Der Fund einer Leiche im Hühnermoor stellt das bislang so geruhsame Leben der ehemaligen Lehrerin Elisabeth Landner völlig auf den Kopf. Indizien deuten auf einen Zusammenhang mit Mordfällen aus ihrer Vergangenheit hin. Ist der Mann, den sie einstmals liebte, in die schrecklichen Ereignisse verstrickt und hält sie deswegen Beweise zurück? Hauptkommissar Tann hat schlaflose Nächte, nicht nur weil er gerade Vater geworden ist, sondern weil sich Elisabeth Landner permanent in seine Arbeit einmischt. Er kann im Fall der Moorleiche weder ein Motiv erkennen, noch verwertbare Spuren finden. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, als eine Hausfrau im Baggersee ertrinkt, ein Wachhund vergiftet und die Lehrerin von einem Unbekannten niedergeschlagen wird.
Gisela Garnschröder
Die Leiche im Hühnermoor
Kommissar Tann 3
Krimi
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Print-ISBN: 978-3-96752-117-7
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Neuauflage
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28237 Bremen
Alle Personen und Namen innerhalb dieses Buches sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Prolog
Der Juli hatte gerade begonnen. Einem sonnigen Tag folgte ein wundervoller Abend. Die Menschen flanierten durch die Stadt und die Straßencafés hatten Hochkonjunktur. Der Mann, der an diesem Tag nach der Arbeit durch Gütersloh spazierte, war mit seinen Gedanken weit weg.
Sie war ausgezogen, endlich! Zorn stieg in seinem Inneren auf, obwohl er gleichzeitig Erleichterung verspürte. Ihre Eltern hatten sich bei ihm gemeldet. Niemand wusste, wo sie sich aufhielt. Das sah ihr ähnlich, einfach so zu verschwinden, ohne Rücksicht auf die Gefühle anderer zu nehmen. Wütend stapfte er durch die Straßen, sah die verliebten Pärchen Arm in Arm, plaudernd und lachend. Nicht, dass er sie noch liebte, nein, davon konnte keine Rede mehr sein, denn er war dahintergekommen, dass sie ihn gleich mit mehreren seiner Freunde betrogen hatte. Über kurz oder lang hätte er sie ohnehin hinausgeworfen, dieses kleine Miststück! Nun war sie allein gegangen. Vielleicht war es besser so. Aber wo war sie? Er dachte dabei nicht an sich, doch warum tat sie ihren Eltern das an, völlig sang- und klanglos zu verschwinden?
Er holte sich an einem Stand ein Eis, leckte lustlos daran herum und ging zum Wasserturm. Sein Wagen parkte dort, ein Bulli, den er am nächsten Tag für seine Firma bei der Kreispolizeibehörde anmelden sollte. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, die roten Nummernschilder anzuschrauben, sondern hatte sie kurzerhand vorn auf den Beifahrersitz gelegt, am nächsten Morgen würden ohnehin die neuen Schilder angebracht.
Sein Handy klingelte. Eine SMS ohne Worte. Verständnislos drückte er die Rückruftaste. Was er dann hörte, brachte ihn völlig durcheinander.
»Wer spricht da? Hallo?«, schrie er ärgerlich in den Hörer. Es brachte nichts, außer einem schnell dahergemurmelten Namen und das Gespräch war beendet. Er versuchte mehrmals die Verbindung wiederherzustellen. Es war unmöglich.
Er stieg in das Auto und fuhr nach Hause. Auf halbem Weg wendete er plötzlich den Wagen und schlug die Richtung zum Hühnermoor ein. Das Moor liegt an einem viel befahrenen Radweg. Er parkte seinen Wagen seitlich im Gebüsch. Langsam spazierte er rund um das Moor. Immer wieder kamen ihm Ausflügler entgegen, zu Fuß, mit Rädern, in kleinen Gruppen, zu zweit oder allein. Er wanderte fast eine Stunde lang durch die Gegend, ohne die Schönheit der Landschaft genießen zu können.
Als die Dunkelheit langsam hereinbrach, verließen die Menschen das Naturschutzgebiet, nur er blieb zurück. Nun ging er quer durch das Gebüsch zu dem kleinen Teich in der Mitte. Unschlüssig stand er da. Irgendjemand hatte ihm einen Streich gespielt und ihn herbestellt. Er wischte sich mit dem Taschentuch über die Stirn, stolperte - und ließ das Tuch entsetzt fallen. Wenig später lief er kopflos davon, mit zitternden Knien, atemlos, ohne anzuhalten an seinem Wagen vorbei bis zu der nächsten Straße. Er wanderte eine Zeit lang völlig abwesend hin und her, dann hob sich automatisch sein Arm, als ein Auto kam, und er ließ sich bis zum Ortseingang mitnehmen. Zu Fuß ging er nach Hause.
In der Nacht hatte er einen schrecklichen Albtraum. In Schweiß gebadet wachte er auf. Kaltes Entsetzen machte sich in ihm breit. An Schlaf war nicht mehr zu denken.
Am anderen Morgen machte er sich mit seinem Fahrrad auf den Weg, warf es in den Bulli und verließ die Stätte des Grauens.
I
Es war sehr früh und die Dunkelheit lag über der Landschaft wie ein graues Tuch, als der Hahn auf dem Hof zu krähen begann.
Blödes Vieh, dachte ich und drehte mich genervt ob der Störung auf die andere Seite. Jeden Morgen war es dasselbe, sobald der Hahn wach war, konnte auch ich nicht mehr richtig schlafen. Eine Stunde lang wälzte ich mich unruhig hin und her. Es war kaum fünf Uhr, da hielt ich es im Bett nicht mehr aus und stand auf.
Mit meinen neunundvierzig Jahren fühlte ich mich noch nicht alt, obwohl ich bereits in Pension war, zumindest war das im Ort die Erklärung dafür, dass ich meinen Beruf aufgegeben hatte. Für meine Verwandtschaft war ich als alleinstehende Frau für alle auf dem Hof die Tante Lisbeth oder Elli. Früher hatte ich meinen Namen gehasst, wer sagt hier in Westfalen schon Elisabeth? Die meisten Leute im Dorf nennen mich Lisbeth. Und vor langer Zeit hatte mich jemand Betty genannt, allerdings werde ich an denjenigen keinen Gedanken mehr verschwenden.
Brummelnd und vor mich hin murmelnd schlurfte ich ins Bad. Kurz darauf schlüpfte ich in meine alte, speckige Lederhose, zog die festen Wanderschuhe an und holte meine dunkelgraue Lodenjacke hervor. Meine halblangen Haare stopfte ich unter den alten braunen Lederhut mit der breiten Krempe, den ich von meinem Vater geerbt hatte und stapfte langsam und gemütlich über den Hof, wohl wissend, dass zu so früher Stunde kein Mensch draußen auf mich wartete.
Viele Jahre hatte ich in der Stadt gewohnt und dort am Gymnasium unterrichtet. Mein Zimmer auf dem Hof meiner Eltern wollte ich trotzdem nie aufgeben. Irgendwann hatte ich keine Lust mehr, jungen Leuten etwas beizubringen und zog wieder auf den Hof. Die Erbschaft einer Tante mütterlicherseits machte es mir möglich, vorzeitig aus dem Schuldienst auszuscheiden. Mein Vater hatte mir ein Wohnrecht vermacht, aber ich stellte schnell fest, dass es besser war, ein wenig Abstand von der Familie meines Bruders zu haben. Nicht, weil wir uns nicht mochten oder weil es Streit gab, nein, wir waren einfach zu verschieden und meine Interessen waren andere als die meiner Schwägerin oder meines Bruders. So kaufte ich meinem Bruder Hermann den alten, verfallenen Kotten neben dem Hof ab und verzichtete dafür auf das Wohnrecht. Ich nahm mir einen guten Architekten, und aus dem baufälligen Gebäude wurde ein schmuckes Häuschen. Den Garten habe ich selbst angelegt, er ist mein ganzer Stolz. Seit ich in meinem eigenen Haus wohnte, hatte ich häufig Gäste, nahm meiner Schwägerin hin und wieder die Einkäufe ab oder beaufsichtigte die Kinder bei den Schulaufgaben, ansonsten führte ich mein eigenes Leben. Mein Tag war immer ausgefüllt mit Lesen, Schreiben, Wandern, Theaterbesuchen, Kirchgang und von den vielen Vereinen, in denen ich mich engagiere.
Ich schlug den Weg zum Hühnermoor ein, um das sich allerhand Gruselgeschichten über einen ermordeten Abt ranken, der dort geräuschvoll herumspuken soll. Obwohl mir häufig, wenn ich meine Spaziergänge machte, die alten Geschichten in den Sinn kamen, kannte ich keine Angst und ich schritt zügig voran. Der Wind hatte nachgelassen, die ersten Vögel sangen und die Morgensonne kam hinter dem Wald hervor. Eine halbe Stunde später war ich am Moor angekommen und beobachtete ein Stockentenpärchen, das auf dem kleinen Teich seine Runden schwamm. Leichter Dunst lag über dem Wasser und ich setzte mich auf einen Baumstamm zu einer kurzen Rast.
Es hatte viel geregnet in letzter Zeit und überall hatten sich mehr oder weniger große Pfützen gebildet. Das Moorgras war kaum zu sehen, nur einige alte Baumstämme und bemooste Zweige ragten gespenstisch aus dem morgendlichen Nebel.
Es dauerte einige Zeit, bis sich meine Augen an das trübe Licht gewöhnt hatten, dann sah ich auf der gegenüberliegenden Seite zwischen den Erlen ein helles Fahrzeug. Ich stand auf und fixierte den Wagen, konnte das Modell aber nicht genau erkennen. Verärgert, dass jemand das Naturschutzgebiet als Parkfläche benutzte, stapfte ich rund um das Moor, um das Objekt näher in Augenschein zu nehmen. Ich versuchte möglichst leise zu sein, denn ich war sicher, dass dort, wie so häufig, Müll entsorgt wurde. Es war ein Bulli, der dicht hinter einem Gebüsch stand. Er war vom Weg her schwer auszumachen. Ohne auf die Zweige zu achten, die mein Gesicht zerkratzten, umrundete ich das Gefährt und stellte fest, dass es sich um einen relativ neuen, silberfarbenen Wagen ohne Kennzeichen handelte.
Kopfschüttelnd trat ich auf den Weg zurück, nahm den Hut vom Kopf, befreite ihn von Blättern und Zweigen, stülpte ihn erneut auf und schimpfte leise vor mich hin: »Bestimmt gestohlen! Ich muss unbedingt zur Polizei!«
Augenblicklich marschierte ich zum Hof zurück. Unterwegs überlegte ich es mir anders. Zuerst wollte ich Bauer Liedmann befragen, vielleicht wusste er, wem das Fahrzeug gehörte. Zu Hause angekommen, erzählte ich Ralf, meinem Neffen, davon und wurde gleich darüber aufgeklärt, dass er einen solchen Wagen, allerdings mit rotem Nummernschild, auf Liedmanns Hof gesehen habe. Sicher hatte ein Bekannter von Liedmann ihn dort abgestellt. Verärgert schüttelte ich den Kopf. Gab es nicht Scheunen genug in der Umgebung, um ein Fahrzeug unterzustellen?
In der darauffolgenden Nacht konnte ich wieder nicht schlafen. Ein starker Wind war aufgekommen und dunkle Wolken schoben sich in schnellem Wechsel über den Halbmond. Ich stand am Fenster meines Schlafzimmers und ließ die frische Luft hereinwehen. In letzter Zeit passierte es mir oft, dass ich in der Nacht erwachte und mich vollkommen ausgeschlafen fühlte. Nach kurzem Überlegen entschloss ich mich, einen kleinen Spaziergang zu machen. Ich ließ das Licht in der Diele brennen und war schon um den Garten herumgegangen, als mir mein Handy einfiel, das ich vergessen hatte. Schnell ging ich zurück, holte es und schloss sorgfältig die Haustür hinter mir ab.
Der tobende Sturm war genau die richtige Untermalung für all die Gruselgeschichten, die von dem armen Abt berichten, dessen Sarg bei einem stürmischen Gewitter Anfang des achtzehnten Jahrhunderts im Hühnermoor mitsamt der Kutsche und dem Kutscher in dem kleinen Teich untergegangen sein soll. Ängstliche Gemüter glauben, dass er noch heute im Moor herumwandert. Sollte mir der Geist einmal begegnen, würde es ihn sicher schnell vertreiben, wenn ich mein Handy benutzte.
»Lisbeth ist wieder auf Wanderung, in ihrer Diele brennt Licht«, sagte Hermann Landner zu seiner Frau, die sich ebenso wie er unruhig in ihrem Bett wälzte.
Gerda Landner zog die Decke weit über den Kopf und murmelte: »Keine zehn Pferde brächten mich bei diesem Sturm hinaus.«
»Du hast ja auch mich«, lächelte er in die Dunkelheit und strich seiner Frau sanft übers Haar.
Gerda seufzte. »Warum hat Elisabeth damals den Alfred nicht geheiratet? Dann wäre sie heute nicht allein.«
Ihr Mann rückte näher zu ihr und sie kuschelte sich an ihn. »Vielleicht hat sie ihn nicht geliebt«, flüsterte er nachdenklich.
Gerda lachte auf. »Quatsch, er hat sich so sehr um sie bemüht. Zudem war er ein recht fescher Kerl. Die beiden passten hervorragend zusammen.«
»Ich wüsste gerne, was aus ihm geworden ist. Seit damals habe ich nichts mehr von ihm gehört.«
Gerda richtete sich im Bett auf und Hermann konnte ihre Umrisse im schwachen Licht, das durch die Rollläden drang, deutlich erkennen.
»Der lässt sich hier nicht mehr blicken. Deine Schwester hat sich aufgeführt wie eine Furie und hat ihn hinausgeworfen. Keiner weiß warum, und ich verstehe es bis heute nicht. So ein netter Mensch und bestimmt aus gutem Hause, so höflich wie er war!«
»Die Elisabeth hat halt ihren eigenen Kopf. Es nützt nichts, nach so langer Zeit darüber zu spekulieren.« Hermann gähnte. »Lass uns noch ein wenig schlafen.«
Der Bulli war nicht mehr da und nur die tiefen Fahrzeugspuren zeugten davon, dass hier ein Gefährt gestanden hatte. Ich hatte meine Taschenlampe mitgebracht und leuchtete sorgfältig den Weg aus. Die Abdrücke der Reifenprofile waren durch den Regen schon fast verschwunden und weit und breit war von dem Fahrzeug nichts zu sehen. Kopfschüttelnd stapfte ich hin und her, achtete weder auf die Zweige, die mir gegen den Kopf stießen, noch auf den Regen, der heftig niederprasselte. Erst nachdem ich sicher war, nichts, aber auch gar nichts zu finden, was nicht hierher gehörte, setzte ich meinen Spaziergang fort. So fest hatte ich damit gerechnet, mit dem Wagen habe jemand Müll oder Gartenabfälle entsorgt. In Gedanken hatte ich schon Anzeige erstattet und nun fragte ich mich, warum jemand so heimlich hier auftauchte, wenn er nichts zu verbergen hatte. Ein weiteres Mal umrundete ich das Moor, ohne etwas zu entdecken.
Langsam wurde es hell. Es hatte aufgehört zu regnen. Ich blieb stehen, knipste meine Taschenlampe aus, verstaute sie im Rucksack und wandte mich zum Gehen. In diesem Moment fiel mein Blick auf eine Erle direkt neben dem Weg. Ein Ast war herausgebrochen und die Wunde schimmerte hell. Ich schaute mich um, wo der abgerissene Ast geblieben war und gewahrte ihn im Moor in einer Wasserstelle. Er war armdick und sah fast aus wie ein kleiner Baum, der im Morast steckte. Verärgert trat ich vorsichtig auf den feuchten, wabbernden Boden und wollte den Ast hochziehen. Er war so schwer, als hinge ein Gewicht daran, und ich musste meine ganze Kraft aufbieten, um die Fracht an Land zu ziehen. Ich mühte mich ab, schwitzte und stöhnte und endlich, nach mehrmaligen Versuchen gab die Erdmasse so plötzlich nach, dass ich lang hinschlug und mit einem unheimlichen gurgelnden Geräusch schoss der Ast und mit ihm einige bunte Stofffetzen aus dem brackigen Wasser empor.
