundert Streitern. Ein Gefühl tiefer Scham bemächtigte sich dieser Menge, sich so durch einen einzigen Mann in Schach gehalten zu sehen; die Anführer benutzten es, um sie anzufeuern. Bei ihrer Stimme bildeten die Belagernden eine Kolonne, eine Bresche war durch den Sturz der Mauer angebracht, sie marschierten in guter Ordnung auf sie zu, und indem sie sich in ihrer ganzen Breite entfalteten, überschritten sie dieselbe ohne Hindernis, drangen in den Hof und befanden sich der Treppe gegenüber. Dort entstand nochmals ein Augenblick des Zögerns. Endlich begannen einige sie unter ermutigenden Zuruf ihrer Kameraden zu ersteigen, die andern folgten ihnen, das Gedränge füllte die Treppe, und bald darauf war es den ersten, wenn sie auch hätten zurückweichen wollen, nicht mehr möglich; sie waren daher gezwungen, die Tür anzugreifen; aber gegen ihre Erwartung gab die Tür ohne Widerstand nach.
Die Belagerer verbreiteten sich nun unter lautem Siegesgeschrei in dem ersten Zimmer. In diesem Augenblicke öffnete sich die Tür des zweiten, und die Soldaten erblickten Bruno auf einem Pulverfass sitzend, indem er in jeder Hand eine Pistole hielt; zu gleicher Zeit stürzte der Maltheser entsetzt aus der offenen Tür, indem er mit einem Ausdrucke voller Wahrheit ausrief, der keinen Zweifel übrig ließ:
– Zurück! Alle zurück! die Feste ist unterminiert; wenn Ihr einen Schritt weiter tut, so springen wir in die Luft! . . .
Die Tür verschloss sich wie durch einen Zauber wieder, das Siegesgeschrei verwandelte sich in Schreckensgeschrei; man hörte diese ganze Menge die schmale Treppe hinabstürzen, welche in den Hof führte; einige sprangen aus den Fenstern, es schien diesen Leuten, als ob sie die Erde unter ihren Füßen erbeben fühlten. Nach Verlauf von fünf Minuten war Bruno von Neuem alleiniger Herr der Feste; was den Maltheser anbelangt, so hatte er die Gelegenheit benutzt, um sich zurückzuziehen.
Pascal, welcher kein Geräusch mehr hörte, stand auf und ging an ein Fenster; die Belagerung war in eine Blockade verwandelt; Posten waren allen Ausgängen gegenüber aufgestellt, und die, welche sie bildeten, hatten sich vor dem Feuer des Platzes hinter Karren und Fässern gesichert; es war augenscheinlich, dass ein neuer Feldzugsplan angenommen worden wäre.
– Es scheint, dass sie uns durch Hunger zu nehmen gedenken, sagte Bruno.
– Die Hunde! antwortete Ali.
– Beschimpfe die armen Tiere nicht, welche bei meiner Verteidigung gestorben sind, sagte Bruno lächelnd, und nenne die Menschen Menschen.
– Vater! rief Ali aus.
– Nun?
– Siehst Du?
– Was?
– Diesen Schein? . . .
– In der Tat, was bedeutet er? . . . Das ist noch nicht der anbrechende Tag; außerdem kommt er aus Norden und nicht aus Osten.
– Es ist das Feuer, das im Dorfe ist, sagte Ali.
– Bei Christi Blut! ist das wahr? . . .
In diesem Augenblicke begann man lautes Notgeschrei zu hören . . .
Bruno stürzte auf die Türe zu und befand sich dem Maltheser gegenüber.
– Sie sind es, Kommandeur? rief Pascal aus.
– Ja, ich bin es, . . . ich selbst. . . Irren Sie sich nicht und halten Sie mich nicht für einen andern. Ich bin ein Freund.
– Sein Sie willkommen, was geht vor?
– Was vorgeht? Da sie verzweifeln, Sie gefangen zu nehmen, so haben Sie das Dorf in Brand gesteckt, und sie werden es nicht eher löschen, als bis die Bauern einwilligen, gegen Sie zu rücken; was sie anbetrifft, so haben sie genug.
– Und die Bauern?
– Sie weigern sich.
– Ja. . . ja. . . ich wusste es im Voraus; sie würden eher alle ihre Häuser abbrennen lassen, als ein Haar meines Hauptes anzutasten . . . Es ist gut, Kommandeur; kehren Sie zu denen zurück, welche Sie senden, und sagen Sie ihnen, sie sollten das Feuer löschen.
– Wie das?
– Ich ergebe mich.
– Du ergibst Dich, Vater? rief Ali aus.
– Ja . . . aber ich habe mein Wort gegeben, mich nur einem einzigen Manne zu ergeben, und ich werde mich nur ihm ergeben, man lösche daher die Feuersbrunst, wie ich gesagt habe, und hole mir diesen Mann von Messina.
– Und wer ist dieser Mann?
– Es ist Paolo Tommasi, der Brigadier der Gendarmerie.
– Haben Sie etwas anderes zu fordern?
– Nur Eines, antwortete Bruno, und er sprach leise mit dem Maltheser.
– Ich hoffe, dass es nicht mein Leben ist, das Du verlangst? sagte Ali.
– Habe ich Dir nicht schon gesagt, dass ich Deiner vielleicht nach meinem Tode bedürfen würde?
– Verzeihung, Vater, ich hatte es vergessen.
– Gehen Sie, Kommandeur, und richten Sie das aus, was ich Ihnen gesagt habe; wenn ich das Feuer erlöschen sehe, so ist das ein Zeichen, dass meine Bedingungen angenommen sind.
– Sie sind nicht böse auf mich, dass ich den Auftrag übernommen habe?
– Habe ich Ihnen nicht gesagt, dass ich Sie als Unterhändler behielte?
– Das ist richtig.
– Apropos, sagte Pascal, wie viel Häuser sind abgebrannt?
– Bereits zwei, als ich zu Ihnen gekommen bin.
– Es befinden sich dreihundert und fünfzehn Unzen in diesem Geldbeutel; Sie werden Sie unter die Eigentümer verteilen.
Auf Wiedersehen.
– Adieu.
Der Maltheser entfernte sich.
