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Selbstreflektion als Fundament einer klugen emotionalen Impulskontrolle

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Was ich brauche, nicht nur um emotionalen Druck aus Situationen herauszunehmen, sondern generell um eine kluge emotionale Impulskontrolle zu gewährleiten, sind vornehmlich zwei Dinge: Bewusstsein schaffen und für mich Verantwortung übernehmen.

Wie kann ich konkret Bewusstsein schaffen?


Reflexion meines Führungsstils heißt: Grundhaltungen und Rollenverständnis immer wieder konstruktiv hinterfragen.

Eine emotional kompetent handelnde Führungskraft braucht vor allem einen klaren Blick in den eigenen „Rückspiegel“. Ohne die Fähigkeit zur konstruktiven Selbstreflektion gibt es keinen „anfassbaren“ Erkenntnisgewinn, also auch kein persönliches Wachstum. Das Führungsmantra – „Willst du eine emotional kompetente Führungskraft sein, dann schau erst mal in dich selbst hinein“ – bringt es auf den Punkt.1 Führungskräfte, die überwiegend mit sich selbst beschäftigt sind, weil sie vielleicht zu viele Dinge gleichzeitig anpacken, an einem unzureichenden Selbstmanagement leiden, oder schlicht weg überlastet sind vom anspruchsvollen Tagesgeschäft, können keine wahren Spitzenleistungen generieren. Konsequent zu Ende gedacht heißt das: Wer sich selbst nicht führen kann, kann überhaupt niemanden führen. Der Managementvordenker Peter F. Drucker hat diese provokante Formulierung gewählt, um auf dieses Führungsdilemma geschickt hinzuweisen. Für unseren Führungskontext heißt das:

Wer andere gut führen will, muss zuerst in der Lage sein, sich selbst gut beobachten zu können. Diese Schlüsselkompetenz braucht es heute, um nicht nur die eigenen Ressourcen, sondern auch die Ihrer Teamplayer gut zu managen. So gelingt es Ihnen viel leichter, zum Beispiel aus Fehlern zu lernen und Ihre Handlungsenergie in die richtige Richtung zu lenken.

Vier Klärungsfragen bringen Sie mit sich selbst ins Reine

Im wirkungsvollen Kontakt mit sich selbst zu sein bedeutet konkret, das Prinzip der inneren Achtsamkeit zu leben. Gute Zugangshinweise dazu könnten folgende vier Klärungsfragen sein:

 Wieso handle ich so wie ich handle?

 Was treibt mich innerlich an?

 Was inspiriert mich?

 Was demotiviert mich?

Wenn Sie diese Fragen für sich vorab klären, werden Sie ein erstaunliches Phänomen bei sich selbst und im Umgang mit anderen beobachten können: Sie können immer öfter wirklich präsent sein. Als Führungskraft präsent zu sein, heißt, zum Beispiel sich einer Aufgabe oder einem Mitarbeitergespräch mit ganzer Aufmerksamkeit zu widmen, nicht mit halber. Zugegeben, das klingt erst mal banal. Doch allzu oft erlebe ich Führungskräfte im Coaching, die ein eher neurotisches Zuhören praktizieren. Sie sind mit ihren Gedanken nicht zu 100 Prozent bei der Sache, sondern längst auf der inneren „Flucht“, also schon beim nächsten Termin oder der geistigen Abarbeitung von noch Unerledigtem. Klar, dass so viel Potenzial brach liegt und wirkungslos verpufft.

Aus der Forschungsrichtung der Positiven Psychologie wissen wir längst: 80 Prozent unseres Erfolges generieren wir aus unserer mentalen Stärke, also der inneren Haltung. Lediglich 20 Prozent machen hingegen unser Fachwissen und die viel zu oft überbewerteten Arbeitstools aus.2

Immer wieder: Grundhaltungen und Rollenverständnis hinterfragen

Die Grundhaltungen, die ich als Führungskraft einnehme, haben dabei eine große Wirkung auf den Verlauf und das Ergebnis meiner Arbeit. Beispiel Mitarbeiterjahres-gespräche: Stellen Sie sich eine Führungskraft vor, die zu einem Mitarbeiterjahresgespräch mit folgenden Worten einlädt: „Mensch Huber, jetzt ist es wieder soweit. Wir müssen dieses Mitarbeiterjahresgespräch führen. Weiß auch nicht so recht, was die da oben so von mir wollen. Hab’ doch eh schon genug um die Ohren und jetzt auch das noch. Naja, schauen wir mal, dass wir das schnell hinter uns bringen, ist doch eh alles klar zwischen uns, oder?“

Glauben Sie, dass der Nutzen eines Mitarbeiterjahresgespräches hier zum Vorschein kommt? Wohl eher nicht, denn dazu bräuchte es einer ganz anderen inneren Haltung, die getragen wird vom Wissen, dass Mitarbeiterjahresgespräche die verlässlichste Form der Mitarbeitermotivation darstellen. Richtig durchgeführt, sind Mitarbeiterjahresgespräche der Nährboden für nützliche Anregungen und Verbesserungsvorschläge seitens der Mitarbeiter. Ein kapitaler Führungsfehler, diese Ideen zur Steigerung der Arbeitsproduktivität einfach brach liegen zu lassen.