Erschöpft rappelte ich mich auf und schaute nach dem bunten Müllberg, der nun aus dem Wasser ragte. Diesmal griff ich kräftig mit beiden Händen zu, um im selben Moment das Bündel entsetzt fallen zu lassen. Ich hatte die kalte Hand eines menschlichen Wesens gespürt. Mit klopfendem Herzen und vorsichtigen Blicken in alle Richtungen, öffnete ich das Bündel - und starrte auf die Leiche einer jungen Frau. Eine kalte Faust griff nach meinem Herzen und presste es zusammen. Schweiß trat mir auf die Stirn und mein Atem keuchte. Verstohlen schaute ich mich erneut ängstlich um. War außer mir jemand hier? Ich hörte nur das Rauschen der Bäume. Der Dunst versteckte die leisen Schmatzgeräusche des modrigen Bodens unter seinem unheimlichen Tuch. Ich war allein. Niemand war da.
Die Tote vor mir war blond, sie trug Jeans und einen roten Pullover. Ihre Haut wirkte gespenstisch aufgequollen, um ihren Hals lag ein Lederriemen, der deutliche Spuren auf der Haut hinterlassen hatte. Sicher war sie schon einige Tage tot. Während ich sie betrachtete, beruhigte sich mein Herzschlag und urplötzlich schob sich das Bild einer anderen Frau in mein Gedächtnis. Daraufhin schaute ich mir die Tote genauer an und erstarrte. Die Frau trug nur am linken Ohr einen Ohrring, ein Granat in Tropfenform, am rechten nicht. Verwirrt griff ich nach meinem Handy, doch meine Gedanken waren bei dem fehlenden Ohrring, und abrupt steckte ich das Handy in die Tasche, machte das Bündel wieder zu, richtete mich auf, fasste den Zweig, der die Leiche unter Wasser gehalten hatte, und stieß ihn samt seiner grausigen Fracht zurück in den Sumpf.
Sorgsam verwischte ich meine Fußspuren und achtete darauf, dass alles so war, wie ich es vorgefunden hatte, schlich zum Weg zurück und lief mit klopfendem Herzen und keuchendem Atem nach Hause.
Wenige Stunden später befand ich mich auf dem Weg nach Baden-Württemberg. Vor zwanzig Jahren hatte ich mehrere Jahre in Singen verbracht und fuhr regelmäßig mehrmals im Jahr dorthin. Das Häuschen hatte ich abgeschlossen und den Schlüssel meiner Schwägerin übergeben. Gerda war überrascht von meiner unvorhergesehenen Abreise und schaute kopfschüttelnd meinem roten BMW hinterher.
»Jetzt tickt sie ganz durch, deine Schwester. So Hals über Kopf abzuhauen!«
Hermann Landner lachte. »Du kennst sie ja. Sie ist immer für eine Überraschung gut!«
Es war in einem kleinen Ort nahe Heidelberg vor über zwanzig Jahren. Alfred und ich hatten ein Zimmer in einem Landgasthaus gemietet. Es waren große Ferien und am zweiten Abend unseres Aufenthalts kam Alfred mit einem Rosenstrauß und machte mir einen Heiratsantrag, den ich gern und sofort annahm. Der Verlobungsring war ein schlichter Goldreif mit einem kleinen eingefassten Granaten. Noch nie war ich so verliebt gewesen und so uneingeschränkt glücklich.
Wir kannten uns erst wenige Monate, doch mir kam es vor, als seien wir immer zusammen gewesen, so wohl fühlte ich mich in seiner Gegenwart. Er war etwa einen Kopf größer als ich, schlank und hatte stets ein Lächeln auf den Lippen. Seine braunen Augen nahmen manchmal einen etwas melancholischen Ausdruck an, was ihn in den Augen der Frauen besonders interessant machte. Es störte mich, dass er oftmals in Anwesenheit einer schönen Frau anzutreffen war. Natürlich bemerkte er meine Eifersucht, nahm mich in den Arm und flüsterte: »Du bist die einzige Frau, die mir wirklich etwas bedeutet.«
Das beruhigte mich ungemein und einige Wochen später machten wir unsere Verlobung offiziell. Eine große Feier in meinem Elternhaus mit Freunden und Bekannten führte Alfred in die Gesellschaft unseres Dorfes ein, aber es hätte solcher Unterstützung gar nicht gebraucht. Alfred Derfeld hatte sich durch sein liebenswürdiges und hilfsbereites Wesen in unserem Ort schnell Freunde gemacht. Er nahm sich ein Zimmer in der Nähe und gehörte bald einfach dazu. Die Hochzeitsvorbereitungen waren in vollem Gange, die Feier sollte Ende Oktober stattfinden. Wir sahen uns Wohnungen an und überlegten, ob wir eventuell ein Haus kaufen sollten, als Alfred plötzlich den Wunsch äußerte, für einige Tage dem ganzen Wirbel zu entfliehen. Ich ließ mich nur zu gern überreden und wir fuhren in den Herbstferien in das Hotel, in dem wir uns kennengelernt hatten. Diesmal hatte Alfred eines der zum Hotel gehörenden Wochenendhäuser gemietet.
Schon bei der Ankunft wirkte er abwesend und verschlossen. Ich schob es auf die bevorstehende Hochzeit. Am zweiten Tag erklärte er mir, er müsse dringend mit seinen Eltern reden und ließ mich allein am Urlaubsort zurück.
Seine Eltern waren trotz Einladung nicht zur Verlobung erschienen, Alfred gab berufliche Gründe dafür an. Ich hatte sie nie gesehen, auch sonst wusste ich nichts von seiner Familie, außer, dass sie in Heidelberg wohnten. Ich hätte sie gern kennengelernt, aber da er mich nicht mitnahm, schloss ich daraus, dass seine Eltern nicht mit mir einverstanden waren.
Die beiden Tage ohne ihn verbrachte ich mit Wandern und Bummeln. Als ich am zweiten Abend in das Häuschen zurückkam, war er noch immer nicht da. Ich ging ins Schlafzimmer, um mich umzuziehen und erstarrte vor Schreck. Eine blonde Frau lag voll bekleidet auf dem Bett, die Augen weit aufgerissen. Ein Tüllschal war wie einen Strang um ihren Hals gezogen, der tief ins Fleisch einschnitt.
Ich trat vorsichtig zu ihr und berührte sie an der Schläfe. Sie war tot! Ein gellender Schrei ertönte, so laut und schrill, dass ich erst Sekunden später registrierte, dass er aus meiner Kehle stammte. In Panik rannte ich hinaus und lief zum benachbarten Hotel hinüber. Es gab einen riesigen Tumult und in Windeseile hatte sich das Geschehen im ganzen Ort herumgesprochen.
Die Polizei riegelte den Fundort ab, löcherte mich mit Fragen und hielt mich stundenlang fest. Zum Glück hatten mich mehrere Menschen, kurz bevor ich das Wochenendhaus betrat, gesehen und man konnte mir keine Schuld an ihrem Tod nachweisen. Auch nach Alfred wurde ich befragt. Da er seit zwei Tagen fort war, kam er somit als Täter nicht in Betracht. Die Tote war nach Angaben der Polizei erdrosselt worden, wahrscheinlich mit dem Tüllschal, den ich an ihrem Hals gesehen hatte.
Die junge Frau hatte als Verkäuferin in einer Lotto-Annahmestelle gearbeitet und war überall im Ort bekannt. Wir hatten sie bei unserer Ankunft gesehen. Sie hatte Alfred mit ihren blauen Augen angehimmelt und mir war aufgefallen, dass sie zwei unterschiedliche Ohrringe trug, eine schlichte Creole am rechten Ohr und am linken eine kleine Kette mit einem Kreuz am unteren Ende, welches fast bis auf ihre Schulter baumelte. Als der Rechtsmediziner sie untersuchte, trug sie nur die Creole, die Kette mit dem Kreuz fehlte.
Ich durfte unter Aufsicht einer Polizistin meine Sachen zusammenpacken, worüber ich insgeheim froh war, denn ich hätte keine einzige Stunde mehr in diesem Holzhaus verbracht. Danach wurde das Häuschen von den Beamten versiegelt und mir wurde ein Zimmer im Hotel zugewiesen. Obwohl ich völlig erledigt war, tat ich die ganze Nacht kein Auge zu.
Am nächsten Tag wurde mir von den Kriminalbeamten eröffnet, dass man die Tat zu einer Serie von Wochenendmorden zählte. In den vergangenen Monaten hatte es in der näheren Umgebung bereits drei solcher Fälle gegeben und bisher fehlte jeglicher Hinweis auf den Täter.
Wäre wenigstens Alfred an meiner Seite gewesen, hätte ich das Ganze besser verarbeiten können, aber er kam weder in der Tatnacht noch in der darauffolgenden Nacht. Nachdem ich zwei Tage lang ohne jegliche Nachricht von ihm oder seinen Eltern geblieben war, reiste ich mit Einwilligung der Behörden ab.
Zu Hause entschuldigte ich Alfred damit, dass er für einige Zeit bei seinen Eltern unabkömmlich sei. Über den Mord in dem Ferienhaus sprach ich nicht. Ich grübelte darüber nach, wer wohl der Mörder war und warum Alfred ausgerechnet an diesem Tag nicht zurückgekommen war. Außerdem war mir schleierhaft, warum die Tür zum Häuschen abgeschlossen war. Die Polizeibeamten erklärten mir, dass in allen Mordfällen die Zimmertüren verschlossen gewesen waren. Der Mörder musste über einen ganzen Satz passender Schlüssel verfügen oder er war in der Lage, Schlösser zu öffnen ohne jegliche Spuren zu hinterlassen.
Ich war seit zwei Tagen zu Hause, als Alfred kam. Die Familie war gerade beim Abendessen, meine Mutter ging hinaus und begrüßte ihn herzlich. Liebenswürdig wie immer und ohne sich das Geringste anmerken zu lassen, kam er in die Küche, in der wir an dem großen Tisch saßen.
Mein Vater schob ihm freundlich einen Stuhl hin. »Setz dich zu uns, Alfred. Ist bei deinen Eltern alles in Ordnung?«
Alfred nickte lächelnd. »Danke, sie sind etwas im Stress, aber zur Hochzeit kommen sie auf jeden Fall.«
Er beugte sich zu mir hinunter, gab mir einen Kuss und setzte sich, während meine Mutter eilfertig einen weiteren Teller und Besteck holte.
Ich sah Alfred an und sprang auf. »Dass du dich überhaupt noch hertraust!«, zischte ich ihn an. »Mich einfach so allein zu lassen, ohne jegliche Nachricht!«
»Liebes, ich habe dir gesagt, ich fahre zu meinen Eltern!«
»Sicher hast du das gesagt!«, bemühte ich mich einen ruhigen Ton anzuschlagen. »Du hast auch gesagt, du bist in zwei Tagen zurück, stattdessen bist du nicht gekommen. Gibt es bei deinen Eltern kein Telefon?«
»Elisabeth!« Mutter schüttelte tadelnd den Kopf.
»Ich erkläre es dir nachher, ja?!« Alfred lächelte mich bittend an und ich setzte mich schmollend wieder an den Tisch.
Nach dem Essen machten wir einen Spaziergang. Alfred erzählte von seinen Eltern und ihren geschäftlichen Schwierigkeiten und kam zum Schluss mit der Tatsache heraus, dass seine Eltern unmöglich der Hochzeit beiwohnen könnten.
»Was hat unsere Hochzeit mit geschäftlichen Schwierigkeiten zu tun? Deine Eltern müssen nichts bezahlen, ich möchte sie nur dabeihaben«, empörte ich mich.
Alfred hörte geduldig zu und beschwichtigte: »Wir reisen hin, sobald sie alles geregelt haben.«
Anfangs schmollte ich, ließ mich aber besänftigen, schließlich wollte ich Alfred und nicht seine Eltern heiraten. Dann berichtigte ich ihm von dem Mordfall im Hotel.
»Das tut mir leid, ich konnte nicht ahnen, dass so etwas passiert!« Er nahm mich in die Arme und küsste mich und endlich, nach Tagen des Zorns, fühlte ich mich getröstet und beruhigte mich langsam. Mit Alfred sprach ich nicht mehr über seine Eltern, denn ich hatte gespürt, wie sehr es ihn bedrückte, dass sie nicht kommen konnten.
Drei Tage später war er für seine Firma unterwegs nach Norddeutschland und ich machte mich auf den Weg nach Heidelberg.
Ich wusste nur den Straßennamen, doch Alfred hatte von einem großen Haus mit Garten erzählt, von einem Dienstmädchen und einer Köchin; da würde es sicher kein Problem sein, seine Eltern zu finden. Mit klopfendem Herzen ging ich die Straße entlang. Es war eine vornehme Villengegend mit imposanten Häusern.
War ich seinen Eltern nicht gut genug? Oder hatte sich Alfred geschämt, mich ihnen vorzustellen? Ich kam mir klein und schäbig vor angesichts des Reichtums in dieser Straße, obwohl der Bauernhof meiner Eltern durchaus nicht armselig zu nennen war.
Aufmerksam betrachtete ich die Klingelanlagen an den Toren, fand aber nirgends den Namen Derfeld, da kam mir der Zufall zu Hilfe. Ein Postbote fuhr von Haus zu Haus, ich ging auf ihn zu und fragte ihn.
»Derfeld? Nein, in dieser Straße gibt es niemanden, der so heißt.«
»Es muss hier sein!«, beteuerte ich.
Der Postler schüttelte den Kopf. »In dieser ganzen Siedlung gibt es einen derartigen Namen nicht, da bin ganz sicher! Sie müssen sich irren.« Er hob seine Hand zum Gruß an die Mütze und fuhr davon.
Anfangs war ich ratlos, dann ging ich zum Einwohnermeldeamt und erkundigte mich dort. Auf dem Amt kannte man nur den Namen Alfred Derfeld. Die Anschrift gab man mir nicht, aber ich forschte im Telefonbuch und wurde fündig. Seine Wohnung war in einem Hochhaus im dritten Stock. Ich fuhr zu dieser Adresse, hastete die Stufen hinauf und klingelte. Nach mehrmaligen Versuchen öffnete sich die Tür der Nachbarwohnung. Eine alte Dame mit Lockenwicklern auf dem Kopf und einem geblümten Kittel sprach mich an: »Herr Derfeld ist nicht da. Ist beruflich unterwegs.«
»Wissen Sie, wann er zurückkommt?«, hakte ich nach.
Die Alte wiegte bedächtig den Kopf hin und her. »Er war erst letzte Woche ein paar Tage da. Soll ich ihm etwas bestellen?«
Ich schüttelte den Kopf, bedankte mich und fuhr davon. Auf dem Weg nach Hause zermarterte ich mir das Hirn, warum er mir so viele Lügen aufgetischt hatte. Kam noch etwas dazu? Waren Stellung und Beruf ebenfalls erfunden? Ich kam mir ausgenommen und verraten vor. Ich wusste nichts von ihm, außer dem, was er mir erzählt hatte. Wo war er in der Zeit, als der Mord im Wochenendhaus geschah? In seiner Wohnung, wie es die Nachbarin gesagt hatte? Vielleicht mit einer anderen Frau? Oder hatte er etwas mit dem Mord zu tun? Die ganze Fahrt über grübelte ich. Zu Hause sprach ich allerdings mit niemandem darüber.
Eine Woche später kam Alfred zurück, gut gelaunt und liebenswürdig wie eh und je. Er hatte in den letzten Wochen immer unser Gästezimmer benutzt und war gerade auf dem Weg dorthin.
Ich ging ihm entgegen und zischte: »Du kannst deine Sachen packen! Wir sind geschiedene Leute!«
Ungläubig starrte er mich an. »Was soll das heißen? Kannst du mir das zumindest erklären?«
»Hauptstraße 97, dritter Stock«, fauchte ich ihn an.
Er wurde blass und stotterte: »Du weißt…?«
Ich nickte. »Lügner sind in diesem Haus nicht willkommen. Pack deine Sachen und lass dich hier niemals mehr blicken!«
Ich hatte mir vorgenommen, ruhig zu bleiben, stattdessen hörte ich meine eigene keifende Stimme im Haus widerhallen und augenblicklich öffnete sich die Küchentür und meine Schwägerin stand mit aufgerissenen Augen im Türrahmen.
»Was ist denn hier los?«, ging sie dazwischen.