Bruno warf seine Pistolen von sich, setzte sich wieder auf sein Pulverfass und versank in ein tiefes Sinnen, was den jungen Araber anbelangt, so streckte er sich auf sein Tigerfell aus und blieb regungslos, indem er die Augen schloss, als ob er schliefe. Allmählich erlosch der Schein der Feuersbrunst, die Bedingungen waren angenommen.
Nach Verlauf von ungefähr einer Stunde ging die Tür des Zimmers auf; ein Mann erschien auf der Schwelle, und als er sah, dass weder Bruno noch Ali seine Ankunft gewahr würden, begann er zu husten; das war ein Mittel, seine Anwesenheit zu melden, das er auf dem Theater von Messina mit Erfolg hatte anwenden sehen.
Bruno wandte sich um.
– Ah! Sie sind es, Brigadier? sagte er lächelnd, es ist ein Vergnügen, Sie rufen zu lassen, Sie lassen nicht auf sich warten.
– Ja . . . Sie sind mir eine Viertelstunde weit von hier auf der Heerstraße begegnet, als ich mit meiner Compagnie kam . . .und sie haben mir gesagt, dass Sie mich rufen ließen.
– Das ist wahr, ich habe Ihnen beweisen wollen, dass ich ein Mann von Wort wäre.
– Bei Gott! ich wusste es wohl.
– Und da ich Ihnen versprochen habe, Sie die in Rede stehenden dreitausend Dukaten verdienen zu lassen, so habe ich Ihnen Wort halten wollen.
– Sapperment! . . .Sapperment!! . . . Supperment!!! . . . sagte der Brigadier mit zunehmender Energie.
– Was will das sagen, Kamerad?
– Das will sagen . . . das will sagen . . . dass ich diese dreitausend Dukaten auf eine andere Weise . . . an etwas anderem. . .in der Lotterie zum Beispiel, gewinnen mochte.
– Und warum das?
– Weil Sie ein Wackerer sind, und weil die Wackeren selten sind.
– Bah! was kümmert Sie das? . . .Das ist eine Beförderung für Sie, Brigadier.
– Ich weiß es wohl, antwortete Paolo mit höchst verzweifelter Miene; Sie ergeben sich also?
– Ich ergebe mich.
– Mir?
– Ihnen.
– Auf Wort?
– Auf Wort. Sie können daher sich all dieses Gesindel da entfernen lassen, mit dem ich nichts zu thun haben will.
Paolo Tommasi ging an das Fenster.
– Ihr könnt Euch Alle zurückziehen, rief er aus, ich stehe für den Gefangenen, geht, seine Gefangennahme in Messina zu melden.
Die Soldaten stießen lautes Freudengeschrei aus.
– Wenn Sie sich jetzt an den Tisch setzen wollen, sagte Bruno zu dem Brigadier, so werden wir das Abendessen beendigen, das von diesen Einfältigen unterbrochen worden ist.
– Mit Vergnügen, antwortete Paolo, denn ich habe acht Meilen in drei Stunden zurückgelegt, und ich sterbe vor Hunger und vor Durst.
– Nun denn! sagte Bruno, da Sie in so guter Stimmung sind und wir nur noch eine Nacht miteinander zuzubringen haben, so müssen wir sie vergnügt zubringen. – Ali, gehe die Damen zu holen. – Einstweilen, Brigadier, fuhr Bruno fort, indem er zwei Gläser füllte, auf Ihre Tressen als Wachtmeister! Fünf Tage nach den von uns so eben erzählten Ereignissen erfuhr der Fürst von Carini in Gegenwart der schönen Gemma, welche ihre Buße in dem Kloster der Heimsuchung beendigt hatte und die erst seit acht Tagen in die Welt zurückgekehrt war, dass seine Befehle endlich ausgeführt, dass Pascal Bruno gefangen genommen und in die Gefängnisse von Messina geführt worden wäre.
– Es ist gut, sagte er; der Fürst von Goto möge die versprochenen dreitausend Dukaten bezahlen, ihm den Prozess machen und ihn hinrichten lassen.
– O! sagte Gemma mit dieser süßen und liebkosenden Stimme, welcher der Fürst nichts abzuschlagen vermochte, ich wäre sehr neugierig gewesen, diesen Mann zu sehen, den ich nicht kenne und von dem man so wunderliche Dinge erzählt!
– Darauf soll es nicht ankommen, mein schöner Engel, antwortete der Fürst, wir werden ihn in Palermo hängen lassen.
XI
Dem seiner Geliebten gegebenen Versprechen gemäß, hatte der Fürst von Carini befohlen, den Verurteilten von Messina nach Palermo zu bringen, und Pascal Bruno war mit großer Verstärkung von Gendarmerie in das Gefängnis der Stadt gebracht worden, welches hinter dem Palazzo-Reale gelegen war, und an das Irrenhaus grenzte.
Am zweiten Tage gegen Abend ging ein Priester in seinen Kerker hinab, als er den Mann Gottes eintreten sah, stand Pascal auf, weigerte sich indessen, zwar höflich, zu beichten, der Priester drang in ihn, aber Nichts vermochte Pascal zu bestimmen, diesen religiösen Act zu vollziehen. Als der Priester sah, dass er diese Hartnäckigkeit nicht zu überwinden vermöchte, fragte er ihn um die Ursache derselben.
– Die Ursache ist, sagte Bruno zu ihm, dass ich keine Gotteslästerung begehen will . . .
– Wie das, mein Sohn?
– Ist nicht die erste Bedingung einer guten Beichte nicht allein das Geständnis seiner eigenen Verbrechen, sondern auch noch das Vergessen der Verbrechen anderer?
– Ohne Zweifel, und es wäre keine vollkommene Beichte.
– Nun denn! sagte Bruno, ich habe nicht vergeben; meine Beichte wird daher falsch sein, und ich will keine falsche Beichte ablegen . . .
– Wäre es nicht vielmehr, sagte der Priester, dass Sie so ungeheure Verbrechen zu gestehen haben, dass Sie fürchten, Sie möchten die Gewalt der menschlichen Erlassung überschreiten? Beruhigen Sie sich, Gott ist barmherzig, und es ist immer da Hoffnung vorhanden, wo Reue vorhanden ist.
