Читать книгу Tausche Mann gegen Therapieplatz - Anja Pauli - Страница 5

Geheimniskrämerei

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Unser nächstes Treffen gestaltete sich ziemlich schwierig, denn es war mitten in der Woche und da konnte ich Robin unmöglich bei meinen Eltern übernachten lassen.

Also müsste sich Sebastian mal auf seine Pflichten als Vater besinnen.

Er hatte ja auch schon Erfahrung mit der Obhut kleiner Kinder, hatte er doch in den letzten vier Jahren ganze zwei Mal auf unseren Kleinen aufgepasst, also aller guten Dinge sind drei.


Ich griff zum Telefon und rief Sebastian in der Firma an.

„Martin“, meldete er sich.

„Ja, ich bin es Karina. Ich bin heute Abend spontan von Beate eingeladen worden und ich möchte gerne hin.“ Ich musste schnell eine Bekannte aus dem Hut zaubern, die Sebastian nicht gut kannte!

„Und wo liegt das Problem?“

„Es liegt darin, dass jemand auf Robin aufpassen müsste und ich dachte mir dieser jemand bist du.“

„Nee, tut mir Leid, ich habe ausgerechnet heute Abend keine Zeit.“


Ja, ausgerechnet heute Abend und wie war das mit den übrigen knapp 1.800 Tagen der letzten vier Jahre, überlegte ich still, bevor ich laut weiter machte.

„Und ob du mal Zeit hast“, fiel ich ihm wütend ins Wort, um mir jetzt nicht all’ die wichtigen Dinge wie die Eishockeyübertragung bei einem Freund, oder der Saunagang oder das Treffen im Biergarten mit gleich mehreren Freunden als Ausrede anhören zu müssen.

„Du musst nur mal auf deinen Sohn aufpassen, du erinnerst dich bestimmt, der kleine süße blonde Stöpsel, der neben deinem Schlafzimmer wohnt!“

„Nun werde nicht gleich zickig, ich arbeite ja schließlich auch acht Stunden am Tag und da habe ich abends eben keinen Nerv mehr auf Kindergeschreie.“

„Ja, selbstverständlich, wie konnte ich das vergessen, und deshalb gehst du jeden Abend deinem Vergnügen nach, während ich ja nur tagtäglich den Haushalt mache, noch nebenbei als freie Journalistin arbeite, mich intensiv mit Robin beschäftige, und dann abends alleine vor dem Fernseher oder dem Computer sitze. Du mit meinem ersparten Auto durch die Gegend fährst, während ich hier in unserem Kaff festsitze und die einzige Abwechslung darin liegt, mich mit zwanzig weiblichen Personen, die aufgehört haben Frau zu sein als sie Mütter wurden, bei der wöchentlichen Turn- und Spielgruppe zu treffen. Der gemeinsame Gesprächsstoff ist ähnlich abwechslungsreich, angefangen bei den neuesten Windelangeboten und aufgehört bei den aktuellsten Brotbackrezepten (...denn Kindern kauft man selbstverständlich kein fertiges Brot, viel zu wenig Kohlenhydrate und Blablabla). Und dann kommst du spätabends nach Hause und fragst mich „Na mein Schatz, was gibt es denn Neues?“ und ich antworte „Nichts mein Schatz, alles beim Alten“. Darauf deine Antwort „Jetzt siehst du, warum ich mich lieber mit meinem Freunden treffe, mit dir kann man ja nicht mal mehr reden, jeden Abend höre ich die gleiche Antwort“. Soso. Ich redete mich in Rage. „Schön Sebastian und heute Abend könntest du so nett sein nach deinem harten Arbeitstag, mal ruhig vor dem Fernseher sitzen und dich richtig entspannen. Langweilige Konversation brauchst du ja auch nicht zu fürchten, denn ich bin ja nicht da.“

„Okay, ich schau mal“, damit legte er auf.


Ich verabredete mich mit Hajo bei einem Bekannten für 22 Uhr.

Um Viertel vor zehn war Sebastian noch nicht da.

Das Telefon klingelte.

„Ja?“ meldete ich mich.

„Ich bin es, Sebastian. Tut mir leid es wird später, ich bin hier bei meinen Eltern und mein Auto springt nicht an.“

„Sebastian, man wartet auf mich und es ist sowieso schon reichlich spät, dann leihe dir doch bitte das Auto von deiner Mutter“, sagte ich gereizt.

Im Thema Ausleihen und nicht zurückgeben hatte er doch Erfahrung, denn mit meinen Sachen funktionierte das doch prima.


Nach weiteren fünf Minuten hatte ich ihn überzeugt zu kommen.