Ich wurde rot vor Wut, ohne dass ich es wollte, klatschte meine Hand auf seine Wange und hinterließ dort deutliche Spuren, dann drehte ich mich auf dem Absatz um und lief mit wehendem Rock und tränenüberströmtem Gesicht davon.
Alfred Derfeld stand einen Moment verdutzt da, schüttelte sich, ging in das Gästezimmer, packte seine Sachen und verschwand vom Hof. Gerda wollte ihn zurückhalten, aber er eilte stumm an ihr vorbei, stieg in seinen Wagen und wurde nie wieder in unserer Gegend gesehen.
Ohne Kommentar ertrug ich die Empörung meiner Familie über mein unmögliches Benehmen und die Frage nach den Gründen unseres Streites. Niemandem verriet ich, was vorgefallen war. Ich verschloss mich jeder Frage und Anteilnahme, bewarb mich um eine Stelle in Süddeutschland und ließ mich für Jahre nach Singen am Hohentwiel versetzen, woraus dann zehn Jahre wurden, bis ich nach Ostwestfalen zurückkam. Danach arbeitete ich bis zu meiner Frühpensionierung am Gymnasium der Kreisstadt.
Von Singen aus forschte ich allerdings gründlich nach der Familie Derfeld. Viel kam nicht dabei heraus, außer dass die Derfelds einst relativ wohlhabend waren. Jahre bevor ich Alfred kennenlernte, gerieten sie in eine finanzielle Krise und verloren Haus und Firma. Alfreds Vater nahm sich das Leben, kurze Zeit später ebenfalls die Mutter. Nach seinem zwölften Lebensjahr wurde Alfred in einem Heim untergebracht, danach verlor sich jede Spur von ihm. Erst bei der Anmeldung in seiner Wohnung in Heidelberg tauchte der Name wieder auf. Ob er Geschwister oder andere Verwandte hatte, erfuhr ich nicht.
Warum hatte er mir nichts von seiner Kindheit erzählt? Ich erwog, ihm zu schreiben, doch ich verwarf den Gedanken so schnell, wie er gekommen war. Er hatte mich belogen und so etwas konnte ich nicht durchgehen lassen.
Ich war gerade ein Jahr in Singen, als eines Tages ein Polizeibeamter bei mir auftauchte und mich erneut zu dem Mord in dem Ferienhaus vernahm. Diesmal informierte sich der Kommissar eingehend über Alfred Derfeld. Angeblich war er in Zusammenhang mit verschiedenen Mordfällen, die noch immer nicht aufgeklärt waren, gesehen worden. Jedes Mal, wenn eine junge Frau ermordet worden war, hielt er sich zufällig in der Nähe auf.
Erstaunt erkundigte ich mich nach den fraglichen Zeiten und stellte fest, dass alle drei vorangegangenen Morde geschahen, als ich Alfred für einige Tage bei seinen Eltern oder beruflich unterwegs wähnte. Ich gab dem Kommissar die Auskunft, die er benötigte und versicherte ihm, ich hätte Derfeld seit über einem Jahr nicht mehr gesehen. Seine Anschrift in Heidelberg verriet ich ihm nicht. Der Beamte hinterließ seine Karte und verabschiedete sich mit den Worten: »Falls Ihnen doch noch etwas einfällt, rufen Sie mich bitte umgehend an.«
Der Besuch ließ mir keine Ruhe und ich machte mich einige Tage später ein weiteres Mal auf nach Heidelberg zu Alfred Derfelds Wohnung. Das Namensschild an der Tür war verschwunden. Als ich klingelte, öffnete eine junge Frau und sagte auf meine Frage nach dem Vormieter, sie wisse nicht, wer vor ihr hier gewohnt habe. Gerade als ich gehen wollte, öffnete sich die Tür der Nachbarwohnung und die ältere Dame, die ich schon vor einem Jahr kennengelernt hatte, stand vor mir.
»Er ist vor einigen Monaten ausgezogen. Seine Firma hat ein Großprojekt in Schleswig-Holstein. Er wollte sich dort eine Wohnung nehmen, um näher an seinem Arbeitsplatz zu sein.«
Ich bedankte mich und fuhr davon.
Alfred war diplomierter Vermessungsingenieur und war für seine Firma häufig unterwegs. In Schleswig sollte ein Autobahnprojekt verwirklicht werden, davon hatte er mir erzählt. Seine Firma hatte sich damals um den Vermessungsauftrag beworben und wohl den Zuschlag erhalten. Mittlerweile konnte ich mir durchaus vorstellen, dass auch die Geschichte mit den Vermessungsingenieur und dem Großprojekt erlogen war.
Ich machte mich wieder auf den Heimweg und grübelte tagelang darüber nach, ob er wirklich in der Lage sei, solche Morde zu begehen. Letztendlich kam ich zu dem Schluss, dass er wohl ein gerissener Lügner, aber kein Mörder war.
Das erste Schuljahr in Singen ging dem Ende zu und ich hatte mich nach einem Haus umgesehen. Unterhalb des Hohentwiels in einem hübschen Vorort entdeckte ich ein Häuschen mit Garten, welches ich dank der Tatsache, dass ich Lehrerin war und an der Mittelschule in Singen unterrichtete, sofort übernehmen konnte. In den Ferien richtete ich mich ein und verbrachte herrliche Tage in dem kleinen Garten.
An einem sonnigen Tag hatte ich es mir auf der Terrasse gemütlich gemacht. Es klingelte an der Haustür. Es war Alfred. Anfangs zögerte ich ihn einzulassen, aber meine Nachbarin grüßte neugierig herüber und so beobachtet, reagierte ich anders, als ich es mir vorgenommen hatte, sollte er jemals vor mir stehen. Doch jetzt wurde ich plötzlich von einem solch merkwürdigen, sehnsüchtigen Gefühl übermannt, dass ich ihn mit klopfendem Herzen und atemloser Stimme hereinbat.
Er folgte mir langsam, sich aufmerksam umschauend, ins Wohnzimmer.
»Schön hast du es hier!«, meinte er anerkennend.
»Es ist noch nicht alles fertig«, sagte ich, nahm in einem Korbsessel gegenüber dem Fernseher Platz und bot ihm den Sitz zu meiner Linken. Schweigend musterten wir einander und ich hoffte, dass er meine innere Unruhe und mein heftig pochendes Herz nicht bemerken würde. Doch Alfred machte nicht den Eindruck, überhaupt irgendetwas zu bemerken, im Gegenteil, er wirkte ebenfalls nervös und war eifrig bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, unter welch großer Anspannung er stand.
Um das sich unangenehm ausdehnende Schweigen zu beenden, fragte ich: »Darf ich dir etwas anbieten? Ein Bier oder vielleicht ein Glas Wein? Ich könnte auch einen Kaffee machen.«
»Alkohol am Nachmittag ist wohl nicht das Richtige, außerdem muss ich noch fahren, ein Kaffee wäre ideal.«
Glücklich, Zeit zu gewinnen, stand ich auf, ging in die Küche, setzte die Kaffeemaschine in Gang, holte einen Rest Kuchen aus dem Kühlschrank, deckte den Tisch und nach einer Viertelstunde saßen wir etwas entspannter einander gegenüber. Ich wunderte mich, dass ich mich nach wie vor in seiner Gegenwart geborgen fühlte, was mich zornig machte und zu einer aggressiven Äußerung veranlasste.
»Willst du dich hier vor der Polizei verstecken oder hast du schon wieder eine Leiche im Keller?«
Er setzte seine Tasse so heftig ab, dass die Untertasse zerbrach, und fauchte mich an: »Ich habe nichts mit diesen Morden zu tun, das weißt du genau!«
»Ach, woher sollte ich? Ich bin doch die Blöde, der du jedes Märchen erzählen kannst!«, giftete ich.
Er sprang auf und lief im Zimmer herum. »Du hast recht, ich habe dich belogen. Weißt du eigentlich, wie schwer es ist, jemandem zu erklären, dass man seine Eltern verloren hat, und vor allem, wie sie gestorben sind? Ich kann diese Mitleidsbekundungen nicht mehr ertragen!«
»Setz dich bitte wieder«, sagte ich mit unterdrücktem Zorn und meine Schultern bebten.
Er sah wohl meine innere Anspannung und tat mir den Gefallen. Ich sammelte die Scherben seiner Untertasse ein, brachte sie in die Küche und kam mit einer neuen zurück.
»Vor fast achtzehn Jahren«, fuhr er fort, »hatten wir wirklich ein Haus mit einem großen Garten in Heidelberg, die Straße kennst du. Als ich zwölf war, starb mein Vater, er hat sich umgebracht, das erfuhr ich erst viel später. Meine Mutter in ihrer Verzweiflung brachte sich ebenfalls um. Erspare mir bitte die Einzelheiten. Man brachte mich in ein Heim und ein Vormund wurde Verwalter meines Vermögens.«
Ich sah ihn zweifelnd mit großen Augen an.
»Du hast richtig verstanden«, versicherte er gereizt. »Es war nach dem Verkauf des Hauses und der Firma meines Vaters ein Restvermögen vorhanden, das mein Vormund, der leider mittlerweile auch verstorben ist, für mich so geschickt angelegt hatte, dass ich mir nach dem Abitur das Studium finanzieren konnte.«
Plötzlich konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten und schluchzte: »Warum hast du mir das nicht vorher erzählt? Ich hätte dich trotzdem geheiratet.«
Er trat zu mir und legte mir den Arm um die Schulter. »Es ist noch nicht zu spät. Elisabeth, lass uns einfach von vorn anfangen. Ich liebe dich.«
Ich wischte energisch die Tränen ab und schüttelte den Kopf. »Nein! Was ist mit den Morden?«
Seine Faust knallte auf den Tisch, bevor ich geendet hatte und das Geschirr begann bedrohlich zu wackeln.
»Verdammt! Ich habe nichts damit zu tun!«, brüllte er.
»Und warum sucht dich dann die Polizei?«, herrschte ich ihn an.
»Es gibt jemanden, der meinen Namen missbraucht. Er ist vor zwei Jahren bei mir zu Hause eingebrochen und hat meinen Pass gestohlen. Seitdem verfolgt er mich und hinterlässt Spuren, die auf mich hinweisen.«
»Das soll ich dir glauben?«, zischte ich verächtlich und versuchte, die erneut strömenden Tränen zu unterdrücken. »Die Polizei würde so etwas doch merken!«
»Dein Wort in Gottes Ohr!«, stöhnte er und fuhr sich mit den Händen durch das dunkle, wellige Haar. »Er verfolgt mich und ist immer ausgerechnet in der Gegend, in der ich mich gerade aufhalte. Sogar die Wohnung in Heidelberg hat er gefunden. Wenn ich wüsste, wer es ist, ich könnte ihn umbringen!«
»Das erledigst du dann lieber bei den Frauen«, warf ich entrüstet ein, schrak augenblicklich zusammen, weil er mit zornig zusammengekniffenen Augen abrupt vor mir stehen geblieben war. Instinktiv hielt ich einen Arm vors Gesicht und wich ängstlich zurück, mir erst jetzt meiner eigenen Worte bewusst werdend.
Sein Zorn war schneller erloschen, als er aufgekeimt war. Er ließ die Arme sinken und murmelte mit müder Stimme: »Wenn sogar du Angst vor mir hast, dann bin ich wirklich verloren.«
Er trat ans Fenster, während ich mit hastigen Bewegungen den Tisch abräumte und in die Küche eilte. Ohne auf mich zu achten, stand er da, sah hinaus und seufzte tief. Ich kam herein, setzte mich wortlos und überlegte, ob ich ihm glauben konnte.
»Warum gehst du nicht zur Polizei und erklärst alles?«
»Das ist unmöglich. Sie würden mir genauso wenig glauben wie du.«
Er kramte in seiner Tasche, holte etwas zum Vorschein und legte es auf den Tisch. Es war ein Ohrring mit einer kleinen Kette, an der ein Kreuz hing.
Voller Entsetzen starrte ich darauf und flüsterte in Panik: »Woher hast du ihn?«
»Er war in meiner Tasche. Jede der ermordeten Frauen trug nur einen Ohrring.«
Die Angst kroch in mir hoch. Dieser Mann vor mir war ein Mörder, trotzdem schienen seine Ausführungen glaubhaft, zumindest er selbst glaubte daran. Schizophrenie? Anders konnte ich mir seinen Zustand nicht erklären. Die absolute Verdrängung der Morde aus seinem Gedächtnis und die erstaunte Präsentation eines Beweisstückes ließen keinen anderen Schluss zu. Ich musste sehen, dass ich ihn loswurde, und dann sofort die Polizei einschalten. Alfred hatte sich wieder gefangen und war nun, nachdem er mit mir geredet hatte, ruhiger.
»Warum heiraten wir nicht, Elisabeth? Ich könnte deinen Namen annehmen und der Mann wäre für mich nicht mehr so bedrohlich.«
Ich war so verdutzt, dass ich es für einen Scherz gehalten hätte, wäre nicht sein ehrlicher Gesichtsausdruck gewesen. Dieser Mensch war gefährlich und ein guter Schauspieler dazu, ich musste sehr vorsichtig sein mit meiner Antwort.
»Wenn du mir das alles eher gesagt hättest, jetzt ist es zu spät.« Ich beobachtete ihn kritisch. Außer einem aufrichtigen Bedauern konnte ich nichts aus seiner Mimik herauslesen.
Er erhob sich und wandte sich zum Gehen. »Ich hatte gehofft, wenigstens du würdest mir glauben, aber ich sehe, ich habe mich geirrt«, bedauerte er resigniert und verabschiedete sich.
Als ich sicher war, dass er mein Grundstück verlassen hatte, suchte ich mit zitternden Fingern nach der Visitenkarte des Kommissars.
Einige Monate später las ich in einem Boulevardblatt die Schlagzeile:
Mit klopfendem Herzen las ich den Artikel, in dem unter anderem stand, dass der als mutmaßlicher Mörder verhaftete Alfred D. keinerlei Reue zeigte und alle Taten abstritt. Das Foto daneben war schlecht getroffen. Der dunkelhaarige Mann darauf hatte seine Jacke halb über das Gesicht gezogen, und war deshalb kaum zu erkennen. Ich legte die Zeitung beiseite und weinte hemmungslos. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie sehr ich Alfred noch immer liebte.
In der nächsten Zeit stürzte ich mich in die Arbeit und nach zwei Jahren heiratete ich einen Kollegen.
Norbert Vemo kannte ich von meiner Zeit auf dem Gymnasium in Gütersloh. Er hatte mit seinen Eltern einige Jahre in unserer Kreisstadt gewohnt, und wir waren ab und zu miteinander ausgegangen. Kurz bevor ich Alfred kennenlernte, zog seine Familie nach Süddeutschland.
Es war nicht die große Liebe, wir hatten viele Gemeinsamkeiten und führten ein zufriedenes Leben. Leider blieb unsere Ehe kinderlos, was nach fünf Jahren zur Scheidung führte. Wenn ich ehrlich war, gab es andere wesentlichere Gründe, aber ich wollte und konnte mir unsere Entfremdung, die zum großen Teil in mir selbst begründet war, nicht eingestehen. Ich nahm meinen Mädchennamen an und verlor jeglichen Kontakt zu ihm. Anschließend bewarb ich mich um eine Versetzung zurück nach Nordrhein-Westfalen, was nach weiteren fünf Jahren endlich gelang. Bis zu meinem Ausscheiden aus dem Dienst war ich am Gymnasium in unserer Kreisstadt tätig.
Und jetzt, nach über zwanzig Jahren holte mich die Vergangenheit wieder ein. Kurzerhand hatte ich meine Koffer gepackt und war nach Süddeutschland gefahren. In meinem Gepäck hatte ich den alten Zeitungsartikel. Wenn Alfred zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, hatte man ihn vielleicht schon vor einigen Jahren entlassen. Ich wollte mich in den umliegenden Haftanstalten nach ihm erkundigen. Noch immer schmerzte mich der Gedanke an ihn. Irgendwie hatte ich seinetwegen Schuldgefühle, obwohl die völlig unbegründet waren. Allerdings musste ich mir heute eingestehen, dass durch die Verbindung zu Alfred meine kurze Ehe von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen war.
In Singen angekommen nahm ich ein Zimmer in einem kleinen Hotel unterhalb des Hohentwiels mit Blick auf den Weinberg. Ich wollte die Tage auch nutzen, um einige frühere Kollegen zu besuchen und meine beste Freundin Marita Jonas zu treffen.