– Indessen, mein Vater, wenn zwischen Ihrer Absolution und dem Tode ein böser Gedanke in mir aufstiege, und ich nicht die Kraft hätte ihn, zu überwinden . . .
– So würde die Frucht Ihrer Beichte verloren sein, sagte der Priester.
– Es ist daher unnütz, dass ich beichte, sagte Pascal, denn dieser böse Gedanke wird in mir aufsteigen.
– Können Sie ihn nicht aus Ihrem Geiste verbannen? Pascal lächelte.
– Er ist es, der mich leben lässt, mein Vater; glauben Sie, dass ich mich ohne diesen höllischen Gedanken, ohne diese letzte Hoffnung der Rache als ein öffentliches Schauspiel für diese Menge hätte fortschleppen lassen? Nicht doch, ich würde mich bereits mit der Kette erdrosselt haben, welche mich fesselt. Ich war dazu in Messina entschlossen, ich stand im Begriffe, es zu tun, als der Befehl angekommen ist, mich nach Palermo zu bringen. Ich habe mir gedacht, dass Sie mich hätte wollen sterben sehen.
– Wer?
– Sie.
– Aber wenn Sie so ohne Reue sterben, so wird Gott ohne Barmherzigkeit sein.
– Mein Vater, auch Sie wird ohne Reue sterben, denn Sie wird in dem Augenblicke sterben, wo Sie am wenigsten darauf gefasst sein wird; auch Sie wird ohne Priester und ohne Beichte sterben, auch Sie wird wie ich Gott ohne Barmherzigkeit finden, und wir werden mit einander verdammt sein.
In diesem Augenblicke trat ein Kerkermeister ein.
– Mein Vater, sagte er, die Trauerkapelle ist eingerichtet.
– Beharren Sie in Ihrer Weigerung, mein Sohn? sagte der Priester.
– Ich beharre darin, antwortete Bruno ruhig.
– Dann werde ich die Totenmesse, die ich für Sie lesen will, nicht durch längeres in Sie Dringen verschieben; außerdem hoffe ich, dass der Geist Gottes Sie heimsuchen und Ihnen bessere Gedanken eingeben wird, während Sie dieselbe anhören.
– Das ist möglich, mein Vater, aber ich glaube es nicht.
Die Gendarmen traten ein, banden Bruno los, führten ihn in die Kirche des heiligen Franz von Sales, welche sich dem Gefängnisse gegenüber befindet, und die hell erleuchtet war, dort sollte er dem Gebrauche gemäß die Totenmesse hören und die Nacht im Gebete zubringen, denn die Hinrichtung war für den folgenden Tag Morgens acht Uhr festgesetzt. Ein eiserner Ring war an einem Pfeiler des Chores befestigt, Pascal wurde an diesen Ring mit einer Kette geschlossen, welche ihm den Leib umschlang, die aber indessen hinlänglich lang war, dass er die Schwelle des Geländers erreichen konnte, wo die Gläubigen niederknieten, um das heilige Abendmahl zu empfangen.
In dem Augenblicke, wo die Messe begann, brachten die Krankenwärter des Irrenhospitals einen Sarg, den sie mitten in die Kirche stellten; er enthielt die Leiche einer im Laufe des Tages verstorbenen Wahnsinnigen, und der Direktor hatte gemeint, der Toten die Wohltat der Messe angedeihen zu lassen, welche für den gelesen wurde, der zum Tode ging. Außerdem war das für den Priester eine Ersparnis an Zeit und an Mühe, und da diese Einrichtung Jedermann recht war, so erlitt sie nicht die geringste Schwierigkeit. Der Messner zündete zwei Kerzen, die eine an dem Kopfe, die andere an dem Fuße des Sarges an, und der Gottesdienst begann, Pascal hörte ihm voller Andacht zu.
Als er beendigt war, ging der Priester zu ihm hinab, fragte ihn, ob er in besserer Stimmung sei, aber der Verurteilte antwortete ihm, dass trotz der Messe, welche er gehört hätte, trotz der Gebete, mit denen er sie begleitet, seine Gesinnungen des Hasses immer noch dieselben wären. Der Priester meldete ihm, dass er am folgenden Tage um sieben Uhr Morgens zurückkehren würde, um ihn zu fragen, ob eine Nacht der Einsamkeit und der Andacht in einer Kirche und dem Kreuze gegenüber nicht einige Veränderung in seinen Racheplänen hervorgebracht hätte.
Bruno blieb allein. Nun versank er in ein tiefes Sinnen. Sein ganzes Leben zog wieder seit den Jahren der ersten Kindheit, wo man sich zu erinnern beginnt, vor seinen Augen vorüber; erforschte und sann vergebens darüber nach, was er wohl getan haben konnte, um das Schicksal zu verdienen, das seine Jugend erwartete. Er fand nichts, als einen kindlichen und frommen Gehorsam gegen die Eltern, welche der Herr ihm gegeben hatte. Er erinnerte sich dieses zuerst so ruhigen und so glücklichen väterlichen Hauses, das plötzlich, ohne dass er noch die Ursache davon wusste, ein Aufenthalt voller Tränen und Leiden geworden war; er erinnerte sich des Tages, wo sein Vater mit einem Dolche ausgegangen, und voller Blut zurückgekehrt war, er erinnerte sich der Nacht, während welcher der, dem er das Leben verdankte, verhaftet worden war, wie er es jetzt war, in welcher man ihn als Kind in eine Trauerkapelle geführt hatte gleich der, in welcher er jetzt eingeschlossen war, und des Momentes, wo er in dieser Kapelle einen wie er gefesselten Mann fand. Es schien ihm, als ob es ein verhängnisvoller Einfluss, ein launischer Zufall, eine siegreiche Überlegenheit des Bösen über das Gute wäre, welche so Alles in seiner Familie zum Bösen geführt hätten. Nun begriff er nichts mehr von den Verheißungen von Glückseligkeit, welche der Himmel den Menschen macht; er forschte vergebens in seinem Leben nach dem Erscheinen der so sehr gepriesenen Vorsehung, und, indem er dachte, dass ihm vielleicht in diesem feierlichen Augenblicke etwas von diesem ewigen Geheimnisse offenbart werden würde, stürzte er sich mit der Stirn gegen den Boden, und beschwor Gott aus aller Macht seiner Seele, ihm die Lösung dieses schrecklichen Rätsels zu geben, eine Ecke des geheimnisvollen Schleiers zu lüften, und sich ihm wie ein Vater oder wie ein Tyrann zu zeigen. Diese Hoffnung war eitel, Alles blieb stumm, ausgenommen die Stimme seines Herzens, welche dumpf wiederholte: Rache! Rache! Rache! . . .