Siedendheiß fiel mir ein, dass Sebastian nun an dem Haus meines Bekannten vorbeifahren würde, wo ich mich mit Hajo verabredet hatte. Was, wenn er draußen warten würde? Dann würde Sebastian ihn sicherlich, bei meinem Glück, gleich sehen. Schließlich hat man in solchen Situationen schon einen gewissen Anflug von Verfolgungswahn!

Schnell griff ich zum Hörer und wählte die Autotelefonnummer meines Bekannten Dieter und bat ihn, die Verabredung in die Wohnung zu verlegen.


Unruhig erwartete ich Sebastian und fuhr bald nach seiner Ankunft völlig entnervt, aber übereifrig zu meinem Bekannten.

Hajo war wirklich da!

Er nahm mich in seine Arme und schien mich auch ohne Worte zu verstehen.

Warum sollte ich also diesen Mann verlassen?

Mein Ego gewann die Oberhand.

Er drückte mich kräftig an seinen „wohlgeformten“ Bauch.

Nach einer Tasse Kaffee verabschiedeten wir uns bei meinem Bekannten und fuhren ziellos durch die Gegend.


Am Rhein hielten wir dann an und machten einen romantischen Spaziergang am Wasser entlang. Nach einer Weile setzten wir uns ins Gras und unterhielten uns.

„Glaube misch, ich hab Verständnis für disch und Geduld und ich werde warten bis du alles jeregelt has, denn ich will mich nicht vorstellen disch zu verlieren. Du bedeutest mich einfach unglaubbar viel.“

Autsch! Das tat weh in den Ohren.


Ein paar Redewendungen und der richtige Einsatz von Fremdwörtern waren ihm nicht ganz geläufig, gut, das hatte ich ja schon bemerkt, auch war er eine ganz große Nummer in Sachen Plattdeutsch, dass er mit der deutschen Grammatik jedoch völlig auf dem Kriegspfad stand, realisierte ich entsetzt in dieser Nacht. Vorher hatten wir ja auch noch nicht so viel geredet...

Und das, wo mein Vater ein fanatischer Verfechter des deutschen Genitivs war, der sich schon aufregte wenn mir mal ein ,wegen dem Stuhlbein‘ anstatt ,wegen des Stuhlbeines‘ herausrutschte.

Ich stellte mir vor wie er sich mit meinem Vater unterhalten würde. „Juten Tach Herr Marleaux, isch bin der Hajo Hübner und isch bin der neue Freund von dem Karina und misch liecht wirklich viel daran, das se misch akzeptieren. Ich danke Sie dafür.“


Karina jetzt bist du aber wirklich zickig, nur die Absicht zählt.

So lange du ihn noch verstehen kannst! Ist es doch nicht schlimm.


Es wurde langsam hell, Samstag würden wir uns wiedersehen. Wirklich nur noch Samstag.


Wir hatten uns zum Kinobesuch verabredet. Markus und Alexandra wollten auch mitgehen, und so trafen wir uns alle um 20 Uhr bei Alexandra. Einen Pressetermin hetzte ich vorher ab, und als ich ankam standen die anderen bereits vor der Tür.

Hajo schien augenscheinlich sehr viel Wert auf eine öffentliche Zurschaustellung seines angezüchteten Bauchumfangs zu legen, denn er trug einen weißen Blouson, der seine Rundungen auch für die rosaroteste Brille klar und deutlich zur Geltung brachte.

Noch überlegend, ob sich meine Finger wohl bei einer Umarmung hinter seinem Rücken treffen könnten, oder ob schon bei der Mitte seiner Taille die Spannweite meiner Arme vollends ausgeschöpft war, kam er auf mich zu, drückte mich an eben diesen Umfang und flüsterte mir zärtlich ins Ohr: „Hallo mein Schatz, wie hab isch misch jewünscht endlich wieder bei disch zu sein. Ich habe disch so vermisst.“

Ja, ich dich doch auch.

Von dem Kinofilm bekamen Hajo und ich nicht viel mit!

Aber ich muss sagen, es war der prickelndste Film, den ich je gesehen habe. Ein Schauer nach dem anderen lief mir über den Rücken, also muss er wohl gut gewesen sein. Der Film selbstverständlich!

Beim anschließenden Essen erfuhren wir dann im Wesentlichen die Handlung des Films, damit wir bei eventuellen Nachfragen wenigstens wussten, ob es sich nun um einen Action,- Horror- oder Liebesfilm gehandelt hatte.


