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Der Notar holte Bount am Flughafen Don Muang ab. Der Jurist erwies sich als dürres Männchen mit dünnem Bart und nervösem Gesichtszucken.

„Den Göttern sei Dank, dass Sie endlich da sind, Mr. Reiniger!“, sprudelte er hervor und sah fortwährend auf seine Armbanduhr.

In diesem Moment begann Bount zu ahnen, dass die Erbschaft wohl doch noch ein paar Probleme aufwerfen würde.

„Gibt es Schwierigkeiten?“, erkundigte er sich.

Phra Kwan Ho rang die Hände.

„Schwierigkeiten?“, wiederholte er mit hoher, singender Stimme. „Am liebsten wäre es mir, wenn Sie mit der nächsten Maschine sofort wieder zurückfliegen würden.“

Bount runzelte die Stirn. „Moment mal! Sollte ich Sie am Telefon und Ihren Brief völlig missverstanden haben? Sie haben doch gedrängt, dass ich möglichst umgehend herkomme.“

„Natürlich, Mr. Reiniger. Meine Unruhe gilt ja auch nicht Ihnen, sondern Miss Myang. Auf sie wurde heute Vormittag ein Mordanschlag verübt. Sie äußerte den Wunsch, mich zum Bahnhof zu begleiten. Als sie das Taxi besteigen wollte, wurden mehrere Schüsse auf sie abgegeben. Es gelang ihr zum Glück, sich ins Haus zurückzuretten. Der Schütze entkam unerkannt. Es dürfte aber feststehen, dass die gleichen Schufte dahinterstecken, die schon ihren Vater auf dem Gewissen haben. Mr. Shao Ch’eng wurde auf ganz ähnliche Weise ermordet.“

„Wurde die junge Frau verletzt?“, wollte Bount wissen.

Der Notar verneinte. „Sie kam mit dem Schrecken davon. Nachdem sie mich über den Vorfall telefonisch informiert hatte, habe ich ihr geraten, ohne Ihren Schutz das Haus nicht mehr zu verlassen.“

„Hoffentlich hält sie sich daran. Was könnte der Grund für diesen Anschlag sein?“

Der Jurist führte Bount zu seinem im Parkhaus abgestellten Wagen. Der Mann wirkte verstört und hilflos. „Würden wir den Grund kennen, wüssten wir wohl auch, warum Myangs Vater sterben musste. Es bieten sich zwei Motive an. Es könnte sich um einen Racheakt handeln. Mr. Shao Ch’eng hat sich in früheren Jahren viele Feinde geschaffen. Einigen hat es nicht gepasst, dass er sich plötzlich für die Rolle des braven Bürgers entschied. Sie werden mir entgegenhalten, dass schließlich seine Tochter nichts mit seiner Vergangenheit zu tun hat. Doch wir Chinesen sehen das anders. Und auch die Thai haben eine ähnliche Auffassung. Wenn für die Untat eines Einzelnen heute auch nur noch in den seltensten Fällen der ganze Clan zur Verantwortung gezogen wird, so macht die Rache zumindest vor den engsten Familienangehörigen nicht automatisch halt.“

„Und was sagt die Polizei? Hegt man einen bestimmten Verdacht?“ Phra Kwan Ho lachte gequält auf. „Haben Sie eine Vorstellung, wie viele Menschen in Bangkok jede Woche das Opfer von Gewaltverbrechen werden? Ein erschreckend geringer Prozentsatz wird aufgeklärt. Unsere Polizei ist hoffnungslos überfordert. Sie setzt zwei Schwerpunkte: das Opium und die Prostitution. In diesen Bereichen können schließlich noch Menschenleben geschützt werden. Ein Mord ist unabänderlich. Ich will damit sagen, dass unsere Behörden den Fall Shao Ch’eng in drei Monaten als unerledigt in die Registratur geben werden. Von dort haben wir keine Aufklärung zu erwarten.“

Das waren ja reizende Aussichten. Überlastete Polizisten kannte Bount zur Genüge von New York. Doch dort bemühte man sich wenigstens, jeden Mord aufzuklären.

Aber die Mörder Shao Ch’engs zur Strecke zu bringen war zum Glück nicht sein Auftrag. Er hatte lediglich dafür zu sorgen, dass Myang unbehelligt in das Flugzeug stieg. Sobald die Triebwerke arbeiteten, konnte er die Killer von Bangkok vergessen.

„Sie erwähnten ein zweites mögliches Motiv“, erinnerte Bount den Notar.

„Das sind natürlich die Elefanten. Sie besitzen einen Katalogwert von ungefähr einer halben Million US Dollar. Es gibt bestimmt Halunken in dieser Stadt, die sich die acht Porzellanfiguren liebend gerne unter den Nagel reißen würden. Als Shao Ch’eng starb, kam er gerade von der Thai Farmers Bank, bei der er die Sammlung deponiert hatte. Vielleicht glaubten die Gangster, er habe die Stücke abgeholt, um sie zu verkaufen. Deswegen wollten sie ihm die Figuren rauben. Da sie die erhoffte Beute bei ihm nicht fanden, halten sie sich nun an Myang, von der sie möglicherweise schon wissen, dass sie das Land zu verlassen beabsichtigt.“ Beide Möglichkeiten klangen für Bount durchaus logisch. Er tendierte vorläufig eher zur zweiten. Eine halbe Million war ein einleuchtenderes Motiv als bloße Rache.

„Wo befinden sich die Elefanten im Augenblick?“, wollte er wissen.

„Immer noch bei der Bank in der Ratchadamnoen Avenue.“

„Ich schlage vor, wir fahren dorthin, damit Sie mich legitimieren können. Wenn ich später die Sammlung abhole, sollte es keine Verzögerungen geben.“

„Das ist eine gute Idee“, fand Phra Kwan Ho. „Anschließend mache ich Sie mit Miss Myang bekannt und bringe Sie zu Ihrem Hotel. Das sind zu Fuß nur ein paar Minuten. Mit dem Wagen müssen Sie allerdings bei ungünstigen Zeiten bis zu einer Stunde rechnen. Ich habe das Oriental Hotel gewählt. Dort werden Sie sich wohl fühlen.“

Bount war nicht zum ersten Mal in Bangkok, doch bei jedem Aufenthalt machte er die Erfahrung, dass der Straßenverkehr noch chaotischer geworden war. Bount würde wohl oder übel auf einen Leihwagen verzichten und sich auf die angebotenen Verkehrsmittel beschränken.

Er hoffte, keinesfalls länger als zwei Tage bleiben zu müssen. Diese geheimnisumwitterte Stadt war kein Traum, sondern ein Alptraum.

Zu dieser Überzeugung gelangte er, obwohl er noch gar nicht ahnte, dass ein paar Männer entschlossen waren, ihn hier seinen letzten Traum träumen zu lassen.

Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015

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