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Dreizehntes Kapitel.

Die Rückkehr zur Pflicht.

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»Mein lieber Gilbert, ich wollte, Du versuchtest es, etwas liebenswürdiger zu sein, sagte meine Mutter eines Morgens nach einer Kundgebung ungerechter, übler Laune von meiner Seite. »Du sagst, daß Du nichts habest und nichts vorgefallen sei, was Dich betrüben könne, und doch habe ich noch nie einen Menschen in so wenigen Tagen so verändert gesehen, wie Dich. Du hast für keinen Menschen ein freundliches Wort — Freunde wie Fremde, Gleichstehende wie Untergebene — es ist dies alles eins. Ich wollte, Du versuchtest, dem Einhalt zu thun.«

»Wem Einhalt zu thun?«

»Nun, Deiner seltsamen Laune; Du weißt nicht, wie schlecht sie Dir steht; es gibt wirklich keinen besseren Charakter, wie der Deine von Natur ist, wenn Du ihm nur freies Spiel gäbest — damit kannst Du Dich also nicht entschuldigen.«

Während sie mir so Vorstellungen machte, nahm ich ein Buch, legte es offen vor mir auf den Tisch und that, als ob ich von demselben ganz in Anspruch genommen wäre; denn ich vermochte ebensowenig, mich zu rechtfertigen, als ich meine Irrthümer zugestehen wollte, und wünschte über den Gegenstand gar nichts zu sagen — aber meine vortreffliche Mutter fuhr fort, mir vorzupredigen, und kam dann ins Schmeicheln, und begann mir das Haar zu streicheln, und ich fing schon an, mich wieder als einen guten Jungen zu fühlen; als mein muthwilliger Bruder, der sich müßig im Zimmer herumtrieb, meine Verderbtheit wieder neu belebte, indem er rief: »Rühr’ ihn nicht an, Mutter, er beißt! er ist ein wahrer Tiger in Menschengestalt! Ich meines Theils habe ihn aufgegeben — geradezu enterbt — mit Wurzel und Stamm aus meinem Herzen gerissen — ich bin in Lebensgefahr, wenn ich ihm auf sechs Schritte zu nahe komme. — Neulich hat er mir beinahe den Schädel zerschlagen, weil ich ein hübsches, unschuldiges Liebeslied sang, um ihn ein wenig zu erheitern.«

»O, Gilbert, wie konntest Du das thun!« rief meine Mutter.

»Du weißt« Fergus, daß ich Dir vorher gesagt habe, daß Du Deinen Spektakel einstellen sollst,« sagte ich.

»Ja, aber als ich Dir versicherte, daß es mir nun ganz und gar keine Mühe mache, und den zweiten Vers anfing, da ich dachte, daß er Dir besser gefallen würde, packtest Du mich bei der Schulter und warfst mich mit solcher Gewalt dort an die Wand, daß ich dachte, ich hätte mir die Zunge entzweigebissen, und sie mit meinem Gehirn bespritzt zu sehen erwartete, und als ich meine Hand an den Kopf hielt und fand, daß er nicht zerschmettert war, hielt ich es für ein Wunder und weiter nichts. Aber der arme Bursche, fügte er mit einem sentimentalen Seufzer hinzu — »sein Herz ist gebrochen — das ist die reine Wahrheit — und sein Kopf ist —«

»Willst Du jetzt den Mund halten!« schrie ich, aufspringend und den Burschen so grimmig anblickend, daß meine Mutter, welche dachte, daß ich ihm eine schwere Verletzung zuzufügen beabsichtige, ihre Hand auf meinen Arm legte und mich bat, ihn gehen zu lassen, worauf er gemächlich mit den Händen in den Hosentaschen hinausging, und mir zum Aerger sang:

»Das Lieben ist nun aus 2c.«

»Ich werde mir die Finger nicht an ihm beschmutzen,« antwortete ich auf die Vorstellungen meiner Mutter, »ich würde ihn nicht mit der Zange angreifen.«

Jetzt entsann ich mich, daß ich mit Robert Wilson in Bezug auf den Kauf eines an mein Gut stoßenden Feldes zu thun hatte — ein Geschäft, welches ich von Tag zu Tag verschoben; denn ich nahm jetzt an nichts mehr Antheil, und war überdies menschenfeindlich gesinnt, und hatte außerdem eine besondere Abneigung, mit Jane Wilson oder mit ihrer Mutter zusammenzutreffen, denn obgleich ich jetzt nur zu guten Grund besaß, ihren Gerüchten in Bezug auf Mrs. Graham Glauben zu schenken, so waren sie mir dadurch doch um kein Haar lieber geworden — ebenso wenig, als Elise Milward — und der Gedanke an eine Begegnung mit ihnen war mir um so mehr zuwider, als ich jetzt nicht mehr, wie früher, ihren anscheinenden Verläumdungen Trotz bieten und in meinen eignen Ueberzeugungen triumphieren konnte.