Direkt nach dem Dessert und auf einen Kaffee verzichtend verabschiedeten wir uns von den anderen und gingen zum Auto, fuhren lange durch die Gegend und entschlossen uns dann am nahen Golfplatz zu parken.

Beim regen Austausch von Zärtlichkeiten – wobei der tiefe Blick in die Augen denn doch nicht mehr so wichtig war – beschloss ich, erst einmal nichts zu beschließen und alles auf mich zu kommen zu lassen und GENIESSEN!


Als es hell wurde und der Drang zur Toilette stärker wurde als der Drang nacheinander, starteten wir den Wagen in Richtung unseres Bekannten Dieter.

Um unser Eintreffen um 6.30 Uhr morgens war er zwar nicht sichtlich erbaut, dennoch luden wir uns zum Kaffee ein.

Der sichtlich müde Dieter erzählte uns, dass er gleich zu einem Reitturnier müsste und fragte, ob wir nicht mitkommen wollten. Einem ausgiebigen Frühstück, das bei diesen Veranstaltungen üblicherweise angeboten wurde, konnten wir nichts entgegensetzen und so beschlossen wir, dass dies eine wunderbare Idee sei.


Auf dem Turnierplatz angekommen stürmten wir gleich zum Frühstücksbuffet und deckten uns mit reichlich Proviant ein. Zwischen Kaffee und Brötchen – Hajo trank Bier – gesellten sich langsam einige Turnierteilnehmer zu uns.

„Sag mal, zu wem gehört die Frau neben dir?“ fragte einer der Teilnehmer.

Jetzt bloß keinen Fehler mein Lieber!

„Welche?“ Die Unwissenheit in Hajos Gesicht hätte wirklich jeden überzeugt...

„Da, die neben dir“, beharrte der Teilnehmer.

„Wer?“ Hajo sich immer noch dummstellend und Karina gänzlich in die andere Richtung schauend.

„Na die Blonde neben dir. Nun stell dich nicht so blöd an, ich habe euch doch eben zusammen ankommen gesehen, aber wenn du sie nicht kennst, gehe ich zu ihr und finde es selber raus.“

Jetzt wurde es brenzlig!

„Wag es disch, dass is meine Freundin“, hörte ich Hajo sagen.


Er lachte. Verführerstolz unverkennbar.


Das durfte doch nicht wahr sein, da sprachen wir keine zwei Stunden vorher die ganze Geschichte ausgiebig durch, dass zunächst keiner etwas erfahren sollte und da kommt der Erstbeste, fragt nach und mein lieber Hajo sagt: „Das ist meine Freundin“.

Ich sah dem anderen nach und dann wieder zu Hajo und bemerkte, dass meine rosarote Brille deutlich an Farbe verlor.


Ja, so einfach konnte man einen vielversprechenden Tag schnell beenden. Bevor auch noch andere kommen würden und Hajo mich gleich allen als seine Zukünftige vorstellen würde, hatte ich nur noch einen Wunsch. Weg! Weg! Weg!


Wir fuhren schweigend nach Hause. Hajo setzte mich bei meinen Eltern ab und begann sofort wieder auf Zärtlichkeiten bei unserer Verabschiedung zu bestehen.

Vor dem Haus meiner Eltern! Was, wenn sie zufällig herauskommen würden!? Also ich glaube langsam musste ich doch mal etwas klarstellen.

„Also dann, ich rufe dich die Tage mal an“, sagte ich schon aussteigend.

„Wann?“

„Ich denke übermorgen.“

„Warum nicht morjen?“

Wie sollte ich ihm jetzt bloß freundlich klarmachen, dass ich an einer so festen Beziehung mit ihm nicht interessiert war? Erstens war ich mir überhaupt nicht im Klaren darüber, was ich eigentlich für ihn empfand, und zweitens wollte ich mich nicht von einer Beziehung in die nächste stürzen. Und, und das war das Wichtigste, er wusste zwar von Robin, hatte es bis jetzt aber vermieden von ihm zu sprechen oder ihn, wie auch immer, mit einzubeziehen. Solange es in aller Heimlichkeit geschah, fand ich es Okay, es hatte eben auch etwas Besonderes an sich, er war etwas ganz für mich alleine. Wenn es erst öffentlich werden würde, dann kämen auf kurz oder lang auch Probleme auf uns zu und das wollte ich am allerwenigsten.

Probleme hatte ich in meiner Ehe genug, jetzt wollte ich nur GENIESSEN.

„Ich rufe dich an, morgen oder übermorgen“, verabschiedete ich mich mit einem schnellen Kuss.

Zu einem ernsten Gespräch hatte ich jetzt wirklich keine Lust.