Marita wohnte in einem Penthouse mitten in der Stadt mit einem reizvollen Dachbalkon, der durch üppige Bepflanzung wirkte wie ein Garten über den Dächern. Marita war fünfundvierzig Jahre alt, dunkelhaarig und von biegsamer, sportlicher Figur, die sie wesentlich jünger erscheinen ließ.
Wir saßen auf dem Balkon und ich genoss den herrlichen Ausblick über die Stadt. Marita deckte den Kaffeetisch und als sie sich endlich zu mir setzte, plauderten wir angeregt. Sie beobachtete mich prüfend und nach einiger Zeit belanglosen Geschwätzes brachte sie mich mit einer gezielten Frage in Verlegenheit.
»Was ist los, Elisabeth? Du bist nicht gekommen, um mit mir zu plaudern. Es muss etwas passiert sein.«
Ich führte langsam meine Kaffeetasse zum Mund, um Zeit zu gewinnen. Ihre gespannte Aufmerksamkeit verfolgte jede meiner Bewegungen und ließ eine Ausrede nicht zu.
»Es gibt wieder eine Leiche mit nur einem Ohrring.«
»Nein!« Entsetzen stand in ihrem Gesicht.
Mein Blick glitt über die Dächer der Häuser und blieb weit hinten am makellos blauen Horizont hängen. Ohne Marita anzusehen, erzählte ich ihr von dem Fund im Moor.
»Du bist nicht zur Polizei gegangen?«, fragte sie verständnislos.
Ich schüttelte stumm den Kopf. »Der Ohrring rechts fehlte und da fiel mir alles von früher ein. Ich habe die Tote wieder versenkt und bin auf und davon. Ich muss wissen, ob Alfred entlassen ist«, brachte ich heraus.
Marita war aufgestanden und ging langsam hin und her. »Du musst die Polizei informieren!«, drängte sie.
Ich seufzte tief. »Ich weiß. Die Frau ist tot, ob sie zwei Tage eher oder später gefunden wird, ist für sie egal.«
Marita lachte hart auf. »Das mach mal der Polizei klar! Die werden anderer Meinung sein. Fahr zurück, geh zur Polizei und vergiss das Ganze. Der fehlende Ohrring kann Zufall sein.«
»Und wenn es Alfred war?« Ich war unentschlossen und unsicher.
»Himmel, Elisabeth, du bist kein Kind mehr! Wenn Alfred wirklich seinerzeit des Mordes überführt wurde, dann hat er bestimmt lebenslänglich bekommen. Möglicherweise ist er inzwischen aus dem Gefängnis entlassen. Aber bitte sag mir, warum sollte er - vorausgesetzt, er hat die Morde damals tatsächlich begangen - nach über zwanzig Jahren plötzlich das gleiche Verbrechen wiederholen?«
Verzweifelt fuhr ich mir durchs Haar. »Ich weiß es nicht.«
Marita blieb vor mir stehen und sah mich durchdringend an. »Du hast es nicht nachgeprüft, ob er es war? Du wolltest es gar nicht wissen, oder?«
Ohne zu antworten, stand ich auf. Ich hatte mir meinen Besuch bei ihr anders vorgestellt. Ich griff nach meiner Handtasche. Marita hielt mich nicht zurück. Wortlos begleitete sie mich zur Tür. Wir verabschiedeten uns mit einem Händedruck.
Ich war schon am Treppenabsatz, als ich ihre leise Stimme hörte. »Du hast nie aufgehört, ihn zu lieben, nicht wahr?«
Ertappt drehte ich mich um und sah ein schwaches Lächeln auf ihrem sympathischen Gesicht.
»Quatsch!«, winkte ich ab, aber meine plötzlich brennenden Wangen straften mich Lügen.
Ich hastete die Treppe hinunter und lief auf die Straße. Fast eine Stunde lang streifte ich durch die Stadt, ohne auch nur annähernd etwas von der Umgebung mitzubekommen. Irgendwann setzte ich mich erschöpft in ein Café, bestellte mir ein Kännchen Kaffee und ein Stück Kirschkuchen und überlegte. Endlich wurde ich ruhiger und mein Zorn auf Marita war verraucht. Ich hatte gehofft, sie würde mich unterstützen, um etwas über Alfred zu erfahren, aber sie hatte mit ihrem scharfen Verstand wieder einmal voll ins Schwarze getroffen. Eigentlich sollte ich ihr dankbar sein.
Es war weit nach Mitternacht, als ich zu Hause ankam. Meine Schwägerin hatte die Zeitungen und meine Post auf dem Esszimmertisch gestapelt. Ich warf einen flüchtigen Blick darauf, fand nichts Besonderes und ging gleich zu Bett.
Nach nur drei Stunden Schlaf wachte ich auf und stolperte zum Kühlschrank, um einen kleinen Imbiss zu nehmen. Ich machte mir einen starken Kaffee, holte die neue Zeitung aus dem Briefkasten und vertiefte mich darin. Es war gerade sieben Uhr, als ich mich anzog und zu einem Ausgang startete. Leichter Nebel lag über den Wiesen und es war kühl, es würde ein schöner Tag werden. Im Hühnermoor angekommen, fand ich alles so vor, wie ich es verlassen hatte. Nach einem Moment des Zögerns, setzte ich all meine Kräfte ein, zog an dem Ast und mit klopfendem Herzen beobachtete ich, wie das morastige Wasser nach und nach das Bündel mit der Toten freigab. Erschöpft sank ich neben dem Fang zu Boden, riss daran und obwohl ich wusste, was mich erwartete, erfasste mich ein würgendes Gefühl der Übelkeit, als ich plötzlich das fast bis zur Unkenntlichkeit verquollene Gesicht vor mir sah. Mit zitternden Gliedern erhob ich mich, registrierte im Unterbewusstsein, dass wirklich nur ein Ohrring da war, entfernte mich ein Stück vom Fundort und holte mein Handy aus der Tasche.
Bis zum Eintreffen der Polizei hockte ich mich etwas abseits auf den Boden und überlegte, wie der grausige Fund ins Moor gelangt war. Der Bulli, der vor einigen Tagen etwa fünfzig Meter von hier abgestellt war, konnte damit in Zusammenhang stehen. Ich ging zu der Stelle, an der das Fahrzeug gestanden hatte, aber es waren keine Reifenspuren mehr zu sehen, schließlich waren drei Tage vergangen. Gerade als ich zurückging, rollte langsam ein Polizeiwagen heran und blieb direkt vor mir stehen.
Himmel, dachte ich, sie sind nur zu zweit gekommen, als hätte ich ihnen einen Bären aufgebunden.
Eine junge Frau mit perfekt sitzender Uniform und ebenso perfektem Make-up, sprang aus dem Wagen.
»Guten Morgen«, grüßte sie freundlich. »Sind Sie die Dame, die uns angerufen hat?«
»Allerdings«, gestand ich leicht gereizt und ging ohne Umschweife durchs Gebüsch, den schmalen Weg entlang, bis an den Rand des Moores.
»Hier liegt sie«, sagte ich trocken und zeigte auf den feuchten Stoffballen.
Die Polizistin strebte darauf zu, zog mit spitzen Fingern den bunten Stoff zur Seite und wurde augenblicklich kalkweiß im Gesicht. Sie trat entsetzt einen Schritt zurück, wandte sich angewidert ab und wankte zitternd zum Wagen zurück. Ihr Kollege stand in der offenen Fahrertür, beobachtete sie grinsend und empfing sie mit den Worten: »Sieht aus, als könntest du einen Schnaps vertragen!«
Sie antwortete nicht, griff an ihm vorbei ins Wageninnere, holte das Mikro heraus und forderte mit belegter Stimme die Kriminalpolizei und einen Polizeiarzt an.
»Sieh zu, dass du in die Gänge kommst«, pfiff sie ihren Kollegen an. »Sperr den Weg ab, damit wir keinen unerwünschten Besuch bekommen.«
Der Kollege machte sich immer noch grinsend an die Arbeit, holte rot-weißes Band und Stäbe aus dem Kofferraum, sicherte die Fundstelle ab und erst danach wagte auch er einen Blick auf die Tote und das Grinsen in seinem Gesicht wich einer vom Schreck geprägten Grimasse. Im Nu wechselte seine frische Farbe in einen grünlich blassen Ton. Mit einer plötzlichen Drehung erbrach er sich hinter einem Strauch und kam verzagt wieder hervor. Seine Kollegin eilte mit versteinerter Miene hinzu und bedeckte die Leiche mit einer grauen Decke.
Ich beobachtete die Szenerie, als stünde ich auf einer Bühne, was sicher auf Außenstehende als kalt und herzlos empfunden wurde, aber ich wusste ja seit ein paar Tagen von der Toten und meine Gedanken befassten sich unablässig mit dem Mörder, den ich zu kennen glaubte, obwohl ich keinen Beweis dafür hatte.
Es dauerte nicht lange, bis Arzt und Kripo eintrafen. Der Kommissar, ein Mann Ende dreißig, schlank, fast hager, mit dichten dunklen Haaren, stellte sich mit Hauptkommissar Tann vor. Er warf einen kurzen Blick auf die Leiche und kam dann zu mir.
»Sie haben die Leiche entdeckt?«, vergewisserte er sich und zückte seinen Notizblock.
Ich nickte stumm und sah ihn erwartungsvoll an. Anscheinend war er wohl der Ansicht, es sei an mir, mich zu äußern. So gab ich ihm meine Anschrift und meinen Namen und wartete auf seine Fragen.
Er ging hingegen zu der Toten, die mit der grauen Decke verhüllt worden war, wechselte einige Worte mit dem Arzt und winkte mich heran. Zögernd folgte ich seiner Aufforderung.
»Wann haben Sie die Tote gefunden, Frau Landner?«
Da war sie, die Frage, die ich befürchtet hatte. Die ganze Zeit hatte ich gegrübelt, was ich darauf antworten sollte. Jetzt entschloss ich mich zur Wahrheit.
»Am Dienstagmorgen, so gegen sechs Uhr in der Frühe.«
Der Kommissar sah mich erstaunt an und seine braunen Augen waren aufmerksam auf mich gerichtet.
»Am Dienstag?«, wiederholte er ungläubig und sein Notizblock glitt ihm aus der Hand. Er bückte sich schnell, hob ihn auf und ließ mich dabei nicht aus den Augen.
Ich nickte bestätigtend und überlegte mir eine plausible Erklärung. Hörte mich dann zu meiner Überraschung sagen: »Am Dienstag habe ich mich über das Kleiderbündel aufgeregt und wollte es aus dem Schlamm ziehen, es war mir zu schwer. Zu allem Überfluss begann es zu regnen und ich gab auf. Heute Morgen habe ich es dann erneut versucht.«
Kommissar Tann sah mich skeptisch an, notierte sich meine Aussage, schlug die Decke zurück, mit der die Leiche bedeckt war, und wollte wissen: »Kennen Sie die Tote?«
Ich verneinte und bemühte mich angestrengt, nicht in das wässrig aufgedunsene Gesicht zu schauen. In diesem Moment kam der Arzt, der vorher zu seinem Wagen gegangen war, zurück und erklärte: »Wir haben in ihrer Jeanstasche ein kleines Portemonnaie gefunden. Es war eine Plastikkarte der Sparkasse Gütersloh darin. Sie heißt Sonja Bonder. Höchstwahrscheinlich erdrosselt. Bei dem Lederriemen handelt es sich wohl um eine Hundeleine.«
Der Arzt war mittelgroß und schlank. Er machte auf mich einen gehetzten Eindruck. Sein Alter schätzte ich auf sechzig.
»Können Sie bereits etwas über den Todeszeitpunkt sagen, Doktor?«, erkundigte sich Kommissar Tann und ich wartete gespannt auf die Antwort.
Der Arzt hatte sich schon zum Gehen gewandt und zuckte die Schultern. »Ein paar Tage sicherlich, vielleicht auch eine Woche. Das muss die Obduktion klären. Sie lag zu lange im Wasser, um Genaueres sagen zu können.« Er holte tief Luft, sah auf die Tote, bückte sich, zog die Decke wieder über das Gesicht der Frau und eilte ohne ein weiteres Wort davon.
Der Kommissar befasste sich nun mit mir. »Sind Sie sicher, diese Frau nie gesehen zu haben?«
Ich ging in Gedanken erneut alle meine Bekannten durch und nickte. »Die Frau ist mir völlig unbekannt.«
Der Kommissar sah mich an und holte zu einer weiteren Frage aus. »Sie waren Lehrerin in Gütersloh. Könnte es eventuell eine ehemalige Schülerin von Ihnen sein?«
In diesem Moment hielt ein dunkler Kombi etwas entfernt an dem schmalen Fußweg, was mich einer Antwort enthob. Zwei Männer stiegen aus, holten einen Metallsarg aus dem Auto und kamen zu uns herüber. Sie legten die Tote hinein, gingen den Weg zurück, schoben die grausige Fracht in den Wagen und fuhren mit knappem Gruß zu den Beamten, die dort den Weg absperrten, davon. Einige Leute von der Spurensicherung streunten weiterhin durch das Gelände, fanden aber augenscheinlich nichts.
Ich überlegte, ob ich von dem Bulli erzählen sollte, der vor Tagen etwas weiter im Gebüsch gestanden hatte, verwarf den Gedanken sofort und fragte stattdessen den Kommissar: »Kann ich gehen oder benötigen Sie mich noch?«
Er war mit den Gedanken woanders, schrak ein wenig auf und lächelte schwach. »Gehen Sie nur, ich habe ja Ihre Adresse. Wenn Unklarheiten bestehen, melde ich mich.«
Langsam verließ ich die Stätte des Grauens. Am Ende des Weges schaute ich mich um. Kommissar Tann war an den Rand des Moores getreten und sprach mit einem Kollegen der Spurensicherung. An ihren Mienen konnte ich selbst auf diese Entfernung sehen, dass sie nichts Außergewöhnliches gefunden hatten. Erst jetzt bemerkte ich, dass die Sonne hoch am Himmel stand, kaum eine Wolke zu sehen war und ein Blick zur Uhr sagte mir, dass es schon elf Uhr durch war. Ich schaute einem Sperber nach, der fast direkt über mir flatternd in der Luft stand und nach Beute Ausschau hielt. Plötzlich drehte er ab und flog davon.
So einen Überblick müsste man haben, von ganz da oben, und natürlich das gute Auge des Sperbers, der selbst eine Maus aus der Entfernung erkennen konnte, dachte ich und grübelte auf dem Heimweg darüber nach, wo ich schon einmal diesen dunkelroten Granatohrring gesehen hatte.
Es war am nächsten Tag um drei Uhr in der Frühe, als ich aufwachte und es mir schlagartig einfiel: Im letzten Sommer hatte ich einen Einkaufsbummel in Gütersloh gemacht und nach mehrstündigem Gang durch die Geschäfte bekam ich Lust auf ein leckeres Eis und ich setzte mich an einen Tisch vor einer Eisdiele am Dreiecksplatz. Eine Kellnerin, bekleidet mit weißer Bluse und schwarzem, langem Rock und einer ebenso schwarzen Schürze, erkundigte sich nach meinen Wünschen. Sie trug ihr blondes Haar hochgesteckt und an ihren Ohren hingen rote Ohrringe in der Form eines Tropfens. Ähnelten sie nicht dem, den ich bei dem Mordopfer am linken Ohr gesehen hatte?
Ich konnte mich nicht mehr so genau erinnern, sprang aus dem Bett, ging in die Küche und trank ein Glas Wasser. Wie es meine Art war, hatte ich kein Licht gemacht und sah durch das Küchenfenster hinaus. Ein sternenklarer Himmel hob sich leicht von den hohen Eichen des Hofes ab, deren Wipfel sich sanft im Wind bewegten. Gemächlich ging ich mit dem Glas in der Hand durch das dunkle Haus bis zur Terrasse auf der anderen Seite, öffnete weit die Tür nach draußen und setzte mich auf die hölzerne Bank neben der Tür. Tief atmete ich die frische Nachtluft ein und überlegte, ob die Eisverkäuferin die Tote sein könnte.
