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Kapitel 1: Im Angesicht des Feindes

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Arguh: Blendwerk

Untertitel:

Wo leben wir?

Für meine Frau und meine Kinder

Danke

Impressum

Arguh:Blendwerk

von Adam Wutkowski

Text Copyright: © Adam Wutkowski

Cover Copyright: © Adam Wutkowski

Alle Rechte,

einschließlich des Nachdrucks in jedweder Form,

sind vorbehalten.

Schönberg 2020

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1: Im Angesicht des Feindes

Kapitel 2: Die Jagd beginnt

Kapitel 3: Das Katz und Maus Spiel

Kapitel 4: Der Löwe und die Schlange

Kapitel 5: Der lange Marsch in den Norden

Kapitel 6: Wie weit bist du bereit für deine Prinzipien einzustehen?

Epilog

















«Wo willst du hin?»

«Weg. Einfach nur weg!», erwiderte Jamie verärgert und beschleunigte seinen Schritt.

«Nun warte doch! Was ist denn plötzlich in dich gefahren?», hakte Ian vom Bock des Gespanns nach, während er diesen neben seinen Sohn lenkte.

Seinen Zorn nicht mehr gewillt im Zaun zu halten, wandte sich Jamie schließlich seinem Vater zu und ließ seinen Gefühlen freien Lauf: «Du… du willst es einfach nicht sehen, oder? Du…»

«Was meinst du?», unterbrach Ian seinen Sohn sichtlich verwirrt.

«Ständig muss ich mir deine dummen Sprüche anhören: „Trage Verantwortung für deine Entscheidungen!“, „Steh deinen Mann!“, „Achte nicht darauf, was andere machen!“», äffte Jamie seinen Vater nach. «Und dann, wenn es drauf ankommt, da kneifst du deinen Schwanz ein. Das ist mal wieder so typisch!», fuhr Jamie fort. «Wieso hast du nicht auf den abgesprochenen Preis bestanden? Für einen Zentner Getreide waren 7 Silbermünzen veranschlagt. Und nun hat uns dieser Viehdieb gerade mal 5 Silbermünzen pro Zentner bezahlt. Sag! Wo war da dein: “Steh deinen Mann!“?»

«Ach, darum geht es also. Ich verstehe.», erwiderte Ian sichtlich enttäuscht über den Handel, den er vor wenigen Augenblicken abgeschlossen hatte. «Mein Sohn, hör mir zu! Du hast Recht. Auch ich habe mir das Geschäft anders vorgestellt. Und wie dir bestimmt aufgefallen ist, waren wir nicht die einzigen, die von dem Viehbaron und seinen Handlangern anders entlohnt wurden, als ursprünglich ausgehandelt. Doch sag! Was hätte ich, was hätten all die anderen Bauern machen sollen? Der nächste Händler, der unser Getreide abkaufen könnte, ist drei Tagesreisen von hier entfernt. Drei Tage hin und noch weitere drei Tage zurück. Hinzu kommt, dass weder ich noch irgendeiner von den anderen Männern sicher sein kann, ob wir dort einen besseren Preis bekommen hätten für unser Getreide.»

«Du hättest auf deinen Preis bestehen sollen!», antwortete Jamie mehr schreiend als sprechend.

«Und was dann? Riskieren, dass er unsere Ernte nicht kauft? Sag mir! Ist es das, was du im Sinn hast?», erwiderte Ian und blickte seinen Sohn herausfordernd an, während er den Wagen weiter den Weg entlang lenkte. «Jamie», nahm Ian schließlich den Faden wieder auf, «der Herbst steht vor der Tür, der Winter ist nicht mehr fern. Wir haben noch einige Vorräte zu besorgen. Schau, ich habe dich und deine Schwestern. Deine Mutter und ich, wir müssen uns Gedanken machen, wie wir alle sicher über den Winter bekommen. Glaubst du, es war für mich oder einen der anderen Männer aus dem freien Grenzland, die alle eine Familie zu ernähren haben, eine einfache Entscheidung?»

«Ausreden, nichts als Ausreden. Du redest immerzu nur von Verantwortung und Prinzipien. Aber sag mir! Wo waren deine Prinzipien, als du und der Rest der Bande vor dem Viehbaron standet und euch wie Schafe benommen habt?», entgegnete Jamie.

«Von deinem Blickwinkel mag es so ausgesehen haben. Aber wisse eins. Menschen reden häufig von Prinzipien und Verantwortung. Und besonders dann, wenn sie nichts zu verlieren haben oder sie sich ihrer Sache sicher sind. Jemand der wirklich Prinzipien hat, der weiß genau, wann es wichtig ist für diese einzustehen. Auch wenn das bedeutet, dass er ein Leben lang mit den Konsequenzen seiner Entscheidung leben muss.»

«Ach…», winkte Jamie abfällig mit der Hand ab, ohne seinen Vater eines Blickes zu würdigen und setzte seinen Weg entlang der Straße fort.

Während die Mittagssonne langsam an Kraft verlor und eine frische Brise die wohltuende Wärme des Mittags hinfort wehte, erglühten die schneebedecken Kuppeln der Berge in der abendlichen Pracht. Doch für die Umgebung und die Pracht, die sie umgab, hatten weder Vater noch Sohn einen Blick übrig. Sichtlich bemüht, einander zu ignorieren, bemerkten die beiden recht spät, wie ein Reiter im schnellen Galopp auf sie zukam.

«Hoh.», brachte schließlich der Reiter sein Pferd nicht weit von Ians Gespann zum Stehen.

«Den Einen zum Gruße.», begrüßte Ian den Neuankömmling, den Blick auf das schnaubende und sichtlich erschöpfte Pferd gerichtet. «Was seid Ihr so in Eile, mein Herr?», hakte Ian halb neugierig, halb alarmierend nach, während sich Jamie von der Seite dem Reiter näherte.

«Die Chiks…», entsprang es dem Reiter bereitwillig aus den Mund, «sie haben wieder einige Höfe entlang des Grenzgebiets überfallen und eine Spur der Verwüstung hinterlassen.»

«Das ist inzwischen der dritte Überfall innerhalb eines Monats!», stellte Jamie fest. «Wo genau haben sie dieses Mal zugeschlagen?», fragte er hastig nach.

«Im Westen etwa zwei Tagesritte von hier entfernt. In der Nähe des Gosch Tals.»; erwiderte der Reiter, ein junger Bursche Anfang Zwanzig, sichtlich erfreut darüber, dass seine Schilderung auf ein offenes Ohr traf.

Den Blick auf seinen Vater gerichtet, so als ob noch vor wenigen Minuten nicht ein Streit zwischen ihnen ausgebrochen war, sagte schließlich Jamie: «Ich habe es dir doch gesagt! Es wird zum Krieg kommen.»

Noch bevor Ian etwas erwidern konnte, wandte Jamie seine Aufmerksamkeit wieder dem Reiter zu und setzte seine Befragung fort. «Nun sag schon! Was genau ist vorgefallen?»

«Viel weiß man nicht. Nur das der Angriff genauso erbarmungslos und brutal stattgefunden hatte wie zuvor. Die Kunde von dem Angriff ist vor wenigen Augenblicken in Hallport angekommen. Neben ein paar Gehöften sollen auch die Besitztümer des Viehbarons überfallen wurden sein. In Hellerport sind die Gemüter inzwischen sehr aufgeheizt. Einige sprechen sogar offen über einen Krieg. Der Viehbaron selbst soll so über den feigen Angriff erzürnt gewesen sein, dass er gleich nach dem Bekanntwerden der Ereignisse, einen Brief an den Hofmarschall des Königs von Arkanien verfasst hatte, um die gemeinsamen Handelsinteressen von heute und morgen zu sichern.»