Nun dachte er, dass der Tod vielleicht beauftragt sei, ihm zu antworten, und dass zu diesem Zwecke der Offenbarung eine Leiche zu ihm gebracht worden wäre, so sehr ist es wahr, dass der geringste Mensch aus seinem eigenen Dasein den Mittelpunkt der Schöpfung macht, glaubt, dass Alles sich an sein Wesen knüpft, und dass seine armselige Person der Pfeiler ist, um den sich das Weltall dreht. Er erhob sich daher wieder langsam, weit finsterer und weit bleicher über seinen Kampf mit seinen Gedanken, als über seinen Kampf mit dem Schafotte, und wandte die Augen nach der Leiche; es war die eine Frau.
Pascal schauderte, ohne zu wissen warum; er suchte die Gesichtszüge10 dieser Frau zu erkennen, aber eine Ecke des Leichentuches war über ihr Gesicht herabgefallen und verschleierte es. Plötzlich erweckte eine instinktmäßige Erinnerung in ihm das Andenken an Theresa, an Theresa, die er seit dem Tage nicht wiedergesehen, an welchem er mit den Menschen und mit Gott gebrochen hatte; Theresa, welche wahnsinnig geworden war, und die seit drei Jahren das Irrenhaus bewohnte, aus welchem dieser Sarg und diese Leiche kamen; an Theresa, seine Verlobte, mit welcher er sich vielleicht an dem Fuße des Altares wiederfand, wohin sie zu führen er so lange gehofft hatte, und wo sie sich nun durch einen bitteren Hohn des Schicksals wieder zusammenfanden, sie gestorben, und er bereit, zu sterben. Ein längerer Zweifel war ihm unerträglich, er schritt auf den Sarg zu, um sich von der Wirklichkeit zu versichern; aber plötzlich fühlte er sich bei der Mitte des Körpers zurückgehalten: das war seine Kette, die nicht lang genug war, dass er die Leiche erreichen konnte, und die ihn an seinen Pfeiler gefesselt zurückhielt, er streckte die Arme nach ihr aus, aber es fehlten einige Fuß, um sie zu erreichen. Er suchte, ob er nicht in dem Bereiche seiner Hand irgend etwas fände, mit dessen Hilfe er diese Ecke von Schleier zurückschlagen könnte, aber er sah nichts, er erschöpfte allen Atem seiner Brust, um dieses Grabtuch zu lüften, aber dieses Grabtuch blieb regungslos wie eine Marmorfalte. Nun wandte er sich mit einer unmöglich zu schildernden Regung innerer Wut um, ergriff seine Kette mit beiden Händen, und versuchte durch einen Ruck, in welchem er alle Kräfte seines Körpers sammelte, sie zu brechen; die Ringe waren fest aneinander genietet, die Kette widerstand. Nun bedeckte der kalte Schweiß ohnmächtiger Wut seine Stirn; er kehrte um, setzte sich an den Fuß eines Pfeilers, ließ seinen Kopf in seine Hände sinken und blieb regungslos, stumm wie die Statue der Mutlosigkeit, und als der Priester am folgenden Morgen zurückkehrte, fand er ihn in derselben Stellung wieder.
Heiter und ruhig, wie es einer Sendung des Friedens und seinem Amte der Versöhnung geziemte, schritt der Mann Gottes auf ihn zu; er glaubte, dass Pascal schliefe, und legte ihm die Hand auf die Schulter; Pascal erbebte und erhob den Kopf.
– Nun denn! mein Sohn, sagte der Priester, sind Sie bereit, zu beichten? ich bin bereit, Sie zu absolvieren . . .
– Ich werde Ihnen sogleich antworten, mein Vater, aber zuvor erweisen Sie mir einen letzten Dienst, sagte Bruno.
– Welchen? Sprechen Sie.
Bruno stand auf, nahm den Priester bei der Hand, und führte ihn nach dem Sarg, dem er sich selbst so weit näherte, als es ihm seine Kette gestattete, indem er ihm hierauf die Leiche zeigte, sagte er zu ihm:
– Mein Vater, wollen Sie die Ecke des Leichentuches aufheben, welche mir das Gesicht dieser Frau verbirgt?
Der Priester erhob die Ecke des Leichentuches; Pascal hatte sich nicht geirrt, diese Frau war Theresa. Er betrachtete sie einen Augenblick mit unendlicher Traurigkeit, hierauf gab er dem Priester einen Wink, das Leichentuch zurückfallen zu lassen. Der Priester gehorchte.
– Nun denn mein Sohn, sagte er zu ihm, hat der Anblick dieser Frau Ihnen fromme Gedanken eingeflößt?