Ein merkwürdig heulendes Geräusch ließ mich zusammenfahren. Einen Moment lang hielt ich den Atem an, dann vernahm ich es wieder. Es klang wie ein entfernter, lang gezogener Sirenenton, fast wie das Heulen eines Wolfes. Schlagartig fiel mir ein, dass es der Welpe von Liedmanns sein musste, dessen Mutter kürzlich von einem Auto überfahren worden war, und das Tier jaulte nach seiner Mutter. Liedmanns hatten versucht, für ihn eine Hundeamme zu finden, was allerdings bisher nicht gelungen war, und so blieb ihnen nur der Versuch, das Junge mit der Flasche aufzupäppeln. Trotzdem hatte das Tierchen Heimweh nach der Mutter, was es mit durchdringendem Gewinsel zum Ausdruck brachte.
Mein Glas war leer, ich stellte es auf dem Gartentisch ab und ging auf der steinernen Terrasse auf und ab. Nach kurzer Zeit gab ich das Grübeln auf und beschloss, am Morgen in die Stadt zu fahren und der Sache auf den Grund zu gehen. Mit diesem Gedanken ging ich zu Bett und schlief tatsächlich noch einmal fest ein.
II
Herzhaft gähnend öffnete Hauptkommissar Tann die Tür zu seinem Büro im Kommissariat an der Herzebrocker Straße und setzte als Erstes die Kaffeemaschine in Gang. Erst danach schaltete er den Computer ein und sah flüchtig die Post durch. Er war völlig übermüdet. Vor drei Tagen war seine Frau mit dem Erstgeborenen aus dem Krankenhaus zurückgekommen und seitdem gab es in seinem Hause keine ruhige Nacht mehr. Das kleine Windelbündel hatte es geschafft, seine Eltern mit seiner durchdringenden Stimme zu steter Wachsamkeit zu zwingen. Fahrig goss er sich einen Kaffee ein und studierte gerade die Bilder des Polizeifotografen von der Moorleiche, als sein Kollege Alfons Weiß hereinkam.
»Na, wie geht es der jungen Familie?«, sprudelte er schmunzelnd heraus und nahm sich ebenfalls einen Kaffee.
Tann grinste. »Hervorragend! Mutter und Sohn wohlauf, Vater k.o.«
Weiß fuhr sich durch sein struppiges, rotes Haar und stichelte freundschaftlich: »So muss das sein! Warum soll es dir besser gehen als anderen? So ein Wonneproppen macht die Nacht zum Tag.«
»Trotzdem ist es ein irres Gefühl, so einen Winzling im Arm zu halten«, lächelte Tann versonnen und schenkte sich erneut Kaffee ein.
Einen kurzen Moment war es still, bis Alfons Weiß sich nach dem neuen Fall erkundigte.
»Morgen bekomme ich den Bericht der Rechtsmedizin. Die Leiche lag einige Tage im Moor, das ist sicher«, sagte Tann, fischte aus seinem Ablagekörbchen ein Schreiben und reichte es Weiß.
»Was ist mit dieser Lehrerin, die die Leiche gefunden hat?«, hakte Weiß nach, nachdem er den Text gelesen hatte.
»Eine merkwürdige Person, behauptet, schon zwei Tage vorher das Bündel gefunden zu haben. Anstatt die Polizei zu rufen, hat sie erst abgewartet, dadurch sind uns sicher wichtige Spuren verloren gegangen«, ärgerte sich Tann.
»Hast du sie überprüfen lassen?«
Tann nickte. »Keine Auffälligkeiten. Neunundvierzig Jahre alt, früh pensioniert, eine von diesen alten Schachteln, die immer alles besser wissen, aber ansonsten harmlos sind.«
»Alte Schachtel? Mit neunundvierzig? Das solltest du mal meiner Schwester erzählen, sie würde dich lynchen«, lachte Weiß. »Gibt es sonstige Anhaltspunkte zu der Getöteten, Freunde, Familie?«
Tann stand auf, ging ans Fenster, öffnete es weit und sah hinaus. »Die Familie wohnt in Bad Oeynhausen, die Vernehmung wird dort vor Ort gemacht. Sie wohnte zusammen mit ihrem Freund in Harsewinkel in einer gemeinsamen Wohnung. Sein Alibi ist absolut wasserdicht. Die Kleine war Kellnerin im Stadtcafé. Vielleicht können wir dort etwas erfahren.«
»Ich mache mich gleich auf den Weg«, kündigte Weiß an, ging zur Tür, drehte sich noch einmal um und schlug grinsend vor: »Mach heute früher Schluss, frisch gebackene Väter werden zu Hause gebraucht!«
Tann seufzte tief und dachte etwas wehmütig, aber voller Stolz an seinen Sohn, der mit Inbrunst nach seiner Mutter schrie, bis sie ihn an die Brust nahm und seinen Hunger stillte.
Die Sonne stand hoch am Himmel, als ich erwachte. Es war bereits neun Uhr und vom Hof her hallten die Geräusche des laufenden Traktors. Schnell sprang ich aus dem Bett und eine Stunde später saß ich im Wagen, fuhr am Flughafen vorbei in Richtung Gütersloh.
Mein erster Weg führte vom Parkplatz neben dem Wasserturm zum Eiscafé am Dreiecksplatz. Ich bestellte einen Kaffee und musterte die drei Kellnerinnen. Die hatten dunkles Haar. Nach einiger Zeit erkundigte ich nach ihrer Kollegin mit den blonden Haaren, die vor einem Jahr hier bedient hatte. Die Serviererin vor mir klimperte mit ihrer Geldtasche und schüttelte bedauernd den Kopf.
»Blond? Wir haben keine Blonde, wir sind alle brünett«, entgegnete sie mit leichtem Akzent und schaute dabei ratlos zu ihrer Kollegin hinüber, die hinter der Theke gerade Spaghetti-Eis presste und es mit rotem Erdbeersaft und Kokosflocken verzierte. Kurz darauf gesellte sich diese zu uns und ich wiederholte meine Frage nach der Blondine.
»Bestimmt eine Aushilfe«, sinnierte sie, hob den Kopf in den Nacken, als schaue sie den Tauben nach, die über den Platz hinwegflogen, und nach einigem Nachdenken fuhr sie fort: »Ich weiß jetzt, wen Sie meinen könnten. Es war bestimmt Manuela. Sie ging noch zur Schule, hatte so rote Hänger in den Ohren.« Sie stieß ihre Kollegin an und beide bemühten sich, nicht in schallendes Gelächter auszubrechen.
Unter Prusten und Kichern erzählten sie mir dann, dass ein blondes Mädchen ausgeholfen habe und plötzlich ein Gast einen ihrer Ohrringe im Eis entdeckt habe. Nach seiner Beschwerde habe der Chef Manuela sofort gekündigt.
»Können Sie mir den Ohrring beschreiben?«
Sie nickte. »Rot war er, wie ein Tropfen, der an einer kleinen Kette baumelte. Ich glaube, es war ein Granat.«
In diesem Augenblick rief jemand und die beiden Mädchen schwirrten kichernd davon, um neue Gäste zu bedienen. Ich rührte gedankenverloren in meinem Kaffee und betrachtete dabei einen Gärtner, der dem Rasen auf dem Dreiecksplatz einen neuen Schnitt verpasste. In der Annahme, mehr zu erfahren, zahlte ich an der Kasse und erkundigte mich bei einem Herrn, der seine schwarzen, dichten Haare modisch mit hellen Strähnen aufgepeppt hatte und allem Anschein nach der Chef war, ob die blonde Kellnerin, die in den Sommerferien bedient hatte, gerade Urlaub machte.
»Blond?« Er kniff die Augen zusammen, schüttelte den Kopf und blockte ab: »Eine Blondine haben wir hier nicht beschäftigt.«
»Ich bin im vorigen Jahr von ihr bedient worden«, beharrte ich.
»Bedaure, Madame, das kann sich nur um einen Irrtum handeln«, wiegelte er ab, drehte sich abrupt um und kümmerte sich, ohne ein weiteres Wort an mich zu verschwenden, um die Befüllung des Sahneautomaten.
Einen Moment lang zögerte ich, dann ging ich schnellen Schrittes davon. Warum wollte der Besitzer der Eisdiele mir keine Auskunft geben? Nachdem die beiden Kellnerinnen mir den Namen Manuela genannt hatten, war ich sicher, dass ich mich nicht irrte und sie hier gearbeitet hatte.
Nachdenklich flanierte ich durch die Stadt und plötzlich stand ich, ganz ohne es zu wollen, vor Kirsten Vollmanns Tür und klingelte.
Kirsten war natürlich nicht zu Hause, aber eine freundliche Sekretärin öffnete, bat mich herein und verkündete fröhlich: »Frau Vollmann wird jede Minute zurück sein.«
Ich setzte mich in den kleinen Sessel neben der Tür und stellte erstaunt fest, dass seit meinem letzten Besuch nicht nur die Bürokraft, sondern auch noch einiges andere neu war.
Kirsten kannte ich seit unserer gemeinsamen Schulzeit. Sie hatte nach dem Abitur eine Ausbildung bei der Polizei gemacht, damals ein seltener Frauenberuf, den sie später wieder aufgab, um sich selbstständig zu machen. Vor zehn Jahren, als ich zur Einweihung von Kirstens Detektivbüro eingeladen war, hatte sie nur einen Raum mit einem Schreibtisch und einem Computer, mittlerweile waren es zwei verbundene Räume mit einer Glastür, die jetzt offen stand. Die Regale an den Wänden waren bis zur Decke mit Aktenordnern vollgestopft. Die Sekretärin saß, mit einem Kopfhörer versehen und ohne sich weiter um mich zu kümmern, vor ihrem Bildschirm und hämmerte wie wild auf den Tasten herum. Ab und zu drückte sie den Knopf des Diktiergerätes, spulte das Diktat zurück und verglich konzentriert das Geschriebene mit dem Gehörten.
Etwa eine Viertelstunde wartete ich und wollte gerade unverrichteter Dinge gehen, als Kirsten in einem sportlichen schwarzen Lederanzug hereinkam und mich herzlich umarmte.
»Elli, wie schön! Wartest du schon lange?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nur ein Viertelstündchen!« Mit einem anerkennenden Blick in die Runde fuhr ich fort: »Hier hat sich ja einiges verändert, da musste ich mich endlich mal sehen lassen!«
Kirsten zog mich am Arm durch die Glastür, schloss sie hinter sich und ließ sich hinter einem riesigen Schreibtisch aus Buche nieder, bot mir den Platz gegenüber an und nahm den Hörer ab, um bei ihrer Vorzimmerdame einen Kaffee zu ordern.
Ich sah mich um und stellte fest, dass dieser Raum ganz anders war als das Vorzimmer. Alle Möbel waren aus Buche, gegenüber der Tür lud eine gemütliche Sitzgruppe aus rotem Leder zum Verweilen ein und zu meiner Überraschung standen überall Blumen, rote Rosen wohlgemerkt.
Kirsten lachte plötzlich schallend. »Ich habe einen Verehrer, Elli. Man kann deinem Gesicht ansehen, dass du dir wegen der Rosen Gedanken gemacht hast.«
»Keine Spur«, sagte ich, doch das Brennen auf meinen Wangen verriet mich. Zum Glück erschien die Sekretärin mit dem Kaffee und ich wurde so einer weiteren Antwort enthoben.
Kirsten schenkte ein und als der dienstbare Geist verschwunden war, belustigte sie sich: »Es ist immer wieder schön, zu sehen, wie es im Gehirn anderer arbeitet, wenn bei einer alleinstehenden Frau Rosen den Raum verschönern.«
Ich führte umständlich die Tasse zum Mund und musste unwillkürlich lächeln. »Du hast recht, ich habe mir auch Gedanken gemacht und nun will ich wissen, was an der Sache dran ist!«
»Nichts, zumindest nicht das, was du denkst. Ich hatte bei Walter Mohrer, vom Blumengeschäft Mohrer, Gestecke für das Büro bestellt, und er empfahl Rosen, das ist alles.«
»Und Mohrer ist Familienvater mit Frau und drei Kindern!?«, scherzte ich und Kirstens schönes, dunkles Lachen erschallte erneut.
»Du könntest bei mir anfangen, deine Fragen locken selbst dem Verbocktesten noch ein Geständnis ab.«
»War nur so eine Vermutung«, lächelte ich und Kirsten nickte zustimmend.
»Womit du absolut recht hast, denn Walter ist seit Jahren geschieden und macht mir seit einiger Zeit eindeutige Angebote. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass du deshalb gekommen bist, nach so langer Zeit. Was macht die Schule?«
Jetzt war es an mir zu lachen. »Nichts, ich habe den Job aufgegeben.«
»Was?« Ihre großen, grauen Augen sahen mich entsetzt an.
»Du warst Lehrerin aus Leidenschaft, Elli. Wie konnte das passieren?«
»Nun, eine kleine Erbschaft und ein Vertrag mit einem Übersetzungsbüro, schon hatte ich neue Pläne.«
Kirsten schüttelte tadelnd den Kopf und lehnte sich zurück, bevor sie sich zu einer Äußerung entschloss, die eher ein Statement war.
»Bei dir hat alles ein Ende. Erst die Verlobung, dann der Aufenthalt in Süddeutschland und zu guter Letzt deine Lehramtstätigkeit.«
»Du hast meine Ehe vergessen«, sagte ich lakonisch und der überraschte Ausdruck in ihrem Gesicht, ließ mich ergänzen: »Schau an, die beste Detektivin aus dem Kreis ist ahnungslos.«
Sie zog eine Schnute und erkundigte sich: »Also hast du Alfred doch noch geheiratet, oder?«
Ich winkte ab und berichtete ihr von meiner kurzen Ehe mit Norbert Vemo und endete mit dem Satz: »Ich habe seit zehn Jahren nichts mehr von ihm gehört.«
Kirsten stand auf, ging zu dem Schrank gegenüber, öffnete eine Tür, holte zwei Gläser und eine Flasche Sherry heraus, schenkte uns ein und prostete mir zu: »Auf dein bewegtes Leben!«
Ich nahm mein Glas und und fügte hinzu. »Und auf deine Detektei.«
In der nächsten halben Stunde unterhielten wir uns angeregt über ihren Beruf, was mich endlich dazu veranlasste, mein Anliegen vorzubringen.
»Du musst Alfred suchen!«, bat ich sie.
Dann erzählte ich ihr von dem Leichenfund, meiner Fahrt nach Singen und natürlich von dem Ohrring.
Sie lehnte sich weit zurück und fuhr sich mit beiden Händen durch ihre schwarze, schulterlange Mähne.
»Und du denkst, der Chef des Eiscafés verbirgt etwas?«
Ich nickte. »Die Kellnerin sprach von einer Manuela, die dort ausgeholfen hat und Granatohrringe trug. Der Chef kannte sie angeblich nicht.«
»Er ist Franzose und leitet das Café erst seit zwei Jahren. Vielleicht weiß er wirklich nichts. Die Mädchen werden oft von Marietta, seiner Partnerin, angeheuert. Außerdem ist ein Jahr eine lange Zeit, trotzdem müsste er sich eigentlich erinnern. Ich kenne ihn recht gut. Mach dir mal keine Sorgen, ich werde der Sache nachgehen.«
Wir unterhielten uns, bis ein Kunde von der Sekretärin gemeldet wurde, und verabredeten uns für die kommende Woche.
In den nächsten Tagen ergriff mich eine Rastlosigkeit, die ich mit allerhand Tätigkeiten auszufüllen versuchte, was mir jedoch nur schwer gelang. Selbst meine Schüler - ich gab regelmäßig Unterricht in einer Nachhilfeeinrichtung - bemerkten meine Zerstreutheit und Unruhe.
Edvina Schneeberg stand kurz vor dem Abitur und kam gewöhnlich zur Nachhilfe für Mathematik und Englisch. Sie hatte gute Fortschritte gemacht und würde das Abitur im nächsten Jahr ohne große Probleme schaffen. Edvina war Halbwaise und lebte mit ihrem Vater am Ohlbrocksweg, in einem alten, etwas heruntergekommenen Haus. Sie war fast immer allein, weil ihr Vater ständig auf Reisen war. Ich kannte den Mann nicht, war allerdings erstaunt, dass er seine Tochter so allein in dem Haus zurückließ. Edvina schien jedoch gut damit zurechtzukommen.
Als ich sie einmal nach ihrem Tagesablauf befragte, wiegelte sie ab: »Ich habe ›Big Man‹. Er ist den ganzen Tag bei mir und beschützt mich.«
Sie erzählte mir begeistert von ihrem Bernhardiner und ich verkniff mir jegliche Kritik an ihrem Vater, der aus beruflichen Gründen nur selten zu Hause sein konnte und seine Tochter, wie mir schien, zu oft allein ließ.