«Na. Das dieser Fettwanst an nichts anderes denken kann, als an seine Gold- und Silbermünzen, das ist ja wohl klar.», kommentierte Jamie die Aussage des Reiters. «Unabhängig davon. Nach diesem Vorfall wollen die Menschen Taten sehen. Jene, die einen diplomatischen Weg aus der Krise suchen wollen, werden es nun schwer haben, sich noch einmal durchzusetzen.», stellte Ian fest.

«Auf dem Marktplatz von Hellerport habe ich vernommen, wie einige laut stark darüber sprachen, das Grenzgebiet unter den Schutz der arkanischen Krone zu stellen. Ich sage euch, überall im Lande brodelt es gewaltig und die Menschen sind nicht mehr gewillt, ruhig da zu sitzen und auf den Tod zu warten.», beendete der Reiter seine Schilderung, während sein Pferd immer noch unruhig auf der Stelle trabte.

«Und wo soll dich dein Weg jetzt hinführen?», fragte Ian den Reiter.

«Ich bin auf dem Weg nach Golport und Staport, um die jeweiligen Vertreter in den Gemeinden zu informieren. Außerdem soll ich den Anwesenden die Botschaft überbringen, dass heute Abend eine Versammlung in der großen Halle des Friedens stattfindet. Jeder freie Nordmann ist in Begleitung eines seiner erwachsenen Kinder dazu aufgerufen, sich in der Halle einzufinden. Gerüchten zufolge soll der Viehbaron die Versammlung dazu nutzen, eine Abstimmung zu erreichen, die eine Annäherung an das Arkanische Königreich erlaubt.»

Wie vom Pfeil getroffen, hielt Ian für einen Moment den Atem ein. Doch noch bevor er oder sein Sohn etwas erwidern konnte, besinnt sich der Reiter wieder auf seine eigentliche Aufgabe. Von einem Moment auf den anderen wendete dieser sein Pferd gen Norden. Langsam an den beiden Männern vorbeireitend, richtete dieser noch einmal das Wort an die beiden: «Verzeiht meine Herren, aber die Pflicht ruft. Doch zum Schluß möchte ich euch bitten all jenen, die ihr kennt, von der Versammlung in der großen Halle zu erzählen. Denn nun ist die Zeit gekommen, das Schicksal des freien Grenzlandes in die Hände zu nehmen.», sagte dieser und gab seinem Pferd die Sporen.

«Was hältst du davon?», richtete Jamie schließlich das Wort an seinen Vater.

«Ich versuche gerade nichts davon zu halten.», antwortete Ian trocken, sichtlich bemüht sich seine Sorgen nicht anmerken zu lassen.

«Verstehe!», erwiderte Jamie mit einem abfälligen Unterton in seiner Stimme und wendete sich so gleich von seinem Vater, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, ab.

«Was habt ihr solange gebraucht?», begrüßte Lena ihren Bruder und ihren Vater von einer kleinen Anhöhe aus, unweit von ihrem Hof.

«Komm her, du neugieriger Zwerg.», begrüßte Jamie seine Schwester und breitete freudestrahlend seine Arme zur Begrüßung aus.

Von einem Augenblick auf den anderen rannte Lena die kleine Anhöhe herunter und sprang im nächsten Moment in die Arme ihres Bruders.

«Oh!», stöhnte Jamie auf, sichtlich bemüht, nicht in die Knie gehen zu müssen.

Während Jamie die Ereignisse der letzten Stunden Wort für Wort seiner wissbegierigen Schwester schilderte, genoß Ian den Anblick der beiden im Licht der untergehenden Sonne. Sogleich entspannte er sich ein wenig und die innere Zufriedenheit, die ihn jedes Mal überkam, sobald er einen Fuß auf sein Land stellte, ließ ihn für einen Augenblick alles Besorgniserregende vergessen. Langsam das Gespann in Richtung der Scheune lenkend, erhaschte Ian einen Blick auf seine älteste Tochter Ilinaer, die auf einer Anhöhe mit ihrem Jagdbogen in der Hand stand.

«Ihr habt euch wieder in die Haare bekommen!», lenkte die Stimme von Freya Ians Blick von seiner Tochter ab.

«Ach.», brummte Ian vor sich hin und verkneifte sich jeden Kommentar. Schließlich, als er den Blick seiner Frau immer noch auf sich spürte, drehte er sich zu ihr um, setzte zum Sprechen an, wendete sich jedoch im nächsten Augenblick wieder ab und richtete seine Aufmerksamkeit ganz dem Geschirr der Pferde zu.

«Darf ich wenigstens erfahren, was dieses mal der Grund für euren Disput war?», hakte Freya nach, während sie einmal um das Gespann herumging, um einen Blick auf Ians Gesicht zu erhaschen.

«Der Viehbaron hat uns weniger für unser Getreide bezahlt als abgemacht. Jamie hat in einem Anflug von Gerechtigkeit und Fairness darauf bestanden, dass wir uns dem Viehbaron entgegen stellen und auf die Einhaltung des Vertrages pochen. Aber als ich und die anderen Männer nach einem Disput mit dem alten Viehdieb, schließlich den geringen Preis akzeptierten, da ist Jamie der Kragen geplatzt. Feiglinge, Bauerntrampel, Schafe hatte er uns beschimpft. Und na ja, und jetzt redet er nicht mehr mit mir.»

«Warst du nicht genauso, als du jung warst!», stellte Freya lächelnd fest, während sich ihr Blick mit dem ihres Mannes kreuzte.

Plötzlich konnte sich Ian ein Lächeln nicht mehr verkneifen: «Wieso musste er grade diese elende Eigenschaft von mir erben!»

«Tja, jeder bekommt das, was er verdient! Aber sag. Was gibt es Neues aus der Stadt zu berichten.», lenkte Freya das Gespräch in eine neue Bahn.

Von einem Moment auf den anderen verschwand die Freude aus Ians Gesicht. «Die Chiks haben erneut einige Gehöfe im Westen überfallen. Das ist inzwischen der dritte Überfall innerhalb der letzten drei Wochen. Ich habe gehört, dass die Menschen im Westen und im Gosch Tal nicht mehr gewillt sind, den Vergehen der Chiks tatenlos entgegen zu blicken. Einem Meldereiter zufolge hat sich die Stimmung inzwischen soweit aufgeheizt, dass der Ruf nach den Waffen gar nicht mehr aus den Köpfen einiger wegzudenken sei. In manchen Gegenden sprechen sich einige dafür aus, sich unter den Schutz der arkanischen Krone zu stellen.», berichtete Ian.

«Och herrje. Das sind aber wirklich keine guten Neuigkeiten!», stellte Freya besorgt fest, ihren Blick auf den Boden gesenkt.

«Nein, das sind sie wirklich nicht.», nahm Ian den Gesprächsfaden wieder auf. «Aufgrund der neuen Ereignisse wurde für heute Abend eine Versammlung in der großen Halle des Friedens einberufen, um zu entscheiden wie mit den Chiks weiter verfahren werden soll.»

«Hast du vor, an der Versammlung teilzunehmen?», hakte Freya nach, ihren Blick fest auf Ian gerichtet.