– Diese Frau und ich, mein Vater, antwortete Bruno, waren geboren, um glücklich und unschuldig zu sein, Sie hat sie meineidig, und mich zum Mörder gemacht;
XII
Der Himmel war prachtvoll, die Luft klar und durchsichtig; Palermo erwachte wie zu einem Feste; man hatte den Schulen und den Seminarien Ferien gegeben, und die ganze Bevölkerung schien in der Straße Toledo versammelt, durch welche der Verurteilte in ihrer ganzen Länge kommen musste, um sich von der Kirche des heiligen Franz von Sales, in welcher er die Nacht zugebracht hatte, nach dem Marineplatz zu begeben, wo die Hinrichtung stattfinden sollte. Die Fenster der ersten Stockwerke waren mit Frauen besetzt, welche die Neugierde zu einer Stunde aus ihrem Bette gelockt, zu welcher sie gewöhnlich noch schlummerten; man sah gleich Schatten in ihren vergitterten Galerien11 sich die Nonnen der verschiedenen Klöster von Palermo und seiner Umgebung bewegen, und auf den platten Dächern der Stadt wogte gleich einem Kornfelde die dichtgedrängte Bevölkerung. An der Tür der Kirche fand der Verurteilte den mit zwei Maultieren bespannten Karren; ihm ging die Brüderschaft der weißen Büßer voraus, von denen der erste das Kreuz, und die vier letzten den Sarg trugen, und denen der Henker zu Pferd mit einer roten Fahne in der Hand folgte; hinter dem Henker kamen seine beiden Gehilfen zu Fuß; dann endlich schloss hinter den Gehilfen eine andere Brüderschaft schwarzer Büßer den Zug, welcher zwischen einer doppelten Reihe von Bürger- und Liniensoldaten heranzog, während auf den Seiten, in Mitte der Menge, Männer in langen grauen Gewändern, den Kopf mit einer, für die Augen und den Mund durchlöcherten Kapuze bedeckt, dahin eilten, in der einen Hand eine Schelle, und in der andern einen Geldbeutel haltend und milde Gaben sammelnd, um die Seele des noch lebendigen Verbrechers aus dem Fegefeuer zu befreien. Übrigens hatte sich unter dieser ganzen Menge das Gerücht verbreitet, dass der Verurteilte nicht hätte beichten wollen, und dieses Widerstreben gegen alle angenommenen religiösen Ideen gab diesen Gerüchten von einem, zwischen Bruno und dem Feinde des Menschengeschlechtes geschlossenen höllischen Bündnisses noch mehr Gewicht, das sich seit seinem Eintritt in die Laufbahn verbreitet hatte, die er so rasch und so thatenreich durchwandert, ein Gefühl des Entsetzens schwebte daher über dieser ganzen neugierigen, aber stummen Bevölkerung, und keine Verwünschung, kein Schrei, kein Murren störten die Grabgesänge, welche die weißen Büßer hören ließen, die die Spitze des Zuges bildeten, und die schwarzen Büßer, welche ihn beschlossen. Hinter diesen Letzteren, und in dem Maße, als der Verurteilte in der Straße Toledo weiter kam, schlossen sich die Neugierigen dem Zuge an, und begleiteten ihn nach dem Marineplatz; was Pascal anbelangt, so war er der einzige, welcher in Mitte dieser aufgeregten Bevölkerung vollkommen ruhig schien, und er blickte die ihn umgebende Menge ohne Demut, wie ohne Prahlerei und wie ein Mann an, der, indem er die Pflichten der Personen gegen die Gesellschaft, und die Rechte der Gesellschaft gegen die Personen kennt, nicht bereut, die einen vergessen zu haben, und sich nicht beklagt, dass sie die andern rächt.
Der Zug hielt einen Augenblick lang auf dem Platze der Vier Cantons an, welcher den Mittelpunkt der Stadt bildet, denn es hatte sich eine solche Menschenmenge auf den beiden Seiten der Straße Cassero zusammengezogen, dass sie die Linie der Truppen durchbrochen, und die Mitte des Weges so gesperrt hatte, dass die Büßer sich keinen Weg bahnen konnten. Pascal benutzte diesen Moment der Ruhe, um sich auf seinem Karren aufrecht zu stellen, und blickte um sich, als ob er Jemand suchte, dem er einen letzten Auftrag zu geben, ein letztes Zeichen zu machen hätte; als er aber nach einer langen Musterung denjenigen nicht erblickte, den er suchte, so sank er wieder auf das Bund Stroh, das ihm zum Sitze diente, und sein Gesicht nahm einen finstren Ausdruck an, der immer mehr bis zu dem Augenblicke zunahm, wo der Zug auf dem Marienplatz anlangte. Dort fand eine neue Versperrung statt, welche einen neuen Halt notwendig machte. Pascal stand ein zweites Mal auf, warf zuerst einen gleichgültigen Blick auf das entgegengesetzte Ende des Platzes, wo der Galgen stand, und indem er hierauf den ganzen unermesslichen Kreis dieses Platzes durchlief, der mit Köpfen gepflastert und erbaut schien, mit Ausnahme der Terrasse des Fürsten von Butera, die gänzlich leer war, ließ er seine Augen auf einem reichen Balkon verweilen, der mit Damast mit goldenen Blumen behangen und durch ein Zelt von Purpur geschützt war. Dort befand sich auf einer Art von Estrade, von den hübschesten Frauen und von den vornehmsten Adeligen von Palermo umgeben, die schöne Gemma von Castelnuovo, welche, da sie keine Minute von dem Todeskampfe ihres Feindes verlieren wollte, dort seinem Schafott gegenüber ihren Thron hatte aufschlagen lassen. Der Blick Pascal Brunos und der ihrige begegneten sich, und ihre Strahlen kreuzten sich wie zwei Blitze der Rache und des Hasses. Sie hatten sich noch nicht von einander getrennt, als ein seltsamer Ruf aus der Menge erschallte, welche den Karren umgab; Pascal erbebte, wandte sich rasch nach dem Punkte um, von wo aus dieser Ruf erschallte, und sein Gesicht nahm sogleich wieder nicht allein seinen früheren Ausdruck von Ruhe, sondern auch noch einen neuen Anschein von Freude an. In diesem Augenblicke tat der Zug einen Schritt, um sich wieder auf den Weg zu begeben, aber Bruno rief mit starker Stimme aus: Haltet!
Dieses Wort hatte eine magische Wirkung; diese ganze Menschenmenge schien augenblicklich in dem Boden ringe« wurzelt, die Köpfe Aller wandten sich nach dem Verurteilten um, und Tausende von glühenden Blicken hefteten sich auf ihn.
– Was willst Du? antwortete der Henker.
– Beichten, sagte Pascal.
– Der Priester ist nicht mehr da.
Du hast ihn fortgeschickt.
– Mein gewöhnlicher Beichtvater ist dieser Mönch, der sich dort zu meiner Linken in der Menge befindet; ich habe keinen andern gewollt, aber ich will diesen da.
