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5 Donnerstag

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Er saß angespannt an seinem Schreibtisch und sah sich einige Blätter durch. Daten über Daten. Alle sollten in einer gemeinsamen Liste eingetragen werden. Das würde noch etwa eine Stunde in Anspruch nehmen. Als sich die Tür zu seinem kleinen Büro öffnete, war er fast erleichtert.

"Kommst du? Der Chef hat jetzt sofort eine Besprechung angesetzt. Lass alles liegen. Schnell. Irgendwas ist passiert."

Er nickte dem jungen Mann zu und stand auf. Das gekippte Fenster ließ er so, wie es war. Die Besprechung fand wie üblich im großen Raum des zweiten Stocks statt. Die beiden liefen die Treppe hoch. Weitere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen folgten ihnen schweigend. Im großen Raum nahmen alle leise flüsternd Platz. Der Chef stand bereits mit dem Rücken zum Tisch. Er schien gedankenverloren aus der großen Fensterfront zu starren. Als der letzte Kollege die Tür hinter sich schloss, saßen oder standen alle in kleinen Gruppierungen beisammen. Der Chef drehte sich um. Gerade als er zu seiner Rede ansetzen wollte, öffnete sich die Tür und ein paar Nachzügler kamen herein.

"Also, wenn nun alle anwesend sind, muss ich Ihnen leider eine schlechte Nachricht überbringen", sprach er und blickte die etwa vierzig Anwesenden nacheinander an. "Unser allseits geschätzter Steuerberater Günther Schwab ist tot", fuhr er fort, wurde aber von lautem Stimmengewirr unterbrochen. Die Mitarbeiter sahen ihn ängstlich und ungläubig an.

"Er wurde erstochen. Die Polizei wird morgen vorbeikommen und Befragungen durchführen. Ich bitte Sie, ihre Fragen ehrlich zu beantworten, um unnötige weitere Untersuchungen zu vermeiden. Das große Problem an der Sache ist, dass wir jetzt keinen Steuerberater mehr haben. Jemand muss die Sache erstmal übernehmen und mit mir koordinieren. So ist sichergestellt, dass Sie alle Ihr Geld am Ende des Monats auf dem Konto haben. Herr Eberle, würden Sie sich bitte darum kümmern? Wenn Sie Unstimmigkeiten finden, melden Sie sich sofort bei mir. Ich werde zusehen, dass ich einen adäquaten Nachfolger innerhalb der nächsten Woche finde. Noch Fragen?"

Keiner wagte es, sich nach dieser schrecklichen Nachricht auch nur zu bewegen. Herr Eberle war der erste, der eine Frage stellte:

"Muss ich den Beamten sämtliche Unterlagen aushändigen, die Herrn Schwab betreffen?"

"Das klären Sie vorher mit mir ab. Ich werde Rechtsanwalt Hartmann zu Rate ziehen", bestimmte der Chef.

"Weiß man denn schon, wann die Beerdigung stattfindet?", fragte eine blonde junge Dame. Ein paar Tränen liefen ihr über die Wangen.

"Voraussichtlich nächsten Mittwoch, wenn die Polizei mitspielt. Ich werde veranlassen, dass Sie ihn alle auf seinem letzten Weg begleiten dürfen. An diesem Tag bleibt die Firma zu. Schließlich ist er hier ein- und ausgegangen. Er kannte viele von Ihnen persönlich. Daher denke ich, dass dies im Interesse aller ist. Nun gut, Sie wissen Bescheid, gehen Sie bitte wieder an die Arbeit. Bei weiteren Fragen bin ich in meinem Büro erreichbar. Das war es. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit."

Die Kollegen erhoben sich langsam und verließen den Raum. Auch er ging in der Menge mit. Keinem fiel das leichte Zittern in seinen Händen auf. Erst als er sein kleines Büro erreichte, konnte er durchatmen. Um sich zu beruhigen, ordnete er die Blätter auf seinem Tisch neu. Doch das Zittern ließ nicht nach. Jetzt würde es ernst werden. Er durfte sich durch nichts verraten. Sonst wäre alles kaputt. Doch das Zittern hörte einfach nicht auf.

Fast panisch zog er die oberste Schublade heraus und griff nach der Dose mit den Beruhigungspillen. Er nahm einen großen Schluck aus seiner Wasserflasche. Die Tablette sollte laut Beschreibung auf der Packungsbeilage recht schnell wirken. Er hoffte es. Er konnte sich jetzt keinen Patzer erlauben. Nicht nach dem Zusammenstoß mit dem Steuerberater. Irgendwie hatte er eine Ahnung gehabt, dass dieser der Firma schaden wollte.

Der Druck, es vor allen geheim halten zu müssen, nagte an seinem Selbstwertgefühl. Seine Depressionen waren verstärkt zurückgekehrt, seit er die Antidepressiva nicht mehr nahm. Aber der Mann hatte dafür bezahlt. Mit jedem einzelnen Stich.

Stinkender Verdacht

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