Heute strahlte sie vor Freude, weil ihr Vater zurückgekommen war und für eine Woche bleiben wollte.
»Dann wollen wir die Stunde nicht zu lange ausdehnen, damit du mit deinem Vater noch etwas unternehmen kannst«, spornte ich sie an und begann mit einem kurzen englischen Diktat.
Nach dem Unterricht fuhr ich zur Polizei, denn ich musste das Protokoll meiner Aussage vom Tag zuvor unterschreiben.
Wie erwartet, hatten die Beamten bisher nicht viel herausgefunden. Die Kontokarte auf den Namen Sonja Bonder hatte nichts Konkretes gebracht. Bei der Sparkasse existierte zwar ein Konto, es hatten aber schon längere Zeit keine Bewegungen mehr stattgefunden und die Anschrift, die bei der Sparkasse angegeben wurde, entpuppte sich als falsch. Allerdings war es den Polizisten gelungen, ein Foto der Toten zu bekommen, das am selben Tag veröffentlicht wurde, um eventuelle Zeugen zu finden.
Auf dem Bild sah die Frau der ehemaligen Kellnerin des Eiscafés sehr ähnlich und ich gab dem Beamten einen Hinweis, der ebenfalls zu Protokoll genommen wurde.
Es war schon spät, als ich an diesem Tag heimkam und überrascht feststellte, dass ich Besuch bekommen hatte. Vor meiner Haustür saß meine Freundin Marita Jonas auf den Treppenstufen. Sie hielt ihren Kopf weit nach hinten gebeugt und ließ sich von der Sonne bescheinen.
»Deine Schwägerin war sicher, dass du bald zurück sein würdest und hier können wir uns wenigstens nicht verfehlen«, lachte sie und folgte mir gut gelaunt ins Haus. »Du solltest eine Bank neben deinen Eingang stellen, dort ist es wunderschön in der Sonne.«
»Ich habe im Garten einen bequemeren Sonnenplatz«, schmunzelte ich, zeigte ihr die neue überdachte Terrasse und begleitete sie anschließend in das Gästezimmer im Obergeschoss.
Während Marita ihren Koffer auspackte, bereitete ich einen kleinen Imbiss vor und kurz darauf aßen wir draußen und genossen die Aussicht meines Gartens auf den angrenzenden Wald. Die Nachmittagssonne warf ihre Strahlen durch die Zweige der hohen Bäume und malte goldene Muster auf meinen Rasen.
Marita hatte sich zurückgelehnt und seufzte. »Herrlich hast du es hier. Wie hast du es nur so lange in Singen ausgehalten?«
»Singen ist auch sehr schön. Du wohnst schließlich da«, lächelte ich, während ich das Geschirr zusammenräumte.
»Ich bin dort geboren, das ist etwas anderes, du stammst von hier.«
Ich schwebte mit dem Tablett davon und überließ sie ihren Betrachtungen. Sie war schon häufiger für einige Tage mein Gast gewesen und ich war glücklich, dass sie unseren kleinen Disput mit keinem Wort erwähnte. Trotzdem war ich gespannt, welche Neuigkeit sie so überraschend zu mir geführt hatte.
Mit Gläsern und einer Flasche Wein ging ich zurück zur Terrasse, wo ich Maritas Platz verwaist vorfand. Bei einem Blick in die Runde entdeckte ich sie an meinem Kräuterbeet hinter dem großen Kirschbaum. Ich schenkte Wein ein und ging ihr mit dem Glas in der Hand entgegen.
»Dein Kräutergarten ist gut bestückt«, meinte sie anerkennend und nahm den Wein. Wir prosteten einander zu und gingen langsam zum Freisitz zurück.
»Bist du eigentlich gar nicht neugierig, was mich so kurz nach deinem Besuch zu dir führt?«, erkundigte sich Marita, nachdem wir unsere Plätze eingenommen hatten.
»Du wirst es mir sicher gleich erzählen«, gab ich vorsichtig zur Antwort, wohl wissend, dass ihre Eröffnung mich in irgendeiner Weise betreffen würde.
»Ich habe bei allen Haftanstalten in unserer Umgebung geforscht. Der Name Alfred Derfeld taucht nirgends auf. Wer auch immer damals in Haft war, Derfeld jedenfalls nicht, es sei denn, er wurde kurzfristig wieder entlassen, da werden die Daten wohl längst gelöscht sein.«
»Die Zeitungen haben berichtet, dass der Mann unter falschem Namen gelebt haben soll«, konterte ich matt.
Marita lachte hart auf. »Dein Derfeld lebte nicht unter falschem Namen oder?«
Ich rang die Hände und flüsterte: »Ich weiß es nicht.«
»Sagtest du nicht, dass ihr zwei Jahre zusammen wart?« Ich nickte und sie fuhr fort: »Na also, er hatte ein Bankkonto, eine Wohnung und bei eurem Urlaub einen Pass. Wenn irgendetwas daran gefälscht gewesen wäre, hättest du garantiert etwas gemerkt.«
»Und was ist mit dem Ohrring? Woher hatte er den?«
»Wenn es wahr ist, was er dir gesagt hat, dann hat ihm tatsächlich jemand einen bösen Streich gespielt.«
Ich zuckte resigniert die Schultern. »Du hast recht, ich hätte damals nicht so schnell aufgeben sollen, aber ich war verletzt und wütend, weil er mich belogen hatte. Wir sollten uns lieber mit dem neuen Mord beschäftigen. Die Polizei hat ein Bild der Toten veröffentlicht.«
»Vermisst denn niemand die junge Frau?«, fragte Marita und genoss den Wein in kleinen Schlucken.
»Davon gehe ich doch aus«, merkte ich an. »Sie hatte eine Bankkarte bei sich, auf der der Name Sonja Bonder steht. Ich habe vor einem Jahr eine Bedienung im Eiscafé am Dreiecksplatz gesehen, die denselben Ohrring trug wie die Tote. Die junge Frau war ebenfalls blond.«
»Wie ich dich kenne, hast du bestimmt nachgeforscht«, meinte Marita lächelnd und sah mich gespannt an.
»Der Chef des Cafés behauptet, eine Blondine habe nie bei ihm serviert.«
»Was dich zu besonderen Ermittlungen anspornen wird!«, grinste Marita und reckte sich ausgiebig, bevor sie fortfuhr: »Schade, dass ich nur kurze Zeit bleiben kann, die Sache interessiert mich.«
»Mir wäre es lieber, ich hätte die Tote nicht gefunden«, versicherte ich lakonisch und verteilte den letzten Wein in unsere Gläser.
Marita ging sehr früh zu Bett, weil sie nach dem Wein und der langen Fahrt müde war. Ich sah bis Mitternacht fern und war gerade eingeschlafen, als das Telefon mich aufschreckte. Einen Moment lang hörte ich nichts, nur den Atem eines Menschen.
»Hallo, wer ist denn da?«
Eine leise Männerstimme antwortete: »Oh, pardon, ich habe mich verwählt.«
Ich legte wütend auf und rollte mich in meine Decke, aber der Schlaf wollte sich nicht gleich einstellen. Im Nachhinein kam mir die Stimme merkwürdig vor, überbetont langsam und höflich. Vielleicht hatte sich der Mann gar nicht verwählt, sondern wollte nur testen, ob jemand daheim war. Lag es am Wein oder wirkte der Fund der Toten sich noch aus? Auf jeden Fall steigerte ich mich in eine solche Unruhe hinein, dass ich leise aufstand, mir einen Tee kochte und erst gegen drei Uhr in der Frühe in einen kurzen Schlaf fiel.
Diesmal war es nicht das Telefon, das mich weckte, sondern Schritte! Unten im Wohnzimmer lief jemand auf und ab. Dann war alles wieder still. Mit angehaltenem Atem lag ich im Bett, bis mir einfiel, dass Marita im Gästezimmer war. Sicher war sie ebenfalls aufgestanden, um etwas zu trinken. Ich wartete ein wenig ab und schlief dann endlich fest ein.
Am nächsten Morgen erschien Marita verschlafen am Frühstückstisch. »Meine Güte, ich habe geschlafen wie ein Stein.«
»Bist du nicht in der Nacht aufgestanden? Ich habe dich unten gehört.«
Sie zuckte die Schultern. »Mich mit Sicherheit nicht. Nach dem Wein und der Fahrt hätte man mich aus dem Bett klauen können, ich hätte es nicht bemerkt.« Sie gähnte herzhaft und ich berichtete ihr von meiner unruhigen Nacht.
»Es kann doch niemand herein. Oder hat noch jemand einen Schlüssel?«, wollte Marita wissen.
»Auf dem Hof gibt es einen Schlüssel, aber keiner meiner Verwandten würde auf die Idee kommen, hier des Nachts herumzuspazieren. Bist du sicher, dass du nicht aufgestanden bist, Marita?«
Marita sah mich empört an. »Erlaube mal! Ich weiß schließlich, was ich tue! Lass uns lieber nachsehen, ob etwas fehlt.«
Ich holte tief Luft. »Es fehlt nichts. Ich habe bereits nachgeschaut. Sogar die Haustür habe ich überprüft, sie ist unversehrt und abgeschlossen.«
Marita schmierte langsam und sorgfältig ihr Brötchen, biss herzhaft hinein und ich tat es ihr gleich. So saßen wir wortlos einander gegenüber, jede mit den Gedanken weit weg und erst nachdem wir beide ausgiebig gefrühstückt hatten, erklärte Marita: »Du hast ein wunderschönes altes Haus, mit viel Holz, da könnte es sein, dass die Geräusche vom Holz verursacht wurden. Dielen knarren manchmal durch Temperaturschwankungen oder Feuchtigkeit, dehnen sich oder ziehen sich zusammen.«
Ich nickte. »Daran habe ich ebenfalls gedacht. Vielleicht lag es auch an dem Telefongespräch, dass ich mich so aufgeregt habe.«
»Telefongespräch?« Marita sah mich erstaunt an.
»Du warst längst im Bett. Nach Mitternacht rief jemand an, er hatte sich verwählt.«
Wir standen auf, räumten gemeinsam den Tisch ab und plötzlich meinte Marita: »Du wohnst über ein Jahr hier im Haus. Wie ist es möglich, dass du sonst nie etwas gehört hast?«
Ich zuckte die Schultern. »Keine Ahnung, in der Regel schlafe ich fest.«
»Dann sollten wir das Ganze vergessen. Sicher hat deine Wahrnehmung dir einen Streich gespielt.«
Marita nahm meinen Arm und wir gingen in den Garten.
In der nächsten Nacht schlief ich tief wie immer.
Am Morgen bedauerte mich Marita: »Du konntest wieder nicht schlafen, nicht wahr?«
»Im Gegenteil, ich habe von der Nacht nichts mitbekommen«, sagte ich, während ich die Frühstücksbrötchen in den Backofen legte.
»Nun mach mal einen Punkt. Ich habe dich gehört, sogar deine Schritte auf der Treppe.« Ich sah sie so entsetzt an, dass sie blass wurde. »Die Schritte haben vor meiner Tür angehalten, ich wollte dich rufen, habe es aber unterlassen«, brachte sie kleinlaut heraus.
Sie setzte sich an den Tisch und ich schenkte Kaffee ein. Sie führte die Tasse zum Mund und ihre Hand zitterte.
»Es war jemand im Haus, Elli. Ganz sicher.«
Der Duft frischer Brötchen verteilte sich langsam in der Küche, doch wir saßen am Tisch und es lief uns kalt über den Rücken.
»Gestern hast du das noch ganz anders gesehen«, flüsterte ich schwach.
Marita, deren Gesicht allmählich Farbe bekam, wisperte: »Tut mir leid, ich habe dir nicht geglaubt. Jetzt habe ich es selbst gehört. Du darfst auf gar keinen Fall allein hier im Haus bleiben!«
Ich stand auf, holte die Brötchen aus dem Backofen, stellte sie auf den Tisch und zerstreute Maritas Bedenken. »Von einem Geist werde ich mich garantiert nicht vertreiben lassen!«
Am Nachmittag, nachdem Marita abgereist war, untersuchte ich gründlich das Haus. Anschließend sprach ich mit meiner Schwägerin. Auch sie konnte sich die Geräusche nur als Dehnungsgeräusche im Holz erklären.
Gerda war nicht gut auf mich zu sprechen, weil sie erst aus der Zeitung erfahren hatte, dass ich im Hühnermoor eine Leiche entdeckt hatte.
»Dreimal war heute ein Reporter hier und hat mich gefragt, ob uns etwas aufgefallen sei, dabei liegt das Moor fast zwei Kilometer entfernt«, empörte sie sich. »Wenn du schon dort des Nachts Leichen aufstöberst, dann informiere uns bitte demnächst.«
Ich wollte keinen Streit und entschuldigte mich bei ihr, worauf sie leicht grinsend bemerkte: »Besser, du findest sie als ich.«
In dem Moment kam mein Bruder hinzu und machte seinem Ärger Luft. »Diese Reporter stöbern überall herum. Sie stiefeln rücksichtslos durch das Korn und zertrampeln mir die Äcker!«
Als Gerda ihm von den nächtlichen Geräuschen erzählte, fauchte er mich an: »Wenn ich eine Leiche ausgebuddelt hätte, würde ich ebenso an Halluzinationen leiden! Was stromerst du eigentlich im Dunkeln durchs Moor?«
Damit war für ihn das Thema erledigt und ich schlief in den nächsten Tagen trotzdem gut, denn die Geräusche traten nicht wieder auf.
III
Mittlerweile hatte die Polizei nähere Erkenntnisse zum Mordfall Sonja Bonder. Es handelte sich bei der Toten um eine junge Frau aus Bad Oeynhausen, die einige Zeit in Gütersloh gewohnt hatte. Die Eltern hatten ihre Tochter als vermisst gemeldet, weil sie seit Kurzem wie vom Erdboden verschwunden war. Ihr richtiger Name war Sonja Manuela Bonder, sie war zweiundzwanzig Jahre alt, blond und etwa ein Meter fünfundsiebzig groß. Sie hatte im Sommer des vergangenen Jahres in Gütersloh ein Praktikum bei der Stadtverwaltung absolviert.
Sofort nachdem ich diese Neuigkeiten erfahren hatte, machte ich mich auf den Weg zu Kirsten Vollmann.
Kirsten hatte mich schon erwartet und teilte mir mit, dass ihre Nachfragen im Eiscafé ebenso negativ verlaufen waren wie meine und rätselte: »Warum sollte ein Mädchen als Bedienung aushelfen, wenn es bei der Stadtverwaltung ein Praktikum macht?«
Ich nahm einen ihrer Reklamezettel zur Hand und sah nachdenklich auf den Spruch: ›Vor Vollmann ist kein Geheimnis sicher!‹
»Dein Spruch ist nicht unbedingt richtig. Zumindest Raouls Geheimnis hast du nicht gelüftet«, lästerte ich freundschaftlich.
»Es ist alles eine Frage der Zeit«, ging sie auf meinen Ton ein und zwinkerte mir zu. Sie holte einen Ordner aus dem Regal und zeigte mir ein Foto. »Ist das die Gesuchte?«
Ich sah verblüfft auf das Bild. Es war im Sommer aufgenommen worden. Vor einem Tisch mit mehreren Personen stand eine Blondine mit einer braunen, langen Schürze. Sie hielt einen Block in der Hand, um eine Bestellung zu notieren. Die junge Frau trug ihr Haar hochgesteckt und ein roter Ohrring hing ihr bis auf die Schulter.
»Woher hast du das?«
Kirsten grinste. »Mein Geheimnis! Das Bild wurde am Dreiecksplatz aufgenommen.«
»Ich sehe es. Also hat Raoul gelogen!«
Kirsten wiegte den Kopf bedächtig hin und her und die lange Kette aus grünen Steinen schwang auf ihrem Dekolleté sanft mit.