Heute aber beschloß ich, eine Anstrengung zu machen, um wieder zu meiner Pflicht zurückzukehren. Obgleich ich kein Vergnügen davon zu erwarten hatte, war es doch weniger unangenehm, als das Nichtsthun — jedenfalls aber vortheilhafter; wenn mir das Leben keinen Genuß in meinem Berufe versprach, so bot es mir doch wenigstens außer demselben keine Lockungen und von nun an wollte ich meine Schulter an das Rad stimmen und mich abmühen wie ein armer Kartengaul, der zu seiner Arbeit gehörig abgerichtet war, und durchs Leben schleichen, wenn auch nicht mit Freuden, doch, nicht ganz nutzlos, und wenn nicht mit meinem Schicksale zufrieden, doch ohne mich zu beklagen.

Unter diesen Entschlüssen begab ich mich mit einer Art von mürrischer Resignation, wenn man einen solchen Ausdruck gebrauchen darf, auf den« Weg nach Ryecot, obgleich ich kaum erwartete, den Besitzer zu dieser Stunde des Tages zu Hause zu finden, hoffte aber, zu erfahren, in welchem Theile des Gutes er wahrscheinlich zu finden sein würde

Er war allerdings nicht zu Hause, wurde aber in wenigen Minuten erwartet, und man forderte mich auf, in das Wohnzimmer zu treten, bis er komme. Mrs. Wilson war in der Küche beschäftigt, das Zimmer aber nicht leer, denn Miß Wilson saß darin und schwatzte mit Elise Milward. Ich beschloß jedoch, kalt und höflich zu sein. Elise schien ihrerseits den gleichen Entschluß gefaßt zu haben. Wir waren seit dem Abend der Theegesellschaft nicht zusammengetroffen, aber es zeigte sich keine freudige, noch schmerzliche Aufregung, — kein Versuch zum Pathos — keine Kundgebung von gekränktem Stolzes sie war kaltblütig und benahm sich höflich. Ihre Miene und ihr Wesen besaßen selbst eine Ruhe und Heiterkeit, woraus ich keinen Anspruch machte; in ihrem zu ausdrucksvollen Auge lag jedoch eine tiefe Bosheit, die mir deutlich sagte,, daß mir keine Verzeihung zu Theil geworden sei; denn obgleich sie nicht mehr hoffte, mich für sich zu erringen haßte sie ihre Nebenbuhlerin doch noch immer und war offenbar entzückt, ihr Gift an mir auszulassen. Andrerseits war Miß Wilson zuthulich und höflich, wie es das Herz nur wünschen konnte, und obgleich ich selbst nicht in gesprächiger Laune war, gelang es den beiden Damen doch ein fortwährendes . Feuer von Geschwätz zu unterhalten. Elise benutzte jedoch die erste Pause, welche sich ihr darbot, um zu fragen, ob ich in der letzten Zeit Mrs. Graham gesehen habe, und that dies in einem Tone bloßer zufälliger Erkundigung, aber mit einem Seitenblicke, welcher scherzhaft-heiter sein sollte, wirklich aber von Bosheit überströmte.

»In der letzten Zeit nicht,« antwortete ich nachlässigen Tones, wobei ich jedoch ihre odiösen Blicke mir meiner Augen streng zurückwies; denn ich ärgerte mich, zu fühlen, wie mir trotz meiner Anstrengungen, mich unbewegt zu zeigen, das Blut in die Stirn stieg

»Wie! fangen Sie schon an, ihrer müde zu werden? Ich dachte doch, daß ein so herrliches Geschöpf Sie wenigstens auf ein Jahr zu fesseln im Stande sein würde.«

»Ich bitte Sie, jetzt nicht von ihr zu sprechen.«

»Ach, so sind Sie also endlich von Ihrem Irrthum überzeugt — Sie haben endlich entdeckt, daß Ihre Göttin nicht ganz die fleckenreine —«

»Ich habe gebeten, daß Sie nicht von ihr sprechen möchten, Miß Elise —«

»O, ich bitte um Entschuldigung! ich sehe, daß die Pfeile Amors für Sie zu scharf gewesen sind; die Wunden sind tiefer als in die Haut gegangen und noch nicht zugeheilt — und bluten jedesmal bei der Erwähnung der Geliebten von Neuem!« —