Der Henker machte ein Gebärde der Ungeduld und der Weigerung; aber auf der Stelle rief das Volk, welches das Verlangen des Verurteilten gehört hatte: den Beichtvater! den Beichtvater! Der Henker war genötigt zu gehorchen, man trat vor dem Mönch auf die Seite; es war ein großer junger Mann mit brauner Haut, der durch die Kasteiungen des Klosters abgemagert schien; er schritt auf den Karren zu und stieg hinein. Im selben Augenblicke fiel Bruno auf die Knie. Das war ein allgemeines Signal; auf dem Pflaster der Straße, auf den Balkons der Fenster, auf den Dächern der Häuser, kniete Jedermann nieder; nur der Henker blieb zu Pferde und seine Gehilfen blieb stehen, als ob diese verfluchten Männer von der allgemeinen Vergebung der Sünden ausgeschlossen wären. Zu gleicher Zeit begannen die Büßer die Sterbegebete zu singen, um mit ihren Stimmen das Geräusch der Beichte zu übertönen.
– Ich habe Dich lange gesucht, sagte Bruno.
– Ich erwartete Dich hier, antwortete Ali.
– Ich war bange, dass sie Dir das mir gegebene Wort nicht halten möchten.
– Sie haben es gehalten: ich bin frei.
– Höre mich wohl an.
– Ich höre.
– Hier zu meiner Rechten . . . – Bruno wandte sich nach dieser Seite, denn da seine Hände gebunden waren, so konnte er auf keine andere Weise andeuten, – auf diesem mit Goldstoff behangenem Balkone . . .
– Ja.
– Befindet sich eine junge und schöne Frau, welche Blumen in den Haaren hat.
– Ich sehe sie. Sie liegt auf den Knien und betet wie die andern.
– Diese Frau ist die Gräfin Gemma von Castelnuovo.
– Diese Frau ist es, welche all mein Unglück verursacht hat; sie ist es, die mich mein erstes Verbrechen hat begehen lassen; sie ist es, die mich hier herführt.
– Gut.
– Ich würde nicht ruhig sterben, wenn ich glaubte, dass sie mich glücklich und geehrt überleben sollte, fuhr Bruno fort.
– Stirb ruhig, antwortete der Knabe.
– Ich danke, Ali.
– Lass mich Dich umarmen, Vater.
– Lebe wohl.
– Lebe wohl.
Der junge Mann umarmte den Verurteilten, wie der Priester gewohnt ist es zu tun, wenn er dem Schuldigen die Absolution erteilt, hierauf stieg er von dem Karren hinab und verlor sich in der Menge.
– Vorwärts, sagte Bruno, und der Zug gehorchte von Neuem, als ob der, welcher sprach, das Recht hätte zu befehlen.
Jedermann stand wieder auf; Gemma setzte sich wieder lächelnd.
Der Zug setzte seinen Weg nach dem Schafott fort.
An dem Fuße des Galgens angelangt, stieg der Henker vom Pferde, ging auf das Schafott hinauf, erklomm die Leiter, pflanzte auf dem Querbalken12 die blutrote Fahne auf, versicherte sich, dass der Strick gut befestigt wäre, und warf seinen Rock ab, um mehr Freiheit in den Bewegungen zu haben. Sogleich sprang Pascal von dem Karren, schob mit einer doppelten Bewegung der Schultern die Knechte zurück, die ihn unterstützen wollten, stieg rasch auf das Schafott, und lehnte sich selbst gegen die Leiter, die er rückwärts steigend erschreiten sollte. Im selben Augenblicke pflanzte der Büßer, der das Kreuz trug, es Pascal gegenüber auf, so dass er es während seines ganzen Todeskampfes sehen könne. Die Büßer, welche den Sarg trugen, setzten sich darauf, und ein Kreis von Truppen bildete sich um das Schafott herum, indem sie in ihrem Mittelpunkte nur die beiden Bruderschaften der Büßer, den Henker, seine Knechte und den Verurteilten ließen.
Pascal stieg, ohne die mindeste Unterstützung zu dulden, die Leiter mit derselben Ruhe hinauf, welche er bis jetzt gezeigt hatte; und da der Balkon Gemmas sich ihm gegenüber befand, so bemerkte man sogar, dass er die Augen mit lächelndem Ausdruck nach dieser Seite warf. Im selben Augenblicke legte ihm der Henker den Strick um den Hals, packte ihn um die Mitte des Leibes und warf ihn von der Leiter. Sogleich ließ er sich an dem Stricke hinabgleiten und sein ganzes Gewicht auf den Schultern des Verurteilten lasten, während die Knechte, indem sie sich an seine Beine klammerten, an dem unteren Teile des Körpers lasteten; aber plötzlich riss der Strick, der nicht stark genug war, um diese vierfache Last zu tragen, und diese ganze ehrlose Gruppe, welche aus dem Henker, den Knechten und dem Opfer bestand, rollte auf das Schafott. Indessen erhob sich ein Mann zuerst wieder, es war Pascal Bruno, dessen Hände sich während der Hinrichtung von ihren Banden befreit hatten, und der sich in Mitte des Schweigens aufrichtete, indem er in der rechten Seite der Brust das Messer hatte, welches der Henker in der ganzen Länge seiner Klinge hineingestoßen hatte.
– Elender! rief der Bandit aus, indem er sich an den Scharfrichter wandte, Elender! Du bist weder würdig Henker, noch Bandit zu sein, Du verstehst weder zu hängen, noch zu morden! . . .
Bei diesen Worten riss er das Messer aus der rechten Seite, stieß es in die linke Seite und sank tot zu Boden.
Nun entstand ein lautes Geschrei und ein großes Getümmel in dieser Menschenmenge, die einen entflohen von dem Platze, die andern stürzten auf das Schafott. Der Verurteilte wurde von den Büßern fortgetragen, und der Scharfrichter von dem Volke zerrissen.