Kaum hatte ich den Schlüssel im Haustürschloss meiner Eltern herumgedreht, da kam Robin auf mich zugeschossen. „Mama, Mama, guck.“

Stolz präsentierte er mir den neuen Sandkasten, den der stolze Opa mit ihm aufgebaut hatte. Ich musste lachen, denn obwohl er erst wenige Minuten dort stehen konnte, war schon mehr Sand auf dem Rasen, als in der Sandkiste. Ich holte mir etwas zu trinken und dann backten wir gemeinsam Sandkuchen, verteilten Sandeis an Oma und Opa und boten auch den Nachbarn etwas von unserem leckeren Sandauflauf an.


Gegen Nachmittag fuhr ich in den Reitstall, um ein Stündchen auszureiten, zu relaxen und mir klar darüber zu werden, was ich eigentlich wollte und was ich partout nicht wollte.


Kaum dort angekommen traf ich auf Karin.

„Hallöchen“, zwitscherte sie mit ihrem ,ach-Du-bist-doch-meine-beste-Freundin‘-Gehabe. „Wie geht es dir denn so? Wir haben uns ja schon lange nicht gesehen. Ich wollte dich ja immer mal anrufen, aber weißt du Termine, Termine“, endete sie mit einem tiefen Seufzer in ihrem so arg gestressten Dasein den Satz.

„Gibt es was Besonderes?“ fragte ich schon vorahnend der Dinge die da kommen mögen.

„Ja, also, es geht um den Hajo. Bitte erzähle es keinem weiter, du weißt doch die Leute reden sowieso schon genug. Hm, also ich wollte dich fragen, ob wir den nicht mal in seinem Stall besuchen könnten, denn Schützenfest war irgendwie viel zu schnell vorbei und ich hatte kaum Gelegenheit dem näherzukommen. Jetzt wo du ja bei ihm gelegentlich Unterricht nimmst, kennst du ihn ja näher.“

Ja ich kannte ihn näher!

Auf die Idee, dass ich ihn vielleicht schon viel, viel näher kennen könnte, kam sie nicht!


„Ja und wann?“ fragte ich sie, denn die komische Situation, wenn sie mit ihren Flirtkünsten auf Granit beißen würde, wollte ich mir eigentlich nicht entgehen lassen.

„Was spricht gegen morgen?“

Sie war aber auch schnell.

Am darauffolgenden Tag besuchten wir also gemeinsam Hajo in seinem Reitstall. Karin huschte schon aus dem Auto, als der Wagen noch nicht ganz stand.

Hajo, natürlich vorgewarnt, machte „gute Miene zum bösen Spiel“ und im Verlauf des Abends musste ich feststellen, dass er zu schauspielerischer Höchstleistung auflaufen konnte, wenn er wollte. Oder war es Ernst?


Als meine äußeren Mundwinkel beinahe an den Boden zu stoßen drohten, bat Hajo mich einen Augenblick mit in eine ruhigere Ecke zu kommen, denn er hätte noch etwas, was er mir geben müsste.

Oh Gott, doch nicht etwa einen Korb?!


Aber nein, im Stall umarmte er mich zärtlich und entschädigte mich so minutenlang für mein bisheriges „eigentlich nicht Vorhandensein“ mit zahlreichen Küssen, Komplimenten, Versprechungen undsoweiterundsofort.

Ja, so gefiel er mir. Aber ich sollte ruhig noch ein bisschen weiter beleidigt sein. Dann hätte er es hoffentlich fürs nächste Mal gelernt, solche Spielchen nicht zu übertreiben.


Während der gesamten Heimfahrt musste ich mir Karins Schwärmereien anhören.

„Mann Karina, ist das ein toller Mann!“

Ja ist er.

„Hast du gesehen, wie er mich angeschaut hat?“

Ja hab' ich.

„Ich glaube schon, dass ich da Chancen hätte, meinst du nicht auch?“

Nein meine ich nicht!!! Hoffe ich jedenfalls.

„Endlich mal ein netter Mann, der obendrein noch solo ist“, seufzte sie.

Jetzt hör endlich auf!

Stumm lachte ich vor mich hin, wenn du wüsstest, liebe Karin, wem du da gerade dein Herz ausschüttest! Pure Gehässigkeit machte sich breit.


Das nächste Mal trafen wir uns dann wieder alleine, und es wurde ein netter Abend. Ich hatte es nicht über mich gebracht mit ihm über das heikle Thema bezüglich unserer Geheimniskrämerei zu sprechen. Er war einfach zu lieb und sein Profil einfach zu schön.


Donnerstag sollte unsere Episode weitergehen.


Tausche Mann gegen Therapieplatz

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