«Ach.», stöhnte Ian auf, während er das Geschirr vom Kopf des Pferdes nahm. «Eigentlich möchte ich nicht zur Versammlung gehen. Wenn ich schon an die Hitzköpfe und Kriegstreiber denke, die sich heute dort versammeln werden, dann bekomme ich schon Kopfschmerzen. Außerdem habe ich noch so einiges vorzubereiten, bevor Jamie und ich morgen zu unserem Jagdausflug aufbrechen. Ich fürchte aber, wenn ich heute nicht mit ihm zu der Versammlung reite, dann werde ich für immer seinen Respekt verlieren.»

«Er ist halt ganz sein Vater.», erwiderte Freya lächelnd.

«Ja, ja. Spar dir deine Worte Weib.», winkte Ian ab, wendete sich ab und machte sich auf den Weg zur Scheune.

Als der Abend sich unaufhaltsam mit immer größeren Schritten nährte, waren die Vorbereitungen für den morgigen Jagdausflug soweit erledigt. Den freien Moment nutzend, setzte sich Ian schließlich auf einen Baumstumpf, wenige Schritte von dem kleinen Holzhaus entfernt, hin und ließ seinen Blick über die Schönheit der Hügel und Täler schweifen. In das Panorama vertieft, bemerkte Ian die Neuankömmlinge erst, als er die Stimme seines Sohnes wahrnahm.

«Den Einen zum Gruße.», begrüßte Jamie, umgeben von seinen beiden Schwestern, die Neuankömmlinge.

«Na. Habt ihr schon alles für den morgigen Tag gepackt?», begrüßte Melcom seinerseits Jamie mit einem Lächeln auf den Lippen.

«Wir haben genug eingepackt, um jeder Gefahr in der Wildnis zu trotzen.»

«Das hört sich gut an. Doch sagt mir ihr drei! Wo ist euer Vater?»

«Na, wo könnte er bloß sein.», erwiderte Lena in ihrer kindlichen Art, die Augen verdrehend. «Er hockt wie immer auf seinem Baumstumpf und starrt in die Ferne.»

«Ach. Das hätte ich mir eigentlich auch denken können.», entgegnete Melcom in gespielter Manier. Anschließend richtete er das Wort an seinen Erstgeborenen: «Halte dich bereit. Wir brechen gleich wieder auf.»

Anschließend wandte er seinen Blick von den jungen Leuten ab, überließ diese sich selbst und machte sich auf den Weg zu Ian.

«Auf unsere alten Tage werden wir noch sentimental, was?», begrüßte Melcom Ian und nahm neben seinem Freund auf dem alten Baumstumpf Platz.

«Das kannst du wohl laut sagen.», erwiderte Ian, ohne den Blick von der Ferne zu nehmen.

«Und? Was hältst du von der ganzen Sache mit den Chiks?»

«Ehrlich gesagt, versuche ich von der ganzen Sache nichts zu halten. Innerlich hoffe ich immer noch, dass das alles ein böser Traum ist, aus dem ich gleich aufwache.»

«Wenn du willst, können wir den Jagdausflug immer noch verschieben. Ich denke, deiner Frau würde das entgegenkommen!»

«Danke, Melcom. Aber nein. Wie besprochen, werden wir morgen mit dem ersten Sonnenstrahl aufbrechen. Ich brauche das Wild und die Felle, um sicher über den Winter zu kommen.»

«Verstehe.», erwiderte Melcom, seinen Blick auf das Panorama gerichtet.

Als schließlich ein Augenblick der Stille verklungen war, richtete Melcom das Wort an Ian. «Ich habe Martok aufgetragen, jeden Tag einmal hier vorbeizureiten und nach dem Rechten zu sehen.»

«Du meinst wohl nach Ilianer!», stellte Ian fest, zum ersten Mal seinen Blick von der Landschaft abwendend, um Melcom direkt ins Gesicht zu blicken.

«Willst du immer noch die Jagdgründe hinter der grünen Aue aufsuchen?», fuhr Melcom fort, ohne auf das eben Gesagte weiter einzugehen.

«Viele Alternativen stehen uns nicht zur Verfügung. Außerdem sind die Jagdgründe hinter der grünen Aue deutlich einfacher zu erreichen, als die neben der Steinebene von Arag.»

«Ja.», entgegnete Melcom knapp, an die Strapazen zurückdenkend, die sie vor Jahren einmal und dann nie wieder auf sich genommen hatten. «Komm! Wir müssen uns langsam auf den Weg machen! Die Versammlung fängt sonst ohne uns an.»

Der Weg nach Hellerport war zu jener Abendstunde ungewöhnlich gut besucht. Viele Nordmänner ritten Seite an Seite mit ihren Söhnen und Töchtern der Hauptstadt des freien Grenzlandes entgegen. Es schien so, als ob kein einziger Nordmann gewillt war, diesen entscheidenden Moment in der Geschichte ihres Landes verpassen zu wollen. Und so wunderte es auch weder Ian noch einen anderen aus ihrer Schar, als sie schließlich in der große Halle des Friedens eintrafen und diese von den Stimmen der zahlreich erschienen Männern und Frauen vorfanden.

Beim Anblick der vielen Menschen in der Halle musste Jamie vor Ehrfurcht für einen Moment inne halten. Viel Zeit, um den Anblick in sich aufzunehmen, blieb Jamie jedoch nicht. Denn schon im nächsten Moment schwankte die große Eichentür wieder auf, um den nächsten Strom von Neuankömmling den Weg in das Innere frei zugeben. Und so blieb Jamie nichts anderes übrig, als sich in das Gedränge einzureihen und seinem Vater durch das Gewühl aus Leibern zu folgen.

Während Ian sich langsam aber sicher seinen Weg durch das Menschenmeer bahnte, musste er mit Besorgnis wahrnehmen, wie aufgeheizt die Stimmung unter den Anwesenden war. Doch viel mehr Angst bereitete Ian der Enthusiasmus und die Begeisterung, mit denen sich die jungen Nordmänner nach einem möglichen bewaffneten Konflikt sehnten.

«Ian! Ian! Hier drüben!», bahnte sich plötzlich eine Stimme ihren Weg durch das Gemurmel der Umstehenden und riß Ian aus seinen Gedanken. Nach einem Moment des Umherblickens fand Ian schließlich die Quelle der Worte. Ohne lange zu zögern, bahnte er sich einen Weg durch die Menschenmenge und erreichte schließlich Melek und seine Tochter, die in den oberen Rängen Platz genommen hatten. Nach einer freundlichen Umarmung gefolgt von ein paar höflichen Begrüßungsfloskeln, ließ Ian von seiner erhöhten Position aus einen Blick über die versammelte Menge schweifen.

«Grüß dich, Melek. Wie geht es dir und deiner Sippe?», begrüßte Melcom Melek und verwickelte seinen alten Freund in ein kurzes Gespräch.

«Ich habe noch nie so eine aufgeheizte Stimmung in diesen Hallen erlebt.», stellte Melcom fest, seinen Blick auf die Umstehenden gerichtet.

«Ja.», pflichtete Melek ihm bei. «Die Anspannung steht den Älteren von uns ins Gesicht geschrieben. Bei den Jungen sieht es ganz anders aus. Die sehnen sich nach großen Schlachten und Abenteuern.»

