Читать книгу MISTY DEW 1 - Agnete C. Greeley - Страница 5

4. Kapitel

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Chicago - River North

Okay, Irene hielt sich tapfer, soweit Julian das beurteilen konnte. Doch es gefiel ihm nicht, wie sich die Situation entwickelte. Nicht, dass er sich einmischen wollte, aber dieser Bikertyp wirkte nicht gerade vertrauenserweckend. Er sah sicher gut aus und wirkte so weit friedlich, doch jedes Mal wenn der Biker seinen Blick wachsam durchs Lokal schweifen ließ, und das tat der Typ oft, erkannte Julian den harten Ausdruck in seinen Augen. Dennoch genügte das nicht, um jemanden zu verurteilen. Außerdem kannte er Irene nicht. Er hatte nur von anderen gehört wie sie war, wie sie sich normalerweise benahm. Jedenfalls schien sie sehr beliebt bei ihren Leuten zu sein, und sie sah sehr gut aus. Wie kam es dann, dass sie sich ausgerechnet mit solchen Typen hier im River-North Bezirk in Chicago einließ? Ob die beiden etwas miteinander hatten?

Bei näherer Betrachtung musste Julian verneinen. Zwar berührte der Typ ständig Irene an der Schulter oder am Arm, doch sie selbst hielt Abstand. Julian kannte die Chemie zwischen zwei Leuten, die Sex miteinander gehabt hatten, oder haben wollten, und hier war nichts davon zu spüren. Zumindest nicht von Irenes Seite aus.

Stirnrunzelnd betrachtete er, wie sie den dritten Tequila gemeinsam leerten.

»Oh, Mädchen, wenn du so weitermachst, bekommst du sicher Schwierigkeiten«, murmelte er, während er beobachtete, wie Irene unsicher vom Hocker rutschte und ihre Tasche nahm.

Sie steuerte eine Tür neben der Bar an. Die Toiletten, wie Julian annahm.

Er warf einen Blick auf die Uhr. Für seinen Geschmack verging die Zeit viel zu langsam. Es war bereits nach elf Uhr und nichts schien sich zu verändern. Irene und ihr Biker-Boy tranken Tequila und der Regen hielt sich nach wie vor hartnäckig.

Während er weiterhin abwartete, vibrierte sein Handy in der Hosentasche und er kramte es hervor. Auf dem Display erkannte er, dass Will dran war.

»Na toll.« Julian hätte ihn schon längst anrufen sollen. Er atmete einmal tief durch, ehe er das Gespräch annahm.

»Hey, alter Mann, was ist los?«

»Ich werde dir gleich alter Mann geben. Ausgemacht war, dass du mich stündlich anrufst, also SAG MIR BITTE, dass du sie gefunden hast und nicht in Schwierigkeiten steckst!« Brummig wie immer.

»Ich stecke nicht in Schwierigkeiten, noch nicht, und ich habe sie gefunden. Sie ist in einer Bar in der.« er trat in den Regen, und suchte das Straßenschild.

»North Clark Street. Red Heat, so ein Bikerschuppen mit extrabilligen Getränken.«

Für einen Augenblick wurde es totenstill am anderen Ende des Telefons, dann folgte ein heftiges Fluchen.

»Verdammt, das sagst du mir erst jetzt? Bist du bei ihr? Geht’s ihr gut? Red Heat, das ist übel. Julian. Verdammt übel! Dort treibt diese Motorradgang ihr Unwesen, wie hieß sie noch gleich? Die Thunder-Devils, oder Lightning Satans, ach was weiß ich, irgendso ein bescheuerter Name.«

Julian blickte abermals durchs Fenster und versuchte zu entziffern, was auf der Jacke des Bikers an der Bar, stand.

»Ähm, Thunder Evil Brigade«, meinte er hilfreich.

»Ja, genau. Was zum Teufel macht sie denn nur dort? Hol sie da sofort raus, Jul. Dort gibt es üble Typen, wirklich üble Typen. Drogendealer, Frauenhändler, die schlimmste Sorte von allen. Scheiße!« Will war ziemlich aufgebracht.

Seufzend betrachtete Julian die Szenerie an der Bar.

»Hm, naja, sie scheint hier Stammgast zu sein, also.«

Will unterbrach ihn.

»Nichts also! Diese Biker sind schuld an der Explosion im Walkabout in Indiana, vor drei Monaten.«

Julian pfiff durch die Zähne.

»Wow, diese Rollerblade-Bar in Fort Wayne. Ja, ich hab davon gehört«, und wie er das hatte. Zwei Tote und sieben Schwerverletzte. Irgendein böser Drogenkrieg lief dort. Er stieß heftig die Luft zwischen den Zähnen hervor. Das war übel.

»Scheiße ... Okay, okay, alles schön und gut, Will, aber.« Er warf einen weiteren Blick durch die Scheibe.

