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Der Berggeiger

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Rudi Kraxler ist bekannt in den Bergen rund um den Schluchtensee. Er ist dort fast schon so etwas wie eine Berühmtheit. Denn Rudi ist wohl der einzige Berggeiger der Welt. Er begleitet so manchen Wanderer ein Stückchen auf seinem Weg und spielt ihm die schönsten Melodien auf der Geige vor. Zum Beispiel: „Das Wandern ist des Müllers Lust“. Oder: „Im Frühtau zu Berge“. Oder: „Auf unsrer Wiese gehet was“. Das ist schon eine kleine Attraktion, und viele Menschen kommen extra wegen Rudis Musik zum Schluchtensee. Die meisten Wanderer geben ihm ein kleines Trinkgeld als Dankeschön. Aber es gibt auch welche, die gehen einfach weiter und tun so, als hätten sie Rudi gar nicht gehört. Und dann gibt es welche, die schimpfen und beschweren sich über die Lärmbelästigung. So einer war der Brackmüller Schorsch. Der hatte eigentlich gar keine Lust gehabt aufs Bergsteigen, aber sein Arzt hatte ihm viel Bewegung empfohlen, das sei gut für sein Herz. Also stapfte der Brackmüller Schorsch missmutig schnaubend den Weg hinauf zum Jodler Horn.

Die Sonne schien. Bah! Der Schorsch ärgerte sich. Lästig, diese grellen Sonnenstrahlen! Am Wegesrand plätscherte ein kleiner Gebirgsbach. Eine Zumutung! Wasser kommt aus dem Wasserhahn, da braucht man keinen Bach dazu! Und dann hörte er Rudis Geige. Das auch noch! Geigenmusik hatte ihm gerade noch gefehlt. „Aufhören!“ schnauzte er Rudi an. „Sofort aufhören!“

Aber Rudi war nicht irgendein Berggeiger – Rudi war vor allem ein sehr kleiner und auch sehr listiger Berggeiger. Rudi setzte seine Geige ab. „Aber wieso denn?“ fragte er, „Musik beflügelt und macht auch das Bergsteigen leichter. Das ist wissenschaftlich erwiesen. Ihr Hausarzt wird sich freuen“. Der Schorsch horchte auf. „Aha, soso, ja wenn das so ist. Dann kommen Sie halt mit“ grummelte er. „Alles klar“, freute sich Rudi, und weil er manchmal auch ein fauler Geiger war, hüpfte er dem Schorsch auf die Schultern und setzte sich in dessen Rucksack. Der Schorsch wollte schon wieder schimpfen über das zusätzliche Gewicht auf dem Buckel, da beschwichtigte ihn Rudi: „Rückentraining! Ist ganz wichtig, hilft gegen Kreuzschmerzen.“ „Ah so, ja wenn das so ist“, brummelte der Schorsch und setzte sich langsam und keuchend in Bewegung, während Rudi zu geigen anfing.

Nach einer Weile kamen sie an einer Berghütte vorbei. Rudi bestellte sich aus dem Rucksack heraus eine Maß Apfelschorle und einen Schweinsbraten mit Knödeln. Während der Schorsch weiterschlurfte, saß Rudi im Rucksack und verspeiste gutgelaunt sein Essen. „Ich hätt‘ auch Hunger“, meldete sich der Schorsch. „Also, Schweinsbraten ist ganz ungesund und zu viel Trinken soll man ja auch nicht, weil man sonst zu schwer wird.“ Das leuchtete dem Schorsch nicht so recht ein, aber zum Streiten war er schon zu erschöpft. Er ging einfach weiter. Als Rudi mit dem Essen fertig war, fing er an, Holzstücke vom Boden auf zu klauben und in den Rucksack zu stecken. „Was machst du da?“ wollte der Schorsch wissen. „Ich sammle Feuerholz, falls mal wieder der Winter kommt“, antwortete Rudi. „Der Winter?“ Schorsch wunderte sich. Sein Rucksack wurde immer schwerer. „Moment mal!“ rief Rudi da. „Bitte kurz stehen bleiben! Stehenbleiben muss man unbedingt üben, dann wird der Gleichgewichtssinn besser. Und ich muss ein Foto von dieser tollen Aussicht machen! Und noch eins. Nein, das war nichts. Noch eins.“

Es dauerte ungefähr drei Stunden, bis Rudi fertig war mit Fotografieren. Der Schorsch war solange stehengeblieben. „Jetzt aber schnell“ spornte ihn Rudi an. „Damit du noch die Gondel ins Tal erwischst.“ Zur Gipfelstation war es nicht mehr weit, und als sie ankamen, erwischte der Schorsch gerade noch die letzte Gondel. Schnell setzte er sich hinein. Rudi verabschiedete sich: „Ich wünsche eine gute Heimfahrt, und grüß mir den Erwin!“ „Erwin? Wer ist Erwin?“ Aber da war die Gondel schon losgefahren. Jetzt merkte Schorsch, dass er nicht alleine in der Gondel saß. „Hallo, ich bin Erwin, der Bergbahntrompeter“, sagte sein Gegenüber und fing an zu spielen.

„Neiiiiiin! Aufhören! Alle aufhören!“ brüllte der Schorsch. Er sprang aus der Gondel, kullerte ein Stück die Wiese hinab und rannte wie ein Verrückter Richtung Tal. So schnell hatte man den Schorsch noch nie laufen gesehen. Am Schluchtensee jedenfalls ließ er sich nie wieder blicken.

Pauline hat keine Lust

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