«Es bleibt nur zu hoffen, dass sich am Ende die Vernunft durchsetzt und nicht der jugendliche Leichtsinn.», schaltete sich plötzlich Ian ein und blickte dabei besorgt auf seinen Sohn herunter.

«Danke für dein Vertrauen!», erwiderte Jamie, sich des Blickes seines Vaters bewusst.

Während der nächsten Minuten trafen immer mehr Männer ein und irgendwann schien die Halle aus allen Nähten zu platzen. Und dann von einem Moment auf den anderen, trat der eine Augenblick ein, auf den alle gewartet hatten. Mit einem donnernden Gong wurde schließlich die Versammlung eröffnet. Im gleichen Moment verstummte das Gemurmel der Versammelten und eine gespenstische Stille legte sich über die Halle.

Einen Augenblick später drängten sich die Männer und Frauen im Zentrum der Halle an die Seite und dann trat der Hauptmann des freien Grenzlandes, in Begleitung von zwei seinen engsten Beratern, in die Mitte der Versammlungshalle.

«Söhne und Töchter des freien Grenzlandes.», richtete sogleich der Hauptmann das Wort an die Umherstehenden. «Schon immer hat uns eine Sache geeint. Auf der Suche nach einer neuen Heimat für uns und unsere Angehörigen sind wir in dieses Land gekommen. Der eine mag in dieses Land gekommen sein, um den Krieg in seinem Heimatland zu entfliehen. Der andere vielleicht um den Hunger hinter sich zu lassen, der ihn in seiner Vergangenheit so oft heimgesucht hatte. Ein anderen vielleicht, weil er für sich und seine Angehörigen ein besseres Leben erträumt hatte. Doch unabhängig von den Motiven, dem Wunsch in Frieden und Freiheit an diesem Ort, den wir unsere Heimat nennen, zu leben und zu sterben, haben wir alle gemeinsam.»

Nach seinen letzten Worten erhebte sich ein zustimmendes Gemurmel und endete erst, als der Hauptmann seine Hände in die Höhe hebte, um diesem ein Ende zu bereiten.

«Diese Werte werde nun von außen bedroht!», nahm er den Gesprächsfaden wieder auf. «50 Jahre lang haben wir uns dieses Land im Norden mit den Chiks geteilt. Wir lebten auf den Ebenen entlang der Gebirgskämme und mieden die Täler, die Berge und die Wälder entlang des Horngebirges. Stillschweigend, ohne dass irgendjemand, irgendwann einen Vertrag zwischen uns und den Chiks unterschrieben hatte, wurde diese Tatsache von beiden Seiten respektiert.

Doch nun scheint dieser unsichtbare Frieden zwischen unseren beiden Völkern ein jähes Ende zu nehmen. Aus uns noch unbekannten Gründen sind die Chiks erneut über unsere Ländereien hergefallen und haben gebrandschatzt, gemordet und einige in die endlosen Weiten der Berge verschleppt. Diesem Treiben dürfen wir nicht mehr tatenlos gegenüber stehen. Wenn die Chiks Krieg haben wollen, dann werden wir ihnen diesen auch geben.», stellte der Hauptmann fest und erntete dafür Beifall und Zustimmung von den Anwesenden.

Während der Beifall noch durch die Halle raunte, nutzten einige der Anwesenden die Möglichkeit, ihre aufgestaute Wut und Angst freien Lauf zu lassen. «Nieder mit diesen Wilden.», «Tod den Chiks!», «Wir lassen uns nicht von unserem Land vertreiben.» schaltete sich ebenfalls der Viehbaron in die Zwischenrufe ein und befeuerte damit noch weiter die Menge.

«Ruhe!», griff schließlich der Hauptmann ein und brachte somit die Versammelten zum Schweigen. Als endlich genug Ruhe in die Versammlung eingekehrt war, richtete dieser erneut das Wort an die Menge: «Am heutigen Tage haben wir uns hier versammelt, um uns ein genaueres Bild von der Lage zu machen. Wir, und das möchte ich hier noch einmal betonen, haben uns hier nicht versammelt, um den Boden mit Halbwahrheiten zu nähren oder um die Interessen von einigen zu schützen.», sagte dieser und konnte sich einen Blick in Richtung des Viehbarons nicht verkneifen.

«Es ist nun an der Zeit jenen Gehör zu verschaffen, die die Gräuel der Chiks selbst miterlebt hatten.», fuhr schließlich der Hauptmann fort, wendete sich von den Versammelten ab und richtete seinen Blick auf zwei Gardisten, die jeweils rechts und links vor einer kleinen Tür postiert waren. Auf ein kaum wahrnehmbares Nicken seitens des Hauptmanns öffnete einer der Gardisten die Tür und machte somit den Weg frei für einen in die Jahre gekommenen Mann und eine Frau. Sichtlich überwältigt von der Größe der Halle und der auf sie gerichteten Blicke, setzten die beiden nur zögernd einen Fuß vor den anderen. Als sie jedoch schließlich die Mitte der Halle erreicht hatten, wurden sie von einem freundlich dreinblickenden Hauptmann empfangen.

«Trotz all dem Unglück, das euch in den letzten Tagen widerfahren ist, habt ihr auf meine Bitte hin euch dazu bereit erklärt, uns von eurem Unglück zu berichten. Wir alle wissen das zu schätzen. Doch nun spricht! Sagt, was ihr erlebt habt. Lasst nichts aus!», forderte der Hauptmann die beiden Neuankömmlinge auf und trat einen Schritt zur Seite.

«Sie kamen nachts.», begann der Mann in einer leicht zittrigen Stimme zu sprechen. «Das Donnern ihrer Pferdehufen war schon von weitem zu hören. Ohne irgendeine Vorwarnung zündeten sie unsere Häuser an, töteten das Vieh und jeden, der sich ihnen in den Weg stellte. Schnell war die Nacht von den Schreien der Verwundeten und jener, die um ihre Angehörigen trauerten erfüllt. Doch als ob das nicht genug wäre, trieben die Chiks die Überlebenden wie Vieh zusammen. Zogen die Alten und Schwachen aus der Menge heraus und erschlugen sie vor den Augen der Anwesenden. Allen anderen banden sie ein Seil um den Hals und führten sie ab in die Nacht, aus der sie noch vor wenigen Augenblicken gekommen waren. 17 Jahre lang haben ich und meine Familie auf dem Grund und Boden gelebt. Und nun ist alles dahin. Ich will ihnen nichts vormachen. Ich war nie ein Freund von den Chiks. Ich wusste schon immer, dass man ihnen nicht trauen kann. Es sind Wilde, die keinen Anstand besitzen. Sie haben vor den Augen meiner Frau und mir unserem ältesten Sohn ein Schwert in die Brust gestoßen, als dieser versuchte seine Schwester in Sicherheit zu bringen. Meine Tochter nahmen sie anschließend mit sich. Bis auf das, was wir am Leib trugen, ist uns nichts geblieben. Von unserem kleinen Dorf ist nur ein Haufen Asche geblieben. Uns allein haben sie verschont. Haben uns einfach stehen gelassen. Nicht aus Mitleid. Nicht, weil sie des Mordens überdrüssig waren. Nein. Sie haben uns verschont, damit wir allen erzählen, was uns wiederfahren ist.», beendete der Mann seine Erzählung, seine leise vor sich hin weinende Frau im Arm haltend.