» ... sie kennt diesen Typen an der Bar, sie trinkt mit ihm Tequila, verdammt noch mal. Ich kann da nicht einfach so reinplatzen! Sie weiß ja nicht mal, wer ich bin.«

Wills Stimme wurde gefährlich ruhig.

»Okay, jetzt hör mir genau zu, Junge. Sie sollte, egal wie gut sie den Typen zu kennen scheint, nicht eine Sekunde länger dort bleiben, okay? Ich hab keine Zeit dir das genauer zu erklären, aber ich komm hin. Hol sie dort raus.«

»Was? Sagst du mir noch, wie ich das anstellen soll? Sie macht nur einen Muckser, und ich bin tot, Mann!« Julian könnte sich dafür verfluchen, diesen Job angenommen zu haben.

»Lass dir halt was einfallen! Bist ja sonst auch so ein Schlaumeier. Ich bin schon unterwegs! Also los!« Dann war das Handy tot und Julian wieder auf sich alleine gestellt.

Fieberhaft überlegte er, was er tun konnte, um Irene rauszuholen.

Um abzuchecken, wie groß seine Chancen waren, die Frau ohne Schwierigkeiten aus dieser Bar rauszubekommen, zählte er nochmal im Geiste die für ihn sichtbaren Leute in der Bar ab. Im gleichen Moment wurde er Zeuge, wie der Sully-Indy-Typ sich hastig umsah, ehe er aus einem kleinen braunen Fläschchen rasch ein paar Tropfen in eines der Gläser vor ihm fallen ließ. Nicht schwer zu erraten, wer das saufen sollte.

»Oh Mann!« Jetzt musste Julian handeln, denn egal, was der Typ da reingetan hatte, es war garantiert etwas Schlechtes. Julian tippte auf K.O Tropfen. Wäre ja nichts Neues. Was konnte er nun tun? Er zog alle ehemaligen Rollen, die er je gespielt hatte, in Betracht, bis ihm endlich der rettende Gedanke kam!

Hastig pickte er alle Ausweise, die er eingesteckt hatte, hervor und sah sie rasch durch.

»Na, da ist er ja!«

Zufrieden besah er sich die echt wirkende Karte mit dem Doktorenaufdruck: PhD Hetfield. Ja, das konnte gehen! Sogar das Foto passte noch.

Soviel zur Vergangenheitsbewältigung. Will wäre garantiert nicht zufrieden damit, aber andererseits, das Leben war hart, da musste man schon mal improvisieren.

Julian nahm sich nicht mehr die Zeit, näher darüber nachzudenken. Im gleichen Augenblick, als Irene vom WC zurückkam, betrat er das Lokal. Die Show konnte losgehen!

»Irina! Endlich! Ich bin so froh, dich äh, gesund und munter vorzufinden. Du solltest doch im Center sein.«

Die Sprachlosigkeit der Frau war ausgesprochen hilfreich.

»Du bist einfach so abgehauen. Dabei weißt du doch, dass du uns Bescheid geben solltest, wenn du raus willst. Wir haben dich wochenlang gesucht!«, fügte er im beschwichtigenden Tonfall hinzu.

Entschuldigend wandte sich Julian an die verwirrt dreinblickende Kellnerin.

»Tut mir leid, hier einfach so reinzuplatzen. Aber Irene oder René, wie sie sich hier nennt, ist eine Patientin von mir.«

»Oh, ja, gut.« Die Kellnerin nickte hastig, und trat sicherheitshalber von der Bar weg. Der Barkeeper musterte ihn gelassen, doch entgegnete nichts.

Der Biker auf dem Barhocker drehte sich rasch zu Julian um.

»Was zum Teufel soll das?«

Julian hielt rasch die Ausweiskarte hoch.

»Oh, verzeihen Sie. Ich bin Dr. Hetfield aus Wisconsin, Clearridge Lake.« Er deutete eine leichte Verbeugung an, wobei er sich darum bemühte, ernst zu bleiben.

»Ihr Ehemann, General Willington war ziemlich verzweifelt, als sie aus dem Center verschwand. Er wollte schon die US-Navy hinter ihr herjagen, doch zum Glück haben wir sie vorher gefunden.« Er versuchte, erleichtert zu klingen, was ihn anhand der sich anspannenden Biker ziemlich schwer fiel.

Zu allem Überfluss fand auch Irene soeben ihre Worte wieder.

»Ich bin nicht Irina, und Sie kenn ich ja.«

Julian unterbrach sie rasch, ehe sie beide ins Verderben reiten konnte.

»Jaja, ich weiß, du kennst mich, ich kenn dich. Komm schon, dir ist doch klar, dass dir niemand helfen kann, wenn du einen Anfall bekommst, nur weil du deine Medikamente nicht regelmäßig einnimmst?«

Perplex starrte Irene ihn an. Natürlich verstand sie kein Wort von dem, was Julian von sich gab.