»Ich würde nicht behaupten, dass er gelogen hat. Ich würde eher sagen, es ist ihm entfallen.«
Ich starrte sie ungläubig an. »Du meinst, er hat es nur vergessen?«
»So könnte man es nennen. Es gibt Menschen, die streichen Dinge aus ihrem Gedächtnis, die ihnen unangenehm sind.«
Ich lachte auf. »Also wirklich, Kirsten! Du willst mir doch nicht weismachen, dass Raoul es vergisst, wenn er eine Bedienung rausschmeißt, weil sie einen Ohrring im Eisbecher verloren hat. Die Kündigung war durchaus legitim. Außerdem war das erst im vorigen Jahr!«
Sie sah mich überrascht an. »Sie hat einen Ohrring verloren?«
Ich nickte. »Eines der Mädchen erzählte von einer blonden Manuela, deren Ohrring von einem Gast im Eisbecher gefunden wurde. Sie ist daraufhin rausgeflogen. Es war genau so ein Ohrring wie der auf dem Foto.«
Kirsten stand auf, ging an ihr Barfach und holte zwei Gläser und eine Flasche Wasser heraus.
»Ich habe Durst. Möchtest du auch Wasser oder soll ich einen Kaffee kommen lassen?«
»Danke, ich nehme Wasser.«
Nachdem sie sich gesetzt hatte, sagte sie: »Ich habe mich bei einem Juwelier erkundigt. Den Ohrring auf dem Bild gibt es aus hochkarätigem Gelbgold mit einem eingefassten Granaten, ein Paar kostet etwa fünfhundert Euro.«
»Der Wert ist nicht so bedeutend. Wichtig ist, was das Mädchen in Gütersloh wollte und wo zum Teufel der andere Ohrring ist«, schärfte ich ihr ein.
Kirsten sah mich siegesgewiss an. »Wir werden es herausfinden!«
»Wenn du dabei genauso viel Glück hast wie bei der Befragung im Eiscafé, wirst du nichts herausbekommen«, erwiderte ich skeptisch.
Sie lachte. »Sei nicht so pingelig. Sicher kennt Raoul das Mädchen. Ich glaube sogar, er hatte ein Techtelmechtel mit ihr. Ist es da nicht verständlich, dass er sich unwissend stellt? Sie war im vorigen Jahr bei ihm. Soll er sich deshalb heute völlig unnütz von der Polizei ausquetschen lassen?«
»Und wenn er der Mörder ist?«, empörte ich mich.
»Das ist er nicht, da bin ich ganz sicher. Ich vermute eher, dass sie hier in der Gegend einen Freund hatte, der als Täter infrage kommt.«
Ich konnte ihr zwar nicht zustimmen, allerdings war ihre These nicht von der Hand zu weisen, außerdem hatte ich ohnehin eigene Vorstellungen vom Täter und der arbeitete nicht in einem Eiscafé.
Die Tage vergingen schnell. Es war schon wieder Dienstag und der Nachhilfeunterricht stand an. Edvina Schneeberg kam etwas später und ich widmete mich inzwischen zwei anderen Schülern, die gerade erst angefangen hatten, bis sie eine Entschuldigung murmelnd, hereinkam und ihre Utensilien ausbreitete.
Sie reichte mir ihr Heft zur Korrektur. Alle Schüler erhielten nach dem Unterricht von mir eine kleine Aufgabe, die sie möglichst selbstständig erledigen sollten. Sie sah mich gespannt an. Es war eine Zusammenfassung über ihren Tagesablauf, ähnlich einem Tagebuch in Englisch. Edvina hatte sich Mühe gegeben und ich hatte wenig auszusetzen. Mit ihrer schönen, klaren Schrift hatte sie einen fehlerfreien Text zu Papier gebracht, der bei einer Klassenarbeit mit Sicherheit eine gute Note bekommen hätte. Zwar war die Ausdrucksweise manchmal nicht ganz korrekt, aber ich war begeistert, wie sich meine Schülerin verbessert hatte.
»Das Abitur dürfte für dich kein Problem sein, Edvina«, lobte ich und erklärte ihr einige Feinheiten.
»Papa hat auch gesagt, es ist gut«, verriet sie fröhlich und warf ihr Haar zurück, sodass der rote Ohrring hin und her schwang.
»Du hast wunderschöne Ohrringe«, wechselte ich das Thema.
Edvina lächelte stolz. »Es ist nur einer, Frau Landner. Papa war in dieser Woche zwei Tage zu Hause. Gestern Abend musste er leider weg und heute Morgen, als ich die Zeitung geholt habe, lag ein Umschlag im Briefkasten, da war der Ohrring drin.«
Ich starrte sie an, wollte etwas antworten, überlegte es mir anders und besprach mit ihr stattdessen ihren Text. Sie bemerkte meine Unruhe.
»Ist etwas nicht in Ordnung? Sie sind so blass?«, erkundigte sie sich besorgt.
»Meine Migräne macht mir momentan zu schaffen. Es ist nicht so wichtig.«
»Sie sollten sich unbedingt untersuchen lassen. Meine Mutti hatte ständig Kopfschmerzen, und dann fanden die Ärzte heraus, dass es es ein Tumor war.«
Sie sah mich bei diesen Worten traurig an und ich stellte ihr die Frage, die mich seit Langem interessierte: »Wie alt warst du, als deine Mutter starb?«
»Dreizehn, aber sie fehlt mir bis heute.« Die direkte Antwort brachte mich in Verlegenheit, doch Edvina lächelte schon wieder. »In der ersten Zeit nach ihrem Tod bin ich jeden Tag zum Friedhof gegangen und habe ihr erzählt, was ich gemacht habe, wenn Papa nicht zu Hause war.«
Ich hätte sie am liebsten in den Arm genommen und mir wurde zum ersten Mal schmerzlich bewusst, dass es nie ein Kind geben würde, das so von mir sprach.
»Deinen Vater hat es sicher genauso schwer getroffen.«
Sie nickte nur schweigend und vertiefte sich nun intensiv in den Text, den ich ihr zum Durcharbeiten gegeben hatte.
An diesem Tag ging ich nach der Unterrichtsstunde einkaufen und kam spät heim. Mein Anrufbeantworter hatte eine Nachricht von Kirsten Vollmann gespeichert. Ich rief sie sofort an und erfuhr, dass die tote junge Frau, die ich im letzten Jahr im Eiscafé gesehen hatte, im Frühling im Stadtcafé bedient hatte.
»Man konnte sie nach dem Praktikum in der Stadtverwaltung nicht übernehmen. Sie hat dann kurzfristig bei ihren Eltern in Bad Oeynhausen gelebt. Im Frühling ist sie mit einem Freund zusammengezogen, der in Harsewinkel wohnt und hat dort bis zu ihrem Tod als Bedienung im Stadtcafé gearbeitet«, berichtete Kerstin.
»Merkwürdig, ich war erst vor einigen Wochen da, habe sie aber nicht gesehen«, murmelte ich nachdenklich.
»Vielleicht hatte sie Urlaub oder gerade ihren freien Tag, als du da warst«, meinte Kirsten. »Du könntest dich ein wenig umhören.« Ich versprach es. »Elli, ich muss jetzt leider auflegen, im Büro ist momentan der Teufel los!«, verabschiedete sie sich hektisch von mir.
Schade, denn ich wollte ihr von Edvinas Ohrring erzählen. Ich musste wohl oder übel auf einen günstigeren Zeitpunkt warten.
An diesem Abend blieb ich bis nach Mitternacht auf und schlief dementsprechend bis zum Morgen durch, unternahm einen weiten Spaziergang und kam zu Mittag zurück. Nach dem Essen las ich die Zeitung, schrieb einige längst fällige Briefe, duschte und kleidete mich sorgfältig an. Am Nachmittag wollte ich mich einmal richtig verwöhnen und machte mich gegen vier Uhr auf ins Stadtcafé. Mitten im Zentrum der Stadt in einer kleinen Sackgasse, berankt mit Weinlaub, lag das Café. Seele und Besitzerin war Karin Mann, eine reizende, etwas rundliche Mittfünfzigerin, mit freundlichen braunen Augen und einem umwerfenden Lächeln.
Als ich den gemütlichen Raum betrat, wählte ich den Tisch in der Fensterecke und bestellte Karins berühmte Preiselbeertorte. Während ich Kaffee und Kuchen genoss, beobachtete ich verstohlen die anderen Gäste. Zwei Herren mittleren Alters unterhielten sich angeregt. Die beiden Frauen, die an verschiedenen Tischen an ihrem Kaffee nippten, hatten sich in die Tagespresse vertieft und ein wenig abseits saßen vier ältere Damen, deren munteres Geplauder immer wieder durch ein Lachen unterbrochen wurde.
Die Kellnerin, eine dunkelhaarige Frau Mitte dreißig, klapperte mit dem Geschirr, als erwarte sie Heerscharen von Gästen. Leise Musik überdeckte sanft alle anderen Geräusche, wenn nicht gerade das helle Lachen vom Kaffeekränzchen herüberschallte.
Fast eine Stunde lang saß ich in meiner Ecke, rief dann die Bedienung und zahlte. Sie räumte mein Geschirr auf ein Tablett und ich schlüpfte in meine Jacke, als plötzlich Karin Mann auftauchte und mich herzlich begrüßte. Wir hatten uns lange nicht gesehen und ich begleitete sie in die Küche.
Als ich mich bei ihr nach der blonden Serviererin erkundigte, wurde sie ärgerlich und schimpfte: »Das sind die jungen Dinger! Erst betteln sie, dass man sie einstellt und wenn es darauf ankommt, bleiben sie einfach weg!«
Ich verriet ihr nicht, dass ihre Kellnerin tot war, das würde sie früh genug von der Polizei erfahren, und sagte nur: »Vielleicht gibt es nachvollziehbare Gründe, warum sie nicht zurückgekommen ist. Hast du nicht bei ihr angerufen?«
»Anrufen? Ich?«, empörte sie sich. »So weit kommt das noch! Ich habe die Papiere fertig gemacht und sie ihr zugeschickt. Hier will ich sie nicht mehr sehen. In letzter Zeit habe ich ohnehin nur Scherereien mit dem Personal!«
»Wieso? Hat das Mädchen etwas angestellt?«
Sie winkte entrüstet ab. »Unpünktlich war sie und eine Lügnerin obendrein! So etwas kann ich nicht gebrauchen! Ich erwarte von einer Arbeitskraft korrektes, ordentliches Verhalten.«
»Lügnerin, wieso?«
Karin machte eine abwertende Handbewegung. »Immer dasselbe. Kaum fangen sie an, wollen sie gleich einen freien Tag oder etwas eher gehen. Sie erzählte mir, sie habe einen Zahnarzttermin. Wenn du das Auto gesehen hättest, mit dem sie abgeholt wurde, wüsstest du, dass sie etwas anderes vorhatte.«
»Was war es denn für ein Wagen?«, hakte ich nach.
»So ein aufgeputzter Schickimicki-Schlitten, die Marke kenne ich nicht.«
»Vielleicht hat ihr Freund so einen Wagen«, warf ich ein.
»Auf keinen Fall«, hielt sie dagegen. »Der hat sie einmal vorbeigebracht, der machte einen vernünftigen Eindruck.«
»Und wie sah der Mann aus, der sie abgeholt hat?«
»Keine Ahnung, ich habe nur das Auto gesehen. Zum Zahnarzt sind die bestimmt nicht gefahren!«, ließ sie sich von ihrer Meinung nicht abbringen.
Zu Hause dachte ich noch einmal über ihre Worte nach und musste ihr recht geben. Sie lebte von den Gästen und kam nicht umhin, darauf zu achten, dass ihre Bedienung dem gehobenen Anspruch ihres Hauses gerecht wurde. Trotzdem wollte ich versuchen, mehr zu erfahren. Besonders interessierte mich, wer ihr Freund und wer die Person war, die sie vom Café abgeholt hatte.
Kirsten Vollmann hatte mir eine Adresse genannt und weil ich eine begeisterte Radfahrerin bin, machte ich mich abends auf den Weg, über den Golfplatz bis zum Berliner Ring. Langsam, die Hausnummern im Blick, fuhr ich die Straße entlang. Endlich hatte ich das Haus gefunden, stellte mein Rad ab und prüfte die Namen auf den Briefkästen, wurde fündig und klingelte mehrmals.
Nach zehn Minuten gab ich auf und wollte gerade wieder auf mein Rad steigen, als ein junger Mann seinen Wagen, einen ganz normalen VW Golf, an der Straße abstellte. Eilig ging er zur Haustür und schloss sie auf.
»Kennen Sie Frau Bonder?«, erkundigte ich mich hastig.
Er drehte sich zu mir um. Ärgerlich über die Störung fragte er zurück: »Was wollen Sie von ihr?«
Deutlich ließ er seinen Unmut erkennen und wollte in den Hausflur gehen.
»Ich habe sie im Stadtcafé kennengelernt«, sagte ich schnell.
Er blieb einen Moment stehen. »Wie schön für Sie«, entgegnete er, dann knallte die Tür vor meiner Nase zu.
Etwas empört über seine Unfreundlichkeit stand ich draußen, stieg auf mein Rad und fuhr heim.
Drei Tage später fuhr ich noch einmal zu dem Haus und befragte eine ältere Dame, die gerade ihre Mülltonne leerte. Sofort stellte sie ihren Eimer beiseite, schaute sich nach allen Seiten um und flüsterte: »Die Kleine wurde umgebracht! Stellen Sie sich das vor! Der junge Mann ist gestern von der Polizei abgeholt worden, seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen.«
Die Haustür öffnete sich und ein Mann kam heraus. Die Frau schnappte sich ihren Eimer und verschwand ohne ein weiteres Wort. Nachdenklich fuhr ich davon.
Es vergingen weitere drei Tage, da erfuhr ich von Kirsten Vollmann, dass der Freund von Sonja Bonder von der Polizei vernommen und nach einem Tag wieder freigelassen worden war, weil er wohl als Täter nicht infrage kam.
Am Dienstag beim Nachhilfeunterricht trug Edvina Schneeberg den Ohrring nicht mehr und machte einen traurigen Eindruck. Ich erkundigte mich nach dem Grund.
»Haben Sie denn nicht in der Zeitung von dem Mord gelesen?«, fragte sie mit Tränen in den Augen. »Sonja Bonder ist tot. Sie ist die Tochter von Muttis bester Freundin. Früher waren sie oft bei uns zu Besuch.«
»Das tut mir leid, Edvina«, sagte ich, wagte es aber nicht, ihr zu erzählen, dass ich die Tote gefunden hatte. »Habt ihr in letzter Zeit denn noch Kontakt gehabt?«, fragte ich stattdessen.
Sie schüttelte den Kopf. »Nachdem Mutti tot war, habe ich sie selten gesehen. Im vorigen Jahr hat sie in der Eisdiele gejobbt und war vor kurzem…«
»Du hast sie dort getroffen?«, unterbrach ich sie überrascht.
Sie sah mich merkwürdig an. »Kannten Sie Sonja auch?«, wollte sie erstaunt wissen.
»Nein, ich war nur verblüfft, dass du sie im Eiscafé gesehen hast, weil ich von einer Bekannten erfahren habe, dass sie bei der Stadtverwaltung gearbeitet hat«, erklärte ich.
»Dort hat sie ein Praktikum gemacht. Im Eiscafé hat sie sich nur etwas dazuverdient.« Edvina wollte sich wieder ihrem Text widmen, als mir einfiel, dass ich sie vorhin mitten im Satz unterbrochen hatte.
»Entschuldige bitte, dass ich dich unterbrochen habe. Was wolltest du mir noch sagen?«
»Nichts Besonderes«, winkte sie ab, beugte ihren Kopf über den Text und ich wagte nicht, weiter in sie zu dringen.
Am nächsten Tag fuhr ich zum Einkaufen in die Kreisstadt, parkte wie immer am Wasserturm und schlenderte an den Geschäften vorbei bis zum Kolbeplatz. Dort machte ich Pause und bestellte im Café an der Ecke einen Cappuccino. Ich betrachtete die Menschen auf dem Platz, das Hasten und Eilen und plötzlich sah ich Edvina in Begleitung eines Herrn. Der Mann drehte mir den Rücken zu. Er war groß und hatte grau meliertes Haar. Sie standen vor dem Buchgeschäft auf der anderen Seite des Platzes und unterhielten sich angeregt.
Gerade stellte sich Edvina auf die Zehenspitzen und gab dem Herrn einen kleinen, schnellen Kuss auf die Wange. In diesem Moment drehte er sich etwas zur Seite und mich traf fast der Schlag - der Mann dort war Alfred Derfeld!