«Danke! Vielen Dank für die Schilderung der Ereignisse. Wir trauern mit euch und bedauern euren Verlust. Doch sagt uns! Habt ihr während des Angriffs irgendetwas beobachten können, dass uns helfen könnte zu verstehen, was die Chiks antrieb? Haben die Chiks versucht, euch etwas mitzuteilen? Haben sie irgendwelche Drohungen ausgesprochen oder die Gefangenen beschuldigt, schuld an irgendeinem Unheil zu sein?», fuhr der Hauptmann fort.

«Nein. Nichts!», flüsterte der Bauer nachdenklich, seine Frau immer noch fest umklammert. «Den Chiks ging es nicht ums Reden. Mit ihrem Überfall haben sie uns eine klare Botschaft geschickt. Sie sind auf Krieg aus.», berichtete dieser und zog im nächsten Augenblick wie zum Beweis einen Pfeil aus seinem Umhang hervor und warf diesen auf den Boden. Sofort fielen alle Blicke auf den Pfeil, auf seine Spitze und die Federn. Augenblicklich wurde jedem Anwesenden klar, dass es sich hier um einen Pfeil der Chiks handelte. Als schließlich das Gemurmel der Anwesenden immer stärker wurde, erhob der Hauptmann erneut seine Hände und brachte die Anwesenden zum Schweigen.

«Danke!», lenkte der Hauptmann die Aufmerksamkeit auf sich, während er im nächsten Augenblick als Zeichen des Mitgefühls seine Hand auf die Schulter des Mannes legte. Doch dann wandte er sich energisch von den beiden ab und richtete seinen Blick herausfordernd den Versammelten zu. Noch während er seinen Blick langsam über die Menge schweifen ließ, wurde der alte Mann und seine Frau von einem der Gardisten aus der Halle geführt.

«Im Laufe des späten Nachmittags sind noch weitere Überlebende aus anderen Dörfern eingetroffen. Alle berichten dasselbe. Ein bewaffneter Trupp von Chik-Kriegern, wildes Geschrei, Tod und Verderben. In vielen Fällen wurden Kinder und alte Menschen bei den Angriffen getötet, während die jungen Männer und Frauen verschleppt wurden. Bis vor kurzem hatten wir noch keinen Anhaltspunkt, welches Ziel die Chiks mit ihren Angriffen verfolgen…», fasste der Hauptmann die Ereignisse zusammen und hielt für einen Moment inne. «…doch nun scheint Bewegung in die Sache gekommen zu sein. Wie ihr wisst, haben wir nach den letzten Übergriffen mehrere Trupps zusammengestellt, die entlang der Täler patrouillieren sollten. Nun konnte keiner dieser Trupps den Angriff verhindern, aber es ist einem dieser Trupps gelungen, einen Spähtrupp von Chik Kriegern zu stellen. Nach einem heftigen Kampf und einer wilden Verfolgungsjagd ist es den Chiks gelungen zu entkommen. Doch ihren Anführer konnten unsere Männer gefangen nehmen und hierher bringen.»

Nachdem die Bekanntgabe über die Gefangennahme eines Chiks die Runde gemacht hatte, brach das Gemurmel unter den Männern erneut auf. Und wieder musste der Hauptmann seine Hände in die Höhe heben, um sich Gehör zu verschaffen.

Als schließlich Ruhe unter den Versammelten herrschte, gab der Hauptmann mit einem leichten Wink seiner Hand einen seiner Gardisten ein Zeichen. Daraufhin öffnete sich die gleiche Tür wie zuvor und zwei bewaffnete Männer mit einem in kettengelegten jungen Mann traten in die Halle ein. Ausgehend von der Kleidung, die aus gegerbten Leder und Fellstücken, versetzt mit Knochenteilen von irgendwelchen Tieren, bestand, wurde jedem in der Halle sofort bewusst, dass es sich hierbei um den Chik-Gefangen handeln musste. Als dieser schließlich von seinen beiden Begleitern in die Mitte der Halle geschleppt und von ihrem festen Handgriff befreit wurde, sank dieser mit gesenktem Haupt völlig entkräftet auf seine Knie.

Beim Anblick des Gefangenen überkam die Anwesenden das Verlangen ihrer aufgestauten Wut Luft zu machen. Von einem Augenblick auf den anderen prallte eine Wucht von Beschimpfungen und Anschuldigungen auf den jungen Gefangenen herunter. Innerhalb von wenigen Minuten war die Luft in der großen Halle so aufgeheizt, dass der Hauptmann die Versammelten zur Ruhe und Ordnung ermahnen musste. «Ruhe!», erhob sich donnernd die Stimme des Hauptmanns über die Halle und bahnte sich ihren Weg durch den Lärm der Männer bis hin zum äußersten Winkel der Versammlungshalle. Obwohl die Atmosphäre in dem Raum förmlich zu explodieren drohte, reichte dieses eine Wort des Hauptmanns aus, um innerhalb von wenigen Augenblicken die Halle in Schweigen zu hüllen.

«Bartos.», führte der Hauptmann mit fester Stimme fort und wendete seinen Blick von der versammelten Menge ab und hin zu einem der Wachen, die soeben samt des Gefangenen die Halle betreten hatten. «Richte das Wort an den Gefangenen und übersetze allen Anwesenden, was der Gefangene zu seiner Verteidigung zu sagen hat.»

Doch entgegen der Erwartung des Hauptmanns und der Anwesenden erfüllte plötzlich nicht der Klang einer fremden Sprache den Raum, sondern die vertrauten Töne ihrer eigenen Sprache.

«Hört mich an!», forderte der Gefangene die Aufmerksamkeit der Versammelten ein. Als sich der Gefangene der Aufmerksamkeit aller bewusst war, ließ er seinen Blick herausfordernd langsam über die Reihe gleiten.

«Dem Süden kann man nicht trauen. Nur Trug und Verrat. Der Samen von einst ist aufgegangen und hat nun auch die Frucht verdorben. Euer Spiel nimmt bald ein jähes Ende. Eure gespaltene Zunge wird euch ins Verderben stürzen. Zehntausend unserer Krieger haben ihren Frieden mit den Geistern unserer Ahnen geschlossen und sind für ihre letzte Reise bereit. Das solltet ihr nun auch machen.»

Fassungslos und wie von einer tiefen Starre erfasst, erwachten die Anwesenden nur langsam aus ihrer Verblüffung. Viele der Anwesenden wussten mit dem Gesagten nur wenig anzufangen. Doch die Erwähnung einer Streitmacht aus über zehntausend Kriegern traf die Anwesenden mitten ins Mark. Selbst jene, die vor wenigen Minuten den Krieg so ehrfürchtig herbeisehnten, verstummten. Denn auch ihnen wurde sofort bewusst, dass das Grenzland einer Streitmacht von zehntausend Kriegern nichts entgegen zusetzen hatte.

Schließlich wunderte es keinen, als der Funken der Angst plötzlich um sich schlug. Einige der Männer aus der ersten Reihe sprangen Wut entbrannt auf den jungen Gefangenen zu, zogen ihre Messer aus ihren Scheiden und machten Anstalten diesen an Ort und Stelle zu lynchen.

Nur mit Mühe und Not gelang es den Wachen des Hauptmanns die aufgebrachte Menge von dem Gefangenen fernzuhalten.