»Ähm,ich hab keine Ahnung, wovon Sie sprechen«, stieß sie endlich hervor. Fahrig griff sie nach dem erneut gefüllten Glas an der Bar.

»Trink das bitte nicht«, versuchte Julian sie zu bremsen, doch sie ließ sich davon nicht beirren, sondern leerte das Glas in einem Zug. Nervös schob sie ihr Glas zum Barmann.

»Noch einen, bitte.«

Julian aka Dr. Hetfield, verzog unglücklich das Gesicht.

»Ähm, Irina, nein, das verträgt sich nicht so gut mit deinen Medikamenten, also vielleicht.«

Im gleichen Moment sprang der Biker an der Bar so rasch vom Barhocker, dass Julian sich zusammenreißen musste, um nicht zurückzuweichen.

»Genug, ich schlage vor, dass du hier deinen Modellarsch so rasch wie möglich rausbewegst, ehe wir dich raustreten. Denn das wird unschön, Doc.«

Das gefährliche Funkeln in den Augen des Mannes verhieß nichts Gutes. Außerdem erkannte Julian aus den Augenwinkeln dass sich ein paar der Kartenspieler, wie auf einen unsichtbaren Befehl hin, erhoben. Allerdings machte keiner Anstalten, sich zu nähern, noch nicht. Unauffällig checkte er, wie viele der harten Kerle hier wohl Waffen eingesteckt hatten. Falls er die Ausbeulungen diverser Jacken richtig deutete, war das Resultat alles andere als beruhigend.

Julian hob beschwichtigend die Hände und versuchte ein beruhigendes Lächeln.

»Nicht doch. Jungs! Seht sie euch doch an! Sie ist vollkommen durcheinander«, flehte er.

»Hat vermutlich seit Tagen keine Medikamente mehr eingenommen. Ich will ihr doch nur helfen. Ihre kleine Tochter Lou, sie ist auch ein bisschen durch den Wind. Als ihre Mom verschwand und dann all das Herumreisen ihres Vaters. Für ein kleines Mädchen eine Menge Stress. Und René oder Irina, wie auch immer, sie hatte nur einen kleinen Nervenzusammenbruch. Deswegen haben diese Medikamente auch so gut gewirkt, bis sie.«

Er zuckte mit den Schultern, ohne jedoch die Kerle aus den Augen zu lassen.

»Nun, bis sie diese Anfälle bekam und, naja, sie ist ja nicht eingesperrt, also ist sie einfach rausgegangen und war fort.«

»Warte! Sie hat ein Kind?« Der Oberbiker klang verunsichert.

Bestand die Möglichkeit, das ihn tatsächlich eine solche Nachricht aus der Fassung, bringen konnte? Wenn ja, half das ungemein.

Julian nickte gespielt besorgt. Prüfend musterte er Irene, die auf einmal etwas blass um die Nase schien. Ihre Hände verkrampften sich um den Tresen, als ob sie versuchte, das Gleichgewicht zu halten.

»Ähm, ja, die Kleine ist erst vier«, setzte Julian einen drauf.

Er warf einen Blick in die Bikerrunde.

»Es ist kein Wunder, dass Irina das für sich behalten hat. Die letzten Monate waren zu viel. Deswegen war sie ja auch bei uns in Behandlung. Das Therapiecenter ist sehr gut.«

»In Behandlung?«

Verständnislos starrte sie den ihr völlig Unbekannten an. Julian konnte merken, dass sie leicht schwankte. Hoffentlich blieb sie noch eine Weile auf den Beinen.

Bei näherer Betrachtung des ihr fremden Mannes, beschloss sie sich zu entspannen. Er sah doch ganz nett aus. Eigentlich sah er sogar sehr sexy aus.

»Heey, komm, trink einen mit uns«, meinte sie plötzlich direkt an ihn gewandt und legte ihren Arm auf seine Schulter.

Julian seufzte leise. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Vermutlich wirkten die Tropfen bereits.

»Hm, liebend gerne, aber heute eher nicht mehr«, meinte er freundlich.

Ohne sie aus den Augen zu lassen, wandte er sich erneut an die Bikerrunde, die nach wie vor abzuwarten schien. Jedenfalls machte keiner von ihnen Anstalten, näher zu kommen.

»Also Lou ist einfach bezaubernd, doch nach dem Unfall ihres Vaters,« Er machte eine bedeutungsvolle Pause, um seinen Worten mehr Wirkung zu verleihen. Irene runzelte die Stirn, während sie sich an Julian lehnte. Vermutlich wäre sie ohne diese Stütze zu Boden gegangen.

»Wer isss Louu, Doktor?«, flüsterte sie vertrauensvoll in sein Ohr.