»Sagen Sie lieber,« unterbrach sie Miß Wilson, »Mr. Markham fühlt, daß ihr Name unwürdig ist, in Gegenwart ehrbarer Frauenzimmer erwähnt zu werden; es wundert mich, Elise, daß Sie daran denken können, von der unglückseligen Person zu sprechen. Sie sollten doch wissen, daß die Erwähnung ihres Namens für Alle hier keineswegs angenehm sein kann.«

Wie sollte ich dies ertragen? Ich stand auf und wollte eben den Hut auf den Kopf stülpen und in grimmigem Zorne aus dem Hause stürzen, bedachte aber noch gerade zu rechter Zeit, um meine Würde zu retten, die Thorheit eines solchen Benehmens, und daß dasselbe meine Quälgeister nur auf meine Kosten zum Lachen bringen würde — und noch dazu um eines Wesens willen, welches ich in meinem Herzen als des geringsten Opfers unwürdig erkannt hatte — wenn mich auch das Gespenst meiner früheren Achtung und Liebe noch so verfolgte, daß ich ihren Namen von Andern nicht schmähen hören konnte. — Ich trat daher bloß an das Fenster, und nachdem ich einige Sekunden mit zornigem Nagen an meiner Lippe zugebracht und das leidenschaftliche Klopfen meines Herzens streng unterdrückt hatte, bemerkte ich gegen Miß Wilson, daß ich von ihrem Bruder noch nichts wahrnehmen könne, und fügte hinzu, daß es, da meine Zeit kostbar wäre, vielleicht besser sein würde, wenn ich morgen zu einer Stunde, wo ich ihn sicherer zu treffen erwarten könne, wiederkommen würde.

»O nein,« sagte sie, »wenn Sie nur eine Minute warten, so werden Sie ihn gewiß treffen in L. (so hieß die Stadt nach welcher wir unsre Produkte zu Markte brachten) und wird einiger Erfrischungen bedürfen, ehe er geht.«

Ich unterwarf mich daher mit der bestmöglichen Miene und brauchte glücklicherweise nicht lange zu warten. Mr. Wilson kam bald, und so wenig ich in diesem Augenblicke auch zu Geschäften aufgelegt war und so wenig mir auch an dem Felde oder dessen Eigenthümer lag, zwang ich doch meine Aufmerksamkeit mit höchst lobenswerther Entschlossenheit auf den vorliegenden Gegenstand und schloß schnell den Handel ab — wahrscheinlich zur größeren Zufriedenheit des geldliebenden Gutsbesitzers, als er kund zu geben Lust hatte.

Hierauf überließ ich ihn dem Genusse seines kräftigen Frühmahls, verließ das Haus und ging hinweg, um nach meinen Mähern zu sehen.

Ich ging von diesen hinweg, nachdem ich gesehen, daß sie auf dem Thalgange fleißig arbeiteten, stieg den Hügel hinauf, da ich ein Kornfeld in den höheren Regionen zu besuchen gedachte und wollte zuschauen, wenn dieses zur Ernte geeignet sein würde. Ich besuchte es aber an jenem Tage nicht — denn beim Näherkommen bemerkte ich in nicht großer Entfernung Mrs. Graham und ihren Sohn, die mir gerade entgegenkamen. — Sie sahen mich und Arthur lief schon auf mich zu, aber ich wendete mich augenblicklich um und lenkte nach Hause ein, denn ich war fest entschlossen, nie wieder mit seiner Mutter zusammenzutreffen. Ohne auf die Kinderstimme in, meinen Ohren zu achten, welche mir zurief: »Einen Augenblick zu warten,« verfolgte ich meinen Weg und er stellte bald das Nacheilen als hoffnungslos ein oder wurde von seiner Mutter zurückgerufen. Auf alle Fälle war, als ich mich fünf Minuten später Umsah, von Keinem von Beiden eine Spur zu erblicken.

Dieser Vorfall bewegte und regte mich aus höchst — unerklärliche Weise auf — außer wenn Sie dies dadurch erklären wollen, daß Sie sagen: Amors Pfeile seien nicht nur für mich zu scharf, sondern auch mit Widerhaken versehen und zu tief eingedrungen und ich noch nicht im Stande gewesen, sie aus meinem Herzen zu reißen. Wie dem auch sein mochte, so wurde ich dadurch doch auf den übrigen Theil des Tages doppelt elend gemacht.

Wildfell Hall

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