«Wie konnte es soweit kommen?», sagte der Hauptmann mehr zu sich selbst als zu jemand anderen. «Was ist hier los?». Noch vor wenigen Minuten da schien er der Herr der Lage zu sein. Kämpferisch, sich seiner Führungsrolle bewusst. So hatte er in den ersten Minuten seinen Führungsanspruch gegen alle Zweifler unterstrichen, die ihm Schwäche und Konzeptlosigkeit in dem Konflikt mit den Chiks vorgeworfen hatten. Und dann wollte er auftrumpfen. Stark, sicher, entschlossen und zu allem bereit, um den alten Frieden zwischen den beiden Völkern wiederherzustellen. Doch dann von einem Moment auf den anderen entglitten ihm die Zügel. Noch vor ein paar Augenblicken, als er zusammen mit seinem Sohn und ein paar Wachen den Gefangenen vernommen hatte, da schien die Lösung des Konflikts zum Greifen nah.

Selbst der Gefangene ließ in diesem Gespräch alle wissen, dass die Chiks keinen Konflikt mit dem Norden wünschten und zu Gesprächen bereit wären. Bartos hatte alles Wort für Wort übersetzt und jetzt…

… brennt es förmig in der Halle. Und die Angst versetzte die Menschen in Rage und machte sie blind für die Vernunft. 23 Jahre lebte der Hauptmann nun im freien Grenzland. Seit 17 Jahren war er der Hauptmann des freien Grenzlandes und hatte sich stets für den Frieden zu allen benachbarten Völkern eingesetzt. Und nun nach all den Jahren fühlte er sich um die Früchte seiner Arbeit beraubt.

Doch das durfte er nicht zulassen! Auf keinen Fall. Er musste das Zepter wieder in die Hand nehmen. Nicht nur um seinetwegen, sondern vor allem um seiner Kinder und all jener Männer und Frauen, die in das Grenzland gekommen waren, um eine bessere, eine friedliche Zukunft für sich und ihre Familien aufzubauen.

«Ruhe! Ich sagte: Seid still und setzt euch gefälligst wieder auf eure Plätze!», donnerten die Worte des Hauptmanns mit wieder erstarkter Zuversicht durch die Halle. Verunsichert, aber wieder im Bahn des Hauptmanns beruhigte sich schließlich die Menge und alle Anwesenden kehrten zurück auf ihre ursprünglichen Plätze.

Anschließend wendete sich der Hauptmann schnellen Schrittes dem jungen Gefangenen zu, packte diesen mit der rechten Hand an seinen Haaren, zog den Kopf des Gefangenen nach hinten bis sich ihre Blicke kreuzten. «Ich weiss nicht, was du hier für ein Spiel spielst. Aber sei dir gewiß. Ich werde alles tun, um einen Krieg zu verhindern.»

Nach diesen Worten ließ er von dem jungen Mann ab und wandte sich der anwesenden Menge zu.

«Die Ereignisse dieses Tages bringen uns an einen Punkt in unserer Geschichte, an dem wir mit Vernunft herangehen müssen. Jeder von uns weiß, dass ein Feuer schnell geschürt werden kann. Die dabei entstehenden Flammen sind meist jedoch schwierig unter Kontrolle zu halten. Ich denke, dass jeder von den Anwesenden mir zustimmt, dass wir die Flammen am besten hier vor Ort im Keim ersticken, noch bevor sie sich zu einem Brandherd entwickeln, dessen Auswirkung keiner voraussehen kann.»

«Wir müssen aber etwas tun. Wir können doch nicht hier sitzen und zulassen, dass diese Wilden über unsere Familien und unsere Häuser herfallen.», bahnte sich eine Stimme aus der Menge ihren Weg bis zu den Ohren des Hauptmanns.

«In dieser Hinsicht sind wir wohl alle einer Meinung. Fakt ist aber auch, wenn das wahr ist, was wir heute aus dem Munde dieses Chiks gehört haben, dann haben wir es mit einer Streitkraft zu tun bestehend aus zehntausend Chiks. Und so einer Streitkraft haben wir nicht viel entgegen zu setzen. Was ich weiß, ist aber folgendes: Berichte von Kundschaftern, die im Zuge der letzten Ereignisse ausgesandt wurden, um die Überfälle zu untersuchen, haben gezeigt, dass sich die Chiks tatsächlich zu größeren Gruppen zusammenschließen. Über die genaue Truppenstärke können wir nur spekulieren. Fakt ist jedoch, dass wir, wenn wir alle wehrfähigen Männer unsererseits mobilisieren, höchstens auf eine Truppenstärke von knapp dreitausend Mann kommen. In diesem Fall braucht man kein Rechenkünstler zu sein, um festzustellen, wie unsere Chancen stehen.»

«Und was sollen wir jetzt tun, Hauptmann?», ertönte die Stimme einer Frau aus der Menge.

«Ich schlage vor, dass eine Vertretung aus Freiwilligen sich in das Land der Chiks aufmacht und dort auf diplomatischen Wege eine Übereinkunft erzielt, zum Wohle aller.», erwiderte der Hauptmann.

«Du meinst also, wir sollen vor ihnen in den Schlamm kriechen und unsere Seele an diese… diese Wilden verkaufen! Niemals!», erwiderte ein aufgebrachter Mann aus der ersten Reihe.

«Keiner spricht davon, dass wir vor den Chiks in den Schlamm kriechen sollen. Mein Vorschlag ist nur der, dass wir uns vereint als eine starke Stimme, den Chiks gegenüber stellen sollten. Diesen klar machen, dass wir unser Leben und unsere Freiheit notfalls mit Waffengewalt und bis zum letzten Mann verteidigen werden. Wenn dieser letzte Versuch auf diplomatischem Wege eine Einigung zum Vorteil für beide Seiten fehlschlägt, können wir immer noch Krieg führen. Aber das sollte die letzte Option sein. Ich habe euch heute in die Halle mit jeweils einem eurer Söhne bzw. Töchtern kommen lassen. Und nun bitte ich euch freie Männer und Frauen des Grenzlandes einen Blick auf eure Sprösslinge zu werfen und mir zu sagen, ob ihr bereit seid, diese in den Kampf zu schicken und damit auch vielleicht in den Tod, ohne im Voraus alle Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben?», spielte der Hauptmann seine wichtigste Trumpfkarte aus. Für einen Moment legte sich Stille über den Saal. Und grade als der Hauptmann sich seines Sieges sicher war, erklang die Stimme des Viehbarons im Saal.

«Hauptmann… Ich glaube, ich maße mir nicht zu viel an, wenn ich im Namen meiner Brüder und Schwestern hier, euch unseren Dank ausspreche. Ihr wart immer stets bemüht den Frieden in unserem Land zu wahren. Und das ist gut so. Und dies sollte immer unser vorrangiges Ziel sein. Dennoch muss ich zugeben, dass ich von ihrer jetzigen Vorgehensweise nicht ganz überzeugt bin. Schließlich haben wir alle grade klar und deutlich vernommen, wie dieser Chik uns dargestellt hat, dass sein Volk an keiner Verhandlung interessiert ist. In diesem Zusammenhang stellt sich mir die Frage, wer von den Anwesenden soll ihrer Meinung nach verrückt genug sein, sich auf dieses Himmelfahrtskommando zu begeben und uns bei diesen Verhandlungen, wenn es überhaupt dazu kommt, zu vertreten?»

«Ich werde selbstverständlich von meinen Landsleuten nichts verlangen, was ich nicht bereit wäre selbst zu tun. Deswegen habe ich mich entschlossen, die Verhandlungen selbst zu führen.», antwortete der Hauptmann, woraufhin ein Raunen durch den Raum ging.