Julian tätschelte ihren Arm. Sie war auf einmal ungewöhnlich kontaktfreudig. Es war offensichtlich, dass sie ihn anflirtete. K. O Tropfen konnten sich auf diese Art und Weise auswirken.

Julian würde das jedenfalls zu ihrem Gunsten ausnutzen. Er strich ihr leicht über die Wange und sah ihr in die Augen.

»Deine kleine Tochter. Du weißt schon. Die, die sich um dich sorgt und auf dich wartet«, spann er seine Geschichte weiter. Er ahnte, dass sie nicht wirklich mehr aufnahmefähig war, also beschloss er, noch einen draufzusetzen. Hoffentlich kostete ihm das nicht seinen Kopf. Wo blieb Will nur die ganze Zeit?

»Wissen Sie, wenn sie ihre Anfälle bekommt, dann«, er warf einen bedeutungsvollen Blick zu Irene, die sich schwankend auf ihn stützte, und umfasste behutsam ihre Taille.

»Es ist, ähm, schrecklich, wenn sie um sich schlägt und spuckt. Und diese Krämpfe«, er verzog schmerzvoll das Gesicht.

»Die sind echt die schlimmsten.«

»Mann, halt endlich die Klappe!«, zischelte der Biker-Oberboss. Doch Julian kam gerade richtig in Fahrt. Scheinbar wurde der Kerl langsam nervös. Ob das an den Tropfen lag, die er ihr ins Getränk gekippt hatte? Jedenfalls würde der Kerl entweder seine Bluthunde auf Julian hetzen oder sie gehen lassen.

»Nun, es ist wirklich kein schöner Anblick, wenn sie die Augen verdreht und sich windet.«

Er zog sie noch ein wenig fester an sich. Nebenbei bemerkte er, dass sie sich nicht dagegen wehrte. Im Gegenteil, sie stützte sich weiterhin auf ihn.

»Und diese Atemnot. Mann, einfach schlimm, so ganz ohne einen Arzt in der Nähe. Und dann ist da noch ihr Mann«, betrübt sah er den Biker an.

»Es ist nicht leicht für eine Navy-Ehefrau, wissen Sie.« Er schüttelte bekümmert den Kopf.

Irene nickte träge.

»Ja, issnich leicht«, nuschelte sie mit schwerer Zunge.

Julian musterte mit zusammengekniffenen Augen die Biker an dem Tisch. Im Moment wirkten sie fast wieder entspannt. Die Kindergeschichte hatte die harten Kerle wohl weich werden lassen.

Gut, es war wohl an der Zeit, Irene hier rauszubringen, ehe es sich jemand anders überlegte, und es doch noch zu einem Kampf kam.

»Wir sollten endlich gehen. Nicht wahr, Irina?«, raunte Julian ihr sanft zu, während er ihr sachte eine Haarsträhne zurückstrich. Diese Geste erweckte den Eindruck einer tiefen Vertrautheit, was auch Sinn der Sache war.

Irene nickte zögernd.

»J ... jaa, suu Tür raus und nachhause«, lallte sie benommen.

Julian nahm den roten Mantel, den die Frau auf den Hocker gelegt hatte. Es gelang ihm, ihr hineinzuhelfen, ohne dass sie umfiel.

»So, meine Liebe. Wir sind so weit.«

Im gleichen Moment wurde die Eingangstür aufgerissen und Will trat ein. Scheinbar auf Ärger gefasst, blickte er sich hektisch um.

»Oh, Sie waren aber sehr schnell, General Willington«, warf Julian hilfreich ein, ehe Will loslegen konnte.

»Ihrer Frau geht es so weit gut. Alles im Lot.«

Wills Verständnislosigkeit war nur kurz erkennbar, dann fiel sein Blick auf den Ausweis, den Julian ihm unauffällig hinhielt.

»Bitte, könnten Sie die Rechnung ihrer Frau begleichen. Ich denke, sie hat ein paar Leute hier auf Tequila eingeladen. Ich werde unsere Patientin einstweilen hier rausbringen. Ist das in Ordnung?«

Er hielt seinem älteren Freund die Handtasche von Irene hin. Das kleine Grinsen war nur für Will erkennbar, der im Moment aussah, als ob er kurz vor dem Explodieren stand, doch er nickte, während er ihm die Tasche abnahm.

»Ja, gut. Doktor Hetfield.« Der bedrohliche Unterton war nur für Julian hörbar, doch dieser lächelte ihm besonders freundlich zu.

»Danke, Sir. Es wird höchste Zeit für ihre Medikamente.«

Ohne sich noch weiter mit belanglosem Geplaudere aufzuhalten, hob er Irene hoch und trug sie aus dem Lokal. Niemand hielt ihn auf.

MISTY DEW 1

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