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Vorwort

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Lieber Freund!

Erinnere Dich! Du warst ein so lieber Kerl. Zwar hattest Du nicht viel gelernt und Dein Drang, Dich zu bilden, war mit den Jahren nicht größer geworden. Du pfiffst auf die Kultur – schon damals, als wir anderen es noch nicht taten.

Aber Du besaßt Gemüt und Takt und hattest etwas so Gütiges und Gerades – wie soll ich es bezeichnen? – mein Vater nannte es Herzensbildung und schätzte es höher als angelerntes Wissen.

Zwar schwiegst Du, wenn wir von den Theosophen, von Plato, Nietzsche, von neuen Erfindungen, von Kunst und Literatur oder gar von Politik sprachen. Ach ja! das taten wir damals und kamen uns so gescheit vor.

Aber wir liebten Dich und wußten, was wir an Dir hatten: Einen echten unverbildeten Menschen, zu dem wir mit jedem Kummer unsres Herzens kamen.

Und dann kam der Krieg.

Da geschahʼs, daß eines Tages in Deinen Laden, in dem Du – ich weiß nicht einmal was – verkauftest; warʼs Leder oder waren es Felle und ähnliche, bis dahin wenig beachtete Dinge? – jedenfalls: in Deinen Laden kam ein Herr in reichem Pelz, mit vielen Ringen auf den Fingern. Du fragtest ihn noch seinem Begehren. Und er erwiderte:

»Ich will nichts. Ich bringe!«

»Was bringen Sie?« fragtest Du. Und er sagte:

»Das Glück.«

Du lächeltest und fragtest:

»Wie sieht das aus?«

Da zog er ein Kuvert aus der Tasche und breitete vor Dir in endloser Reihe braune Reichsbankscheine aus.

»Das alles gehört Ihnen,« sprach er. – »Und tausendmal mehr werden Sie hinzuverdienen, wenn Sie mich als Teilhaber bei sich aufnehmen.«

»Lieber Mann,« erwidertest Du – »Sie sind toll! Wie sollte das geschehen?«

Da erklärte er Dir die Methode. Er sprach vom Kriege, von Ausnutzung der Konjunktur und ähnlichen Dingen.

Du fühltest instinktiv, daß das – wenn auch nicht Verbotenes, so doch etwas war, was zu Dir und Deiner Art nicht paßte.

Du sagtest: »nein!« – und wiest ihm die Tür.

Und abends saßen wir, wie so oft, beieinander. Und Du erzähltest uns Dein Erlebnis. Da waren wir es, die Dir rieten, nach dem Glück zu greifen, das sich Dir bot.

Du tatest es. Nicht gern. Aber im Vertrauen auf unsere Klugheit, auf uns, die wir Dich kannten und die wir ja wissen mußten, ob das das Glück, Dein Glück war.

Ein paar Tage später war er Dein Teilhaber geworden.

Und dann folgte lange nichts. Wir sahen und hörten nichts voneinander. Hier- und dahin trieb uns die Zeit.

Da, nach Jahren, saßen wir eines Abends alle wieder beieinander. Keiner von uns hatte sich verändert. Nur Du!

Du kamst in reichem Pelz, mit vielen Ringen auf den Fingern und erzähltest von Deinen Erfolgen. Aber Du seist nicht wie die andern, sagtest Du, die nur das leicht verdiente Geld verprassen, ohne an ihre geistige Fortentwicklung zu denken. Du hattest nicht nur Millionen gehäuft, Du hattest Dich auch gebildet. Du sprachst von Theosophie, von Nietzsche und Plato, von Literatur und Kunst; sogar von Politik sprachest Du. Und was Du sagtest, war nicht dumm. Aber wo war Dein Gemüt und Takt, wo das Gütige und Gerade – wie soll ich es bezeichnen? – mein Vater nannte es Herzensbildung und schätzte es höher als angelerntes Wissen – geblieben? Das, um dessen willen wir Dich liebten.

Wir sahen bald: Du warst ein anderer geworden. Wir hatten Dich verloren!

Am nächsten Tage schrieben wir Dir einen Brief und baten Dich, nicht mehr zu kommen. —

Wir haben viel verloren – damals, als wir Dir rieten und Du unserem Rate folgtest.

Ob auch Du in späten Tagen einmal bereuen wirst?

Vielleicht schon dann: wenn Du dies Buch liest, eine der erweiterten Stegreifgeschichten, die wir uns an den Montag-Abenden zu erzählen pflegten, die ich niederschrieb und Dir als letzten Gruß unserer Tafelrunde widme.

Lebʼ wohl!

Dr. Artur Landsberger

Die neue Gesellschaft

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