An dem Abend, welcher dieser Hinrichtung folgte, aß der Fürst von Carini bei dem Erzbischof von Montreal, während Gemma, welche in der heiligen Gesellschaft des Prälaten nicht empfangen werben konnte, in der Villa Carini blieb. Der Abend war prachtvoll, wie es der Morgen gewesen war. Von einem der Fenster des mit blauen Atlas behangenen Zimmers, in welchem wir den ersten Auftritt unserer Geschichte eröffnet haben, erblickte man deutlich Alicudi, und hinter ihr wie einen auf dem Meere schwebenden Dunst, die Inseln Filicudi und Salina. Von dem andern Fenster aus übersah man den ganz mit Orangen, Granaten und Fichten bepflanzten Park, man erkannte zur Rechten, von seinem Fuße bis zu seinem Gipfel, den Berg Pellegrino, und die Aussicht konnte sich zur Linken bis nach Montreal erstrecken. An diesem Fenster blieb die schöne Gräfin Gemma von Castelnuovo lange, die Augen auf die ehemalige Residenz der Normannischen Könige geheftet, und indem sie in jedem Wagen, den sie nach Palermo hinabfahren sah, die Equipage des Vizekönigs zu erkennen suchte. Aber endlich hatte sich die Nacht immer dichter verbreitet, und da die entfernten Gegenstände allmählich verschwunden waren, so kehrte sie in das Zimmer zurück, schellte ihrer Kammerfrau, und, ermüdet wie sie von den Erschütterungen des Tages war, legte sie sich zu Bett, hierauf ließ sie aus Besorgnis, dass die Seeluft sie während ihres Schlafes erreiche, die Fenster verschließen, welche auf die Inseln gingen, und befahl, nur dasjenige halb offen zu lassen, das auf den Park führte, und durch welches eine ganz von Jasmin und Orangen duftende Luft in ihr Zimmer drang.
Was den Fürsten anbelangt, so vermochte er sich erst sehr spät der artigen Aufmerksamkeit seines Wirtes zu entziehen, und es schlug elf Uhr auf der von Wilhelm dem Guten erbauten Kathedrale, als der Wagen des Vizekönigs ihn im Galopp seiner vier besten Pferde forttrug. Eine halbe Stunde genügte ihm, um nach Palermo zu gelangen, und in fünf Minuten legte er den Raum zurück, der sich zwischen der Stadt und der Villa erstreckt. Er fragte die Kammerfrau, wo Gemma wäre, und diese antwortete ihm, dass sich die Gräfin, welche sich ermüdet gefühlt, gegen zehn Uhr zu Bett gelegt hätte.
Der Fürst ging rasch nach dem Zimmer seiner Geliebten hinauf, und wollte die Eingangstür öffnen, aber sie war von Innen verschlossen; nun ging er nach der geheimen Tür, welche auf der andern Seite des Bettes in den Alkoven Gemmas führte, machte diese Tür leise auf, um die reizende Schläferin nicht zu wecken, und blieb einen Augenblick lang stehen, um sie in dieser, so lieblichen und anmutigen Unordnung des Schlummers zu betrachten. Eine, von der Decke an drei Perlenschnüren herabhängende Alabasterlampe erleuchtete allein das Zimmer, und ihr Schein war der Art gedämpft, um nicht den Augen während des Schlummers wehe zu tun. Der Fürst neigte sich daher über das Bett, um besser zu sehen. Gemma lag mit fast ganz von der Decke entblößtem Busen, und um ihren Hals war die Boa geschlungen, welche durch ihre dunkle Farbe auf eine wundervolle Weise mit der Weiße ihrer Haut abstach. Der Fürst betrachtete einen Augenblick lang diese entzückende Statue, aber bald setzte ihn ihre Regungslosigkeit in Erstaunen; er neigte sich noch mehr, und sah, dass das Gesicht außerordentlich bleich war, er näherte sein Ohr dem Munde, und hörte kein Atemholen; er ergriff die Hand, und fühlte sie kalt; nun streckte er seinen Arm unter diesen geliebten Körper, um ihn sich zu nähern und ihn an seiner Brust wieder zu erwärmen, aber blitzschnell ließ er ihn wieder mit einem Schreie fürchterlichen Schauderns zurückfallen: der Kopf Gemmas hatte sich von ihren Schultern gelöst, und war auf den Fußboden gerollt.
Am folgenden Tage fand man unter dem Fenster den Yatagan Ali’s.
Bernhard.
Eine Geschichte für Jäger
Das was ich erzählen will, ist weder eine Novelle, noch ein Roman, noch ein Drama, es ist ganz einfach eine Jugenderinnerung, eine jener Begebenheiten, wie sich deren täglich zutragen, und wenn die Erzählung irgend einen Anstrich annimmt, so wird es weder durch die Kunst des Erzählers, noch durch das Talent des Geschichtenschreibers, sondern durch den ausnahmsweisen Charakter des Mannes sein, welcher der Held desselben ist.
Fangen wir damit an zu sagen, dass dieser Mann ganz einfach ein Forstaufseher war.
Ich bin in Mitte eines schönen und wildreichen Waldes geboren. Mein Vater, ein großer Jäger, gab mir als kleines Kind eine Flinte in die Hände. Mit zwölf Jahren war ich schon ein vortrefflicher Wildschütz.
Ich sage Wildschütz, weil ich gewöhnlich nur im Geheimen jagte, ich war nicht alt genug, um einen Jagdschein zu erlangen, ich war nicht wichtig genug, um von den Leuten eingeladen zu werden, welche ihn entbehren können, endlich hatte der Forstmeister von Villers-Cotterets, ein guter und vortrefflicher Mann, dessen Andenken ich eine unauslöschliche Erinnerung der Freundschaft bewahre, welche er für mich hatte, der mein Verwandter war und mich von ganzem Herzen liebte, weil er fand, dass es unendlich besser für meine Zukunft wäre, wenn ich die Georgica und de Viris erklärte, als Kaninchen im Lager, oder Rebhühner mit der Doppelflinte zu schießen, dieser hatte allen Forstaufsehern den Befehl erteilt, mich niemals ohne eine ausdrückliche Erlaubnis von seiner Hand auf ihren Revieren jagen zu lassen.
Und das verhinderte indessen nicht, dass ich jagte, oder vielmehr, wie ich bemerkt, wilddiebte.