«Diese Reise kann ich natürlich nicht allein antreten und sollte dies auch nicht.», fuhr der Hauptmann nach einem Moment fort. «Das Ziel unserer Reise ist es den Chiks begreiflich zu machen, dass wir geschlossen zueinander stehen und mit einer Stimme sprechen. Aus diesem Grund wäre ich glücklich, wenn sich aus den hier Versammelten Freiwillige zusammen finden, um mich und meine Soldaten zu begleiten.»

«Ich werde mich melden.», richtete Jamie das Wort an Melcom Sohn Martok.

«Nein, das wirst du nicht. Ich verbiete es dir!», mischte sich Ian ein. Gerade als Jamie zu einer Erwiderung ansetzte, ertönte die Stimme des Viehbarons von neuem.

«Verzeihen Sie mir meine direkte Art. Aber vielleicht sollten wir über andere Optionen nachdenken.»

«Es gibt nur diese Option auf Frieden.», entgegnete der Hauptmann selbstsicher und wandte sich vom Viehbaron ab.

«Nein!», widersprach der Viehbaron dem Hauptmann und lenkte damit die Aufmerksamkeit aller Beteiligten auf sich.

Sich der Blicke aller bewusst, trat der Viehbaron sicheren Schrittes in die Mitte der Halle.

«Die Umstände, in denen wir heute leben, sind bedrückend. Zugegeben. Im Gegensatz zu dem armen Bauern, der nicht nur sein Hab und Gut sondern auch einen Teil seiner Familie verloren hat, habe ich bisher im den ganzen Konflikt nur ein paar Rinder eingebüßt. Ich kann also den Schmerz, den der Mann und seine Frau über den Verlust ihrer Kinder erlitten haben, nicht nachvollziehen. Doch allein die Vorstellung meinen Sohn zu verlieren, lässt mir den Schweiß kalt über den Rücken laufen. Einst sagte mir ein alter Freund, dass das Schlimmste, was einem Mann passieren kann, ist, dass der Tod bei den eigenen Kinder schneller eintritt, als bei einem selbst.» Nach diesen Worten unterbrach der Viehbaron für einen Moment seine Rede und ließ für einen Moment den Blick über die Menge schweifen. «Ich weiß, ich genieße in dieser Halle nicht denselben Respekt wie unser Hauptmann. Aber ungeachtet dessen möchte ich allen hier Versammelten zu bedenken geben, dass es noch eine weitere Alternative gibt! Eine die, wenn uns das Schicksal gnädig ist, kein weiteres Blutvergießen fordert.

Ich weiß, dass viele zu meiner Verbundenheit mit dem arkanischen Königreich nicht grade positiv gegenüber stehen. Und ich bin auch heute nicht hier, um euch zu überzeugen, welchen Nutzen es für uns alle hätte, wenn wir uns dem arkanischen Königreich anschließen würden. Nein, bei dem einen Gott. Das schwöre ich euch. Worum ich euch, meine Landsleute, bitten möchte, ist, dass ihr euch einmal das anhört, was der Abgesandte des arkanischen Königreiches zu sagen hat. Und wenn nicht um euretwillen, dann um das eurer Kinder.», beendete der Viehbaron seine Schilderung und deutete mit seiner rechten Hand auf zwei Personen, die in braunen Kapuzenmänteln gehüllt, in der Nähe der Eingangstür standen.

Die Ankündigung, dass Abgesandte des arkanischen Königreiches sich in der Halle des Friedens befanden, weckte gleichermaßen Neugier und Erstaunen unter den Versammelten.

Sich der Aufmerksamkeit der Versammelten bewusst, machte eine der Gestalten zwei Schritte auf die Mitte der Halle zu und verharrte dort für einen Moment. Das Gesicht durch die Kapuze verhüllt, hebte der Neuankömmling seine Hände in die Höhe, griff nach der Kapuze und zog sie langsam nach hinten. Schon auf den ersten Blick wurde jedem in der Halle bewusst, dass dieser Mann von einer Aura umgeben war, die Stolz, Würde, aber auch Erfahrung und Autorität ausstrahlte.

«Dürfte ich in die Mitte der Halle vortreten, ehrenvoller Hauptmann, um die Botschaft, die ich von meinem König erhalten habe, zu überbringen?»

Obwohl das Gesicht des Hauptmanns nach außen hin keine Regung zeigte, fühlte sich dieser zum zweiten Mal an diesem Abend überrumpelt.

Doch anstatt sich gegen den Viehbaron und den Neuankömmling zu stellen und somit womöglich einige Nordmänner gegen sich aufzubringen, sagte der Hauptmann: «Bitte. Treten Sie vor und lassen Sie uns an den Worten eures Königs teilhaben.»

Nach einer kurzen Verbeugung in Richtung des Hauptmanns schritt der arkanische Abgesandte selbstsicher in die Mitte der Halle. Dort angekommen, öffnete er ein Stück weit seinen Umhang und machte somit Teile seiner Rüstung sichtbar.

«Jamie. Schau dir die prachtvolle Rüstung des Abgesandten an. So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen.», hörte Ian Martok sagen.

«Das ist kein Abgesandter, dass ist ein Gott verdammter arkanischer Heerführer.», stellte Ian fest, nicht gewillt seinen Unmut für sich zu behalten.

«Ich würde gerne sagen, dass es mir eine Freude ist, heute hier zu sein und zu Ihnen zu sprechen. Doch die Umstände, die mich hierher geführt haben, sind nicht gerade passend, um so eine Begrüßung zu formulieren.», eröffnete der Abgesandte seinen Dialog. «Geehrte Anwesende lassen Sie mich eins vorweg sagen. Das arkanische Königreich mag für viele von euch weit weg sein. Aber seien Sie versichert. Die Kunde von den Vorfällen, die hier im Grenzland stattgefunden haben, ist bis in den letzten Winkels unseres Reiches vorgedrungen und hat eine Woge des Mitgefühls unter den Menschen ausgelöst. Einige der Anwesenden kamen einst von weither, aus fernen Ländern. Der größte Teil der Bewohner dieses Landes stammt jedoch aus unserem Königreich. Diese Tatsache macht uns sozusagen zu weit entfernten Verwandten und ist auch der Grund, weshalb das Volk der Arkanier und der König selbst, nicht mehr gewillt sind, tatenlos wegzuschauen, sondern euch in der Stunde eurer Not unsere Hilfe anbieten. Aus diesem Grunde bin ich hier, als Abgesandter des Königs, um euch, sofern das gewünscht ist, unter den Schutz des arkanischen Königreiches zu stellen.»

Ausgehend von den Worten des Abgesandten begann sofort ein Getuschel den Saal einzunehmen.

«Und was genau versteht denn der König unter dem Schutz des arkanische Königreiches?» durchbrach die Stimme des Hauptmanns das Gemurmel und lenkte alle Augenpaare auf den Abgesandten.

