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Leben mit den Besetzern Schulspeisung aus den USA

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Die amerikanischen Soldaten blieben einige Zeit im Dorf; hielten es sozusagen unter Kontrolle. Eine ihrer ersten Amtshandlungen war die Ernennung eines neuen Bürgermeisters. Dazu konsultierten sie zuerst unseren Gemeindepfarrer Hans Spielmann. Der sollte ihnen den Namen des Mannes nennen, der vor den Nazis im Amt war. Nachdem dieser, Andreas Michel, nicht mehr bereit war, wenigstens vorübergehend die Geschäftsführung zu übernehmen, wurde unser Papa ins Pfarrhaus zitiert. Auch er lehnte ab. Auf seinen Vorschlag hin wurde dann Ignaz Kuhn vom amerikanischen Offizier zum Bürgermeister ernannt.

Im Dorf selber hatten die Besetzer sich auf eigene Faust in mehrere Häuser einquartiert. Über ein paar Wochen hielten sie die Stellung und brachten eine total andere Kultur in die fränkische Region. Vieles, was sie taten und wie sie sich benahmen, war uns fremd. Sie verhielten sich für unsere Begriffe außergewöhnlich leger und lässig, um nicht zu sagen ruppig und flegelhaft. Auf jeden Fall, so meinten die Erwachsenen, seien ihr Benimm und ihre alltäglichen Verhaltensweisen echter Soldaten unwürdig.

Wenn sie marschierten, hörte man nichts. Kaugummi-Soldaten sagten die älteren Männer schier schon verachtend. Völlig ungewohnt für deutsche Ohren, die sich an die lärmenden Soldatenstiefel der Wehrmacht gewöhnt hatten.

Ständig hatten sie, die wir alsbald nur noch die Amis nannten, Kaugummi im Mund, warfen uns hin und wieder ein paar Päckchen zu, gähnten vor Langeweile laut und anhaltend, lümmelten sich auf mitgebrachten Klappstühlen, legten ihre Füße samt staubigen Stiefeln auf die Tische, rauchten ununterbrochen und quasselten in einem fort.

An ihrer Feldküche blieben wir oft stehen: Die hatten vieles, was wir seit Jahren nicht mehr gesehen und gegessen hatten. Oder überhaupt noch nie. Und sie führten alles mit sich: Konserven über Konserven. Wenn sie ihre Steaks brieten, lief uns das Wasser im Mund zusammen. Ihre Weißbrote belegten sie mit Butter. Scheibchenweise! Darauf ein riesiges Kotelett. Das kam uns Dorfbuben fast vor wie ein Verbrechen gegen die Menschheit – gegen jene, die hungern mussten: Butter und Kotelett auf einer dünnen Scheibe! Als ich es zuhause unserer Mama erzählte, schüttelte sie nur den Kopf. Heimlich hielt sie es wohl, wie die meisten Erwachsenen, für ein Sakrileg.

Sie hatten einfach alles, diese amerikanischen Soldaten! Und alles im Überfluss. Auch Schokolade, Orangen, Bananen, Kakao – kurzum alles, was man bei uns früher, vor dem Krieg, in den sogenannten Kolonialwaren-Handlungen kaufen konnte. Seit Kriegsausbruch mussten wir in Deutschland weithin diese aus dem Ausland importierten Artikel und Waren entbehren. Viele von uns Kindern hatten zuvor noch nie eine Banane gegessen, manche seit Jahren keinen Riegel Schoko mehr. Auch Corned Beef hatten die Amis zuhauf. Hunderte von Büchsen und Dosen. Da mussten wir erst noch herausfinden, wie das schmeckte.

Später, im Internat und am Gymnasium in Miltenberg, lernten wir die amerikanische Schulspeisung kennen; das war ein Hochgenuss für uns ständig hungrige Buben. Es gab abwechselnd Kakao mit Semmeln, gebacken aus amerikanischem Weizen. Daneben, meist abwechselnd, ließen sie dicke Erbsensuppe mit eingebrockten Fleischstückchen verteilen. Für meine Klassenkameraden, die nicht auf Bauernhöfen aufgewachsen waren und eben keine gelegentlichen Fresspakete von Hause bekamen, war die Schulspeisung ein wahres Wunder!

Kurzum, mit den amerikanischen Soldaten kam eine ganz andere Welt zu uns ins Dorf. Wir Kinder fanden, zum Unterschied zu den Großen, diese schlaksigen Kerle recht interessant. Aber wir bekamen auch mit, wenn die Erwachsenen unter sich von jenen jungen Frauen sprachen, die sich mit ihnen, den Amis, einließen. Ami-Schicksen nannte man sie damals. Sie hielten es mit allen, die eine Uniform trugen, auch mit denen schwarzer Hautfarbe. Das klang, wenn die Erwachsenen darüber redeten, ziemlich verächtlich. Besonders negativ beurteilten ehemalige Nazis diese Fräuleins. Dass es einigen von ihnen ums pure Überleben ging, wurde kaum erwähnt. Denn es waren auch mittellose junge Frauen unter ihnen, deren Männer gefallen oder vermisst waren – und nun alleine für ihre Kinder sorgen mussten.

Wir Buben kannten bald schon die Verstecke der GIs. Sobald wir wussten, wohin sie zu einem Schäferstündchen unterwegs waren, lauerten wir ihnen besonders gerne auf. Denn wir ließen uns erst dann wieder vertreiben, wenn sie uns zuvor Schoko, Kaugummi oder Zigaretten zugeworfen hatten. Letztere waren überall sehr begehrt – und sündhaft teuer. Wir horteten die Zigaretten heimlich auf den Eisenbalken unseres alten Stalls, ehe wir selber erstmals eine rauchen würden – oder später dafür wertvolle andere Waren eintauschten.

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