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Ihr Herz klopfte wild. Ich spürte es durch mein Jackett hindurch.

„Gut, dass du bist, Jesse‟, flüsterte sie, „verdammt gut.‟

„Ich hab’s heute morgen gehört‟, sagte ich. „Von meinem Chef, während des Briefings. Ich habe tausendmal versucht, dich zu erreichen.‟

„Du hast Angst um mich?‟ Sie machte sich von mir los und lächelte.

„Ja. Was ist daran so lustig?‟

„Gar nichts, sorry.‟ Sie wies auf einen der schwarzen Stahlrohrsessel an einem niedrigen Glastisch. „Nimm Platz. Willst du etwas trinken?‟ Ich wollte. Sharon verschwand in ihrer Küche. „Sicher ein Bier, wie ich dich kenne?‟

Ich widersprach nicht und setzte mich. Der Raum war nüchtern möbliert – Stahlrohrmöbel, Lamellenschränke, Glasregale, riesige Musikboxen, aus denen düstere, orientalisch klingende Musik drang. Schwarz und weiß dominierten. Das schien mir irgendwie nicht zu meiner temperamentvollen Lady zu passen.

Warum hatte sie gelächelt, als sie fragte, ob ich Angst hätte? Im Rückblick liegt die Antwort auf der Hand – man hat nur Angst um jemanden, für den man mehr empfindet, als flüchtige Schwärmerei.

„Was ist das für merkwürdige Musik?‟, wollte ich wissen.

Sharon kam aus der Küche zurück und stellte eine Dose Budweiser und ein Glas vor mich auf den Tisch. „Death can dance heißt die Gruppe. Verbindet Rock mit orientalischer Musik.‟

„Klingt düster‟, brummte ich. „Und dieser Name: Tod kann tanzen – ziemlich makaber in deiner Lage.‟

„Was soll ich tun, Jesse?‟ Sie setzte sich zu mir und schmiegte sich an mich. „Ich atme noch und fühl mich quicklebendig. Und wenn du Lust hast, können wir sogar tanzen gehen.‟

„Verrücktes Weib.‟ Ich küsste sie. „Deine Verrücktheit – ich glaube, das lieb′ ich so an dir.‟

„Ich höre die Musik schon seit Jahren.‟ Ein wehmütiger Ausdruck huschte über ihr Gesicht. „Schon als ich noch in London lebte, hab′ ich sie gehört. Ich hatte damals einen guten Freund. Durch ihn habe ich sie kennengelernt. Es klingt zynisch, aber er war überzeugter Moslem ...‟

„Deine erste große Liebe ...?‟

„So ähnlich.‟ Ihre Stimme wurde leise. „Du hast meine Handynummer von Mike bekommen?‟, wechselte sie plötzlich das Thema.

„Ja – er war unterwegs zum Meditieren.‟ Grinsend schüttelte ich den Kopf. „Auch so ein Verrückter ...‟

„Er ist nicht verrückt, er ist fatalistisch.‟ Sie schenkte mir Bier ein und zündete sich ein Zigarette an. „Fatalismus ist Dummheit – man muss um sein Leben kämpfen.‟

„Und wie gedenkst du zu kämpfen?‟, wollte ich wissen.

„Ich weiß mich schon zu wehren. Außerdem glaube ich nicht, dass diese Fanatiker Ernst machen werden. Über Salman Rushdie haben sie auch die Fatwa verhängt. Das ist zehn Jahre her. Und er lebt heute noch.‟

„Aber wie!‟, sagte ich. „Wie ein Gefangener im eigenen Haus. Davon abgesehen teilen FBI und CIA deinen Optimismus ganz und gar nicht.‟ Ich erzählte von der abendlichen Krisensitzung in der Federal Plaza.

„Ich werde also Personenschutz bekommen?‟ Sharon war blass geworden. Meine Neuigkeiten hatten sie aufgewühlt.

„So ist es, Lady Sharon. Eve und Valezki auch. Obwohl ich Zweifel habe, dass dein Partner gesteigerten Wert darauf legt.‟ Ich nahm mein Glas und trank – das Bier tat gut nach diesem langen Tag.

Sharon bot mir eine Zigarette an, und ich griff zu. „Verrat mir mal, was diese selbsternannten Richter und Henker Gottes an eurem schrägen Comic auszusetzen haben.‟

Sharon zuckte mit den Schultern. „Was weiß denn ich?‟ Sie stand auf und begann langsam im Zimmer auf und ab zu laufen. Nachdenklich und ernst wirkte sie plötzlich. „Du hast ja die neuste Ausgabe gelesen, Jesse. Die Geschichten gehen manchmal nah an die Grenze.‟

„Ein Beispiel, bitte.‟

„An einer Stelle hat Mike Mohammed besoffen gezeichnet, und ich habe ihm bei der Gelegenheit einen ziemlich schlüpfrigen Witz in den Mund gelegt. An einer anderen Stelle muss der Erzengel, während er ihm den Koran diktiert, lachen, weil er einen Popel im Bart des Propheten entdeckt.‟

Sie kicherte, und das steckte mich an. „Und Jesus dreht sich manchmal nach Frauen um und pfeift ihnen hinterher, und so weiter und so weiter. Wir machen uns pausenlos lustig über Kirche und Religion. Gott allerdings – ihn stellen wir in keiner Geschichte in Frage. Er bleibt der große Chef. Und unsere Leser lieben das.‟

„Nicht alle, wie sich jetzt zeigt.‟ Ich leerte mein Glas und drückte die Zigarette aus.

„Ich hätte nicht gedacht, dass ein islamischer Geistlicher Comics liest.‟ Sharon grinste wehmütig.

„Wahrscheinlich hat einer von den Burschen so ein Heft bei seinen Kids unter dem Bett entdeckt.‟ Ich sah sie an. „Und was machen wir mit dem restlichen Tag?‟

Sharon ging zu einer schwarz-weißen Kommode mit Stahlrohrbeinen und zog eine Schublade auf. Als sie sich wieder zu mir umdrehte, hielt sie eine Pistole in der Hand. „Geh mit mir irgendwohin, wo du mir schießen beibringen kannst, Jesse.‟

„Bist du übergeschnappt, Sharon?!‟ Ich sprang auf und nahm ihr die Waffe aus der Hand. Es war eine ausgewachsene Beretta neuster Bauart. „Hast du überhaupt eine Lizenz?‟

„Bist du als Bulle hier, oder als mein Freund?‟ Sie schnitt eine wütende Miene und riss mir die Beretta wieder aus der Hand.

„Irgendwo bleib ich immer Bulle – selbst wenn ich mit dir im Bett liege.‟

„Wenn du mich liebst, bringst du mir schießen bei‟, forderte sie.

„Du stürzt mich in ernsthafte Konflikte‟, seufzte ich. „Vorschlag: Zuerst liebe ich dich, und dann reden wir noch einmal in Ruhe über das Schießen ...‟

Der Vorschlag schien ihr zu gefallen. Widerstandslos legte sie die Beretta auf die Kommode und ließ sich küssen. Meine Hände verirrten sich unter ihre Bluse. Ihre Haut war weich und warm, und ihre Küsse ließen die Welt mit ihren Fanatikern und Terroristen in weite Ferne rücken.

Ein paar Minuten später, in Sharons Bett, hatten wir sie vollständig vergessen ...

Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015

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