«In diesem Moment stehen 5000 Soldaten der arkanischen Armee an der Grenze zum freien Grenzland und warten darauf, den Menschen in ihrem Kampf um Freiheit zur Seite zu stehen. Das versteht der König unter Schutz.», beantwortete der Abgesandte die Frage freundlich lächelnd, wendete anschließend seinen Blick vom Hauptmann ab und blickte in die Menge. «Unter Hilfe versteht er, dass alle Provinzen, die bisher unter den Angriffen gelitten haben, finanziell und mit Sachgütern unterstützt werden sollen, damit die Menschen vor Ort wieder Fuß fassen können. Des Weiteren möchte das arkanische Königreich den Ausbau von Handelsrouten zwischen unseren beiden Ländern verstärken und damit den allgemeinen Wohlstand in dieser Region zu steigern. Darüber hinaus bietet das Königreich seine Hilfe beim Bau von Krankenhäusern, um die Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen. Die Errichtung von Schulen und Bibliotheken wurde ebenfalls besprochen. Denn Wissen verändert alles und ist…»

«Nein!», durchbrach plötzlich die Stimme von Ian den Monolog des Abgesandten und lenkte alle Aufmerksamkeit auf ihn. Von einem Moment auf den anderen herrschte plötzlich Totenstille im Saal.

Als schließlich weder Ian noch der Hauptmann irgendwelche Anzeichen machten etwas zu erwidern, nahm der Abgesandte das Zepter in die Hand und wandte sich von Ian ab. «Und...», begann der Abgesandte von neuem, wurde aber sogleich von Ian abermals unterbrochen: «Ich sagte: Nein!»

Ian bemühte sich seine Wut unter Kontrolle zu kriegen. Als er schließlich seine Fassung wieder gefunden hatte, so dass er einen einigermaßen vernünftigen Satz über seine Lippen bringen konnte, herrschte bereits ein bedrücktes Schweigen im Saal. «Es ist nicht das Wissen um irgendeine Sache, dass alles auf der Welt verändert. Sondern unser Handeln, dass die Wogen zwischen arm und reich, dumm und klug, der Herkunft und dem Glauben eines Menschen verwischt und einen Blender von einer Person mit Idealen unterscheidet».

«Und da kann ich Ihnen nur beipflichten.», nahm der Heerführer den Faden wieder auf. «Und aus diesem Grund sind wir hier. Wir wollen handeln und ein Zeichen setzen.», beendete der Abgesandte seine Ausführung und war gerade dabei sich von Ian abzuwenden, um in seiner unterbrochenen Rede an die Versammelten fortzufahren, als die Stimme von Ian wieder den Raum erfüllte.

«Gut gesprochen. Doch welchen Preis hat euer Handeln?», setzte Ian von neuem an, nicht gewillt, dem Abgesandten sein Blendwerk weiter treiben zu lassen. «Verzeihen Sie mir, wenn ich ein wenig skeptisch klinge. Aber es kommt nicht alle Tage vor, dass jemand an die Tür klopft und einem anbietet, dessen Probleme zu lösen. Also bleiben wir realistisch. Was erwartet das arkanische Königreich von uns als Gegenleistung?»

«Die Welt ist natürlich nicht immer so wie man sie sich wünscht. Aber im Grunde spiegelt ihr Wohlstand wiederum unseren Wohlstand wieder. Von den neuen Handelsrouten und Geschäftsbeziehungen würden natürlich beide Seiten profitieren. Außerdem würde eine Vereinbarung zwischen unseren beiden Völkern ein wichtiges Signal an alle anderen Völker senden. Und zwar, dass wir gemeinsam gegen jede Art von Bedrohung von außen Seite an Seite stehen.»

«Verehrte Versammelte.», fuhr der Abgesandte fort, seine Worte nun an alle gerichtet. «Die Welt, in der wir leben, ist einem ständigen Wandel unterzogen. Und dieser Wandel bringt nicht nur Gutes mit sich sondern auch Gefahren. Nur gemeinsam können wir uns den neuen Herausforderungen unserer Zeit stellen, um den Frieden für uns und unsere Kinder dauerhaft zu erhalten.»

«Arguh. 20 nach Haal. Mit denselben Worten schwor der Heerführer der 9. Kohorte seine Soldaten ein, kurz bevor er den Widerstand der Beruch niederschlagen ließ und dieses Gebiet endgültig für das arkanische Königreich einnahm.», kommentierte Ian den Wortlaut des arkanischen Abgesandten.

Wie vor den Kopf gestoßen, verharrte der Abgesandte auf einer Stelle und fokussierte Ian mit festen Blick. Sichtlich überrascht von der offensichtlichen Abneigung, mit der Ian den Abgesandten entgegen trat, legte Melcom eine Hand auf Ians Schulter, um diesem zu verstehen zu geben, dass er sich zurückhalten soll.

«Ehrenwerte Mitglieder der Versammlung.», nahm der Abgesandte nach einem Moment den Faden wieder auf und wendete sich von Ian ab. «Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass es unter Ihnen Menschen gibt, die unserem Hilfsangebot misstrauisch gegenüber stehen. Und das ist auch verständlich. Die arkanische Geschichte ist nicht nur von Wohltaten geprägt. Aber es ist nicht die Geschichte, die die Menschen eines Königreiches prägen, sondern die Menschen, die die Geschichte prägen. Und grade heute ist der Tag, an dem ich als Abgesandter des arkanischen Königreiches vor Ihnen stehe und Ihnen die Hilfe meines Königreiches anbiete. Was Sie aber mit dieser anfangen wollen, dass allein liegt an Ihnen. Wir werden eure Entscheidung akzeptieren. Unabhängig davon, wie ihr euch heute nun entscheidet, möchte ich euch eins mit auf den Weg geben. Die Offerte bleibt auch für die nächste Zeit erhalten und kann auch von euch in Zukunft wahrgenommen werden.», beendete der Abgesandte seine Rede und machte in einer leicht gebückten Haltung zwei Schritte nach hinten.

«Euer Angebot ehrt uns sehr. Bitte richten Sie Ihrem König unseren Dank und unsere Ehrerbietung aus.», nahm der Hauptmann das Wort an sich und dankte im Inneren Ian für seine Einmischung. Mit Genugtuung wendete der Hauptmann seinen Blick auf die Versammelten und begann zu sprechen: «Es ist nun an der Zeit, über unser Vorgehen abzustimmen. Ich bitte nun alle, die meinen Vorschlag unterstützen, einen letzten diplomatischen Versuch zu unternehmen, um die Konflikte auf friedliche Weise zu lösen, die rechte Hand zu heben.»

Abgesehen von einigen wenigen Männern und denen, die in Abhängigkeit zu dem Viehbaron standen, sprach sich die Mehrheit der Anwesenden für eine diplomatische Lösung aus.

Ian war nur froh, dass sein Sohn und all die anderen Söhne, die noch kein eigenes Land bestellten, kein Stimmrecht besaßen. Denn sonst, so war er überzeugt, wäre die Abstimmung ganz anders verlaufen. Vorerst jedoch schien das Schlimmste abgewendet zu sein. Doch die Wirkung, die der Abgesandte in seiner Aufmachung auf die jungen Männer ausgeübt hatte, war nicht weg zu reden. Die Verlockung zu etwas Größerem dazu zu gehören und dem eigenen Leben somit einen größeren Sinn zu verleihen, war in diesem Alter nur schwer zu widerstehen. Und das wusste Ian nur zu gut.

Als sich schließlich die Versammlung ihrem Ende nährte und der Hauptmann seine Freiwilligen, um sich geschart hatte, konnte Ian entspannt aufatmen. Sichtlich zufrieden mit dem Verlauf der Versammlung, verließ Ian in Begleitung von Melcom und ihren beiden Söhnen den Saal des Friedens und machten sich auf den Weg nach Hause.

Arguh:Blendwerk

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