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Von Kometen und Sternschnuppen

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Sommer 1997

"Hey, wo treffen wir uns kommendes Wochenende? Oder fällt der Unterricht dieses Mal aus?" Thorstens Freund Alex stand im Seglerdress, nass bis auf die Knochen, auf dem Steg und schöpfte beständig Wasser aus seiner Jolle. Der schlanke, blonde Kerl, den man im Allgemeinen als Sunny Boy bezeichnet hätte, blickte über seine Schulter und Thorsten reichte ihm ein Handtuch und entgegnete: "Bei Kilian, soweit ich weiß. Unsere Eltern dürfen uns wieder fahren."

"Oh ja, richtig. Werde ich froh sein, wenn ich endlich den Führerschein habe! Nur noch 2 Jahre!"

"Juhu! FREIHEIIIT!" grölte Thorsten hoffnungsvoll und schwenkte seinen Blick auf das aufgewühlte Wasser des kleinen Baggersees, an dem die beiden Freunde häufig segelten. Starke Böen pfiffen durch die Masten und kräuselten das Wasser. "Kommst Du gleich noch einmal mit aufs Wasser? Das wird ein Spaß!" Alex war allseits als kleiner Draufgänger bekannt und ließ sich auch bei Starkwind nicht vom Segeln abhalten. "Ne, lass mal gut sein. Einmal baden reicht für heute." grinste Thorsten zurück.

Ein Schauer lief ihm über den Rücken, als er an jene tückische Stelle auf dem See dachte, wo Fallwinde das Segeln zur Herausforderung machten. Eine plötzliche Böen, die ebenso schnell verschwand, wie sie gekommen war, hatte seinen 420er binnen Sekunden platt auf die Wasseroberfläche gedrückt und ihn sind feuchte Nass befördert. Pitschnass war er zurück zum Steg gesegelt und den Segeltag vor Kälte zitternd für sich beendet.

Alex, der ebenfalls einer besonders tückischen Böe zum Opfer gefallen war, beendete seine Trocknungsversuche. "Okay, dann machen wir Schluss für heute. Morgen soll das Wetter eh besser werden."

Die beiden packten kurzerhand ihre Sachen und radelten nach Hause.

"Uuuh, es ist Samstag. Jo, in einer halben Stunde haben wir Unterricht für den Segelschein!" Thorsten drängelte. Alex saß noch gemütlich am Frühstückstisch und konnte sich nicht zwischen Schinken oder Salami entscheiden. "Mein Vater wartet schon draußen, gib mal Gas!"

Kauend warf Alex sich seinen Rucksack über und sprang in seine Schuhe.

"Können wir?!"

"Ja, ja. Mach doch keinen Stress!" meckerte er und zog hinter sich die Haustüre zu.

Gerade noch pünktlich klingelten die beiden Freunde an Kilians Haustür. Sein Elternhaus, ein großzügiges Reihenhaus in mitten einer Spielstraße, lag in der kleinen Nachbarstadt und war für die beiden Jungs nur mit Hilfe der Eltern in angemessener Zeit zu erreichen. Kilian öffnete die Tür und bat die sie herein. "Wir sitzen unten im Keller. Marcel ist auch schon da." verkündete er.

Marcel, ihr Jugendwart im Segelverein. Ein eigenwilliger Mensch, der sich jedoch stets Mühe mit der Jugendarbeit gab. Eine Tätigkeit, die ihm jedoch später unrühmlich aberkannt wurde - man warf ihm zu deutliche Zuneigung zu kleinen Kindern vor und warf ihn aus dem Verein.

Doch zu jenem Zeitpunkt lagen all diese unschönen Ereignisse noch in weiter Ferne.

Thorsten und Alex, gefolgt von Kilian, stiegen die knarrenden Stufen ins Untergeschoss hinab und betraten das kleine, mit schlichten Möbeln eingerichtete Zimmer. Lernmaterial für den Segelschein türmten sich auf dem Boden und verrieten, um was es heute gehen würde: Beleuchtung von Schiffen in der Nacht. Thorsten verzog das Gesicht: "Das kann ja heiter werden, so viele verschiedene Beleuchtungen. Wahnsinn!" Er schob die Unterlagen unmotiviert zur Seite. "Ein bisschen mehr Motivation, wenn ich bitten darf." lachte Marcel. "Ja ja, schon gut. Lass uns mal anfangen." gab Thorsten zurück.

Hatte man die Regeln der Schiffsbeleuchtung einmal verstanden, waren sie doch gar nicht so kompliziert, fand Thorsten nach einer Weile. In munterer Runde gingen sie Kapitel für Kapitel durch. Bald würden sie sich schon für die Prüfung anmelden können, freute sich Thorsten innerlich. Während er noch ganz in Gedanken an die Prüfung versunken war, klopfte es an der Tür, die sich sogleich öffnete. Frau Förster, Kilians Mutter, steckte den Kopf durch die Tür. "Ich habe hier noch jemanden, der gerne bei Euch mitmachen würde." verkündete sie mit heiterer Stimme und drückte die Tür weiter auf. "Das ist meine Tochter, Katharina. Kilians Schwester." Ein allgemeines Hallo ging um und alle rückten etwas zusammen, um dem neuen Gruppenmitglied Platz zu machen.

Thorsten musterte den Neuankömmling von oben bis unten und stellte für sich fest: "Etwas schüchtern, aber schauen wir mal." Wie er Jahre später reflektierend feststellte, hatte er in dieser Situation etwas Entscheidendes nicht bemerkt: einen unhörbaren Knall. Den Knall eines aufschlagenden Kometen, des Kometen namens Katharina, der sich fest in sein Herz gebohrt hatte und dort einen deutlich sichtbaren Abdruck hinterließ. Oder war es doch eher eine klaffende Wunde, die niemals richtig verheilen wollte? Und war sie nun eine wunderschöne Sternschnuppe oder ein rauer Komet? Von all dem ahnte er noch nichts.

Abends im Bett dachte Thorsten noch einmal über den Tag nach. "Diese Katharina", erkannte er "sie ist...besonders." Doch vermochte er noch nicht mehr zu erkennen. Er hatte sich nicht Hals über Kopf in sie verliebt, eher hatte er sie kritisch beäugt. Doch sie strahlte einen gewissen Reiz aus, dessen Bedeutung er jedoch mit seinen gut 16 Jahren nicht zu beschreiben vermochte. Er atmete tief aus, als er sich auf die Seite rollte. Sie war nur ein Mädchen und zudem zwei Jahre jünger als er. "14! Fast noch ein Kind!" empörte er sich und schlief ein.

Rote Tulpe

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