Die Röte schoss mir ins Gesicht und mein Herz raste. Jetzt hakte sich Edvina bei ihm ein und sie kamen geradewegs auf mich zu. Instinktiv nahm ich die Zeitschrift, die ich mir zuvor gekauft hatte, aus der Tasche und vertiefte mich darin, in der Hoffnung, nicht von ihnen gesehen zu werden. Zu spät! Edvina steuerte auf meinen Tisch zu, blieb vor mir stehen und grüßte: »Guten Tag, Frau Landner.«
Ich legte die Zeitschrift neben meine Tasse und sah direkt in Alfreds bleiches Gesicht. Keiner von uns beiden brachte ein Wort heraus.
Edvina sah konsterniert von einem zum anderen und fragte erstaunt: »Kennt ihr euch?«
In dem Moment erwachte ich aus meiner Erstarrung, reichte Alfred die Hand und sagte betont locker: »Lange nicht gesehen. Wie geht es dir?«
Er fing sich nicht so schnell, räusperte sich, nahm meine Hand, als sei sie ein rohes Ei, drückte sie lasch und ließ sie fallen wie glühendes Eisen.
»Du, du hast dich kaum verändert, Betty«, stammelte er.
Ich war aufgestanden und sah in diese braunen Augen, die trotz der vielen vergangenen Jahre eine Hitzewelle bei mir auslösten und war mit einem Schlag wieder jung.
Edvina hatte uns eine Weile beobachtet und meldete sich zu Wort: »Papa, wir müssen weiter.«
»Ja«, antwortete er zerstreut. »Geh inzwischen vor«, und als sie zögerte, fügte er noch »Bitte!« hinzu.
Sie setzte sich langsam in Bewegung, nicht ohne sich mehrmals erstaunt nach uns umzusehen.
»Ich muss unbedingt mit dir reden, Betty«, drängte er, als seine Tochter gegangen war.
»Ja, wir sollten reden«, stimmte ich ihm zu.
»In Ordnung, ich ruf dich an«, erwiderte er knapp und eilte seiner Tochter hinterher.
IV
»Diese Lehrerin ist wirklich ein Problem«, knurrte Alfons Weiß und warf seinem Kollegen Tann ein Blatt Papier auf den Schreibtisch.
»Lass diese Scherze!« Demonstrativ legte Josef Tann den Bericht zur Seite und widmete sich seinem Computer. Weiß zog sich einen Stuhl heran, holte einen Apfel aus seiner Tasche und biss herzhaft hinein. Tann zog eine Augenbraue hoch, speicherte seinen Text ab und nahm sich nun den Bericht vor.
Nachdem er ihn gründlich studiert hatte, fragte er: »Wieso hast du ein Problem mit Lehrerinnen?«
Weiß aß den Rest seines Apfels und grinste. »Weil Lehrerinnen immer alles besser wissen, deine eingeschlossen.«
Tann grinste ebenfalls. »Meine ist zurzeit voll eingespannt als Mutter, die zählt nicht. Aber ich gehe sicher recht in der Annahme, dass du von dieser Frau Landner sprichst, oder?«
Weiß stimmte ihm grimmig zu. »Sie mischt sich in alles ein. Im Stadtcafé hat sie Erkundigungen eingeholt und sogar vor dem Haus, in dem die Bonder gewohnt hat, ist sie gesichtet worden.«
»Interessant! Könnte es sein, dass sie den Fund der Leiche absichtlich so spät gemeldet hat?«
»Möglich! Aber warum?«, sinnierte Weiß. »Du kannst mir sagen, was du willst, irgendetwas stimmt nicht mit ihr.«
Tann winkte ab. »Übertreib mal nicht! Sie ist neugierig, weiter nichts.«
»Hoffentlich hast du recht! Trotzdem werde ich die Dame hin und wieder observieren.« Weiß stand auf und schob den Stuhl an seinen Schreibtisch zurück.
»Ich werde mal im Internet forschen. Ich meine, irgendwann von einem ähnlichen Fall gehört zu haben«, informierte Tann seinen Kollegen, der bereits an der Tür war.
Weiß stutzte. »Eine Moorleiche? Hier in der Gegend?«
»Nein, keine Moorleiche, eine Leiche, der ein Ohrring fehlte«, präzisierte Tann.
»Nie gehört«, brummte Weiß und verließ das Büro.
Tann arbeitete noch eine Weile, rief seine Kollegen in München an, dann holte er seine Jacke und machte sich auf den Heimweg. Es war Wochenende und die Tatsache, dass er gerade Vater geworden war, hatte ihn vor dem Bereitschaftsdienst bewahrt.
Als er heimkam, schlief seine kleine Familie. Cäcilia, seine Frau, die er liebevoll Cil nannte, hatte sich im Wohnzimmer auf die Couch gelegt und war fest eingenickt. Das Babyfon stand auf dem Tisch und ein Blick ins Kinderzimmer zeigte ihm ein süß schlummerndes Baby. Er beugte sich vorsichtig über das Bettchen und strich seinem Sohn zärtlich über die roten Bäckchen. Der Kleine zuckte mit den Augenlidern, rülpste leicht und drehte das Köpfchen auf die rechte Seite. Sein dunkler Flaum war lockig und die winzigen Hände hatte er seitlich ausgestreckt. Noch immer konnte Josef Tann es kaum fassen, dass dieser junge Mensch sein Sohn war und die Tatsache erfüllte ihn einerseits mit Stolz, andererseits mit der Furcht, den Ansprüchen des Kindes vielleicht nicht gerecht werden zu können.
Leise ging er in die Küche und setzte einen Kaffee auf. Er hatte sich gerade in die Zeitung vertieft, als sich die Tür öffnete und seine Frau hereinkam.
»Du bist schon zurück?«, begrüßte sie ihn und gab ihm einen Kuss.
»Ich habe Kaffee gemacht. Magst du auch einen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich meine, das ist nicht gut für das Stillen, ich koche mir lieber einen Tee.«
Sie setzte Wasser auf und wollte gehen. Er stand auf, nahm sie in den Arm und küsste sie.
»Setz dich ein wenig zu mir. Der Kleine schläft, ich war gerade bei ihm.« Sie lächelte unentschlossen und er fuhr fort: »Ich hole das Babyfon.«
Als er zurückkam, hatte sie Kuchen aufgedeckt und sich Tee eingeschenkt.
»Du bist wunderschön«, flüsterte er, als er ihr gegenübersaß. Ihre Wangen brannten und ihre grünen Augen funkelten. Er nahm ihre Hand und strich sanft über die schlanken Finger.
Sie lächelte. »Ich glaube, wir sollten den Kuchen essen, bevor der Kleine schreit«, und wie auf Kommando kamen die ersten Töne aus dem Babyfon.
Am nächsten Morgen erwachte Tann gegen sechs Uhr. Er hatte die ganze Nacht wie ein Stein geschlafen. Neben ihm schlief Cil, die roten Haare über das Kissen ausgebreitet.
Das Baby!, schoss es ihm durch den Kopf. Er stürzte ins Kinderzimmer und fand seinen Sohn friedlich schlummernd in seinem Kinderbett. Aufatmend schlich er zurück, legte sich wieder ins Bett und strich seiner Frau leicht übers Haar. Wie von der Tarantel gebissen, setzte sie sich auf. »Der Kleine!«
Tann lächelte, zog sie zurück und küsste sie liebevoll. »Er schläft!«
Sie sah ihn ungläubig an und wollte sich vergewissern. In diesem Augenblick ertönte eine schrille Stimme aus dem Babyfon und sie eilte ins Kinderzimmer. Gerade als er ihr folgen wollte, kam sie zurück mit dem schreienden Bündel auf dem Arm, legte sich zu ihm ins Bett und kaum hatte sie eine Brust frei gemacht, saugte sich der Kleine daran fest und es war Ruhe. Nachdenklich betrachtete Josef Tann seinen Sohn, der mit geballten Fäusten und eifrig saugend seine Mahlzeit nahm und dachte: Das Leben ist ein Kampf, selbst für dieses kleine Geschöpf.
»Du bist so ernst, ist etwas nicht in Ordnung?«, erkundigte sich Cil, während sie ihren Arm unter dem Kind in eine bequemere Lage schob.
Er lächelte. »Alles okay. Es fasziniert mich einfach, wie unser Sohn für sein Essen arbeitet.«
Am Dienstag kam Edvina äußerst pünktlich zum Unterricht und überfiel mich mit der Frage, wo ich denn ihren Vater kennengelernt hätte.
»Hat er es dir nicht erzählt?«, versuchte ich auszuweichen.
»Papa hat gesagt, Sie seien eine Bekannte aus seiner Jugendzeit.« Sie sah mich gespannt an.
Ich überlegte kurz und präsentierte ihr diese Version: »Dein Vater wohnte eine Weile bei meinen Eltern im Haus. Ich bemühte mich damals um eine Anstellung in Süddeutschland und er wurde nach Hamburg versetzt. Ich habe Jahre nichts von ihm gehört.«
»Warum haben Sie sich nie geäußert, dass Sie meinen Vater kennen?«, warf Edvina zweifelnd ein.
Diesmal konnte ich ehrlich antworten: »Ich wusste nicht, dass er jetzt Schneeberg heißt.«
Edvina sah mich skeptisch an, holte dann ihre Bücher aus der Tasche und sprach nicht mehr davon.
Später rief mich Alfred an und wir verabredeten uns für den Abend zum Essen. Nach all den Jahren hätte ich nicht geglaubt, dass mich dieses Treffen so aufwühlen würde. Zwei geschlagene Stunden verbrachte ich vor dem Spiegel, bis ich resigniert vom vielen Anprobieren einen grauen Hosenanzug mit schlichtem cremefarbenem Trägertop wählte, eilig ein wenig Make-up auftrug, mit dem Kamm durch meine halblangen blonden Haare fuhr und in meinen Wagen sprang.
Im Restaurant bemerkte ich, dass Alfred mindestens genauso aufgeregt war wie ich, was mich sonderbarerweise beruhigte. Er war vor mir da und empfing mich mit den Worten: »Ich dachte, du kommst gar nicht mehr.«
Mit einem Blick auf meine Uhr stellte ich fest, dass ich fast eine Stunde Verspätung hatte, äußerte mich aber nicht dazu, sollte er doch auch ein wenig schwitzen.
Alfred rief die Kellnerin, bestellte uns Bier und platzte nervös heraus: »Du musst dich unbedingt um Edvina kümmern!«
Ich lächelte und setzte mich entspannt zurück. »Deine Tochter ist sehr selbstständig. Ich glaube kaum, dass sie meiner Fürsorge bedarf.«
Die Kellnerin kam mit den Getränken und reichte uns die Speisekarte. Alfred spielte ungeduldig mit seinen Autoschlüsseln, während wir die Speisen auswählten.
Kaum war die Bedienung weg, stieß er leise hervor: »Der Ohrringmörder ist wieder da!«
Ich nippte an meinem Bier und sah ihn über den Glasrand hinweg prüfend an. Er sah gut aus, man könnte sogar sagen: attraktiver als früher. Die grauen Schläfen und die kleinen Falten um die Augen herum ließen das leicht gebräunte Gesicht jugendlich erscheinen, nur die braunen Augen machten einen etwas verstörten Eindruck.
»Du bist es nicht zufällig gewesen?«, erkundigte ich mich gedehnt, ohne meinen Blick von ihm abzuwenden.
»Fängst du schon wieder an!«, empörte er sich und die Bedienung, die gerade mit dem Essen erschien, musterte uns neugierig. Wir warteten ab, bis das Essen serviert war und der dienstbare Geist sich anderen Gästen zuwandte, wobei man der jungen Frau deutlich anmerkte, dass sie sich gern länger an unserem Tisch aufgehalten hätte, um den Grund von Alfreds Unmut zu erfahren. Endlich war sie weit genug weg und Alfred hatte sich inzwischen gefasst.
Um ihn nicht noch mehr aufzuregen, versuchte ich ihn zu beschwichtigen. »Edvina ist ein nettes Mädchen. Du kannst stolz auf sie sein. Ich bin sicher, sie kann recht gut auf sich selbst aufpassen.«
»Du glaubst mir bis heute nicht, aber ich weiß, auf dich ist Verlass«, sagte er und wir aßen eine Weile schweigend. Das Essen war delikat und das Bier dazu kühl und frisch gezapft.
Erst nachdem ich fast gesättigt war, fragte ich: »Warum hast du eigentlich den Namen Schneeberg angenommen?«
»Um meinem Feind zu entgehen. Meine Frau war da wesentlich kooperativer als du«, entgegnete er lakonisch.
Ich verschluckte mich fast an einem Salatblatt bei seinen Worten und bekam einen Hustenanfall. Als ich endlich wieder Luft bekam, hatte Alfred ein weiteres Bier bestellt und prostete mir zu, wesentlich gelöster als zu Anfang.
»Wie war sie? Deine Frau«, flüsterte ich und trank etwas Bier, um das Kratzen in meiner Kehle zu stoppen.
»Großartig. Sie hat mir vertraut, ohne zu hinterfragen. Leider ist sie viel zu früh gestorben«, erwiderte er knapp.
Irgendwie war ich mit der Äußerung nicht zufrieden. Ich fühlte mich getadelt, trotzdem forschte ich weiter: »Hast du sie geliebt?«
Seine Antwort kam schneller als erwartet. »Nicht genug! Heute bedaure ich es. Sie war immer für mich da. Ich konnte ihr nicht einmal dafür danken. Es wurde mir erst richtig bewusst, als sie schon gegangen war. Sie war eine wundervolle Frau.«
Nichts, womit ich aufwarten konnte, dachte ich bitter und hatte plötzlich das Bedürfnis, umgehend das Lokal zu verlassen. Ich sah auf meinen Teller und beschäftigte mich intensiv mit den Resten meines Mahls, um meine aufsteigenden Tränen nicht zu zeigen. Zum Glück erschien in diesem Moment die Bedienung, erkundigte sich höflich, wie es geschmeckt hatte und Alfred bestellte noch einmal Pils für uns beide, was mir Zeit genug gab, mich zu sammeln und meinem Gegenüber gefasst ins Auge zu sehen.
»Weiß Edvina von unserer Beziehung?«, fragte ich.
»Nein, sie weiß auch nichts von den Morden vor zwanzig Jahren!« Er sah mich beschwörend an. »Du musst mir helfen, Betty! Edvina ist in Gefahr! Sie hat in der letzten Woche einen Ohrring erhalten.«
Ich runzelte die Stirn, ohne ihm zu verraten, dass es mir bereits bekannt war.
»Ach!«, tat ich erstaunt. »Was du nicht sagst.«
»So zickig kenne ich dich gar nicht!« Er musterte mich grimmig und winkte der Kellnerin. »Wir sollten gehen, denn ich glaube, es hat keinen Zweck, mit dir darüber zu reden.« Er zog sein Portemonnaie aus der Jackentasche.
»Vielleicht solltest du mir zunächst einmal erklären, worum es eigentlich geht«, verschärfte ich meinen Ton, was ihn zu einem ärgerlichen Grunzen veranlasste.
»Lass gut sein. Ich habe mich in dir getäuscht.«
Die Bedienung enthob mich einer Antwort. Alfred zahlte und eilte zum Ausgang, ohne ein weiteres Wort an mich zu verlieren. Empört rauschte ich hinter ihm her und marschierte schweigend zu meinem Wagen.
In dieser Nacht schlief ich schlecht. Dauernd überlegte ich mir, warum ich nicht mehr auf Alfred eingegangen war und machte mir Vorwürfe. Erst gegen Morgen übermannte mich endlich der Schlaf, aber schon nach einer Stunde wurde ich von einem Geräusch geweckt. Mit angehaltenem Atem kauerte ich auf dem Bett und lauschte. Hatte ich geträumt? Nein! Da war es erneut! Irgendjemand lief um das Haus herum. Ein Stuhl klapperte auf der Terrasse. Dann war alles still.
Vorsichtig schlich ich ans Fenster und lugte durch die Gardine. Nichts zu sehen. Doch da! Ein glimmender Zigarettenstummel auf den Steinen des Gartenweges. Wer war das? Wer trieb sich des Nachts vor meinem Haus herum? Leise ging ich zur Zimmertür und drehte den Schlüssel um, anschließend stand ich fast eine halbe Stunde am Fenster, aber es blieb alles still. Irgendwann legte ich mich wieder ins Bett und fiel in einen unruhigen Schlaf.
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