Auch der oft praktizierte partnerschaftliche Führungsstil, getragen vom Geist „Ich bin dein Freund“, „Ich will dich verstehen“, „Ich sitze mit dir in einem Boot“ kann als zweischneidiges Schwert unerwünschte Folgewirkungen zeigen. Einerseits wird durch diesen Führungsstil Vertrauen und Sicherheit im Umgang miteinander genährt. Andererseits kann jedoch auf Mitarbeiterseite auch ein Gefühl von Unsicherheit entstehen, da es wenig Führung gibt. Letztendlich muss der Mitarbeiter so selbst seinen Weg und seine Antworten finden.

Zwei Erkenntnisgewinne gilt es hier festzuhalten:

Erstens: Eine fortlaufende Reflexion des eigenen Führungsverhaltens und der damit zusammenhängenden inneren Haltung ist wichtiger, als ein Führungswerkzeug nach dem anderen zu erlernen. Aus der Hirnforschung wissen wir: eine negative innere Haltung im Gehirn eines Gesprächspartners aktiviert Abwehrsysteme, egal wie viel verbindliche Rhetorik sich jemand antrainiert hat.

Zweitens: Wir können nicht vermeiden, dass wir im Tagesgeschäft immer wieder unterschiedliche Grundhaltungen einnehmen, aber wir können uns immer wieder dieser Haltungen und ihrer Wirkung bewusst werden.

Wollen Sie nun noch einen Schritt weiter gehen und genauer wissen, wie Sie Ihrem Rollenverständnis auf die Spur kommen, so klären Sie doch für sich folgende Fragen:

 Welche typische Grundhaltung gibt bei mir vorherrschend den Ton an?

 Was ist der Hintergrund? Aus welcher Motivation oder Weltsicht entsteht wohl diese Grundhaltung?

 Welche Wirkung – stärkend / hemmend – kann dabei entstehen?

Im Folgenden gebe ich Ihnen noch drei Beispiele von Grundhaltungen an die Hand. Vielleicht finden Sie Ähnlichkeiten zu Ihrer eigenen Grundhaltung, vielleicht kommen Sie jedoch auch einer ganz anderen Haltung auf die Spur. Spüren Sie nach, welche Melodie Ihren Takt und Rhythmus färbt:

 Der Überforderte / Unterlegene

„Ich weiß nicht, wie ich dir helfen könnte.“ – „Ich fühle mich überfordert.“

Wirkung: Mitarbeiter ist irritiert und handelt nach eigenen Sichtweisen.

 Der Überlegene

„Ich bin kompetent“ – „Ich sehe, wer du bist und weiß, wo es für dich lang geht.“

Wirkung: Mitarbeiter geht in Konkurrenz oder bleibt klein und unterwürfig, nimmt die äußere Führung an (=Scheinsicherheit).

 Der Partnerschaftliche

„Ich bin dein Freund“ – „Ich will dich verstehen“ – „Ich sitze mit dir in einem Boot.“

Wirkung: Vertrauen, Sicherheit, Kontakt oder Unsicherheit, da es wenig Führung gibt: man muss selbst den Weg und die Antworten finden.

Auf den Punkt gebracht:

Wir können nicht vermeiden, dass wir immer wieder unterschiedliche Grundhaltungen einnehmen, aber wir können uns immer wieder dieser Haltungen und ihrer Wirkung bewusst werden! Die Grundhaltungen, die ich als Führungskraft einnehme, haben eine große Wirkung auf meinen Führungsstil.

Wichtig dabei ist: Das Unausgesprochene, also der sogenannte Subtext, wirkt meist stärker wie das Ausgesprochene. Deswegen können auch Führungskräfte, die oft gar nichts sagen, aber sehr präsent und annehmend sind, eine große Wirkung haben.

Gesundes führen korrespondiert mit weniger Fehlzeiten Ihrer Mitarbeiter

Wir wissen aus der Stressforschung: Agieren Sie selbst als Vorbild, sind Ihre Mitarbeiter nachweislich weniger erschöpft, psychisch beansprucht oder haben weniger psychosomatische Beschwerden. Sie leisten damit einen aktiven Beitrag zur Gesunderhaltung Ihres Teams oder Abteilung.

Emotionen im Griff - Mit mehr Emotionaler Kompetenz erfolgreich führen

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