Meine Mutter, welche die Ansichten des Forstmeisters in Bezug auf mich gänzlich teilte, und die außerdem beständig Unglücksfälle fürchtete, welche mir zustoßen könnten, hielt mein Gewehr unter Verschluss und gab es mir nur an den feierlichen Tagen, den Tagen besonderer Erlaubnis, an den Tagen, wo als Belohnung für die Arbeit der Woche Herr von Violaine, das war der Name des Forstmeisters, mir zu sagen kam: – Aufgebrochen, Dumas, auf den Weg, mein Freund, aber gewöhnen wir uns nicht daran, es ist nur für heute, und weil der Abbé mit Dir zufrieden ist. Ah! diese Tage waren mir große Festtage. Ich nahm meine Jagdtasche, schnallte meine langen Jagdgamaschen an, zog meine Zwillichjacke an, warf eine hübsche Jagdflinte, die ich von meinem Vater hatte, auf meine Schulter, und ging stolz unter dem Gebell unserer Meute und den Wünschen aller unserer Bekannten, welche uns von der Schwelle ihrer Türen aus vorüber kommen sahen und uns zuriefen: – Gute Jagt! mit den Jägern durch die ganze Stadt.
Aber diese besondere Gunst ereignete sich kaum ein Mal monatlich, und es war sehr traurig, nur ein Mal unter dreißig Tagen zu jagen; ich hatte daher auch die neunundzwanzig andern Tage ein Mittel gefunden, an die Stelle meines eingeschlossenen Gewehres eine andere Waffe meiner Erfindung treten zu lassen. Das war eine lange Pistole aus den Zeiten Ludwigs XIV., zu der ich mir einen Kolben geschnitzt hatte. Wenn der Abend herbeigekommen, so steckte ich den Kolben in meine Tasche, den Lauf unter meine Jacke, und ging unschuldiger Weise, meinen Reif oder meinen Kreisel in der Hand, davon, da« mit man den mutwilligen Streich nicht argwöhnte, den ich vorhatte; dann, wenn ich außer dem Gesichtskreis war, ließ ich in irgend einem Winkel Kreisel oder Reif, erreichte in vollem Laufe den Saum des Waldes, legte mich auf den flachen Leib in das Gebüsch des Grabens, befestigte meine im Voraus geladene Pistole auf ihren Kolben, und wartete.
Wenn ein Kaninchen das Unglück hatte, auf fünf und zwanzig Schritt weit um mich herum sich auf die Ebene zu wagen, so war es ein vollkommen totes Kaninchen.
Wenn es zufällig ein Hase war, so versteht es sich von selbst, dass es ihm eben so erging. Eines Tages kam ein Reh heraus, und ich sage es ganz im Geheimen, es war mit dem Rehe wie es mit einem Kaninchen oder einem Hasen gewesen wäre.
Diese verschiedenen Stücke Wildbret dienten mir dazu, wackeren mir befreundeten Leuten Geschenke zu machen, welche, damit diese Geschenke sich erneuern möchten, mich ihrerseits mit Pulver und Blei versahen.
Dann muss ich ferner bemerken, dass fast alle Forstaufseher mit meinem Vater gejagt hatten, und ein lebhaftes Andenken an seine Freigebigkeit bewahrten. Andere waren ehemalige Soldaten, die unter ihm gedient, und die er durch seinen Einfluss in die Forstverwaltung hatte eintreten lassen. Kurz, alle diese wackeren Leute, welche in mir ganz besondere Anlagen sahen, eines Tages eben so freigebig zu werden als der
Unter diesen Aufsehern gab es einen, den man Bernhard nannte, und da er an der Straße von Soissons, eine halbe Stunde weit von Villers-Cotterets ein kleines Haus bewohnte, das Herr Violaine für seinen Vorgänger hatte bauen lassen, so nannte man ihn Bernhard von Neuhaus.
Er war zu der Zeit, von welcher ich spreche, das heißt im Jahre 1818 und 1819, ein schöner Mann von ungefähr zwei und dreißig Jahren, mit offenen Zügen, blonden Haaren, blauen Augen, dickem Backenbart, der sein fröhliches Gesicht ganz wunderschön einfasste, übrigens war er vortrefflich gebaut, und verdankte der Übereinstimmung seiner Glieder eine herkulische, zehn Stunden weit im Umkreise sprichwörtliche Starke.
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1
Wir haben nicht nötig, unsere Leser daran zu erinnern, dass wir hier seine geschichtliche Vorlesung halten, sondern dass wir nur eine Sage wiedererzählen. Wir wissen recht gut, dass Karl der Große von deutscher und nicht von französischer Abstammung war.
2
Eine Münze, von der jedes Stück den Wert von drei Ducaten hat.
3
Die eisernen Käfige, in denen man in Italien die Köpfe ausstellt, haben keine Gitter.
4
Um nähere Umstände über diesen seltsamen Mann zu erhalten, dessen Andenken ich so lebendig in Sizilien gefunden, dass man glauben konnte, er sei erst gestern gestorben, lese man die so geistreichen und so unterhaltenden Erinnerungen Palmieris von Micciché.
5
Man nannte Santa-Fede die, welche den Kardinal Russo bei der Eroberung von Neapel begleitet hatten.
6
Auf dem Platze der Marine, der Tür des Fürsten von Butera gegenüber, finden die Hinrichtungen in Palermo statt.
7
Albanesische Colonie, welche zur Zelt der Einnahme von Constantinopel durch Mahomet II. ausgewandert war, und die das Kostüm ihrer Voreltern streng beibehalten hat.
8
630 Franken
9
Neavolitan. Ducati, nach unserm Gelde ungefähr l Thlr. 4 gr.
10
In Italien stellt man die Tobten mit entblößtem Antlitze aus; erst in dem Augenblicke, wo man die Leiche in die Erde hinabsenkt, nagelt man den Deckel des Sarges zu.
11
In Palermo, wo die Nonnen sich nicht unter die weltlichen Feste mischen können, nehmen sie indessen mit den Augen daran Teil. Jedes ein wenig reiche Kloster hat gewöhnlich einen ersten Stock auf der Straße Toledo gemietet; von diesen vergitterten Fenstern aus, wohin sie sich auf unterirdischen Gängen begeben, die zuweilen eine Viertelstunde lang sind, und die das Kloster mit dem gemieteten Haus in Verbindung sehen, sehen die frommen Klausnerinnen den heiligen und profanen Festen zu.
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Die italienischen Galgen bieten gegen die unsrigen einen beträchtlichen Unterschied; der unsrige ist in der Form eines F, der andere in der eines H; dessen Querbalken man bis zu dem Ende der beiden Träger erhöht hat.